Empfehlung 147 (2004)1 über die Migrationströme und den sozialen Zusammenhalt in Südosteuropa: die Rolle der Gemeinden und Regionen

Der Kongress,

1. Nach Prüfung des Berichtes über die „Migrationströme und den sozialen Zusammenhalt in Südosteuropa: Die Rolle der Gemeinden und Regionen";

2. Unter Verweis insbesondere:

a. auf die Verpflichtungen der Völkergemeinschaft, die in Anhang VII der Abkommen von Dayton, die am 21. November 1995 geschlossen wurden, festgelegt sind und das Rückkehrrecht von Flüchtlingen und Vertriebenen nach dem Konflikt im ehemaligen Jugoslawien garantiert;

b. die Arbeiten der Arbeitstabelle I über Demokratisierung und Menschenrechte im Rahmen des Stabilitätspaktes für Südosteuropa und insbesondere den interethnischen Dialog;

c. die Fortschritte bei der Rückerstattung der Güter an die Flüchtlinge, die zu einer Rückerstattung von 90% der Güter in Bosnien-Herzegowina führten;

d. die Abschlusserklärung des 4. Forums der Städte und Regionen Südosteuropas, das 10. Wirtschaftsforum (Prijedor, Bosnien-Herzegowina, 22. –23. September 2003);

e. die Empfehlung 112 (2002) des Kongresses über das Forum der Städte und Regionen Südosteuropas, das 8. und 9. Wirtschaftsforum (Istanbul, Türkei, 2. – 3. November 2001 und Novi-Sad, Bundesrepublik Jugoslawien, 18. – 20. April 2002);

f. die Empfehlung 91 (2001) des Kongresses über das Forum der Städte und Regionen Südosteuropas, das 7. Wirtschaftsforum (Skopje, 16. – 18. November 2000) ;

g. die Empfehlung 1588 (2003) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Vertreibung von Bevölkerungen in Südosteuropa : Tendenzen, Probleme, Lösungen“;

h die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union vom 19. November 2003 über die „Rolle der Gemeinden und Regionen der Europäischen Union bei der demokratischen Konsolidierung des Westbalkans;

3. In der Erwägung, dass:

a. die Auflösung der ehemaligen sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien die größte Vertreibung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg auslöste, da mehr als drei Millionen Personen gezwungen waren, ihren Wohnort auf unbestimmte Zeit zu verlassen;

b. trotz der Bemühungen der Völkergemeinschaft und der betroffenen Länder in Südosteuropa etwa 950.000 Flüchtlinge heute noch auf der Suche nach dauerhaften Lösungen für ihre Zukunft sind und die humanitäre Hilfe, die ihnen zugedacht ist, erheblich verringert wird;

c. obwohl sich die Situation und insbesondere die Sicherheitsbedingungen für die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Herkunftsländer verbessert haben, stehen diese Flüchtlinge und Vertriebenen weiterhin vor zahlreichen administrativen Hindernissen, die ihnen insbesondere von den nationalen und/oder lokalen und regionalen Behörden der Herkunftsländer oder der Länder, in denen sie sich niederlassen möchten, in den Weg gelegt werden;

d. die Hauptgründe für die Entscheidung der Flüchtlinge und Vertriebenen, in ihr Herkunftsland zurückzukehren oder sich im Gastland niederzulassen, nicht nur politische oder sicherheitstechnische Gründe sind, sondern in Zusammenhang mit den Schwierigkeiten bei Unterkunft (Rückerstattung der Grundstücke oder Wohnrechte der Rückkehrwilligen, fehlende Möglichkeiten, die Personen, die illegal die Wohnung eines Anderen in Besitz genommen haben, umzuquartieren), Problemen beim Erwerb der Staatsbürgerschaft oder Nationalität, dem effektiven Zugang zu Beschäftigung, medizinischer Versorgung, Bildung und Sozialdiensten im Allgemeinen stehen;

e. daher den Flüchtlingen und Vertriebenen bessere Bedingungen für die Rückkehr in ihre Herkunftsländer oder die Integration in ihre Gastländer geboten werden sollten, ausgehend von langfristigen Überlegungen und insbesondere im Hinblick auf den Wiederaufschwung der Wirtschaft in den betroffenen Regionen sowie vertrauensbildende Maßnahmen zur Stärkung der friedlichen Koexistenz zwischen den verschiedenen Gemeinschaften der betroffenen Länder;

4. empfiehlt den Staaten der Region, die Mitglieder des Europarates sind:

a. die Kooperation nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch bei Heimkehrer-, Flüchtlings- und Vertriebenenfragen in der Region weiter auszubauen, insbesondere auch bei der Statistik und der Überweisung von Beihilfen und Renten an diese Bevölkerungen;

b. die Wirtschaftsmaßnahmen für Beschäftigung, Sozialpolitik, Infrastruktur insbesondere in den Gebieten mit Entwicklungsrückstand auszubauen, die von der Rückkehr der Bevölkerung oder der Präsenz von Flüchtlingen oder Vertriebenen betroffen sind;

c. alle notwendigen rechtlichen und gesetzlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Rückkehr der Flüchtlinge oder die Niederlassung von Vertriebenen in den betroffenen Staaten zu erleichtern;

d. alle notwendigen gesetzlichen und rechtlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine gerechte Vertretung der ethnischen Minderheiten in den Gemeinden und Regionen zu gewährleisten;

e. alle entsprechenden rechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen zu erlassen, um den Rückkehrwilligen die Rückerstattung der Grundstücke oder Wohnrechte zu garantieren;

f. den Heimkehrern, Flüchtlingen und Vertriebenen konkreten Beistand und Zugang zu den wesentlichen Sozialrechten (Beschäftigung, Gesundheit, Bildung, Unterkunft, Rente) ohne Diskriminierung zu gewähren;

g. der Situation der Roma-Minderheit besondere Aufmerksamkeit zu schenken;

h. gemäß der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung den Gemeinden und Regionen die Befugnisse und Finanzressourcen zur Verfügung zu stellen, damit sie auf ihrer Ebene Beihilfen für Heimkehrer, Flüchtlinge und Vertriebene vorsehen können;

5. Empfiehlt dem Ministerkomitee des Europarates:

a. weiterhin der Frage der Flüchtlinge und Vertriebenen in Südosteuropa besondere Aufmerksamkeit zu schenken, damit der Europarat sich effektiv am demokratischen Wiederaufbau einer multiethnischen Gesellschaft und der Wiederherstellung des Vertrauens in die Länder der Region beteiligen kann;

b. den interethnischen Dialog, die Aussöhnung und die Toleranz (insbesondere im Bereich Bildung) besonders mit Hilfe des Programms „vertrauensbildende Maßnahmen“ zu fördern;

c. alle Mitgliedstaaten des Europarates aufzufordern, verstärkt in den Ländern der Region zu investieren, insbesondere in den Gebieten mit Entwicklungsrückstand, die von der Rückkehr der Bevölkerung oder der Präsenz der Flüchtlinge oder Vertriebenen betroffen sind;

d. die betroffenen Mitgliedstaaten in Südosteuropa aufzufordern, aus ihren jeweiligen Gesetzgebungen jede Absonderung von Flüchtlingen und/oder Vertriebenen zu streichen, die auf ihrem Hoheitsgebiet leben und Rechtshilfeinstrumente für diese Bevölkerungen einzusetzen;

e. gemäß der politischen Erklärung von Chisinau über die grenzüberschreitende und interterritoriale Kooperation zwischen den Staaten in Südosteuropa, die bei der 113. Tagung des Ministerkomitees am 6. November 2003 verabschiedet wurde, einschließlich ihres Anhangs, den betroffenen Mitgliedstaaten in Südosteuropa effektiven Beistand zu leisten, um ihren Beitritt zur europäischen Rahmenkonvention über die grenzüberschreitende Kooperation der Gemeinden und Regionen (STE Nr.106) und den beiden Zusatzprotokollen zu erleichtern sowie den Abschluss von zwischenstaatlichen Abkommen zur Stärkung der grenzüberschreitenden und interterritorialen Kooperation unter Bezug auf die angehängten Modellabkommen der erwähnten Rahmenkonvention zu unterstützen;

f. außerdem die verschiedenen Initiativen zur Förderung der grenzüberschreitenden Kooperation zwischen den Gemeinden und Regionen der betroffenen Länder zu unterstützen und auszubauen, zum Beispiel die Euroregionen von „Drina Sava Majevica“ (Bosnien-Herzegowina/Serbien und Montenegro), „Sofia Nis Skopje“ (Bulgarien/Serbien und Montenegro/ „die Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“) und „ Duna Drava Sava“ (Kroatien/Bosnien-Herzegowina/Serbien und Montenegro) und die Schaffung neuer Euroregionen in Gjilane, Kumanovo und Presevo (Kosovo/Serbien und Montenegro/ „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“/Südserbien/Serbien und Montenegro) anzuregen;

g. neue Euroregionen in Südosteuropa zu definieren und einzurichten, da sie der Integration der Flüchtlinge dienen, die in ihre Ursprungsstädte oder Regionen zurückkehren möchten;

h. in der Expertengruppe für grenzüberschreitende Kooperation (LR-CT) die Arbeiten fortzusetzen und eine einheitliche Definition der Euroregionen in einem großen Europa, zusammen mit den neuen Rechtsinstrumenten der Europäischen Kommission zu finden;

i. auch die betroffenen Mitgliedstaaten in Südosteuropa aufzufordern, Abkommen zur Aufhebung der Visapflicht zu schließen, die die Freizügigkeit der Bevölkerungen beeinträchtigt und die Pässe durch Personalausweise zu ersetzen;

j. die Entwicklungsbank des Europarates anzuregen, Programme und Aktionen in den betroffenen Ländern durchzuführen, damit die Gemeinden und Regionen die Rückkehr und/oder Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen zum Beispiel durch nationale Seminare über die Finanzmechanismen der Bank erleichtern können;

k. die Expertengruppe für Migration (CDMG) damit zu beauftragen, Aktionen zur Förderung der dauerhaften Rückkehr von Vertriebenen zu prüfen, insbesondere durch Ausbildungsprogramme für Angestellte des öffentlichen Dienstes, um das Verständnis und die Wertschätzung der ethnischen und kulturellen Vielfalt zu verbessern oder auch durch Programme, die den gerechten Zugang zu den öffentlichen Diensten und zur Arbeit fördern;

l. die bestehenden Programme im Kongress, insbesondere finanziell, und durch einen Aufruf an die Mitgliedstaaten zu freiwillige Beiträgen verstärkt zu unterstützen, die wie die Verbindungsbüros für örtliche Demokratie (BLD) oder das Netz der Kommunal- und Regionalverbände der Gemeinden in Südosteuropa (NALAS) bewiesen haben, dass sie in der Lage sind, die örtliche Demokratie, die grenzüberschreitende und regionale Kooperation, den interkulturellen Dialog, die Achtung der Menschenrechte und die örtliche Wirtschaftsentwicklung in den Ländern Südosteuropas zu fördern;

6. Fordert die Europäische Union auf, die Initiativen der Gemeinden und Regionen und der Nichtregierungsorganisationen der Region finanziell zu unterstützen, um die dauerhafte Rückkehr der Flüchtlinge, insbesondere mit Hilfe der Programme CARDS und INTERREG, zu fördern.

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 27. Mai 2004, 3. Sitzung (siehe Dok. CG (11) 9, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch M. Nazir (Vereinigtes Königreich, R, SOZ) Berichterstatter)