Empfehlung 98 (2001)1 betreffend den Entwurf einer Weltcharta der lokalen Selbstverwaltung Stand der Diskussion

Der Kongress, mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Gestützt auf die Schlussfolgerungen der zweiten Konferenz der Vereinten Nationen über die menschlichen Siedlungen (HABITAT II), die 1996 in Istanbul stattfand und in deren Folge das Zentrum der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (CNUEH-Habitat) sowie der Weltverband für die Koordination der Städte und Gemeinden (WACLAW) 1998 ein Konsultationspapier betreffend ihre Zusammenarbeit bei der Erarbeitung einer Weltcharta der lokalen Selbstverwaltung (im folgenden "Entwurf einer Weltcharta" genannt) unterzeichneten;

2. In Anbetracht der durch Frau G. DOGANOGLU (Türkei, G) an der 6. Tagung des KGRE namens der damaligen Arbeitsgruppe für die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung vorgelegten Stellungnahme Nr 12 (1999);

3. Erinnernd an die Tatsache, das die genannte Stellungnahme einen durch die gemeinsame Expertengruppe CNUEH/WACLAW ausgearbeiteten ursprünglichen Entwurf der Weltcharta betraf, der sich an die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung anlehnte;

4. In Anbetracht der Tatsache, dass der Entwurf der Weltcharta in insgesamt 8 regionalen Konferenzen diskutiert wurde, an welchen Gemeindevertreter aus über hundert Ländern und Vertreter von rund fünfzig zentralstaatlichen Verwaltungen teilnahmen;

5. In Anbetracht der Tatsache, dass die in diesen Konferenzen empfohlenen Änderungen und Ergänzungen anlässlich einer am Sitz des CNUEH-Habitat in Nairobi am 13. und 14. Februar 2000 stattgefundenen Expertenrunde in den Entwurf integriert worden sind und zu einem zweiten Entwurf einer Charta geführt haben, dem einstimmig zugestimmt wurde;

6. Feststellend, dass dieser zweite Entwurf sich vor allem auf die rechtliche und verfassungsmässige Grundlage und Reichweite der lokalen Selbstverwaltung konzentriert und die für die lokale Ebene geeigneten Verwaltungsstrukturen, die Zuständigkeiten und Finanzmittel der lokalen Gemeinschaften und die Modalitäten ihrer Kontrolle durch den Staat, die Beteiligung der Bürger an der Ortsverwaltung sowie die Zusammenarbeit der Ortsgemeinschaften auf der nationalen und der internationalen Ebene festlegt;

7. Den von den Herren G. Engel (Deutschland) und A. Lloyd (Vereinigtes Königreich) über den Stand der Vorarbeiten zu der Sondertagung der Vereinten Nationen "Istanbul +5" sowie über den Entwurf der Weltcharta verfassten Bericht zur Kenntnis nehmend;

8. Die erheblichen Meinungsunterschiede zur Kenntnis nehmend, die sich bei der Prüfung der Idee und Notwendigkeit einer Weltcharta der lokalen Selbstverwaltung (12.-23. Februar 2001) unter den Mitgliedern der Kommission für menschliche Siedlungen zeigten (die im Nachgang zur Konferenz der Vereinten Nationen über die menschlichen Siedlungen (HABITAT II) gefassten Beschlüsse figurieren im Anhang);

9. Bedauert, dass im gegenwärtigen Stadium noch keine offizielle Zustimmung dazu vorliegt, den Entwurf der Weltcharta auf die Tagesordnung der Sondertagung der Vereinten Nationen "Istanbul +5" (2.-6. Juni 2001) zu setzen;

10. Bedauert, dass einige Delegationen das Ziel einer Weltcharta ablehnten und sich dem Konzept und Inhalt des Entwurfs der Charta entschieden widersetzten;
11. Bedauert, dass es an der letzten Sitzung der Kommission für menschliche Siedlungen, ungeachtet der von allen Teilnehmern bekundeten Anerkennung der fundamentalen Bedeutung von Dezentralisationsproblemen, nicht gelungen ist, die bis dahin informelle Diskussion in ein förmliches zwischenstaatliches Übereinkommen überzuleiten;

12. Begrüsst jedoch die Tatsache, dass die Bildung einer Arbeitsgruppe zur erneuten Prüfung der Frage einer Weltcharta für die 19. Kommissionssitzung im Jahre 2003 vorgeschlagen wurde;

13. Nimmt das allgemeine Einverständnis hinsichtlich der Fortführung und Intensivierung des Dialogs zwischen allen Regierungsebenen und den Partnern des Programms HABITAT (eingangs durch das Komitee der Ständigen Vertreter und auf anderen geeigneten Wegen) betreffend alle Fragen im Zusammenhang mit Dezentralisierung und wirksamer Stärkung der Ortsgemeinschaften, einschliesslich der Prinzipien und gegebenenfalls des erforderlichen rechtlichen Rahmens für die Umsetzung des Habitat-Programms, zur Kenntnis;

14. Wiederholt seine Ansicht, wonach die Weltcharta mit dem Ziel entworfen wurde, ein Instrument für die dauerhafte Entwicklung der Ortsgemeinschaften zu schaffen, das, wenn es angenommen wird, unzweifelhaft zur verstärkten Beteiligung der Bürger am Prozess der Entscheidungsfindung auf lokaler Ebene, zur lokalen wirtschaftlichen Entwicklung unter gesunden Bedingungen und zur Verbesserung der sozialen Kohäsion in den Städten und Regionen der ganzen Welt beiträgt;

15. Ist zudem der Meinung, dass eine Weltcharta dank demokratischen Ortsgemeinschaften ähnlich zur Dezentralisierung beitragen wird, wie dies die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung in den zentral- und osteuropäischen Ländern tut, und dass sie mit Sicherheit zur Stärkung der finanziellen und institutionellen Leistungsfähigkeit dieser Gemeinschaften und zur Gewährleistung ihrer Transparenz, Verantwortung und Bevölkerungsfreundlichkeit beitragen wird;

16. Fordert das Ministerkomitee und die Parlamentarische Versammlung des Europarats dringend auf, ihre Unterstützung des Projekts einer Weltcharta auf zwischenstaatlicher und parlamentarischer Ebene erneut zu bekräftigen, indem sie ihre Vertreter bei den Institutionen der Vereinten Nationen (vor allem auch in der Kommission für menschliche Siedlungen) in diesem Sinne instruieren.

Anhang

Achtzehnte Sitzung
Nairobi, 12.-16. Februar 2001
TOP 5

FOLGEARBEITEN ZU DEN BESCHLÜSSEN DER KONFERENZ DER VEREINTEN NATIONEN ÜBER DIE MENSCHLICHEN SIEDLUNGEN (HABITAT II)

INTENSIVIERUNG DES DIALOGS ÜBER DIE DEZENTRALISIERUNG UND DIE WIRKSAME STÄRKUNG DER LOKALGEMEINSCHAFTEN [IM RAHMEN DER UMSETZUNG DES PROGRAMMS HABITAT]

Entschliessungsentwurf vorgelegt durch Frankreich, Italien, Norwegen, Schweden, Vereinigtes Königreich von England und Nordirland, Vereinigte Staaten von Amerika

Die Kommission für menschliche Siedlungen,

In Erinnerung rufend, dass die Regierungen an der zweiten Konferenz der Vereinten Nationen über die menschlichen Siedlungen (Habitat II) vom Juni 1996 in Istanbul sich zu den Zielen der Dezentralisierung der Befugnisse und Mittel, je nach Bedarf, sowie der Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf die für die Erfüllung der Bedürfnisse der Bewohner in ihren Siedlungen günstigste Ebene bekannten, welche die Führung vor Ort ermöglicht, das demokratische System fördert und die Lokalverwaltung stärkt, sodass sich alle Schlüsselakteure wirksam für die Entwicklung von Obdach und menschlichen Siedlungen einsetzen können,

Im weiteren daran erinnernd, dass die Regierungen in der Erklärung von Istanbul die lokalen Gemeinschaften als ihre nächsten Partner und als unerlässlich für die Umsetzung des Programms Habitat anerkannten,

Mit Befriedigung zur Kenntnis nehmend die Vertiefung der Partnerschaft auf internationaler Ebene zwischen der Kommission der Vereinten Natiionen für menschliche Siedlungen, den lokalen Gemeinschaften sowie deren internationalen Verbänden,

Anerkennend, dass die Dezentralisierungspolitiken von dem Prinzip geleitet werden müssen, wonach die bürgernächste Regierungsebene es ist, auf welcher die Entscheidungen getroffen und die Dienste erbracht werden sollen - dies unter Berücksichtigung der Art der betreffenden Entscheide und Dienste und innerhalb des rechtlichen Rahmens eines jeden Landes,

Zur Kenntnis nehmend den durch die geschäftsführende Leiterin der achtzehnten Sitzung der Kommission vorgelegten Bericht über Dezentralisierung und die Stärkung der Lokalgemeinschaften und ihrer Netze mit dem Ziel der Umsetzung des Programms Habitat (HS/C18/3/add.1),

Mit Befriedigung feststellend die international zunehmende Tendenz zur Dezentralisierung und zur Stärkung der lokalen Gemeinschaften, um sich den Herausforderungen zu stellen, die das 21. Jahrhundert im Bereich der menschlichen Siedlungen bereithält,

Erinnernd an die in Artikel 12 der Erklärung von Istanbul aufgezählten Ziele,

Überzeugt, dass der Dialog über Dezentralisierung einer erfolgreichen Umsetzung des Programms Habitat auf allen Ebenen neuen Aufschwung geben wird,

Bezug nehmend auf die grossen Meinungsverschiedenheiten, die zwischen den Kommissionsmitgliedern anlässlich der Prüfung des Berichts HS/C/18/3/Add.1 der geschäftsführenden Direktorin zutage traten hinsichtlich eines internationalen Rahmens2 für die Dezentralisierung und die Stärkung der Ortsgemeinschaften und deren Netzen zum Zwecke der Umsetzung des Programms Habitat,

1. Bittet die geschäftsführende Leiterin, vorerst durch die Vermittlung des Komitees der ständigen Vertreter und andere geeignete Möglichkeiten, den Dialog zwischen allen Verwaltungsebenen und den Partnern von Habitat über sämtliche Fragen im Zusammenhang mit einer wirksamen Dezentralisierung und Stärkung der Ortsgemeinschaften einschliesslich der Grundsätze und gegebenenfalls des rechtlichen Rahmens hierfür zwecks Unterstützung der Umsetzung des Programms Habitat zu intensivieren,

2. Fordert die geschäftsführende Leiterin auf, diesen Dialog so offen und umfassend zu gestalten wie möglich,

3. Bittet die geschäftsführende Leiterin ausserdem, an der nächsten Sitzung der Kommission über die hierbei erreichten Fortschritte zu berichten.

 

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeiden am 30. Mai 2001 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 31. Mai 2001 (siehe Dok. CPL (8) 5, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch die Herren G. Engel und A. Lloyd, Berichterstatter)

2 Einschliesslich der Idee und Notwendigkeit einer Weltcharta der lokalen Selbstverwaltung oder entsprechender anderer Konzepte