FRÜHJAHRSTAGUNG
Malaga, 13. – 14. März 2008

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in ländlichen Gebieten, ein zentraler Faktor in der Politik der territorialen Kohäsion

Empfehlung 235 (2008)[1]

1. Der Zugang zu den Diensten von allgemeinem Interesse[2] im ländlichen Raum ist ein zentrales Element der sozialen und territorialen Kohäsion und sollte bei der Achtung der Werte und der Grundsätze der Gleichberechtigung, der sozio-geographischen Solidarität, der Kontinuität und der Transparenz beachtet werden. 

2. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates ist überzeugt, dass die Aufrechterhaltung und Stärkung der effizienten Dienste von allgemeinem Interesse auf dem gesamten europäischen Gebiet eine politische Herausforderung ist, die im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip, wie in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung definiert, mit den Arbeiten des Kongresses in der Regionaldemokratie angegangen werden muss.

3. Die ländlichen Gebiete in Europa stehen vor schweren Problemen aufgrund der wirtschaftlichen Umstrukturierung und der Entvölkerung. Diese Probleme müssen auf allen Verwaltungsebenen angegangen werden, denn die Bewahrung eines nachhaltigen ländlichen Raumes ist wesentlich für die wirtschaftliche und soziale Kohäsion des gesamten Gebietes, da der Wohlstand der städtischen und ländlichen Gebiete miteinander verbunden sind und einander ergänzen. 

4. Der Kongress unterstreicht, dass die Bereitstellung von Diensten von allgemeinem Interesse im ländlichen Raum sich nicht nur auf wirtschaftliche Kriterien stützen kann, da eine geringe demographische Dichte bedeutet, dass diese Leistungen dort oft kostspieliger sind. Er bedauert den allgemeinen Rückgang der Qualität und der Zugänglichkeit der Dienste von allgemeinem Interesse, der auf dem gesamten europäischen Gebiet zu verzeichnen ist und insbesondere in den Randgebieten und dünn besiedelten Gebieten bedenklich wird. 

5. Der Kongress bekräftigt seine Überzeugung, dass die Bereitstellung von Diensten von allgemeinem Interesse im ländlichen Raum ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in diesen Regionen mit sich bringt, die traditionell unter fehlenden Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten leiden. 

6. Er weist darauf hin, dass einige europäische Gebietskörperschaften die öffentlichen Dienste liberalisieren und neue Organisationsformen wie öffentlich/rechtliche Partnerschaften schaffen. Der Kongress unterstreicht, dass unabhängig von der Leistung und der Finanzierung die staatlichen Behörden mit Hilfe der entsprechenden Gesetzgebung die allgemeine Kontinuität und den gleichen Zugang zu den qualitativ hochwertigen Diensten garantieren müssen.


7. Der Kongress ist der Auffassung, dass das Anliegen der nachhaltigen Entwicklung in alle Aspekte der Territorialpolitik aufgenommen werden sollte. Ein umfassendes und effizientes öffentliches Verkehrsnetz ist wichtig, um die soziale Inklusion und die Zugänglichkeit für schutzbedürftige Gruppen zu verbessern und die Ausbreitung der Stadtgebiete, die Verschmutzung und die übermäßige Ausbeutung der natürlichen Ressourcen einzudämmen.

8. Der Kongress begrüßt die Empfehlung (2007) 4 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten betreffend öffentliche kommunale und regionale Dienste, die eine verstärkte Dezentralisierung der öffentlichen Dienste vorsieht, damit diese Dienste an die Bedürfnisse und die Erwartungen der Bürger angepasst sind.

9. Der Kongress beglückwünscht die Europäische Union zur ihrer territorialen Agenda: „Für ein wettbewerbsfähigeres nachhaltigeres Europa der vielfältigen Regionen“, die 2007 verabschiedet wurde und die grundlegende Bedeutung der territorialen Dimension bei der Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Wohlergehens bestätigt. 

10. Angesichts des Vorangegangenen empfiehlt der Kongress dem Ministerkomitee des Europarates:

a. den Kongress bei der Ausarbeitung eines Rechtsinstrumentes über die Regionaldemokratie, das der Stärkung der Befugnisse und der Selbstverwaltung der Regionen dient, zu unterstützen;

b. die Europäische Konferenz der Minister, zuständig für Raumordnung (CEMAT), aufzufordern, ihre Reflexionen über die ländlichen Gebiete fortzusetzen und die gegenseitige Abhängigkeit zwischen den städtischen und ländlichen Gebieten zu prüfen;

c. eine gemeinsame Strategie, wie in der territorialen Agenda der Europäischen Union vorgeschlagen, mit der Europäischen Union im Rahmen einer Vereinbarung, die 2007 zwischen beiden Organisationen über die Stärkung der territorialen Verwaltung, der territorialen Identität und der innovativen Partnerschaft getroffen wurde, auszuarbeiten;

d. die Europäische Kommission aufzufordern, ein Instrument für Dienste von allgemeinem Interesse auszuarbeiten, in dem der Begriff des allgemeinen Interesses als grundlegender Wert die Wahl des Staates rechtfertigt.

11. Außerdem empfiehlt der Kongress dem Ministerkomitee des Europarates die Mitgliedstaaten aufzufordern:

a. die Befugnisse der verschiedenen Ebenen der Regierungsführung bei der Bereitstellung der Dienste von allgemeinem Interesse im Einklang mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung klar festzulegen;

b. neue Organisationsformen der öffentlichen Dienste im ländlichen Raum anzuregen, die von Kooperativen, Vereinen oder dem privaten Sektor übernommen werden können und gegebenenfalls  den Rechtsrahmen hierfür anzupassen;

c. die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien für effiziente und kostengünstige Dienste zu nutzen;

d. rechtliche und finanzielle Mechanismen auszuarbeiten, die es den verschiedenen Verwaltungsebenen erlauben, Beihilfen, Anreize, Subventionen der Angleichungsmaßnahmen anzubieten, um einen zufrieden stellenden Zugang zu den hochwertigen Diensten von allgemeinem Interesse für alle zu garantieren;

e. darauf zu achten, dass die zusätzlichen Kosten für die öffentlichen Dienste in den ländlichen Gebieten von allen Regierungsebenen und anderen Partnern mit Unterstützung des Staates  getragen werden.



[1] Diskussion und Zustimmung durch den Ständigen Ausschuss der Kammer der Regionen am 13. März 2008, und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 14. März 2008 (siehe Dokument CPR(14)8REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch C. Abela Baldacchino (Malta, R, SOC) und M. Neureiter (Österreich, R, EVP/DC), Berichterstatter).

[2] Die Dienste von allgemeinem Interesse umfassen materielle Güter wie öffentlicher Verkehr, Wohnungsbau, Energie, Wasser, Müllabfuhr, Telekommunikation und Bankwesen sowie immaterielle Güter wie Gesundheit, Kultur, Bildung und Sozialdienste.