Empfehlung 157 (2004)1 über die Gemeinde- und Regionaldemokratie in Georgien

Der Kongress

1. Unter Hinweis auf:

a. Artikel 2 Abs. 1 der statutarischen Entschließung (2000)1 des Ministerkomitees, mit welcher der KGRE beauftragt wurde, Länderberichte über die Situation der Gemeindedemokratie in Mitgliedstaaten (sog. Monitoring-Berichte) zu erstellen;

b. seine Entschließungen 31 (1996), 58 (1997) und 106 (2000), in denen Leitlinien für die Erstellung der oben erwähnten Länderberichte festgelegt wurden;

2. Bezieht sich auf:

a. die Entschließung 1257 (2001) und die Empfehlung 1533 (2001) der Parlamentarischen Versammlung zur Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen Georgiens, beide verfasst als Bestandteil ihres eigenen Monitoring-Verfahrens unter ausdrücklichem Bezug auf die Schlussfolgerungen des KGRE hinsichtlich der Situation der Gemeindedemokratie in Georgien;

b. die Empfehlung 1580 (2002) der Parlamentarischen Versammlung zur Situation in Georgien und ihre Folgen für die Stabilität in den Gebieten des Kaukasus;

c. die Entschließung (99) 4 des Ministerkomitees, mit der Georgien aufgefordert wurde, Mitglied des Europarats zu werden;

3. Stützt sich auf:

a. die Berichte der Delegationen des Kongresses, die im Rahmen des Monitoring-Verfahrens zur Überwachung der Regionalwahlen und der Wahl des Präsidenten der Republik in der Adscharischen Autonomen Republik (Georgien) am 4. November 2001, der Regionalwahlen zum Adscharischen Obersten Rat (Supreme Council) am 20. Juni 2004 sowie der georgischen Kommunalwahlen am 2. Juni 20022 entsandt wurden;

b. den aus Anlass des Beitritts Georgiens zum Europarat erstellten und vom Präsidium (sog. Bureau) am 21. Dezember 1998 gebilligten Bericht zur Situation der örtlichen und regionalen Demokratie in Georgien3;

4. Nach Prüfung des Berichts des Institutionellen Ausschusses über die Situation der Gemeinde- und Regionaldemokratie in Georgien, den die Berichterstatter Ian Micallef (Malta, L) und David Shakespeare (Vereinigtes Königreich, R)4 nach drei offiziellen Besuchen der Berichterstatter im März und im September 2003 und im März 2004 u.a. in Tbilissi, Kutaisi, Poti und Batumi (Adscharische Autonome Republik) verfasst hatten;

5. Dankt

a. den Vertretern der Parlaments-, Präsidial- und Regierungsbehörden Georgiens für die gute Zusammenarbeit und ihre konstruktiven Beiträge zur Organisation des Besuchsprogramms der Monitoring-Beauftragten des Kongresses, wobei es allerdings bedauerlich war, dass die Delegation keine gewählten Vertreter der besuchten Städte und – mit Ausnahme der Adscharischen Autonomen Republik - keine Gouverneure der Regionen treffen konnte und das geplante Treffen mit den Vertretern der Parlamentsfraktion der Bürgerunion Georgiens in letzter Minute abgesagt wurde;

b. den Vertretern des Informationsbüros des Europarats und dem Sonderbeauftragten des Generalsekretärs in Georgien Plamen NIKOLOV für ihren wertvollen Beitrag zur Organisation der drei Besuche der Delegation des Kongresses in Georgien;

c. den Vertretern der Regionalvereinigungen der georgischen Kommunalverwaltungen und den im Lande tätigen internationalen Nichtregierungsorganisationen;

6. Stellt fest, dass die nach der Unabhängigkeitserklärung Georgiens am 9. April 1991 eingeleitete Gemeindeverwaltungsreform einen radikalen und dramatischen Bruch mit dem straff zentralisierten System der Sowjetzeit darstellt. Der Erfolg dieser Reform hängt zu einem großen Teil von der einheitlichen Anwendung der Grundsätze und Grundwerte der Gemeinde- und Regionaldemokratie im Lande ab, die vor allem in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung niedergelegt sind;

7. Bemerkt, dass der Reformprozess nur ganz langsam vonstatten ging und immer noch auf ernste Schwierigkeiten und Herausforderungen stößt, die durch den fortdauernden Stillstand der Bemühungen um eine Lösung der Regionalkonflikte in Abchasien und Südossetien, aber auch durch den Mangel an innenpolitischer Stabilität und Übereinstimmung in Fragen der Zukunftsgestaltung noch komplizierter wurden;

8. Begrüßt in diesem Zusammenhang den klar geäußerten Wunsch der georgischen Behörden, mit der Dezentralisierung im Lande fortzufahren, um den Gemeindebehörden zu gestatten, einen großen Teil der öffentlichen Aufgaben im Einklang mit Artikel 3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung eigenverantwortlich zu erledigen;

9. Ist der Überzeugung, dass der Prozess der Dezentralisierung, der ja automatisch die Übertragung von Befugnissen von der Zentralregierung auf die Gemeinden mit sich bringt, eine echte Gelegenheit bietet, die Teilnahme der Bürger auf Gemeindeebene zu fördern und zu zeigen, dass die Gemeindedemokratie eine Voraussetzung für die politische und wirtschaftliche Stabilität im Lande darstellt;

10. Begrüßt die Tatsache, dass das georgische Parlament die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung ratifiziert hat, was für die Stärkung der Gemeindedemokratie in dem Land wesentlich ist und klar den Willen des Landes zeigt, die bei seinem Beitritt zum Europarat eingegangenen Verpflichtungen und Engagements einzuhalten;

11. Bedauert nichtsdestoweniger, dass Georgien:

a. seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, binnen drei Jahre nach seinem Beitritt zum Europarat, das Europäische Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder –behörden und seine Zusatzprotokolle zu unterzeichnen;

b. noch immer nicht das (bereits unterzeichnete) Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifiziert hat;

12. Ist beunruhigt, dass noch immer keine neue nationale Delegation zum Kongress benannt wurde, was zur Folge hatte, dass gewählte Vertreter Georgiens von ihrer Arbeit ausgeschlossen blieben, da die Sechs-Monats-Frist zur Benennung neuer Delegierter nach stattgefundener Wahl abgelaufen ist;

13. Wünscht in Anbetracht des Vorausgegangenen die Aufmerksamkeit der Präsidial-, Parlaments- und Regierungsbehörden der Republik Georgien auf folgende Überlegungen und Empfehlungen zu lenken:

14. Überlegungen und Empfehlungen allgemeiner Art:

a. beim Beitritt zum Europarat verpflichteten sich die georgischen Behörden, mit den demokratischen Reformen im Lande, insbesondere auf dem Gebiet der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung, fortzufahren und sich weiterhin um wesentliche Fortschritte bei der Erfüllung der von Georgien übernommenen Pflichten und Verpflichtungen zu bemühen, unter anderem auch hinsichtlich der Gemeinde- und Regionaldemokratie. Zwar war kürzlich ein gewisser Fortschritt bei der Ausarbeitung eines gesetzlichen Rahmens für die Gemeindeverwaltungen zu beobachten, aber es bleibt noch sehr viel mehr zu tun, um die Gesetzgebung in Einklang mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung zu bringen;

b. in diesem Zusammenhang wird die neueste Ratifizierung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung durch das georgische Parlament den gesetzlichen Rahmen für die Gemeindeverwaltung im Lande festigen und der künftigen Gesetzgebung auf diesem Gebiet eine klare Richtung vorgeben. Außerdem würde dadurch unmissverständlich klar gemacht, dass Georgien bereit ist, seine beim Beitritt zum Europarat übernommenen Pflichten und Verpflichtungen zu erfüllen;

c. auch der verfassungsmäßige Rahmen für die kommunale und regionale Selbstverwaltung bedarf stärkerer Ausprägung;

14.1 Überlegungen und Empfehlungen besonderer Art:

A. In Bezug auf die Gemeindedemokratie:

14.1.1 Verfassungsmäßige und gesetzliche Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung (Artikel 2 der Charta):

a. auch wenn der Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung in der Verfassung klar erwähnt wird, so wird er doch von der Souveränität des Staates abhängig gemacht. Diese Formulierung bedeutet, dass die kommunale Selbstverwaltung als verfassungsmäßiges Konzept lediglich als Hilfsmittel staatlicher Gewalt und Souveränität gesehen und dieser untergeordnet wird. Angesichts der weitreichenden Vollmachten des Präsidenten Georgiens, „die repräsentativen Organe der kommunalen Selbstverwaltung zu suspendieren oder zu entlassen, falls ihre Tätigkeit die Souveränität des Landes oder die Ausübung der verfassungsmäßigen Autorität der staatlichen Behörden innerhalb des Landes beeinträchtigt“ (Artikel 73.1.h der Verfassung), kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Verfassung die Möglichkeit ernsthafter Einschränkungen der kommunalen Selbstverwaltung vorsieht;

b. das Gesetz über die Regierungsgewalt und die kommunale Selbstverwaltung erkennt ausdrücklich das Recht der georgischen Bürger auf kommunale Selbstverwaltung an (Artikel 2.1.) und unterscheidet dabei klar zwischen der Staatsgewalt und dem eigenen Wirkungskreis der Gemeinden als Grundprinzip der kommunalen Selbstverwaltung (Artikel 6.h.). Diese Bestimmung entspricht den Mindestanforderungen der Charta;

c. angesichts der vorausgegangenen Anmerkungen empfiehlt der Kongress, dass die zuständigen Behörden der Republik Georgien die Möglichkeit einer Neufassung der oben erwähnten Formulierung in der Verfassung und/oder die Ausarbeitung eindeutiger Rechtsvorschriften zur Schlichtung etwaiger Interessenkonflikte und zum Schutz ihrer Gebietshoheit erwägen;

14.1.2 Das Konzept der kommunalen Selbstverwaltung (Artikel 3.1):

a. die gegenwärtige Gesetzesbestimmung definiert den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden als „das Recht, die Möglichkeit (opportunity) und die Verantwortlichkeit der Bürger Georgiens, Angelegenheiten von örtlicher Bedeutung unabhängig und eigenverantwortlich zu regeln“.... Es entspricht damit grundsätzlich der entsprechenden Bestimmung in der Europäischen Charta;

b. da es jedoch die Absicht der Charta ist, den Gemeinden eine breit gefächerte Palette von Befugnissen, die sie auf örtlicher Ebene wahrnehmen können, zu übertragen und sie nicht bloß auf ihre Rolle als Erfüllungsgehilfen übergeordneter Stellen zu beschränken, bedarf die oben zitierte Formulierung näherer Prüfung;

c. in dieser Hinsicht kann der Ausdruck „Angelegenheiten von örtlicher Bedeutung“ nicht akzeptiert werden, da in Wirklichkeit die meisten öffentlichen Angelegenheiten sowohl örtliche als auch staatliche Auswirkungen haben und die Zuständigkeit hierfür im Verlauf der Zeit wechseln kann5. Außerdem fehlt eine klare Definition der Gemeindeautonomie (d.h. des eigenen Wirkungskreises) beim Vollzug der den Gemeinden übertragenen Vollmachten und Befugnisse;

d. ferner stützt sich das Gesetz auf eine klare Zweiteilung zwischen „Angelegenheiten von örtlicher Bedeutung“ einerseits und Angelegenheiten von „staatlicher Bedeutung“ andererseits und zwar in dem Maße, dass die ersteren zum „eigenen“, die letzteren jedoch zum „übertragenen Wirkungskreis“ der Gemeinden zählen (Artikel 1.4.);

e. bezüglich der Forderung, dass Gemeinden in der Lage sein sollten, einen „großen Teil der öffentlichen Aufgaben“ eigenverantwortlich wahrzunehmen, ist festzustellen, dass den örtlichen Dienststellen in ihrer Eigenschaft als Staatsbehörden auffallend viele und bedeutende Aufgaben im Bildungswesen, im kulturellen Bereich, im Gesundheitswesen, in der Wohlfahrtspflege usw. übertragen wurden. Aufgaben dieser Art gehören aber eher zum Kernbereich örtlicher Interessen. Dadurch, dass sie der kommunalen Selbstverwaltung entzogen werden und die Gemeinden sich auf Dinge beschränken müssen, die keinerlei überörtliche Auswirkungen haben, entsteht die Gefahr, sie in eine nebensächliche Rolle zu verbannen;

f. der jetzige Zustand kann als Grundlage einschränkender Praxis gegenüber den Gemeinden verstanden werden;

g. außerdem hat der im Gesetz gebrauchte Ausdruck „Möglichkeit (opportunity)“ den Beigeschmack von „bei passender Gelegenheit“ oder „wenn sich eine gute Gelegenheit bietet“. Das entspricht aber nicht ganz dem, was mit dem Konzept der kommunalen Selbstverwaltung in der Europäischen Charta gemeint ist. Ganz im Gegenteil geht die Charta, wenn sie von „in der Lage sein (ability)“ spricht, von dem Gedanken aus, dass zum gesetzlichen Recht, „einen wesentlichen Teil der öffentlichen Aufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen“, auch die nötigen Mittel zu ihrer wirksamen Erfüllung – und zwar im eigenen Wirkungskreis - gehören6;

h. in Anbetracht des Gesagten empfiehlt der Kongress, dass die zuständigen Behörden Georgiens:

i. dafür sorgen, dass die Bestimmungen der Charta, die beinhalten, dass die den Gemeinden übertragenen Aufgaben einen wesentlichen Teil der öffentlichen Aufgaben ausmachen müssen, in der Praxis auch eingehalten werden;

ii. die oben zitierte Formulierung in Artikel 1 des derzeitigen Gesetzes neu fassen und so in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Charta bringen;

14.1.3 Vollmachten und Befugnisse der Gemeinden (Artikel 4 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung):

a. der allgemeine gesetzliche Rahmen enthält eine klare Definition der kommunalen Selbstverwaltungsbehörden wie in Artikel 4.1 der Charta vorgesehen. Das derzeitige Gesetz über die Regierungsgewalt und die kommunale Selbstverwaltung unterscheidet in seiner Fassung vom August 2001 klar zwischen den Befugnissen der Legislativorgane und Exekutivorgane der kommunalen Selbstverwaltung und auch zwischen den ausschließlich eigenen, übertragenen und freiwillig übernommenen Aufgaben der Gemeinden;

b. den Gemeinden wurden jedoch weit weniger eigenverantwortliche Aufgaben als wünschenswert übertragen, d.h. ihr eigener Wirkungskreis ist noch weit entfernt davon, umfassend zu sein;

c. allgemein lässt sich sagen, dass die Vollmachten und Befugnisse der Gemeinden Georgiens recht beschränkt sind, wie oben aufgezeigt wurde (Absätze 14.1.2 b, c, d und e), und keinesfalls einen Großteil der öffentlichen Aufgaben7 ausmachen, wie das in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung8 gefordert wird;

d. hinzukommt, dass die Übertragung von Aufgaben an die Gemeinden über die (staatlichen) Bezirksverwaltungen (sog. Rayons) läuft und die Möglichkeit der Gemeinden, im eigenen Wirkungskreis örtliche Probleme in den geschützten Bereichen des Gesundheitswesens, des Bildungswesens, des kulturellen Lebens, der Freizeitgestaltung und des Sports zu lösen, im neuen Gesetz praktisch ausgeschlossen wird;

e. die Bezirksverwaltungen haben weitgehend freie Hand, ad-hoc Aufgaben an die kommunale Selbstverwaltung zu übertragen, doch ist das gesetzliche Verfahren hierfür noch ziemlich unklar;

f. auf der anderen Seite haben die (staatlichen) Bezirksverwaltungen die Befugnis, „den kommunalen Haushalt zu genehmigen, seine Einhaltung zu überwachen und in Übereinstimmung mit der georgischen Gesetzgebung die Einführung oder Abschaffung von Gemeindesteuern und Abgaben zu genehmigen“ (Artikel 8 d des Gesetzes). Darin kann man einen Eingriff in die Zuständigkeit der kommunalen Selbstverwaltungsorgane sehen (Artikel 7 des Gesetzes);

g. in diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Charta sicherstellen möchte, dass grundlegende Befugnisse den kommunalen Selbstverwaltungsorganen nicht nur ad-hoc übertragen werden, sondern hinreichend gesetzlich festgelegt sind;

h. angesichts des Gesagten empfiehlt der Kongress, dass die zuständigen Behörden der Republik Georgien auf gesetzlichem Wege gewährleisten, dass die den Gemeinden übertragenen Vollmachten und Befugnisse nicht nur solche des ausschließlich eigenen Wirkungskreises, sondern auch umfassend sind und dass die Gemeinden völlig freie Hand haben, auf Gebieten tätig zu werden, die nicht ausdrücklich ihrer Zuständigkeit entzogen oder anderen Behörden übertragen sind9;

14.1.4 Das Subsidiaritätsprinzip (Artikel 4.3 der Charta):

a. das Subsidiaritätsprinzip ist als solches im Gesetz über die kommunale Selbstverwaltung formell anerkannt (Artikel 6.1.4). Gemäß dieser Bestimmung ist es jedoch zu beachten, wenn „Organe der kommunalen Selbstverwaltung freiwillig und von sich aus tätig werden“;

b. eine derartige Betonung des Subsidiaritätsprinzips als Richtlinie für die Übertragung von Vollmachten und Befugnissen wurde allerdings in Georgien nur in sehr beschränktem Maße praktiziert. Es scheint, dass keine Absicht besteht, mit der Verwirklichung Ernst zu machen, den Gemeinden Befugnisse zu übertragen oder ihre Befugnisse zu stärken;

c. nachdem Vollmachten und Befugnisse relativ zentral angesiedelt bleiben, steht Georgien vor der Aufgabe, den Gemeinden wesentliche Selbstverwaltungskompetenzen zu übertragen, um der Charta zu entsprechen;

d. man sollte ferner bedenken, dass öffentliche Zuständigkeiten im Allgemeinen vorzugsweise von den Behörden wahrgenommen werden sollten, die den Bürgern am nächsten sind. Wenn die Zuständigkeit einer anderen Behörde übertragen wird, dann nur, weil Umfang und Natur der Aufgabe dies erfordern und die andere Behörde sie wirksamer und wirtschaftlicher erledigen kann (Subsidiaritätsprinzip)10;

e. in Anbetracht dieser Bemerkungen empfiehlt der Kongress den betreffenden Behörden Georgiens, das Gesetz über die kommunale Selbstverwaltung zu revidieren, um das in Artikel 4.3 der Charta verankerte Subsidiaritätsprinzip voll zur Geltung zu bringen;

14.1.5 Die Beziehungen zwischen den örtlichen Staatsbehörden11 und den Organen der gemeindlichen Selbstverwaltung (Artikel 4 und 8 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung):

a. das derzeitige Gesetz sieht keinerlei Absprache mit den Organen der kommunalen Selbstverwaltung vor, wenn Entscheidungen der staatlichen Stellen direkt deren Interessen berühren, obwohl dies einem allgemeinen Verwaltungsgrundsatz entspräche;

b. Artikel 8.3 a des derzeitigen Gesetzes schreibt jedoch vor, dass die „Übertragung von Befugnissen von örtlichen Staatsbehörden auf ein Organ der kommunalen Selbstverwaltung“ nur auf „Grund vorheriger Absprache und entsprechender Vereinbarungen“ erfolgen sollte;

c. Artikel 47 enthält Übergangsvorschriften hinsichtlich bestimmter im Gesetz vorgesehener Beziehungen und verweist auf den Präsidialerlass vom 14. Mai 1999 über „die Regeln für den Verwaltungsaufbau in Georgien“ als hauptsächliche Rechtsvorschrift für die gebiets- und verwaltungsmäßige Gliederung in der Übergangszeit bis zur Annahme einer besonderen Verfassungsvorschrift;

d. ferner bestimmt das Gesetz, dass auf Bezirksebene ein Vertretungsorgan der kommunalen Verwaltung, aus einem Bezirksrat (Bezirkstag) und einer Exekutive (Gamgeoba) bestehend, geschaffen werden soll. Die Gamgeoba ist als „Organ der Staatsverwaltung“ gedacht, das befugt ist, die „kommunale Verwaltung“ zu beaufsichtigen und „Entscheidungen betreffend die Übertragung von Befugnissen auf die Gemeinden“ zu treffen (Artikel 7.6);

e. der Bezirksrat besteht aus gewählten Vorsitzenden der Gremien der untersten Einheiten der kommunalen Selbstverwaltung; das Oberhaupt der Gamgeoba wird jedoch vom Präsidenten Georgiens aus den Mitgliedern des Bezirksrats ausgewählt und ernannt;

f. im Gegensatz zur Gamgeoba ist der Status des Bezirksrats im Gesetz nicht definiert, obwohl er (wenn auch mit einigen bedeutsamen Einschränkungen) befugt ist, Entscheidungen in Angelegenheiten zu treffen, die in die Zuständigkeit der untersten Stufe der Selbstverwaltungsorgane fallen (Artikel 12.2 a, b und c und Artikel 13.4 und 6 des Gesetzes);

g. diese Situation führt zu widersprüchlichen Ergebnissen: Es gibt den Bezirksrat als Vertretungsorgan der kommunalen Selbstverwaltung, während seine Exekutive ein reines Staatsorgan ist;

h. unter Berücksichtigung des Gesagten empfiehlt der Kongress den zuständigen georgischen Behörden, eine Revision des derzeitigen Gesetzes ins Auge zu fassen, um Folgendes zu gewährleisten:

i. eine eindeutige Gewaltenteilung zwischen den nachgeordneten Staatsbehörden und den kommunalen Selbstverwaltungsorganen, vor allem in Fällen, wo die Staatsbehörden mit letzteren in Konkurrenz stehen oder auf Gebieten tätig werden, für die keine klare Aufgabenverteilung vorliegt;

ii. wenn irgend möglich, rechtzeitige und geeignete Konsultation mit den Gemeindebehörden bei der Planung und Entscheidung in allen sie unmittelbar betreffenden Angelegenheiten;

14.1.6 Die Wahl der Gemeinde- und Stadträte und ihrer Behördenleiter und der Status der gewählten Gemeindevertreter (Artikel 7 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung):

a. das geltende Recht garantiert der örtlichen Bevölkerung gemäß den entsprechenden Bestimmungen der Charta das Recht, Vertretungsorgane der kommunalen Selbstverwaltung zu wählen, sog. Sacrebulos;

b. das Gesetz gestattet die Direktwahl der Gamgebelis, Bürgermeister der Städte bzw. der Gemeinden außer in Tbilissi und Poti, wo sie nach wie vor vom Präsidenten Georgiens ernannt und entlassen werden, was unvereinbar mit Artikel 3 der Charta ist;

c. diese Regelung bezeichnet eindeutig eine parallele Verantwortlichkeit gegenüber der Zentralgewalt. Das birgt die Gefahr von Konflikten zwischen dem gewählten Stadtrat und dem ernannten Stadtoberhaupt;

d. zu bedenken ist auch, dass keinerlei Wahlen auf der Bezirksebene (sog. Rayons), deren Rechtsstellung ernsthafte Probleme aufwirft, vorgesehen sind. Auch die Leiter der Bezirksverwaltungen werden vom Präsidenten der Republik Georgien ernannt;

e. das Wahlsystem unterliegt einem umfassenden und zeitgemäßen Wahlgesetz von 2001, das auch für Kommunalwahlen gilt;

f. die letzten Kommunalwahlen vom Juni 2002 waren jedoch von erheblichen Unregelmäßigkeiten und Verstößen gegen das Wahlgesetz gekennzeichnet. Die Wahlen entsprachen im Allgemeinen nicht den internationalen Normen, wie die Wahlbeobachter des Kongresses und andere internationale Beobachter feststellen konnten12;

g. angesichts der jüngsten Änderungen des Wahlgesetzes im August 2003, in das eine Reihe von verbesserten Registrierungsverfahren für die Kandidaten aufgenommen wurden und die Arbeit der Wahlkommissionen transparenter gestaltet wurde, bietet die derzeitige Gesetzgebung nun einen besseren Rahmen für die Abhaltung von Kommunal- und Regionalwahlen, wenn sie unparteiisch und einheitlich durchgeführt werden;

h. die Stellung der Gemeinde- und Stadträte wird zum Teil in Artikel 22 des gegenwärtigen Gesetzes angesprochen, das auch auf besondere gesetzliche Regelungen verweist (die noch nicht vorliegen);

i. nichtsdestoweniger entspricht eine Bestimmung dieses Artikels, der zufolge Gemeinderäte ihren Pflichten ohne Entschädigung nachkommen, nicht Artikel 7 der Charta, die darauf abzielt, dass gewählte Vertreter aus rein materiellen Gründen nicht gezwungen werden dürfen, von einer Kandidatur Abstand zu nehmen. Die materiellen Überlegungen umfassen eine entsprechende finanzielle Entschädigung der von in Wahrnehmung der Amtspflichten erfolgten Auslagen, gegebenenfalls eine Entschädigung für etwaige Verdienstausfälle, besonders im Falle von Gemeinde- und Stadträten, die mit hauptamtlichen Verwaltungsaufgaben betraut sind und ferner eine Vergütung und einen entsprechenden Sozialversicherungsschutz;

j. bezüglich der Verantwortlichkeiten der Vollzugsorgane gegenüber den direkt gewählten Räten sieht das derzeitige Gesetz ein System zweifacher und sich überschneidender Verantwortlichkeiten vor, wobei die Bezirksorgane diese Situation anschaulich darstellen;

k. unter Berücksichtigung der bestehenden administrativen und finanziellen Zwänge ist es offensichtlich, dass die gewählten Gemeinde- und Stadträte keine ausreichende Autonomie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben genießen;

l. weiter bestehen erhebliche Unterschiede im Umfang der Zuständigkeiten zwischen den Gemeinde- und Stadträten, die einem Bezirk unterstellt sind, und denen, bei denen das nicht der Fall ist. Letztere genießen automatisch das Selbstverwaltungsrecht („local governance“), während den anderen dieses Recht erst übertragen werden muss;

m. in Anbetracht des Gesagten empfiehlt der Kongress den zuständigen Behörden Georgiens Folgendes:

i. Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung des Wahlgesetzes zu gewährleisten;

ii. die Gesetzgebung dahingehend zu ändern, dass sämtliche Kommunal- und Bezirksbehörden direkt vom Volk gewählt werden, anstatt sie vom Präsidenten der Republik ernennen zu lassen und ihre zweifache Unterstellung und Kompetenzüberschneidung im Einklang mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung abzuschaffen;

iii. das Gesetz über die Hauptstadt Tbilissi dahingehend zu ändern, dass der Bürgermeister durch freie demokratische Wahlen bestimmt wird;

iv. das Gesetz über die kommunale Selbstverwaltung so abzuändern, dass der Bürgermeister von Poti nicht länger vom Präsidenten eingesetzt wird;

v. das Gesetz über die kommunale Selbstverwaltung und gegebenenfalls auch das Gesetz über die Rechtsstellung der gewählten Kommunalvertreter so zu ändern, dass sie ihrem Wählerauftrag ungehindert nachkommen können;

14.1.7 Gemeindeaufsicht (Artikel 8 der Charta):

a. das Gesetz nimmt Bezug auf die von außen erfolgende Überwachung der Rechtmäßigkeit gemeindlicher Entscheidungen (Artikel 6.1.3). Das ist als mit der Charta vereinbar anzusehen;

b. hinsichtlich der Aufsicht der übertragenen Befugnisse ist das Gesetz etwas zweideutiger, scheint sich aber auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit zu beschränken;

c. es fehlt ein direkter Bezug zur Fachaufsicht über die Verwaltung, d.h. zur Überwachung der Zweckmäßigkeit bei der Erfüllung übertragener staatlicher Aufgaben;

d. im Falle übertragener Zuständigkeiten sind die staatlichen Behörden allerdings berechtigt, „Entscheidungen, welche die Gemeindebehörden im Rahmen der ihnen übertragenen Rechte getroffen haben, aufzuheben“ (Artikel 42.3);

e. ferner sind die obersten Staatsbehörden und der Präsident Georgiens mit sehr weit reichenden und an keinerlei Bedingungen geknüpften Vollmachten ausgestattet, die es ihnen mindestens formell erlauben, Entscheidungen der Selbstverwaltungsorgane auf Bezirksebene außer Kraft zu setzen (Artikel 42.7);

f. die letztere Form von Aufsicht ist eindeutig unvereinbar mit den Bestimmungen der Charta und höhlt den Grundsatz der „Verhältnismäßigkeit“ aus. Dieser Grundsatz verlangt, dass die Aufsichtsbehörde in der Wahrnehmung ihrer Vollmachten verpflichtet ist, diejenigen Maßnahmen zu wählen, die der kommunalen Selbstverwaltung bei der Erzielung des gewünschten Ergebnisses am wenigsten Abbruch tun;

g. das Gesetz schweigt sich so ziemlich über das Aufsichtsverfahren aus, was von Fall zu Fall zu unberechtigten Eingriffen in den Ermessensspielraum der kommunalen Selbstverwaltung führen kann;

h. im Hinblick auf diese Feststellungen empfiehlt der Kongress den zuständigen Behörden der Republik Georgien, die bestehenden Gesetze abzuändern, um sie in Einklang mit den Bestimmungen der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung zu bringen und es den Gemeinden zu ermöglichen, ihre Selbstverwaltungsrechte und Befugnisse frei auszuüben.
Auch gilt es, rechtliche Schritte gegen Staatsbehörden vorzusehen, falls diese unbefugt in Entscheidungen der kommunalen Selbstverwaltungsorgane im eigenen Wirkungskreis eingreifen;

14.1.8 Gemeindefinanzen (Artikel 9 der Charta):

a. formell befindet sich die bestehende Gesetzgebung im Einklang mit den Erfordernissen der Charta, was die Gemeindefinanzen anbetrifft (Artikel 34.2);

b. in Wirklichkeit sind die finanzielle Unabhängigkeit und Besteuerungsmöglichkeit der Gemeinden in Georgien jedoch äußerst beschränkt, um es vorsichtig auszudrücken. Ihre einzigen Einkünfte sind nicht besonders gewinnträchtige Gemeindesteuern und Abgaben;

c. das Problem wird noch dadurch verschärft, dass die Gemeinden noch immer über kein eigenes Vermögen verfügen und Steuern auf einträglichere Vermögen oder Tätigkeiten unter der Kontrolle der Zentralbehörden verbleiben;

d. im Übrigen ist die Eigentumsübertragung von den nachgeordneten Behörden auf die Gemeinden noch keineswegs abgeschlossen;

e. die Gemeinden haben keinerlei Einfluss auf die Steuerbehörden, die samt und sonders Teil der staatlichen Finanzverwaltung sind;

f. außerdem sind die Gemeinden offensichtlich nicht in der Lage, in Ausübung ihrer Befugnisse frei über ihre Haushaltsmittel zu verfügen;

g. staatliche Mittel werden nicht auf Grund objektiver, klarer, transparenter und besonderer gesetzlich festgelegter Kriterien vergeben. Das ermöglicht willkürliche und nicht voraussehbare Entscheidungen der Zentralbehörden bei der Mittelvergabe;

h. in diesem Zusammenhang gebührt den Behörden Georgiens Lob für die in Zusammenarbeit mit dem Europarat erfolgte Ausarbeitung einer Gesetzesvorlage über das Gemeindeeigentum, die im Mai 2003 dem Parlament zugeleitet wurde, desgleichen für die Bemühungen um die ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Europarat erfolgte Ausarbeitung eines Gesetzespakets für das Gemeindefinanzrecht (d.h. ein Gesetzentwurf über den Gemeindehaushalt, Gesetzentwurf über Mittelzuweisung und Gesetzentwurf über die Aufteilung der Steuern);

i. in Anbetracht des Gesagten empfiehlt der Kongress den zuständigen Behörden der Republik Georgien Folgendes:

i. die Zusammenarbeit mit dem neu gewählten Parlament Georgiens weiter zu verfolgen, um die Annahme des Gesetzentwurfs über das Gemeindeeigentum zu beschleunigen;

ii. in Zusammenarbeit mit dem Europarat sich weiterhin um einen Ausbau des gesetzlichen Rahmens zu bemühen, vor allem durch die Ausarbeitung von Vorschriften zum Gemeindefinanzrecht und gesetzlicher Bestimmungen in sonstigen Schlüsselbereichen, einschließlich eines Gesetzentwurfs zur Rechtsstellung der kommunalen Bediensteten;

iii. die Gemeinden wirksam zur Steuererhebung zu ermächtigen und ihre diesbezüglichen Möglichkeiten zu vergrößern, damit de facto wenigstens ein bedeutender Teil ihrer Haushaltsmittel durch Gemeindesteuern und Abgaben, deren Hebesätze sie innerhalb des gesetzlichen Rahmens13 selbst festlegen dürfen, gedeckt werden kann. Zu diesem Zweck ist es wichtig sicherzustellen, dass diese Steuern und Abgaben einträglich genug, mit der Zeit steigend und aufgefächert, sind14;

14.1.9 Das Recht der Gemeinden, untereinander zusammenzuarbeiten und sich zusammenzuschließen (Artikel 10 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung):

a. die bestehende Gesetzgebung ermächtigt die Einheiten der kommunalen Selbstverwaltung ausdrücklich, untereinander zusammenzuarbeiten und gemeinsame Gremien zu bilden (Artikel 8.2); die Verfassung (Artikel 26.1) und das vorliegende Gesetz erkennen auch ihr Recht zur Bildung von Gemeindeverbänden an (Artikel 26.1);

b. in Wirklichkeit ist das gesellschaftliche und politische Klima jedoch solchen Dingen nicht förderlich. Es herrscht noch merkbar die Mentalität der Sowjetzeit, der zufolge die Zentralgewalt die Befehle gibt, die die Kommunalregierung zu befolgen hat und wonach Aktivitäten auf unterer Ebene meistens von oben überwacht und angeregt wurden, hauptsächlich, um in der Bevölkerung Unterstützung für die Handlungsweise des Regimes zu finden;

c. zwischen der Zentralverwaltung und den Gemeinden herrscht immer noch Funkstille;

d. die Nichtregierungsorganisationen werden immer noch bestenfalls als politische Gegner angesehen und leiden häufig unter Eingriffen in ihre Arbeit. Dies war z.B. der Fall beim ersten nationalen Zusammenschluss von Gemeinden, der mit finanzieller Unterstützung ausländischer Geldgeber ins Leben gerufen worden war. Andererseits gibt es „Nichtregierungsorganisationen“, die eher ein verlängerter Arm der Zentralgewalt als unabhängige Nichtregierungsorganisationen sind;

e. es ist bedauerlich, dass das Land noch immer keinen Gemeindeverband kennt, der sämtliche Gemeinden im ganzen Land umfasst. Die Gründung eines derartigen Verbands - nicht zu verwechseln mit Koordinierungsstellen oder –räten (Gremien zur Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden zur besseren Umsetzung bestimmter Vollmachten und Befugnisse) – würde die Gemeinden in die Lage versetzen:

i. mit der Zentralverwaltung einen Dialog über relevante Probleme der Gemeindedemokratie zu führen;

ii. ihre Interessen gegenüber der Zentralgewalt besser zu vertreten, wann immer letztere Fragen behandelt, die die Gemeinden unmittelbar betreffen und die es erforderlich machen, dass die zuständigen Zentralstellen formell und regelmäßig mit dem Gemeindeverband Rücksprache nehmen;

iii. die Zusammenarbeit mit Gemeinden in anderen Staaten zu verbessern, eventuell mit Hilfe eines internationalen Gemeindeverbands;

f. in Anbetracht des Gesagten empfiehlt der Kongress den zuständigen Behörden der Republik Georgien:

g. die Arbeit des Europarats auf diesem Gebiet voll zu unterstützen und aktiv an dem Projekt mitzuarbeiten, das im Rahmen eines gemeinsamen Programms mit der Europäischen Kommission die Aufgabe hat, die Gründung eines Nationalen Verbands der Gemeinden und Regionen Georgiens zu ermöglichen;

i. ihr Möglichstes zu tun, um mit allen Betroffenen über die Zukunft der kommunalen Verwaltung in Georgien zu sprechen;

ii. weiterhin eine aktive Rolle bei der Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und Gebietskörperschaften Georgiens und denen der Nachbarländer zu spielen;

B. In Bezug auf regionale Angelegenheiten:

a. die Verfassung Georgiens spricht nicht von der Gliederung des Landes in Regionen und verschiebt die Lösung dieses Problems auf einen späteren Zeitpunkt, wenn geeignete Voraussetzungen geschaffen sind, um die Staatshoheit über die abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien wieder herzustellen. Dann soll ein Landesparlament mit zwei Kammern gebildet werden, nämlich der Rat der Republik und der Senat (Artikel 4.1 der Verfassung);

b. im Juni 2004 verabschiedete das Georgische Parlament ein Verfassungsgesetz über den Status der Adscharischen Autonomen Republik, gefolgt von neuen Wahlen zum Regionalparlament. Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung;

c. das Gesetz über Adscharien muss jedoch noch revidiert werden, damit es voll und ganz in Einklang mit der Europäischen Charta, insbesondere der Verteilung von Befugnissen und Verantwortung zwischen der Zentralregierung und den Regionalbehörden, steht;

d. bedauert, dass keine Fortschritte zu einer politischen Beilegung der Konflikte von Südossetien und Abchasien erzielt wurden;

e. zeigt sich ernsthaft besorgt über die wiederholten Verletzungen der vereinbarten Waffenruhe für Südossetien, die in dem jüngsten Konflikt Mitte August auf beiden Seiten zu Verlusten führten;

f. verweist auf die Notwendigkeit der Entmilitarisierung der Konfliktzone von allen Seiten und die Bekräftigung des Willens, eine friedliche Lösung des Konfliktes zu finden;

g. diese Situation ist natürlich nicht gerade förderlich, um Fortschritte bei der Dezentralisierung zu erzielen, die oftmals als Bedrohung für die Einheit des Landes empfunden wird;

h. der Kongress empfiehlt jedoch den zuständigen Behörden der Republik Georgien, zusammen mit den internationalen Organisationen aktiv mit den zuständigen Behörden in Abchasien und Südossetien weiter zu verhandeln, um vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen und eine endgültige Beilegung dieser andauernden Konflikte zu erzielen und auch eine globale Dezentralisierungspolitik für das Land auszuarbeiten und umzusetzen;

14.1.10 Ausbildung von gewählten Gemeindevertretern:

a. man muss den Behörden Georgiens zu ihren Fortschritten bei der in Zusammenarbeit mit dem Europarat erfolgten Entwicklung einer nationalen Ausbildungspolitik für die kommunale Selbstverwaltung und der Ausarbeitung eines „Leitfadens für die Gemeindedemokratie“ gratulieren;

b. angesichts der Situation im Lande jedoch, die gekennzeichnet ist von mangelndem Einverständnis hinsichtlich des Wesens der Gemeindedemokratie, sollte es ein zentrales Anliegen sein, die Ausbildung des Gemeindepersonals und der gewählten Gemeindevertreter zu verbessern, das Bewusstsein für den Sinn der Gemeindedemokratie zu wecken, Konsens in Fragen der Dezentralisierung herzustellen und eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen der Zentralregierung und den Gemeinden und Regionen zu entwickeln;

c. der Kongress fordert die zuständigen Behörden Georgiens auf, die Arbeiten des Europarats in diesem Bereich aktiv zu unterstützen, und zwar durch:

i. eine weite Verbreitung des „Leitfadens für die Gemeindedemokratie“;

ii. die Einführung einer nationalen Ausbildungspolitik und aktives Bemühen um Geldgeber für die weiteren Anstrengungen des Europarats, eine nationale Fortbildungsakademie zu gründen;

iii. die Ausbildung gewählter Gemeindevertreter, Sensibilisierung für die Gemeindedemokratie, Erzielung von Konsens in Fragen der Dezentralisierung und Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Staat und Gemeinden;

iv. Mitwirkung des Europäischen Netzes von Ausbildungsorganisationen für Gemeinden und Regionen – in Kooperation mit der Abteilung für Zusammenarbeit bei der Gemeinde- und Regionaldemokratie – bei der Ausarbeitung und Verwirklichung der nationalen Ausbildungspolitik in Georgien;

v. Unterstützung des Projekts zur Schaffung einer Verbindungsstelle für die örtliche Demokratie;

14.1.11 Die nationale Delegation Georgiens zum Kongress der Gemeinden und Regionen Europas:

a. es ist bedauerlich, dass bis heute, mehr als zwei Jahre nach den letzten Kommunalwahlen, noch immer keine neue nationale Delegation Georgiens gebildet wurde, so dass Georgiens gewählte Vertreter nicht an der Arbeit des Kongresses teilnehmen konnten;

b. der Kongress empfiehlt den zuständigen Behörden Georgiens dringend, intensiv mit den Gemeinden und Regionen zu verhandeln, damit eine neue Delegation in voller Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Charta und der Geschäftsordnung des Kongresses gebildet werden kann;

14.1.12 Im Lichte der obigen Überlegungen stellt der Kongress mit Bedauern fest, dass die meisten Forderungen, die in dem anlässlich des Beitritts Georgiens zum Europarat erstellten Bericht enthalten waren, nicht erfüllt wurden und dass trotz aller Versprechungen diese Forderungen nunmehr mit dem vorliegenden Text in Form einer offiziellen Empfehlung erneut vorgebracht werden müssen;

15. Der Kongress fordert deshalb

a. die Präsidial-, Parlaments- und Regierungsbehörden der Republik Georgien auf, unverzüglich dieser Empfehlung in vollem Umfang Folge zu leisten und die zuständigen Stellen des Europarats15 laufend über diesbezügliche Fortschritte zu unterrichten, insbesondere und vordringlich, was die in Absatz 14.1.6 und 14.1.11 angeschnittenen Probleme anbelangt;

b. das Ministerkomitee auf, die vorliegende Empfehlung und den Begründungstext den Regierungsbehörden der Republik Georgien zu übermitteln;

c. die Parlamentarische Versammlung auf, die obigen Empfehlungen im Rahmen ihres Monitoring-Verfahrens zur Einhaltung der Verpflichtungen und Versprechungen Georgiens zur Kenntnis zu nehmen;

d. den für Fragen der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung im Lande zuständigen Minister auf, an der nächsten Plenartagung des Kongresses (Straßburg, 31. Mai – 2. Juni 2005) teilzunehmen, um die ergriffenen und/oder geplanten Maßnahmen zur Umsetzung der vorliegenden Empfehlung darzulegen.

1 Diskussion und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 4. November 2004 (siehe Dok. CG (11) 22 rev. Empfehlungsentwurf vorgelegt durch I. Micallef (Malta, L, EVP/CD) und D. Shakespeare (Vereinigtes Königreich, R, EVP/CD), Berichterstatter).

2 Dokument CG/Bur (8) 97, vom Präsidium am 12. Dezember 2001 gebilligt, Berichterstatter: Whitmore; Dokument CG/Bur (9) 17, vom Präsidium am 5. Juli 2002 gebilligt; Berichterstatter: Whitmore.

3 Dokument CG/BUR (5) 62 rev., vom Präsidium am 21. Dezember 1998 gebilligt, Berichterstatter: Michel Guégan (Frankreich, L) und Gabor Kolumban (Rumänien, R).

4 (in Verbindung mit Leon Kieres vor Mai 2004)

5 Erläuternder Bericht zur Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (ETS Nr. 122).

6 Idem

7 Bezogen auf die staatliche Verwaltung.

8 Artikel 3.1 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung

9 Artikel 4.2 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung

10 Artikel 4.3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung

11 Behörden der staatlichen Exekutive

12 Dokument CG/Bur (9) 17

13 Artikel 9.3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung

14 Artikel 9.4 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung

15 Sekretariat des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas und Abteilung für Zusammenarbeit für kommunale und regionale Demokratie - Generalsekretariat