Empfehlung 129 (2003)1 betreffend Beschäftigung und empfindliche Gruppen

Der Kongress

1. Hat den durch Frau Luisa Laurelli (Italien) und Frau Cigdem Mercan (Türkei), Berichterstatterinnen der Kammer der Regionen, an der gegenwärtigen Tagung vorgelegten Bericht über "Beschäftigung und empfindliche Gruppen: die Rolle der Gemeinden und Regionen" geprüft, worin drei Kategorien empfindlicher Gruppen unterschieden werden: Behinderte; ehemals arbeitslose Unternehmensgründer; Einwanderer und ethnische Minderheiten;

2. Dankt den Experten, Herrn Francisco Gonzalez und Frau Lina Gavira von der Universität Sevilla, Spanien, für ihre liebenswürdige und wertvolle Hilfe bei der Ausarbeitung des Berichts;

3. Ruft in Erinnerung, dass der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) an seiner 5. Tagung die Entschliessung 72 (1998) und die Empfehlung 52 (1998) betreffend "Regionen und Beschäftigung: ein Beitrag zur sozialen Kohäsion in Europa" angenommen hat, welche mit dem von Herrn Van Cauwenberghe vorgelegten Bericht über "eine aktive Politik der Regionen im Bereich der Beschäftigung und der sozio-ökonomischen Entwicklung" einhergingen; und dass sodann in der 6. Tagung des KGRE die Entschliessung 81 (1999) und die Empfehlung 62 (1999) betreffend "Gemeinden und Beschäftigungsfähigkeit" angenommen wurden;

4. Berücksichtigt die wichtigen Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta (insbesondere die Artikel 10 und 15), der Revidierten Europäischen Sozialcharta (Artikel 15 und 27) sowie die Europäische Beschäftigungsstrategie der Europäischen Union;

5. Erinnert an die Erklärung von Malta betreffend den Zugang zu den Sozialrechten, die anlässlich der am 14. und 15. November 2002 in Sant Julians, Malta, durchgeführten Konferenz über den Zugang zu den Sozialrechten und danach durch das Ministerkomitee an dessen 825. Zusammenkunft vom 22. Januar 2003 angenommen wurde und worin die Regierungen sowie die übrigen politischen, sozialen und berufsständischen Partner aufgefordert werden, Politiken auszuarbeiten und einzuleiten, welche den Zugang zu den Sozialrechten fördern, insbesondere durch die aktive Bekämpfung einer Diskriminierung unter ihren Nutzern mit besonderem Augenmerk auf empfindliche Nutzergruppen;

6. Erinnert daran, dass der Europäische Ausschuss für soziale Kohäsion (CDCS) des Europarats am 20. Mai 2000 ein seine Strategie für die soziale Kohäsion enthaltendes Dokument angenommen hat, das am 13. Juli 2000 durch das Ministerkomitee ratifiziert wurde. Die vorgelegte Strategie konzentriert sich insbesondere auf die empfindlichsten gesellschaftlichen Gruppen, welche zu ihrer sozialen Eingliederung sowohl eines Schutzes als auch der Hilfe bedürfen. Im übrigen verweist das Strategiedokument darauf, dass eine geeignete und angemessen entlöhnte Beschäftigung einen der wichtigsten Wege zur sozialen Kohäsion darstellt;

7. Berücksichtigt die Schaffung eines Fachausschusses für die Förderung des Zugangs zu Beschäftigung für marginalisierte Gruppen (CS-EM) durch den CDCS im Jahre 1999 und die durch diesen Fachausschuss im Mai 2001 erfolgte Annahme von Leitlinien für Initiativen zur Beschäftigung auf lokaler Ebene, welche insbesondere die Verhütung und Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit anzielen;

8. Berücksichtigt die Tatsache, dass die genannten Leitlinien vor allem betreffen: lokale Partnerschaften, Chancengleichheit für Frauen und Männer, Nichtdiskriminierung benachteiligter Gruppen, Unternehmertum, Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen, Kontrolle und Evaluation;

9. Nimmt Bezug auf die Empfehlung 1592 (2003) der Parlamentarischen Versammlung "Auf dem Weg zur vollen gesellschaftlichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen" und auf die Empfehlung 1185 (1992) betreffend Politiken zur Eingliederung behinderter Personen;

10. Berücksichtigt im weiteren, dass auch im Rahmen der Europäischen Union die soziale Integration, als zu den Grundprinzipien zählend, zu Vorschlägen für eine nachhaltige Entwicklung geführt hat, die wesentlich auf den folgenden vier Grundpfeilern beruht: wirtschaftliche Dynamik, Innovation, Suche nach Vollbeschäftigung, soziale Kohäsion;

11. Berücksichtigt, dass die Leitlinien für die Beschäftigungspolitik der Europäischen Union von 1999 besondere Massnahmen für benachteiligte Gruppen enthalten und dass diese Leitlinien 2001 um Massnahmen gegen Diskriminierung und um spezifische Empfehlungen für die Förderung der sozialen Einbindung erweitert worden sind;

12. Weist darauf hin, dass demgemäss eine Mitteilung der Europäischen Kommission vom Juni 2001 ein auf die Beschäftigung konzentriertes sozialpolitisches Programm zwar nicht als die Lösung aller Armutsprobleme, wohl aber als die beste Absicherung gegen soziale Ausgrenzung bezeichnet;

13. Weist weiter darauf hin, dass auch die Schlussfolgerungen der Europäischen Räte von Lissabon und von Nizza die Verpflichtung enthalten, die verschiedenen am Kampf gegen die Ausgrenzung beteiligten Akteure beizuziehen, vor allem die Nichtregierungsorganisationen und die Gebietskörperschaften, denen für die Umsetzung der betreffenden Politiken eine wichtige Rolle beigemessen wird;

14. Erinnert an die am 14. März 2002 durch den Ausschuss der Regionen der Europäischen Union angenommene Stellungnahme betreffend "Partnerschaften zwischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und Organisationen der Sozialwirtschaft: Beitrag zu Beschäftigung, lokaler Entwicklung und sozialem Zusammenhalt";

15. Bezieht sich auf die Ergebnisse der von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (genannt Dublin-Stiftung) 2002 durchgeführten Untersuchung über den Zugang zu Beschäftigung für empfindliche Gruppen;

16. Empfiehlt den Regierungen der Mitgliedstaaten, sich an der Suche nach der notwendigen Koordination zwischen Sozial- und Beschäftigungspolitiken und nach einem Umsetzungsmodus für diese Politiken auf lokaler und regionaler Ebene engagiert zu beteiligen, indem sie:

a. einen angemessenen und ausgewogenen normativen Rahmen für die kommunale und die regionale Ebene erarbeiten;

b. ihre Sozial- und Beschäftigungspolitiken harmonisieren;

c. über ein kurzfristiges Unterfangen hinausreichende Mittel zur Verfügung stellen;

d. übertrieben komplexe Massnahmen vermeiden und den Umfang der Innovationen festzulegen suchen, die für die Sicherstellung des Zugangs zu Beschäftigung für empfindliche Gruppen nötig sind;

e. sich für eine integrierte Sichtweise der sozialen und der wirtschaftlichen Belange entschliessen: soziale Eingliederung beruht auf guten Arbeits- und Lebensbedingungen, die "job quality" nicht zu vergessen;

f. Massnahmen einführen, die flexibel genug sind, um den Bedürfnissen und Zeitbudgets der verschiedenen Zielgruppen und den darin enthaltenen Altersgruppen angepasst zu werden, was nicht immer zusammenpasst mit den Terminplänen und Zielen der Organisationen;

g. dafür sorgen, dass die Durchführung einer Evaluation jeweils eine unumgängliche Bedingung für die Zuweisung von Mitteln jedwelcher Art ist;

h. für Qualitätsstandards und Evaluationsmodelle sorgen;

i. Systeme für den Informationsfluss von der Basis nach oben einführen.

17. Empfiehlt dem Ministerkomitee,

a. den CDCS entsprechend den beim 825. Treffen des Ministerkomitees am 22. Januar 2003 gefassten Beschlüssen zu beauftragen, seine für eine Zugangsgarantie zu den Sozialrechten - insbesondere für empfindliche Gruppen - fortzusetzen und auch die Expertengruppe für die Beschäftigung marginalisierter Gruppen (CS-MA) ihre Arbeit weiterführen zu lassen, ausserdem die bereits gut eingeführte Hinzuziehung der KGRE-Mitglieder zu der Arbeit der beiden genannten Gremien weiter auszubauen;

b. den CDLR zu beauftragen, seine Arbeiten betreffend die Rolle der Gemeinden und Regionen in der Beschäftigungspolitik, vor allem die Empfehlung 12 (1987), unter besonderer Berücksichtigung der empfindlichsten Gruppen zu aktualisieren;

18. Empfiehlt der Europäischen Union, ihre tragende Rolle bei der Schaffung eines für die Integration empfindlicher Gruppen günstigen Klimas beizubehalten und zu intensivieren sowie die Koordination zwischen den betroffenen Kreisen zu verbessern, indem sie:

a. Initiativen fördern, welche speziell auf die empfindlichsten Gruppen (Behinderte, Langzeitarbeitslose mit dem Wunsch, sich selbständig zu machen, Einwanderer und ethnische Minderheiten) ausgerichtet sind;

b. jenen öffentlichen und privaten Stellen auf lokaler und regionaler Stufe Unterstützung bieten, die im allgemeinen am unterstützungsbedürftigsten sind;

c. Finanzhilfen über eine gewisse Zeitspanne hinweg leisten, um eine gewisse Stabilität (Programme, Aktionen, Personal usw.) zu gewährleisten und langfristige Planungen zu begünstigen;

d. die Beteiligung und Koordination der diversen lokalen und regionalen Akteure fördern;

e. die Rolle der vor Ort befindlichen Akteure stärken und Organisationen mit Verbindung zu empfindlichen Gruppen (Behinderte, Langzeitarbeitslose, die eine selbständige Tätigkeit aufnehmen möchten, Einwanderer und ethnische Minderheiten) fördern;

f. die Verbreitung guter Praxis unter den Ländern und Regionen im Hinblick auf die Zusammenlegung von Erfahrungen weiterhin begünstigen;

g. die Ausbildung der Techniker und Vermittler fördern, die an Aktivitäten mit empfindlichen Gruppen beteiligt sind;

h. Verfahren zur Überwachung und Evaluierung der einschlägigen Programme und Politiken fördern.

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 22. Mai 2003, 3. Sitzung (siehe Dok. CG (10) 7, Empfehlungsentwurf, vorgelegt durch Frau L. Laurelli und Frau C. Mercan, Berichterstatterinnen)