Empfehlung 135 (2003)1 betreffend Lokale Partnerschaften zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt in der Schule

Der Kongress, in Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Hat zur Kenntnis genommen:

a. die Arbeiten der Konferenz "Lokale Partnerschaften zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt in der Schule", die vom 2.-4. Dezember 2002 in Strassburg im Rahmen des integrierten Projekts "Antworten auf die Gewalt im Alltag in einer demokratischen Gesellschaft" gemeinsam durch den KGRE, das Direktorat Jugend und Sport und das Direktorat Schulische, ausserschulische und Hochschulbildung organisiert wurde;

b. die zu Ende der Konferenz angenommene und der vorliegenden Entschliessung beigeheftete Schlusserklärung;

c. die Sammlung von Fallstudien, die der Konferenz durch Vertreter der Erziehungsministerien, der Gemeinden und der Schulen von 23 europäischen Ländern vorgelegt wurden;

2. Erinnert an:

- die Europäische Städte-Charta;

- die Empfehlung 17 (1996) des KGRE betreffend die Verantwortung und Initiativen der Städte auf dem Gebiet der Erziehung;

- die Empfehlung 59 (1999) des KGRE betreffend Europa 2000: Beteiligung der Jugend - jugendlliche Bürger;

- die Entschliessung 99 (2000) des KGRE betreffend Kriminalität und Unsicherheit in den Städten Europas: die Rolle der Gemeinden;

- die Entschliessung 116 (2001) des KGRE betreffend den Leitfaden zum Thema: Gemeinden und Verbrechensverhütung in der Stadt;

- die Empfehlung (2002)12 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten betreffend die Erziehung zu demokratischem Bürgertum;

3. Begrüsst die Tatsache, dass die Organisation dieser Konferenz im Rahmen des durch den Generalsekretär für 2002-2004 eingeleiteten integrierten Projekts es Menschen aus sehr unterschiedlichen Kreisen ermöglicht hat, sich an der Konferenz zu beteiligen: Bildungs- und Jugendministerien, Gemeinde- und Regionalabgeordneten, Vertretern von Jugendbewegungen, NROs, Sozialarbeitern, Forschern, Vertretern der Polizei usw.;

4. Stellt fest:

a. eine Zunahme von Erscheinungen der Gewalt in ganz Europa, die vor den Schulen nicht Halt macht;

b. das Vorkommen einiger besonders tragischer Gewalttaten in Schulen in verschiedenen europäischen Ländern, vor allem aber eine signifikante Zunahme von weniger schweren, aber sich häufig wiederholenden oder sogar alltäglich werdenden Formen von Gewalt;

c. die Existenz eines Spektrums von gewalttätigem Verhalten, das von Belästigung über verbale Agressionen zu Beschädigung von Einrichtungen und Gebäuden bis zu körperlichem Angriff reicht, zu schweigen von rassistischen Taten und Gewalt gegen Mädchen;

d. ein tendenziell in immer frühere Lebensjahre fallender Beginn schulischer Gewalt, sodass nun auch die Jüngsten betroffen sind;

e. erhebliche Besorgnis über das Problem der schulischen Gewalt in allen Ländern Europas, zuweilen auch im Zusammenhang mit einem spezifischen Kontext wie beispielsweise Südosteuropa;

5. Ist der Ansicht, dass die Erscheinungen schulischer Gewalt nicht zu trennen sind von dem Problem der Gewalt in der Stadt schlechthin, zumal die Urheber von Gewalttaten ihre Aktivitäten nicht auf die Schule beschränken;

6. Ist besorgt über die Risiken, die diese schulische Gewalt unseren Gesellschaften insgesamt auferlegt durch:

- eine Verschlechterung des Image der Schule in den Augen von Schülern, Eltern und sogar des Lehrkörpers;

- eine Verschlechterung der Unterrichtsbedingungen, die zu vermehrtem Schulversagen führen kann;

- eine Trivialisierung von gewalttätigen Verhaltensformen, die sich ausserhalb der Schule und später im Erwachsenenleben wiederholen werden;

- eine wahrscheinliche Zunahme der Anzahl junger Menschen mit Integrationsschwierigkeiten in die Gesellschaft aufgrund ihres Verhaltens oder ihrer schlechten Schulleistungen;

7. Ist deshalb der Ansicht, dass schulische Gewalt enorme wirtschaftliche sowie soziale Kosten und viel Leid verursacht und deshalb nach vermehrter Aufmerksamkeit und der Mobilisierung aller gesellschaftlichen Akteure ruft;

8. Ist der Überzeugung, dass sich jede Politik zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt auf folgende Grundprinzipien stützen muss:

a. Die Verhütung von Gewalt in der Schule ist eine zentrale Dimension der Heranbildung zu demokratischer Bürgerlichkeit, was bedeutet: zu Toleranz, interkultureller Beziehungsfähigkeit, Gleichbewertung der Geschlechter, Menschenrechten und friedlichen Konfliktlösungen;

b. Dem Schutz möglicher Opfer und der Hilfeleistung an Gewaltopfer gebührt Priorität;

c. Es müssen langfristige Politiken eingesetzt werden, in denen die präventiven und die reaktiven Massnahmen einander die Waage halten;

d. Die Jugendlichen müssen als die in allererster Linie betroffenen Akteure und zugleich als wesentliche Partner bei jeder Aktion auf diesem Gebiet anerkannt werden;

e. Jede Gewalttat verdient eine rasche, aber gemessene, der Schwere der Tat angemessene Reaktion;

f. Situationen potenzieller Gewalt sind am ehesten im Dialog zu meistern, wobei Schüler und Lehrpersonen ihre Fähigkeiten zur Verhandlung, zum friedlichen Konfliktmanagement und zur Vermittlung zwischen Gleichgestellten entwickeln;

9. Ist - da die tieferen Gründe für die schulische Gewalt grossenteils externer Art sind - überzeugt, dass Antworten darauf nur dann wirksam sein können, wenn die verschiedenen Elemente des Bildungssystems, die Eltern sowie sämtliche Akteure der örtlichen Gemeinschaft partnerschaftlich darin zusammenarbeiten;

10. Ist der Meinung, dass sich solche lokalen Partnerschaften locker entwickeln müssen, ohne dass schwerfällige Strukturen geschaffen werden, damit ein hohes Mass an Reaktionsbereitschaft und eine auf gegenseitige Vertrauensbeziehungen und einen regelmässigen Dialog gestützte Zusammenarbeit entstehen kann;

11. Fordert das Ministerkomitee auf:

a. den Lenkungsausschuss für das Erziehungswesen (CD-ED) und den Europäischen Lenkungsausschuss für Jugendbelange (CFEJ) zu bitten für die Verbreitung der Schlusserklärung dieser Konferenz bei ihren wichtigsten Gesprächspartnern zu sorgen und sie auch in ihren eigenen Arbeiten zu berücksichtigen;

b. diese Schlusserklärung dem Lenkungsausschuss für Massenkommunikationsmittel (CDMM) sowie den NRO mit beratendem Status beim Europarat zur Information zu übermitteln, damit auch sie für deren Verbreitung bei ihren wichtigsten Gesprächspartnern sorgen und sie in ihren eigenen Arbeiten berücksichtigen;

c. im Rahmen des integrierten Projekts Nr. 2 in Zusammenarbeit mit allen einschlägigen Sektoren des Europarats anzuregen:

i. die Ausarbeitung eines Empfehlungsentwurfs an alle Mitgliedstaaten, der insbesondere die folgenden Elemente berücksichtigt:

- die Verhütung und Bekämpfung der schulischen Gewalt verdient vorrangige Aufmerksamkeit sowie hinreichende Mittel, um wirksame Politiken auf diesem Gebiet in die Wege zu leiten;

- eine Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Ministerien und Behörden auf zentralstaatlicher, regionaler und kommunaler Ebene ist vonnöten für den Einsatz umfassender Politiken der Verhütung und Bekämpfung schulischer Gewalt im allgemeinen Kontext des Kampfes gegen die Unsicherheit in den Städten sowie der Prävention von Gewalt im Alltag;

- örtliche Initiativen auf dem Gebiet, insbesondere solchen, die im Geist der Schlusserklärung der Strassburger Konferenz konzipiert sind, sollten unterstützt werden;

- die zum Einsatz gelangenden Strategien sollten abgestützt sein auf die Forschung, auf eine Evaluation der eingesetzten Programme, einen intensiven Erfahrungsaustausch und die Verbreitung von Beispielen guter Praxis sowohl auf nationaler und internationaler Ebene;

ii. die Verbreitung der Schlusserklärung dieser Konferenz bei allen darin als potenzielle Partner bei der Verhütung und Bekämpfung von schulischer Gewalt erkannten Akteuren;

iii. einen Erfahrungsaustausch und die Verbreitung von Beispielen guter Praxis in Europa, einschliesslich der Erstellung eines Handbuchs und von Ausbildungsprogrammen für die wichtigsten betroffenen Akteure (Lehrer, Jugendbetreuer usw.);

iv. die Berücksichtigung der schulischen Dimension bei der Entwicklung von Netzen für die Beobachtung von Gewalt im Alltag;

v. Arbeiten betreffend Medien und Gewalt, insbesondere hinsichtlich der an die Jugendlichen gerichteten Inhalte;

vi. spezifische Aktivitäten in diesem Bereich, um den Bedürfnissen gewisser Länder, insbesondere in Südosteuropa, nachzukommen.

 

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 22. Mai 2003 (siehe Dok. CPL (10) 6, Empfehlungsentwurf, vorgelegt durch Frau B. Fäldt, Berichterstatterin)