Empfehlung 128 (2003)1 betreffend Revidierte Europäische Charta der Beteiligung von Jugendlichen am Leben der Gemeinde und der Region durch den Ausschuss für Kultur und Erziehung (Gesamtausschuss) einstimmig gutgeheissen am 19. März 2003

Der Kongress

1. Erinnert an die Ausarbeitung und Annahme der ersten Fassung der Europäischen Charta der Beteiligung von Jugendlichen am Leben der Gemeinde und der Region im Jahre 1992;

2. Eingedenk aller seither für die Verwirklichung ihrer Ziele verfolgten Tätigkeiten, insbesondere:

a. die 1997 in Budapest durchgeführte Konferenz "Europa 2000 - Jugendliche und ihre Städte: ihre Beteiligung ? Ein Vergleich der politischen Richtungen";

b. die 2002 in Krakau in Zusammenarbeit mit dem Direktorat für Jugend und Sport durchgeführte Konferenz: "Die Jugendlichen - Akteure in ihrer Stadt und Region";

3. Erinnert an die Entschliessungen 43 (1997) betreffend "Europa allen Jugendlichen öffnen: Städte und Regionen in Aktion" und 78 (1999) "Europa 2000 - Beteiligung der Jugend: jugendliche Bürger" des KGRE;

4. Berücksichtigt die Empfehlung 59 (1999) "Europa 2000 - Beteiligung der Jugend: jugendliche Bürger";

5. Erinnert an die Empfehlung (2001) 19 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten betreffend die Beteiligung der Bürger am öffentlichen Leben auf der Ebene der Gemeinde, deren endgültige Fassung sich an die Stellungnahme 15 (2001) des KGRE anlehnt;

6. Erkennt die Notwendigkeit, aus der Europäischen Charta der Beteiligung von Jugendlichen am Leben der Gemeinde und der Region kein statisches Dokument zu machen, sondern sie an die Entwicklung der durch die Jugendlichen als solche erlebten Probleme anzupassen;

7. Im Bewusstsein, dass ein direktes Engagement der Jugendlichen in der Gesellschaft, wie und wodurch auch immer, nicht nur für ihre persönliche und berufliche Entwicklung, sondern auch für die Sicherung der Demokratie und dauerhaften Entwicklung in ihrer Wohngemeinde und -region von grösster Wichtigkeit ist;

8. Bedenkt, dass ein Engagement der Jugendlichen im Entscheidungsprozess, vor allem dann, wenn dessen Gegenstand sich unmittelbar auf ihr Leben auswirkt, wesentlich ist für die Aufrechterhaltung der Legitimität des Entscheidungsprozesses;

9. Ist der Ansicht, dass frühe und positive Erfahrungen mit einer Beteiligung geeignet sind, zu aktivem Einsatz für gemeinschaftliche Belange in reiferen Jahren anzuregen;

10. Unterstreicht, dass die Beteiligung der Jugendlichen real und wirksam sein muss und nicht beschränkt sein darf auf eine "Statistenrolle" in den beratenden Gremien ohne echte Möglichkeit der Beteiligung am Entscheidungsprozess;

11. Überzeugt, dass sich die Charta nicht darauf beschränken darf, den Gemeinden Leitlinien für ihre Jugendpolitik anzubieten, sondern dass sie auch den Jugendlichen selbst Werkzeuge für ihre Beteiligung an die Hand geben muss;

12. Anerkennt die Bedeutung und Notwendigkeit, die Gleichheit des Zugangs zu den neuen Informationstechnologien sicherzustellen angesichts der wichtigen Rolle, die diesen hinsichtlich der Beteiligung der Jugendlichen wohl zufallen wird;

13. Anerkennt, dass ein Unterricht in den Rechten und Pflichten eines Bürgers in der Demokratie integrierender Bestandteil jedes Lehrplans sein muss, damit sich die Jugendlichen am demokratischen Entscheidungsprozess aktiv beteiligen können;

14. Ist der Ansicht, dass besondere Anstrengungen unternommen werden müssen, um auch jene Kategorien von Jugendlichen einzubeziehen, die aus irgendwelchen Gründen besondere Schwierigkeiten haben, sich für das öffentliche Leben in der Gemeinde oder Region einzusetzen;

15. Bekräftigt seine Überzeugung, dass dort, wo die Beteiligung Jugendlicher schwächer ist als anderswo, besondere Massnahmen zur Förderung einer echten Beteiligung nötig sind;

16. Ist überzeugt, dass spezielle Instrumente entwickelt werden müssen, um unmittelbar festzustellen, inwieweit Jugendliche in gewählten Gremien Einsitz haben oder sich in anderer Form direkt oder über Wahlen aktiv beteiligen;

17. Erkennt die Notwendigkeit, angemessene Reaktionen auf die Kriminalität und Gewalt in der Gesellschaft zu finden und die Jugend unmittelbar in den Kampf gegen diese Erscheinungen, deren Opfer sie oft selbst sind, einzubeziehen;

18. Ist einhellig der Überzeugung, dass alle verfügbaren Mittel eingesetzt werden müssen, um Jugendliche vor sexueller Ausbeutung wie auch vor jeder anderen Form des Missbrauchs zu schützen;

19. Erklärt sich voll einverstanden mit der aktualisierten Fassung der Europäischen Charta der Beteiligung von Jugendlichen am Leben der Gemeinde und der Region;

20. Ersucht das Ministerkomitee:

a. die Europäische Charta der Beteiligung von Jugendlichen am Leben der Gemeinde und der Region (s. Anhang) als an die Mitgliedstaaten gerichtete Empfehlung anzunehmen;

b. die betreffenden Ausschüsse im Europarat aufzufordern, ihre Aktivitäten im Bereich der Beteiligung Jugendlicher am Leben der Gemeinde und der Region in Zusammenarbeit mit dem KGRE fortzusetzen.

ANHANG

REVIDIERTE EUROPÄISCHE CHARTA DER BETEILIGUNG VON JUGENDLICHEN AM LEBEN DER GEMEINDE UND DER REGION

CHARTA DER BETEILIGUNG VON JUGENDLICHEN AM LEBEN DER GEMEINDE UND DER REGION

EINFÜHRUNG

Die Grundlagen der Europäischen Charta der Beteiligung von Jugendlichen am Leben der Gemeinde und der Region wurden anlässlich der 1. und 2. Konferenzen über Jugendpolitiken gelegt, welche die Ständige Konferenz der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) in Lausanne (Juni 1988) und Llangollen (September 1991) durchführte. Bald darauf, im März 1992, nahm die Ständige Konferenz der Gemeinden und Regionen Europas die Entschliessung 237 und deren Artikel betreffend die Annahme der Charta an.

Zur Feier des 10. Jahrestages der Europäischen Charta der Beteiligung von Jugendlichen am Leben der Gemeinde und Region führte der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas des Europarats in Partnerschaft mit dem Direktorat für Jugend und Sport des Europarats eine Konferenz unter dem Titel "Jugendliche: Akteure in ihrer Stadt und Region" durch. Übergreifendes Ziel dieser am 7. und 8. März 2002 in Krakau stattgefundenen Konferenz war eine Einschätzung der in den zehn Jahren des Bestehens der Charta hinsichtlich der Beteiligung Jugendlicher erreichten Fortschritte und eine Prüfung der weiteren Entwicklungsmöglichkeiten der Beteiligung von Jugendlichen, beispielswseise durch die Bekanntmachung von Beispielen guter Praxis. Die Konferenzteilnehmer nahmen die Krakauer Erklärung an, worin sie bekräftigten, dass die Jugendllichen genau so Bürger ihrer Wohngemeinden und -regionen sind wie die Mitglieder der übrigen Altersgruppen, und dass sie folglich Zugang zu allen Formen der Beteiligung an der Gesellschaft haben müssen. Die Rolle der Jugendlichen in der Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft, insbesondere auf kommunaler und regionaler Ebene, wurde bestätigt und neu als permanenter Prozess definiert. Die Konferenz stellte im übrigen einen Beitrag an das integrierte Projekt des Europarats "Die demokratischen Institutionen in Aktion" dar.

Die Teilnehmer verlangten im weiteren, dass Antworten gefunden werden müssten auf die neuen Herausforderungen, vor denen Jugendliche heute stehen. Deshalb wurden der KGRE und der Konsultativrat für Jugendbelange des Europarats aufgefordert, Experten zu ernennen und sie mit der Ausarbeitung von Vorschlägen für eine Änderung der Europäischen Charta der Beteiligung von Jugendlichen am Leben der Gemeinde und der Region im Sinne einer Anpassung an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu beauftragen.

Die Arbeitssitzungen wurden auf Ende 2002 und Anfang 2003 einberufen. Die vorliegende Charta "der zweiten Generation" verdankt somit ihr Entstehen den Überlegungen der Expertengruppe. Diese neue Fassung gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil enthält Leitlinien zuhanden von Gemeinden und Regionen betreffend Modalitäten der Umsetzung von Jugendpolitiken in verschiedenen Bereichen. Der zweite Teil befasst sich mit Instrumenten zur Förderung der Beteiligung Jugendlicher. Der dritte Teil schliesslich enthält Ratschläge für die Bereitstellung institutioneller Strukturen für die Beteiligung von Jugendlichen.

PRÄAMBEL

Die aktive Beteiligung der Jugend an den Beschlüssen und Aktionen auf kommunaler und regionaler Ebene ist unverzichtbar, wenn wir Gesellschaften mit mehr Demokratie, mehr Solidarität und mehr Wohlergehen herbeiführen wollen. Eine Beteiligung am demokratischen Leben irgendeiner Gemeinschaft bedeutet nicht nur wählen und sich zur Wahl stellen, auch wenn dies wichtige Elemente sind. Sich als aktiver Bürger beteiligen heisst auch: das Recht, die Mittel, den Ort, die Möglichkeit und, wenn nötig, die gewünschte Unterstützung haben, um sich an den Entscheidungen zu beteiligen, Einfluss auf sie auszuüben und sich in Aktionen und Aktivitäten einzusetzen mit dem Ziel, eine bessere Gesellschaft aufzubauen.

Als den Jugendlichen nächstliegenden Behörden fällt den kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften eine wichtige Rolle zu bei der Förderung einer solchen Beteiligung, haben sie doch die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen nicht nur informiert sind über Demokratie und Staatsbürgerlichkeit, sondern diese auch konkret erleben können. Die Heranbildung aktiver Bürger oder der Aufbau einer Demokratie für die Zukunft ist jedoch nicht das einzige Ziel der Einbeziehung der Jugend. Damit ihre Beteiligung sinnvoll ist, ist es unerlässlich, dass die Jugendlichen Beschlüsse und Aktionen schon heute und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens beeinflussen können.

Durch die Unterstützung und Ermunterung der Jugendlichen zu einer Beteiligung tragen die Gemeinden und Regionen auch bei zu ihrer sozialen Integration, weisen sie ihnen doch einen Weg, mit den Schwierigkeiten und dem Druck, dem sie ausgesetzt sind, umzugehen und sich den Herausforderungen der modernen Gesellschaft, wo Anonymität und Egoismus oft vorherrschen, zu stellen. Damit allerdings der Beteiligung der Jugendlichen am kommunalen und regionalen Leben ein dauerhafter und sinnvoller Erfolg beschieden ist, genügt es nicht, die politischen oder administrativen Systeme weiterzuentwickeln oder umzustrukturieren. Vielmehr muss eine Förderungspolitik oder -aktion zugunsten der Beteiligung der Jugend auch für eine kulturelle Umgebung sorgen, in der die Jugendlichen respektiert werden, die Verschiedenartigkeit ihrer Bedürfnisse, Situationen und Wünsche berücksichtig wird und zu der auch Unterhaltung und Vergnügen gehören.

* *

DIE PRINZIPIEN

1. Die Beteiligung der Jugendlichen am kommunalen und regionalen Leben muss Teil einer umfassenden Politik der Bürgerbeteiligung am öffentlichen Leben sein, wie sie die Empfehlung Rec (2001)19 des Ministerkomitees über die Beteiligung der Bürger am öffentlichen Leben auf der Ebene der Gemeinde befürwortet.

2. Die kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften sind überzeugt, dass jede sektorielle Politik auch eine Dimension "Jugend" enthalten sollte. Sie verpflichten sich deshalb, die Prinzipien dieser Charta zu übernehmen und die darin befürworteten Formen der Beteiligung in Absprache und Zusammenarbeit mit den Jugendlichen und deren Vertretern umzusetzen.

3. Die in dieser Charta verfochtenen Prinzipien und Beteiligungsformen wenden sich unterschiedslos an alle Jugendlichen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, muss der kommunalen oder regionalen Beteiligung von Jugendlichen aus besonders benachteiligten Kreisen der Gesellschaft sowie solchen, die zu ethnischen, nationalen, sozialen, sexuellen kulturellen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten gehören, ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

TEIL I: POLITIKEN NACH SEKTOREN

I/1 Eine Sport-, Freizeit- und Vereinspolitik

4. Die kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften sollten die durch Jugendvereine und -organisationen, Jugendgruppen oder Jugendhäuser organisierten soziokulturellen Aktivitäten unterstützen, da diese zusammen mit Familie und Schule bzw. Beruf eine der Säulen der sozialen Kohäsion innerhalb der Gemeinde oder Region darstellen. Diese Aktivitäten sind ein ideales Milieu für eine Beteiligung der Jugendlichen und für die Umsetzung von Jugendpolitiken in den Bereichen Sport, Kultur, Handwerk, schöpferische und andere künstlerische Ausdrucksformen sowie soziale Tätigkeit.

5. Um das Vereinswesen auf lokaler und regionaler Ebene zu fördern, sollten die Gemeinden und Regionen vor allem die Ausbildungsstätten für Animatoren, für die Leiter von Jugendklubs und -organisationen und für die in den Gemeinden und Regionen so wichtigen Jugendarbeiter mit geeigneten Mitteln unterstützen.

6. Die Gemeinden und Regionen sollten die Vereine dazu ermutigen, aktive Mitwirkung von Jugendlichen in ihren statutarischen Organen zu begünstigen.

I/2 Eine Politik zur Förderung der Beschäftigung und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen

7. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen die Jugendlichen leben, wirken sich aus auf ihren Willen und auf ihre Fähigkeit zur Teilnahme am kommunalen Leben. Wenn junge Menschen arbeitslos sind oder in Armut leben, haben sie selten das Bedürfnis sowie die Mittel und die gesellschaftliche Unterstützung, die nötig wären, damit sie zu aktiven Bürgern ihrer Gemeinde und Region werden. Vielmehr laufen die jugendlichen Arbeitslosen Gefahr, zu den gesellschaftlich Ausgeschlossensten zu gehören; deshalb sollten die Gemeinden und Regionen Politiken und Initiativen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit betreiben.

8. Die Gemeinden und Regionen sollten somit:

i. gemeinsam mit den Jugendlichen (einschliesslich derjenigen, die arbeitslos sind oder es zu werden drohen), den örtlichen Arbeitgebern, den Gewerkschaften, den Verantwortungsträgern für Erziehung, Ausbildung und Beschäftigung sowie mit den Jugendorganisationen Politiken und Programme ausarbeiten, welche die Ursachen der Jugendarbeitslosigkeit angehen und Beschäftigungsmöglichkeiten für diesen Teil der Einwohnerschaft fördern;

ii. örtliche Arbeitsagenturen schaffen, um den jungen Arbeitslosen bei der Suche nach einer sinnvollen und stabilen Arbeit die Hilfe und Unterstützung von Spezialisten zu verschaffen. Die jungen Arbeitslosen sollten das Recht haben, sich an der Leitung dieser Agenturen zu beteiligen, falls sie das möchten;

iii. die Schaffung von Geschäften, Unternehmen oder Kooperativen durch Jugendliche oder Gruppen von Jugendlichen unterstützen, indem sie ihnen die dafür benötigte Finanzierung und andere Hilfen wie Räumlichkeiten, Materialien, Ausbildung und sachkundige Beratung verschaffen;

iv. die Jugendlichen zu Versuchen mit Sozialökonomie, mit kollektiven Selbsthilfe-Initiativen oder mit Kooperativen ermuntern.

I/3 Eine Politik für städtische Umwelt und Habitat, Wohnungswesen und Verkehr

9. Zusammen mit den Vertretern von Jugendorganisationen sollten die Gemeinden und Regionen Bedingungen schaffen für die Entwicklung einer städtischen Umweltpolitik, die auf einer stärker integrierten, weniger zerstückelten Lebenswelt beruht und dadurch zu mehr gesellschaftlicher Interaktion und zu der Entwicklung eines qualitativ hochstehenden öffentlichen Raumes führt.

10. Die Gemeinden und Regionen sollten Politiken des Wohnens und der städtischen Umwelt betreiben, die eine enge Einbindung der Jugendlichen in die Konsultationen zwischen gewählten Abgeordneten in Gemeinde und Region, wirtschaftlichen Entscheidungsträgern, den Leitern von Vereinigungen und Architekten vorsieht. Ziel solcher Politiken ist es:

i. Programme auszuarbeiten für eine harmonischere, der persönlichen Entfaltung und dem Entstehen einer echten Solidarität zwischen den Generationen zuträglichere Lebenswelt;

ii. eine gemeinsam abgestimmte städtische Umweltpolitik zu entwickeln, deren Programme für den Wohnungsbau und/oder die Sanierung von Wohnraum die sozialen und interkulturellen Realitäten der Bewohner berücksichtigt;

11. Die Mieter- und/oder Verbraucherorganisationen, die Bauherren von Sozialwohnungen, die Sozialarbeiter sowie die Gemeinden und Regionen müssten in enger Zusammenarbeit mit den Jugendorganisationen die Schaffung oder Weiterentwicklung folgender Elemente innerhalb der bestehenden sozialen Strukturen fördern:

i. örtliche Informationsdienste betreffend Wohnmöglichkeiten für Jugendliche;

ii. örtliche Programme (beispielsweise für preisgünstige Darlehen oder für Mietzinsgarantien), um den Jugendlichen den Zugang zum Wohnen zu erleichtern.

12. Die Mobilität der Jugendlichen ruft nach leicht zugänglichen öffentlichen Verkehrsmitteln, deren Hauptbenützer ja die Jugendlichen sind. Diese ihre Mobilität wiederum ist unerlässlich für ihre Beteiligung am gesellschaftlichen Leben und, darüber hinaus, für ihr vollständiges Hineinwachsen in die Rolle des Bürgers.

13. Deshalb sollten die Jugendlichen bei der Organisation öffentlicher Verkehrsmittel sowohl auf kommunaler wie auf regionaler Ebene hinzugezogen werden. Die Fahrpreise sollten so festgelegt werden, dass auch die wenigst bemittelten Jugendlichen mobil sein können.

14. In ländlichen Gebieten sind Mobilität und öffentliche Verkehrsmittel absolut notwendig für die Lebensqualität und nicht nur nützlich für die Beteiligung am gesellschaftlichen Leben. Deshalb sollten die Gemeinden und Regionen ländliche Verkehrsinitiativen unterstützen, die der Absicherung von (öffentlichen oder privaten, individuellen oder kollektiven) Diensten und der vermehrten Mobilität von Gruppen - wie etwa den Jugendlichen - dienen, die mangels Fortbewegungsmitteln gegenwärtig noch ausgeschlossen sind;

I/4 Eine die Beteiligung der Jugend begünstigende Erziehungs- und Ausbildungspolitik

15. Die Schule ist eine Institution, in der die Jugendlichen einen Grossteil ihres Lebens verbringen und ein festgelegtes Bildungsprogramm absolvieren, zugleich aber auch ein Ort, wo sie sich einen grossen Teil ihrer Meinungen und Lebensansichten aneignen. Es ist unerlässlich, dass sich die Jugendlichen mit der Beteiligung und der Demokratie schon während ihrer Schulzeit vertraut machen und in den Genuss gut dokumentierter Kurse über Demokratie, Beteiligung und Staatsbürgerlichkeit kommen. Die Schule muss ausserdem ein Ort sein, wo die Jugendlichen Demokratie in Aktion erleben und wo ihre Beteiligung am Treffen von Entscheidungen ermutigt, für nützlich erachtet und unterstützt wird. Daraus folgt:

i. Die Gemeinden und Regionen sollten die Mitwirkung der Jugendlichen am schulischen Leben aktiv fördern. Sie sollten finanzielle und andere Hilfen - wie etwa Versammlungsräume - zur Verfügung stellen, um den Jugendlichen die Gründung von demokratischen Schülervereinen zu ermöglichen. Solche Vereine sollten unabhängig und selbstbestimmt sowie auf ihren Wunsch hin auch berechtigt sein, sich in Partnerschaft mit der Lehrerschaft und der Verwaltung an der Entscheidungsfindung zu Fragen der Schulleitung zu beteiligen.

ii. Wenn die Gemeinden oder Regionen für die Schulcurricula verantwortlich sind, sollten sie dafür sorgen, dass die Schüler und Schülervereine regelmässig zu diesen Curricula und deren Umsetzung konsultiert werden. Ausserdem sollten sie dafür sorgen, dass der staatsbürgerliche und politische Unterricht in die Schulcurricula integriert ist und ihm dort die ihm zukommende herausragende Stellung und die für den Unterricht sämtlicher Schüler nötigen Mittel reserviert sind.

I/5 Eine Politik der Mobilität und des Austauschs

16. Die Gemeinden und Regionen sollten jene Organisationen oder Gruppierungen unterstützen, die die Mobilität der Jugendlichen (junge Arbeiter, Studenten oder Freiwilligenhelfer) durch Austauschprogramme begünstigen, um so die Entwicklung von Solidarität, den Aufbau Europas und das Bewusstsein des eigenen Europabürgertums zu fördern.

17. Die Gemeinden und Regionen sollten ihre Jugend und die Schulen zu aktiver Teilnahme an internationalen Partnerschaften, Austauschvorhaben jeder Art und europäischen Netzen ermuntern. Sie sollten auch bereit sein, finanzielle Unterstützung zu gewähren, um das Erlernen von Sprachen, den interkulturellen Austausch und den Erfahrungsaustausch zu begünstigen.

18. Sie sollten die Jugendlichen und/oder ihre Repräsentanten in die Partnerschaftskomitees und die mit Austauschaktionen befassten Organe integrieren.

I/6 Eine Gesundheitspolitik

19. Die Gemeinden und Regionen sollten im Hinblick auf das Entstehen und die Verwirklichung von Projekten Jugendlicher, die zugleich dem Gedanken der Entwicklung, demjenigen der Gesundheit in allen ihren Dimensionen sowie demjenigen eines dynamischen Lebens der Gemeinschaft verpflichtet sind, institutionelle Strukturen für Konsultationen zwischen den an sozialer Prävention und an Gesundheitsförderung interessierten Jugendorganisationen, gewählten Abgeordneten sowie sozialen Gruppen und Berufsgruppen gründen oder weiterentwickeln.

20. Angesichts der durch Tabak, Alkohol und Drogen bei den Jugendlichen angerichteten Zerstörungen sollten die Gemeinden und Regionen in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Jugendorganisationen und der Gesundheitsdienste kommunale Informationspolitiken und Aufnahmestrukturen für die betroffenen Jugendlichen sowie geeignete Ausbildungsprogramme für junge Sozialarbeiter, Animatoren und ehrenamtliche Leiter von Präventions- und Wiedereingliederungsorganisationen für Jugendliche schaffen, ausbauen oder begünstigen.

21. Angesichts der gegenwärtigen Zunahme sexuell übertragbarer Krankheiten sollten die Gemeinden und Regionen die Informationen und Präventivaktionen zuhanden der Jugend intensivieren und so in der Gemeinde einen Geist der Solidarität fördern, der von moralischen Vorurteilen und von Ausgrenzung freien gesellschaftlichen Beziehungen Vorschub leistet. Die Jugendlichen sowie die Vertreter der lokalen Jugendorganisationen und der Gesundheitsdienste sollten in die Planung und Durchführung dieser Informations- und Aktionsprogramme intensiv einbezogen werden.

I/7 Eine Politik für die Gleichheit von Mann und Frau

22. Die Gemeinden und Regionen sollten sich im Rahmen ihrer Politiken zur Schaffung günstigster Bedingungen für die Gleichheit von Frauen und Männern hinsichtlich ihrer Beteiligung am öffentlichen Leben der Gemeinde und der Region auch aktiv für die Zugangsmöglichkeiten zu verantwortungsvollen Posten im Berufs- und Verbandsleben, in Politik sowie Gemeinde und Region für jugendliche Frauen und Männer einsetzen.

23. Die Gemeinden und Regionen sollten im Rahmen ihrer Zuständigkeiten eine Politik der Erziehung zur Geschlechtergleichheit schon von frühester Kindheit an betreiben.

24. Im Rahmen einer solchen Politik zur Förderung der Geschlechtergleichheit sollten die Gemeinden und Regionen:

i. einen mittelfristigen Plan mit dem Ziel erarbeiten, die Ungleichheiten zwischen jungen Männern und jungen Frauen abzuschaffen;

ii. besondere Massnahmen zugunsten der Mädchen und jungen Frauen durchführen und evaluieren.

25. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten diese Politiken den Mädchen und jungen Frauen folgendes bieten:

i. spezielle Informationen über Ausbildungsmöglichkeiten, die zu einer beruflichen Qualifikation führen;

ii. die Möglichkeit einer beruflichen Ausbildung aufgrund von Stipendien sowie besondere Lehrgänge auch für traditionell den Männern vorbehaltene Berufe;

iii. sich mit der Führung der öffentlichen Geschäfte vertraut machen zu können durch die nach einer Frauenquote geregelte Übernahme von Verantwortung auf höchster Entscheidungsebene;

iv. die Einrichtung finanzieller Massnahmen für soziale Dienste, die Mädchen und jugendlichen Frauen beistehen.

I/8 Eine besondere Politik für die ländlichen Gebiete

26. Bei der Einleitung von Förderungsmassnahmen und -aktivitäten für die Beteiligung der Jugendlichen sollten die Gemeinden und Regionen die anders gearteten Bedürfnisse der ländlichen Jugend in Rechnung stellen und deshalb:

i. dafür sorgen, dass die Bildungs-, Beschäftigungs-, Wohnungs-, Verkehrs- und anderen Politiken den besonderen Bedürnfissen der Jugendlichen im ländlichen Raum nachkommen: diese Politiken sollten Jugendlichen, die auf dem Lande leben wollen, dabei helfen, dies zu tun. Junge Landbewohner sollen sich nicht zufriedengeben müssen mit einem Standard an Leistungen und sozialen Diensten unterhalb des in der Stadt gebotenen;

ii. den Jugendvereinen und anderen örtlichen Vereinigungen auf dem Lande finanzielle und andere Hilfen bieten. Diese Organisationen können das gesellschaftliche und kulturelle Leben ländlicher Gemeinden anregen und als ein wichtiges soziales "Ventil" für Jugendliche fungieren. Die Jugend- und anderen Vereinigungen sind nicht nur wichtig, weil sie die Jugendlichen zur Beteiligung anregen, sondern können auch zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen und Probleme wie etwa die Isolierung auf dem Lande bekämpfen.

I/9 Eine Politik des Zugangs zur Kultur

27. Kunst und Kultur nehmen je nach Zeitpunkt, Ort und Empfinden vielerlei Formen und Entwicklungstendenzen an. Sie sind Teil des persönlichen und kollektiven Erbes der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, zu dem jede Generation das Ihre beiträgt. Damit sind sie in gewisser Hinsicht ein Spiegel unserer Gesellschaften. Die Jugend, mit ihrem eigenen kulturellen Verhalten und ihrem Potential an Unternehmungslust, Entdeckergeist und Innovationfähigkeit, baut weiter an dieser kulturellen Entwicklung und sucht sich darin ihre eigene Rolle. Deshalb ist es wichtig, den Jugendlichen den Zugang zur Kultur in allen ihren Formen zu ermöglichen und ihr schöpferisches Potential, auch in neuen Bereichen, zu fördern.

28. Somit müssen die Gemeinden und Regionen in Absprache mit den Jugendlichen und ihren Organisationen Politiken annehmen, die es den Jugendlichen ermöglichen, ihrerseits zu kulturellen Akteuren zu werden, indem sie Zugang bekommen zu Wissen, Praxis und kreativer Tätigkeit an Orten und mittels Methoden, die eigens hierfür konzipiert sind.

I/10 Eine Politik für Umwelt und nachhaltige Entwicklung

29. Angesichts der immer sichtbarer werdenden Beschädigungen der Umwelt sollten die Gemeinden und Regionen Erziehungsvorhaben von Schulen und Vereinigungen unterstützen, die eine Sensibilisierung für die Probleme der Umwelt anstreben.

30. Aus dem Bewusstsein heraus, dass die Probleme der Umwelt die Jugendlichen, die es ja morgen mit den Irrtümern von heute aufnehmen müssen, sehr beunruhigen, sollten die Gemeinden und Regionen Vorhaben und Tätigkeiten im Dienste des Schutzes und der Nachhaltigkeit von Umwelt und Entwicklung unterstützen, an denen die Jugendlichen und ihre Organisationen beteiligt sind.

I/11 Eine Politik des Kampfes gegen Verbrechen und Gewalt

31. Da die Opfer von Verbrechen und Gewalt oft Jugendliche sind sowie im Bewusstsein der Notwendigkeit, auf die in der heutigen Gesellschaft verübten Gewalttaten und Verbrechen angemessene Antworten zu finden und die Jugendlichen sich am Kampf gegen diese Probleme unmittelbar beteiligen zu lassen;

32. sollten die Gemeinden und Regionen:

i. die Anwesenheit Jugendlicher in Beratungsgremien über Verbrechensverhütung, da wo es solche gibt, sicherstellen;

ii. sich besonders um solche Jugendliche kümmern, die Gefahr laufen, ins Verbrechen hineingezogen zu werden, oder die es schon sind;

iii. rassistische Gewalt mit allen verfügbaren Mitteln bekämpfen;

iv. zusammen mit sämtlichen betroffenen Akteuren - mithin den Erziehungsbehörden, der Polizei, den Lehrern, Eltern und den Jugendlichen selbst - den Kampf mit jeder Form der Gewalt in der Schule aufnehmen;

v. beitragen zur Schaffung von Netzen von Vereinigungen sowie von Projekten zur Förderung der Gewaltlosigkeit und Toleranz innerhalb wie ausserhalb der Schule;

vi. alles in ihrer Macht stehende tun für den Schutz der Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung und Missbrauch sowie anderen Formen schlechter Behandlung und Strukturen für materielle und psychologische Hilfe sowie ein System für die vertrauliche Beratung von Opfern einrichten.

33. Dadurch tragen die Gemeinden und Regionen bei zur Herstellung eines Klimas des Vertrauens und Respekts zwischen Jugendlichen und Behörden, beispielsweise der Polizei.

I/12 Eine Politik zur Bekämpfung von Diskrimination

34. Die Gemeinden und Regionen sollten sich um die Förderung der Menschenrechte bemühen und Massnahmen gegen die Diskriminierung von - rassischen, ethnischen, nationalen, religiösen, sexuellen usw. - Minderheiten (einschliesslich der jugendlichen), von behinderten Personen jeden Alters und von den übrigen exponierten Gruppen ergreifen und dank der Integration der Minderheiten und der Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse, Kulturen, Bräuche und Lebensformen die Entwicklung von multikulturellen Gemeinschaften begünstigen.

35. Im Hinblick hierauf sollten die Gemeinden und Regionen:

i. eine Gesetzgebung gegen die Diskrimination annehmen oder verstärken, welche gleichen Zugang zu öffentlichen Orten, zu beruflicher Ausbildung, Schulbildung, Unterkunft, kulturellen Aktivitäten und allen weiteren Lebensäusserungen sicherstellt. Diese Freiheit des Zugangs sollte durch paritätische Gremien von Vertretern der Gemeinde, der Minderheiten und der Jugendlichen überwacht und gewährleistet werden;

ii. in den Schulcurricula die multikulturellen Aspekte sowie die Sensibilisierung für den Kampf gegen Rassismus und Diskrimination begünstigen.

I/13 Eine Politik betreffend die Sexualität

36. Beim Übergang von der Kindheit - einem Zeitraum, in welchem sie noch abhängig waren von Familie, Schule, religiöser Gemeinschaft oder einer anderen "Autorität" - zum selbstbestimmten Erwachsenenleben stellen sich die Jugendlichen manche Fragen über ihre persönlichen Beziehungen (innerhalb der Familie, mit ihren Altersgenossen, ihrem Freund oder ihrem Partner). Ihre Sexualität - vom Erwachen bis zur Ausübung - ist für sie nicht immer einfach, auch wenn sie das nicht leicht zugeben. Ausserdem besteht bei ihnen immer noch Unwissenheit hinsichtlich Fragen der sexuellen Hygiene sowie Misstrauen hinsichtlich der offiziellen Attitüde gegenüber den mit gewissen sexuellen Verhaltensweisen einhergehenden Risiken.

37. Um den Jugendlichen im Verein mit den Eltern, den Schulen und den dafür spezialisierten Organisationen zu helfen, ihren Weg zu einem gesunden und gratifizierenden Gefühlsleben zu finden, sollten die Gemeinden und Regionen:

i. eine nicht-direktive Sexualerziehung in den Schulen fördern;

ii. Organisationen und Dienste fördern, die Informationen über Beziehungen, sexuelle Praktiken und Familienplanung anbieten;

iii. die Diskussion dieser Fragen innerhalb der Altersgruppe fördern.

38. Die Jugendlichen sollten in die Planung, Umsetzung und Evaluierung der diesbezüglich an sie gerichteten Informationen und Dienstleistungen aktiv einbezogen werden.

I/14 Eine Politik des Zugangs zum Recht/zu den Rechten

39. Um miteinander existieren zu können, fussen die Gesellschaften auf Lebensregeln, an die sich jedermann halten muss. In den demokratischen Gesellschaften werden diese Regeln durch gewählte Volksvertreter diskutiert und in Form von Gesetzestexten angenommen, die jedermann Rechte und Pflichten zuweisen.

40. Wegen der zahlenmässigen Zunahme dieser Texte wird es für den Einzelnen immer schwieriger, sie zu kennen, zu respektieren und anzuwenden, was zu Ungleichheiten zwischen den Bürgern führt. Am stärksten trifft dies natürlich für die Jugendlichen zu.

41. Die Gemeinden und Regionen sollten den Zugang der Jugendlichen zu ihren Rechten erleichtern:

i. indem sie mittels Informationen insbesondere im Rahmen von Schulen, Jugendgruppen und Informationsdiensten die Kenntnisse der Jugendlichen erweitern;

ii. indem sie - dank der Unterstützung von Diensten, welche die Jugendlichen auf deren Wunsch begleiten - für die Anwendung der Jugendrechte sorgen;

iii. indem sie den Jugendlichen gestatten, sich an der Ausarbeitung neuer Regeln zu beteiligen.

Teil II: INSTRUMENTE FÜR DIE BETEILIGUNG DER JUGENDLICHEN

42. Damit eine echte Beteiligung der Jugendlichen erreicht wird, müssen ihnen eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung gestellt werden. Das heisst, dass die Jugendlichen zur Beteiligung herangebildet, gut informiert, mit Kommunikationsmitteln ausgestattet, bei der Verwirklichung ihrer Projekte unterstützt und ihr Einsatz und ihre Freiwilligenarbeit anerkannt und aufgewertet werden müssen. Beteiligung bekommt erst dann ihren vollen Sinn, wenn die Rolle der Jugendlichen in den Parteien, den Gewerkschaften und den Vereinigungen anerkannt und wenn die Förderung der Gründung von Vereinigungen von und für die Jugendlichen angestrebt wird.

II/1 Die Heranbildung der Jugendlichen für eine Beteiligung

43. In Kenntnis der ausschlaggebenden Rolle, welche die Schule im Leben der Jugendlichen spielt, sollten die Gemeinden und Regionen im schulischen Rahmen Räume, Finanzmittel und eine Ausbildung auf dem Gebiet der Jugendbeteiligung, der Erziehung zu den Menschenrechten sowie des informellen informellen Lernens in der Schule anbieten. Im weiteren sollten sie auch für eine Ausbildung und Unterstützung hinsichtlich der Beteiligung der Jugendlichen am Vereinsleben und am Geschehen in ihrer Gemeinschaft sorgen, indem sie:

i. das Angebot einer beruflichen Ausbildung in der Praxis der Jugendbeteiligung für Lehrer und Jugendarbeiter begünstigen;

ii.alle Formen der Schülerbeteiligung in der Schule begünstigen;

iii. Programme für den Schulunterricht in Bürgerkunde;

iv. die diesbezügliche Erziehung innerhalb von Altersgruppen fördern, indem sie die nötigen Räumlichkeiten und Mittel zur Verfügung stellen und den Austausch von guten Erfahrungen fördern.

II/2: Die Information der Jugendlichen

44. Information ist häufig ein Schlüsselelement der Beteiligung, deshalb wird das Recht der Jugendlichen auf Zugang zu Informationen über die ihnen gebotenen Möglichkeiten und die sie betreffenden Themen in den offiziellen europäischen und internationalen Dokumenten2 immer mehr anerkannt, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit dem Leben in den Gemeinden und Regionen.

45. Um an den Aktivitäten und am Leben ihrer Gemeinschaft teilnehmen oder in den Genuss der ihnen zugedachten Leistungen und Dienste kommen zu können, müssen die Jugendlichen gebührend informiert sein. Die Beteiligung an sie interessierenden und von ihnen selbst organisierten Aktivitäten und Projekten ist häufig der erste Schritt in einem Prozess, der die Jugendlichen schliesslich dazu führt, sich vermehrt in das Leben der Gemeinschaft, auch in deren politisches Leben, einzubringen.

46. Deshalb sollten die Gemeinden und Regionen die bestehenden Zentren für die Information und Beratung Jugendlicher unterstützen und verbessern, damit sie qualitativ hochstehende Dienste anbieten, die den durch die Jugendlichen geäusserten Bedürfnissen entsprechen. Dort, wo es keine solchen Zentren gibt, sollten die Gemeinden und Regionen sowie die übrigen zuständigen Akteure die Einrichtung von Informationsdiensten für Jugendliche, vor allem innerhalb bestehender Strukturen wie Schulen, Jugenddiensten und Bibliotheken, anregen und unterstützen. Besondere Massnahmen sollten ergriffen werden für die Befriedigung des Informationsbedarfs von Jugendlichen mit Zugangsschwierigkeiten zu Informationen (Sprachbarrieren, kein Zugang zum Internet o.ä.).

47. Informationsdienste für Jugendliche müssen eine Reihe von fachlichen Standards und Grundsätzen einhalten3. Die Gebietskörperschaften sind aufgefordert, diese Standards zu gewährleisten, sie ständig zu verbessern und sich dabei nach Möglichkeit an eine Reihe von national (oder regional) vereinbarten Qualitätsstandards zu halten. Die Jugendlichen sollten die Möglichkeit haben, sich an der Vorbereitung, Umsetzung und Evaluation der Aktivitäten und Produkte dieser Informationszentren oder -dienste für die Jugend zu beteiligen und in den Leitungsorganen dieser Einrichtungen vertreten zu sein.

II/3 Förderung der Jugendbeteiligung mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien

48. Die Informations- und Kommunikationstechnologien können neue Möglichkeiten der Information und der Beteiligung von Jugendlichen bieten. Diese sind dank Internet, Mobiltelefon und SMS in der Lage, eine breite Palette von Informationen zu empfangen und zum Teil auch interaktiv darauf zu reagieren. Die Gemeinden und Regionen sollten sich bei der Umsetzung ihrer Informations- und Beteiligungspolitik dieser neuen Techniken bedienen, nachdem sie sichergestellt haben, dass diese sowohl räumlich als auch hinsichtlich des nötigen Know-how jedermann zugänglich sind.

II/4 Förderung der Beteiligung Jugendlicher in den Medien

49. Als grosse Konsumenten von Medienprodukten könnten die Jugendlichen grundsätzlich auch selbst in den Medien tätig sein und dadurch ihre Ausdrucksfähigkeit und ihre Fähigkeit zur Beteiligung an der Produktion von Informationen zur Verbreitung durch die Medien erweitern. Dank ihrer Sensibilität und ihre Einstellung zu gewissen Themen könnten sie ihren Altersgenossen eine andere und oft auch zugänglichere Art der Information bieten. Durch eine solche Beteiligung würden die Jugendlichen auch etwas über die Aufbereitung von Informationen lernen und die diesbezüglich notwendige kritische Sichtweise erwerben.

50. Die Gemeinden und Regionen sollten deshalb die Schaffung und das Funktionieren von durch Jugendliche für Jugendliche betriebenen Medien (Presseerzeugnisse, Radio, Fernsehen, elektronische Medien) sowie hierfür geeignete Lehrgänge unterstützen.

II/5 Freiwilligenarbeit und Einsatz für das Allgemeinwohl von Jugendlichen fördern

51. Die Jugendlichen sollten zur Freiwilligenarbeit ermutigt und darin unterstützt werden. Gerade in einer Zeit, da die Jugend zunehmend zum Erfolg in Studium und Beruf genötigt wird, ist eine Förderung und Anerkennung der Freiwilligenarbeit wichtig. Deshalb sollten die Gemeinden und Regionen:

i. die Gründung von Zentren für Freiwilligenarbeit unterstützen und Initiativen - wie etwa Informations- und Werbekampagnen - zur Unterstützung und Förderung des Einsatzes Jugendlicher in ehrenamtlichen Aktivitäten lancieren;

ii. in Partnerschaft mit Jugendlichen, Vereinen, Verantwortlichen im Bildungswesen und Arbeitgebern ein System ausarbeiten, durch welches die Freilligenarbeit in den Schulen wie in der Arbeitswelt Anerkennung erfährt und aufgewertet wird.

II/6 Unterstützung von Projekten und Initiativen Jugendlicher

52. Ihre Hoffnungen und Wünsche regen die Jugendlichen zu zahlreichen Ideen an, die sich in örtlichen Projekten und Leistungen verwirklichen lassen, welche für alle gewinnbringend sind. Wenn sie mit der nötigen Unterstützung versehen werden, können solche Projekte mit den ihnen beschiedenen Erfolgen und Misserfolgen den Jugendlichen helfen, Verantwortungsbewusstsein und Selbständigkeit einzuüben und in ihre Rolle als gesellschaftliche Akteuren hineinzuwachsen. Deshalb sollten die Gemeinden die Verwirklichung solcher - bescheidener oder auch grösserer - Projekte erleichtern, indem sie deren Begleitung durch Fachleute gestatten und den Weg zu finanzieller, materieller und technischer Hilfe ebnen.

II/7 Die Entstehung von Jugendorganisationen fördern

53. Jugendorganisationen sind einzigartig insofern, als es ihr Hauptzweck ist, den Standpunkt der Jugendlichen wiederzugeben, deren Bedürfnissen nachzukommen und deren Interessen zu dienen. Ausserdem bieten sie den Jugendlichen Gelegenheit, sich zusammen mit Altersgenossen an Entscheidungen und Aktionen zu beteiligen und sich der mit einer solchen Beteiligung gegebenen Herausforderung bewusst zu werden. Dabei kann es sich um stark strukturierte oder auch um formlose lokale Netze junger Menschen handeln. Wichtig ist, dass jene Jugendlichen, die es wünschen, die Möglichkeit und Wahl haben, an ihrem Wohnort einer Jugendorganisation beizutreten. Falls sie das wünschen, sollten sie ausserdem das Recht haben, eine eigene Organisation zu gründen und dabei Unterstützung zu erhalten. Deshalb sollten die Gemeinden und Regionen:

i. über ein besonderes Budget verfügen, das einzig der Unterstützung von Jugendorganisationen dient, welche Aktivitäten betreiben, Dienste leisten oder als Sprecher der örtlichen Jugend fungieren und deren Sache vertreten. Es sollten Organisationen bevorzugt werden, die für die Jugendlichen aktiv sind, durch Jugendliche geleitet werden oder deren Politik und Struktur eine aktive Beteiligung der Jugendlichen ermöglichen.

ii. für ihre Aktivitäten auf Gebieten, welche die Jugendlichen betreffen, in Partnerschaft mit den Jugendlichen und ihren Organisationen das Prinzip der Mitbestimmung und das System der Entscheidungsfindung des Europarats einführen. Wo solche Verfahren eingerichtet werden, ist es wichtig, dass die Jugendlichen und Jugendorganisationen als vollwertige Partner betrachtet werden, sich aber, wenn sie das wünschen, nicht zu beteiligen brauchen.

II/8 Beteiligung der Jugendlichen an Nichtregierungsorganisationen und an politischen Parteien

54. Ein dynamischer, unabhängiger und aktiver Nicht-Regierungssektor ist ein wesentliches Element jeder wirklich demokratischen Gesellschaft. Ebenfalls wichtig ist, dass noch weitere Sektoren der Zivilgesellschaft wie etwa die politischen Parteien stark und aktiv sind auf der kommunalen und regionalen Ebene. Ein Mitleben des demokratischen Lebens eines Landes bedeutet mehr als nur die Beteiligung an gelegentlichen Wahlen. Darum ist die Teilnahme an Nichtregierungsorganisationen und politischen Parteien so wichtig, ermöglichen solche Organe den Bürgern doch eine ständige Beteiligung an den politischen Entscheidungen und Aktivitäten sowie deren Beeinflussung. Deshalb ist es wesentlich, dass die Jugend ermutigt und ihr dabei geholfen wird, sich am gesellschaftlichen Leben ihres Orts zu beteiligen.

55. Die Gemeinden und Regionen sollten den Nichtregierungsorganisationen (NRO) finanzielle und andere Mittel zuwenden und darüber hinaus zusätzliche Mittel an solche NROs vergeben, die eine Beteiligung der Jugend an ihren Strukturen, demokratischen Entscheidungsverfahren und Aktivitäten fördern.

56. Die Gemeinden und Regionen sollten in vorurteilsloser Partnerschaft mit den politischen Parteien die Beteiligung der Jugendlichen am System der politischen Parteien allgemein fördern und spezifische, beispielsweise der Schulung dienende, Aktionen unterstützen.
(0300173.3)

Teil III: INSTITUTIONELLE BETEILIGUNG DER JUGENDLICHEN AM LEBEN DER GEMEINDE UND DER REGION

57. Um die in Teil II aufgezählten sektoriellen Politiken umsetzen zu können, müssen die Gemeinden und Regionen Strukturen oder Einrichtungen schaffen, die den Jugendlichen eine Beteiligung an den sie betreffenden Debatten und Beschlüssen ermöglichen.

58. Diese Strukturen werden unterschiedliche Formen annehmen, je nachdem, ob sie in einem Dorf, einer Stadt, einem Stadtteil oder einer Region dienen sollen. Ihre Aufgabe ist es, eine Partnerschaft und einen echten Dialog zwischen Gemeinden bzw. Regionen und den Jugendlichen förderliche Bedingungen zu bieten und die Jugendlichen sowie deren Vertreter in den sie betreffenden Politiken als vollwertige Akteure fungieren zu lassen. Diese Strukturen sollten normalerweise repräsentativ und permanent sein und sich mit allem befassen, was die Jugendlichen interessiert. Es liesse sich aber auch an ad hoc-Strukturen für die Diskussion oder die Regelung jeweils spezifischer Probleme denken. Gelegentlich könnte es sich als klug erweisen, verschiedene Formen von Strukturen zu kombinieren.

III/1 Jugendräte, Jugendparlamente, Jugendforen

59. Eine wahrhafte Beteiligung am Leben der Gemeinde und der Region muss darauf beruhen, dass sich die Jugendlichen der in ihrem Gemeinwesen im Gange befindlichen gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen bewusst sind. Das bedingt das Vorhandensein einer ständigen Vertretung oder einer Struktur von der Art eines Jugendrates, -parlaments oder -forums.

60. Die Mitglieder solcher Strukturen könnten durch Wahlen oder durch Mandatierung aus Jugendorganisationen und/oder auf eigenen Wunsch hin bestellt sein und sollten die Kombination der soziologischen Merkmale des betreffenden Gemeinwesens möglichst genau repräsentieren.

61. Die Jugendlichen sollten für ihre Projekte unmittelbar verantwortlich sein und sich an den darauf bezüglichen Politiken aktiv betätigen. Deshalb sollten die durch die Gemeinden und Regionen geschaffenen oder unterstützten Strukturen für eine aktive Beteiligung ausgelegt sein.

62. Diese - materiellen - Strukturen bieten den Jugendlichen einen Rahmen, innerhalb dessen sie ihren Sorgen und Interessen, besonders auch gegenüber den Behörden, frei Ausdruck verleihen und Vorschläge vorbringen können. Dabei könnten die behandelten Themenbereiche etwa den in Teil I der vorliegenden Charta aufgeführten entsprechen.

63. Die Rolle solcher Strukturen wäre es insbesondere:

i. den Jugendlichen einen Ort zu geben, wo sie sich frei über die Gegenstände ihrer Besorgnisse, gegebenenfalls auch im Zusammenhang mit Vorschlägen oder Politiken ihres Gemeinwesens oder anderer Gebietskörperschaften, äussern können;

ii.den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, Vorschläge an die Gemeinden und Regionen zu richten;

iii. den Gemeinden oder anderen Gebietskörperschaften die Möglichkeit zu geben, die Jugendlichen zu spezifischen Fragen zu konsultieren;

iv. einen Ort zu bieten, wo Projekte von Interesse für die Jugendlichen ausgearbeitet, verfolgt und evaluiert werden;

v. einen Ort zu bieten, der einvernehmliche Überlegungen zusammen mit den Jugendvereinigungen und -organisationen erleichtert;

vi. die Beteiligung der Jugendlichen an weiteren Konsultativorganen der Gemeinden und Regionen zu erleichtern.

64. Indem solche Strukturen den Jugendlichen Gelegenheit geben, sich zu den sie beschäftigenden Problemen zu äussern und bezüglich ihrer aktiv zu werden, unterrichten sie sie zugleich in demokratischem Leben und in der Handhabung öffentlicher Angelegenheiten.

65. Deshalb sollten die Jugendlichen dazu ermutigt werden, sich an diesen Strukturen und den in ihrem Rahmen erfolgenden Aktivitäten zu beteiligen, sodass ihre Fähigkeit angeregt wird, sich die Grundsätze demokratischer Bürgerschaftlichkeit anzueignen und sie anzuwenden. Besonders für jene Jugendlichen, die Projekte vorschlagen und den Dialog mit den Gemeinden und Regionen suchen, sollten diese Strukturen ein Ort sein, wo sie demokratische Führungsfähigkeiten einüben können;

66. Die Gemeinden und Regionen sowie die Jugendlichen selbst können überdies Nutzen ziehen aus dem Multiplikatoreffekt, den die Beteiligung an solchen Strukturen hat und der insofern bemerkenswert ist, als die Jugend allgemein durch die Beteiligung ermutigt wird, ihre bürgerlichen Rechte wahrzunehmen, vor allem auch, sich an Wahlen und anderen Abstimmungen wie beispielsweise Referenden zu beteiligen.

III/2 Unterstützung der Strukturen für die Jugendbeteiligung

67. Um wirksam zu funktionieren, brauchen institutionelle Strukturen für die Beteiligung Jugendlicher (handle es sich nun um offizielle Strukturen oder nicht) Mittel und Unterstützung. Deshalb sollten die Gemeinden und Regionen solchen Strukturen die für ihr gutes Funktionieren notwendigen Räumlichkeiten, finanziellen Mittel und materielle Hilfe verschaffen. Der Empfang dieser Unterstützungen muss nicht bedeuten, dass die betreffenden Strukturen nicht zusätzliche finanzielle oder materielle Unterstützung von weiteren Partnern, etwa Stiftungen, Privatgesellschaften o.ä., einwerben dürfen.

68. Die Gemeinden und Regionen sollten dafür sorgen, dass die Strukturen für die Beteiligung der Jugendlichen tatsächlich von dieser Hilfe profitieren. Zu diesem Zweck sollten sie einen Garanten - eine Person oder eine Gruppe von Personen - ernennen und beauftragen, die Anwendung der Hilfsmassnahmen zu überwachen und, wenn nötig, als Ansprechpartner für die Strukturen zu fungieren.

69. Diese Person oder Personengruppe sollte sowohl von den politischen Strukturen wie auch von den Strukturen für die Beteiligung der Jugendlichen unabhängig sein; ihre Ernennung müsste von beiden Seiten gutgeheissen werden.

70. Die genannte(n) Person(en) sollten nicht nur für die oben erwähnte Unterstützung garantieren, sondern könnte(n) folgende weitere Aufgaben versehen:

i. hinsichtlich allfälliger Fragen von einer der beiden Seiten als Mittler zwischen den Jugendlichen und den Gemeinden und Regionen dienen;

ii. im Falle von Spannungen als Fürsprecher der Jugendlichen bei den Gemeinden und Regionen fungieren;

iii. als Vektor für die Kommunikation zwischen Gemeinden und Regionen und den Jugendlichen dienen;

iv. zuhanden der Jugendlichen wie auch der Gemeinden und Regionen regelmässige Berichte verfassen, sodass die Beteiligung der Jugendlichen am kommunalen und regionalen Leben - beispielsweise im Rahmen der Umsetzung eines Projekts oder eines Einsatzes innerhalb der Beteiligungsstrukturen - sowie die Auswirkungen dieser Beteiligung evaluiert werden können.

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 21. Mai 2003, 2. Sitzung (siehe Dok. CG(10)6, Empfehlungsentwurf, vorgelegt durch die Frau B. FÄLDT, Berichterstatter)

2 Siehe beispielsweise die am 21. Februar 1990 angenommene Empfehlung Nr. R(9O)7 des Ministerkomitees vom Europarat betreffend die den Jugendlichen in Europa zu erteilenden Informationen und Ratschläge.

3 Siehe beispielsweise die Europäische Charta der Jugendinformation, welche durch die European Youth Information and Counselling Agency (ERYICA) angenommmen wurde.