Empfehlung 144 (2004)1 zur Verhinderung von Gewalt beim Sport, insbesondere bei Fußballspielen: Rolle der Gemeinden und Regionen

Der Kongress,

1. Dankt der Stadt Lissabon für ihren herzlichen Empfang und ihre Gastfreundschaft sowie dem Portugiesischen Städtetag (ANMP) für seine Unterstützung bei der Ausrichtung der 1. Konferenz zur „Rolle der Gemeinden und Regionen bei der Verhinderung von Gewalt bei Sportveranstaltungen, besonders Fußballspielen“ (Lissabon, 23. – 24. Juni 2003);

2. Begrüßt den Beitrag des Integrierten Projekts des Europarats „Antwort auf die Gewalt im Alltag der demokratischen Gesellschaft“ zur Organisation dieser Konferenz und die gute Zusammenarbeit mit der Abteilung für Jugend und Sport des Europarats (GD IV) bei diesem Anlass;

3. Bekräftigt erneut die in seiner Empfehlung 16 (1996) und seiner Entschließung 27 (1996) zum Thema „Sport und Gemeinden“ hervorgehobenen Grundsätze;

4. Weist folglich darauf hin, dass der Sport:

a. die gesellschaftliche Integration und Mitwirkung begünstigt und dadurch entscheidend zur Demokratie beiträgt;

b. eine wichtige Rolle bei der Förderung des Verständigung unter den Bürgern Europas spielt;

c. bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen auf kommunaler, regionaler und staatlicher Ebene hat;

d. als wichtige Betätigung in unserer Gesellschaft einen wesentlichen Teil gemeindlichen Lebens ausmacht und es daher nötig ist, dass Gemeinden und Regionen sich um die Förderung und Unterstützung des Sports bemühen;

5. Ist beunruhigt über das Ausmaß an Gewalt, das in den Stadien und ihrer Umgebung sowie den Straßen der Städte, in denen Sportveranstaltungen stattfinden, vor allem bei Fußballspielen zu beobachten ist. Der Kongress hält eine Politik geeigneter vorbeugender Maßnahmen für nötig, um derartige Ausschreitungen zu verhindern, die häufig durch übermäßigen Alkoholgenuss und Drogenkonsum hervorgerufen werden;

6. Ist der Ansicht, dass:

a. die Spieler und Wettkämpfer durch faires Spiel zur Verhütung von Gewalt beitragen;

b. den Trainern, Ausbildern und Mannschaftsleitern bei der Verhütung von Gewalt eine wichtige Rolle zukommt;

7. Berücksichtigt:

a. die Arbeiten des Europarats, die seit über 20 Jahren ganz umfassend darauf abzielen, Gewalt bei Sportveranstaltungen zu verhindern und besonders;

b. die jüngsten Empfehlungen des Ständigen Ausschusses des Europäischen Übereinkommens über Gewalttätigkeiten und Fehlverhalten von Zuschauern bei Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen (Europ. Vertragsreihe Nr.120), in denen betont wird, dass die Gemeinden bei der Verhütung von Gewalt bei Sportveranstaltungen eine größere Rolle spielen sollten, vor allem auf sozialpädagogischem Gebiet und durch Betreuung der jeweiligen Klubanhänger;

c. die Auswirkungen der Initiativen und Entscheidungen der Europäischen Union zur polizeilichen Zusammenarbeit bei der Sicherung internationaler Fußballspiele auf Gemeinden und Regionen;

d. die vom Internationalen Fußballverband (FIFA), vom Europäischen Fußballbund (UEFA), den nationalen Fußballverbänden und dem Europäischen Forum für die Sicherheit in den Städten (FESU) ausgearbeiteten Maßnahmen;

8. Ist sich der Tatsache bewusst, dass die Lage in den einzelnen europäischen Ländern recht unterschiedlich ist, weil die öffentliche Politik (was Polizei und vorbeugende Maßnahmen betrifft) mehr oder weniger stark zentralisiert ist;

9. Unterstreicht:

a. die wesentliche Rolle, welche die Gemeinden und Regionen bei der Verhütung von Gewalt bei Sportveranstaltungen spielen könnten und sollten, z.B. durch Erlass entsprechender Vorschriften, Koordinierung von Sicherheitsmaßnahmen, als Eigentümer der Infrastruktur, als Arbeitgeber des Betriebspersonals, als Förderer des Amateur- und Schulsports oder durch sozialpädagogische Vorbeugungsmaßnahmen;

b. die Bedeutung enger Zusammenarbeit zwischen Gemeinden/Regionen und der Polizei und den Sicherheitsdiensten;

10. Fordert das Ministerkomitee auf, die unten erwähnten und auf der Konferenz von Lissabon verabschiedeten Grundsätze zur Kenntnis zu nehmen und sie dem Ausschuss für Sportentwicklung (CDDS) sowie den zuständigen Ministerien der Mitgliedsländer zuzuleiten;

a. Soweit es sich um Sportveranstaltungen jeder Art handelt, kommt den Gemeinden und Regionen eine wesentliche Rolle bei der Verhütung von Gewalt zu:

i. die Verhütung von Gewalt ist nicht allein Sache der Polizei. Mit Sicherheitsvorkehrungen und logistischen Maßnahmen ist es nicht getan. Die Verhütung von Gewalt allgemein und ganz besonders beim Sport ist auch ein soziales und pädagogisches Problem. Angesichts der Außenseiterrolle eines Teils der Jugend können Gemeinden und Regionen durchaus zur gesellschaftlichen Integration und Mitwirkung der Jugend beitragen;

ii. wichtig ist, dass bei jeder Sportveranstaltung alle für den guten Ablauf der Veranstaltung verantwortlichen Behörden und Instanzen zuvor an einen Tisch und zur Zusammenarbeit bei einheitlicher Vorgehensweise gebracht werden. Alle Beteiligten (öffentliche Stellen wie private Kreise) müssen sich ihrer Verantwortung und der ihrer Partner bewusst werden;

iii. die kommunalen Behörden können eine Mittlerrolle übernehmen, wenn es darum geht, die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen: die Interessen der Veranstalter der Wettkämpfe und Spiele, der Verantwortlichen des Stadions, der Fußballklubs, der Polizei, der Anhänger der Klubs und der einheimischen Bevölkerung. In manchen Ländern hat eine derartige Mittlerrolle bisher vermutlich noch keine hinreichende Beachtung gefunden. Dies sollte sich ändern;

iv. die Zuschauer sollten als Besucher, die es zu empfangen und zu unterhalten gilt, angesehen werden. Die Gemeinden und Regionen sollten den Nutzen von „Fanbeauftragten“ oder Vertretungen des jeweiligen Vereins am Ort des Geschehens anerkennen; diese können den Zuschauern helfen und sie informieren und ihr Verhalten positiv beeinflussen;

v. Maßnahmen müssen ergriffen werden, um Ausschreitungen einer kleinen Minderheit zu verhindern. Solche Maßnahmen können in manchen Fällen sehr streng sein, müssen aber immer im Verhältnis zum Problem stehen und genau auf potentielle Störer zielen, um nicht die breite Masse der Anhänger zu treffen, die Gesetz und Ordnung respektieren und nur ihr Sportvergnügen suchen;

vi. die Gemeinden und Regionen sollten sich um festliche Stimmung nicht nur für die Besucher, sondern auch für die Einheimischen bemühen;

b. Soweit es sich um sportliche Großveranstaltungen und vor allem Fußballspiele der Spitzenklasse handelt, ist Planung nötig:

i. die Gemeinden und Regionen müssen das Ereignis sorgfältig und lange im voraus planen und vor allem dafür sorgen, dass rechtzeitig geeignete Verkehrsmittel bereit stehen;

ii. Großveranstaltungen bieten den kommunalen und regionalen Behörden Gelegenheit, ihre Stadt und ihre Region vorzustellen und ein positives Bild davon innerhalb und außerhalb des eigenen Landes zu vermitteln, die örtliche Wirtschaft anzukurbeln und längerfristig neue Infrastrukturen aufzubauen;

11. Fordert die Mitgliedsstaaten, die das noch nicht getan haben, auf, das Übereinkommen über Gewalttätigkeiten und Fehlverhalten von Zuschauern bei Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen (Europ. Vertragsreihe Nr. 120) zu ratifizieren;

12. Fordert das Ministerkomitee und die zuständigen Ministerien auf, die Arbeit des Ständigen Ausschusses des Übereinkommens des Europarats über Gewalttätigkeiten und Fehlverhalten von Zuschauern bei Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen auch weiterhin zu unterstützen.

 

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 26. Mai 2004, 2. Sitzung (siehe Dok. CG (11) 11, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch B.J. Van Voorst tot Voorst (Niederlande, R, EVP/CD) und H. Lund (Dänemark, L, SOZ), Berichterstatter)