14. PLENARTAGUNG
(Straßburg, 30. Mai – 1. Juni 2007)

Die territoriale Kontinuität der Sozialdienste in den ländlichen Regionen

Empfehlung 224(2007)[1]


1. In einigen europäischen Regionen wird die ländliche Bevölkerung, gleichgültig ob sie zahlenmäßig gleich bleibt oder zurückgeht, immer älter. In anderen Regionen ergibt sich der Zuwachs dieser Bevölkerung teilweise aus der Abwanderung von der Stadt aufs Land. Insbesondere in Mittel- und Osteuropa hat die ländliche Bevölkerung einen großen Strukturwandel durchlaufen;

2. Sehr oft führen diese Veränderungen zu einer fortwährenden Verschlechterung der Infrastruktur und der Sozialdienste, worunter die besonders Schutzbedürftigen leiden;

3. Die Bewohner bestimmter ländlicher Regionen laufen daher Gefahr, sozial benachteiligt zu werden, während die internen und externen sozio-ökonomischen und demographischen Phänomene diese Umgebung verändern und umstrukturieren;

4. Zu den Bevölkerungskategorien, die am stärksten unter dem erschwerten Zugang zu Diensten und sozialen Möglichkeiten zu leiden haben, zählen die älteren Menschen (65 Jahre und älter), die Kinder und die Jugendlichen, die Frauen, die Einkommensschwachen, die Menschen mit dauerhaften Gesundheitsproblemen, mit geistiger oder körperlicher Behinderung sowie Menschen, die ethnischen Minderheitengruppen angehören (wie die Roma);

5. Die Sozialdienste tragen in hohem Maße dazu bei, die soziale Integration zu erleichtern und die Grundrechte wie Menschenwürde und Integrität des Menschen zu garantieren. Jeder Bürger hat das Recht, an seinem Wohnort sozial unterstützt zu werden. Der Staat muss daher erkennen, dass die Bedürfnisse der ländlichen Bewohner ein wesentlicher Bestandteil eines breiten nationalen Progammes der sozialen Kohäsion sein müssen;

6. Bisher haben sich jedoch nur wenige Staaten mit der Frage der Armut und der sozialen Ausgrenzung auf dem Lande beschäftigt;

7. Für den Kongress der Gemeinden und Regionen ist die Verbesserung der Qualität und die Zugänglichkeit der Sozialdienste in den Regionen eines der prioritären politischen Ziele der Kohäsionsprogramme der Mitgliedstaaten. Die Entwicklung der ländlichen Sozialdienste sollte mehr als soziale Investition  und nicht als Quelle hoher sozialer Kosten gesehen werden;

8. Der Kongress fordert daher das Ministerkomitee auf, die Mitgliedstaaten zu ermutigen, eine soziale Politik und nationale Strukturen für den sozialen Schutz einzurichten, die:

a. auf nationaler Ebene die lokalen und regionalen Strategien zur ländlichen Entwicklung sichern, um einen kohärenten Ansatz und die Verbreitung der Kenntnisse und guten Praktiken zu garantieren und gleichzeitig die nationalen und internationalen politischen Programme mit den auf lokaler und regionaler Ebene angewendeten Strategien in Einklang zu bringen;

b. immer integrierter werden, wenn eine Verbindung zwischen den Sozialdiensten, Unterkunft, Gesundheit und anderen Politiken und begleitenden Maßnahmen besteht;

c. Maßnahmen einschließen, die an die Besonderheiten der ländlichen Umgebung angepasst sind und auf die lokalen Bedürfnisse eingehen, zum Beispiel bei der Infrastruktur und der Sozialarbeit und den sozialen Diensten im ländlichen Raum als spezifischer Aktionsbereich, indem eine Schulung für Sozialarbeiter erstellt, verbreitet und bewertet wird, die speziell auf das ländliche Umfeld ausgerichtet ist;

d. die Beteiligung der Nutzer hervorheben und die ländlichen Gemeinschaften konsultieren, um zu sehen was ihnen bei der Umsetzung der Dienste prioritär erscheint (in Anwendung der Leitlinien über die guten Praktiken, die die Expertengruppe des Europäischen Ausschusses für Soziale Kohäsion bezüglich der Beteiligung der Nutzer der Sozialdienste und der Erbringer der integrierten Sozialdienste (CS-US) erstellt hatte;

e. sieht auf allen entsprechenden Ebenen an die Mehrkosten der Dienstleistungen in ländlichen Regionen angepasste Finanzierungsmechanismen vor;

f. den Einsatz von Televersorgung und Informationstechnologien bei der Gesundheitsversorgung sowie die Informationen für die ländlichen Gemeinschaften berücksichtigen, gemäß der Empfehlung 212(2007) des Kongresses über E-Gesundheit und Demokratie in den Regionen;

g. den Mangel an Pflegepersonal in den ländlichen Gemeinschaften durch Anreize ausgleichen und gleichzeitig einen ethischen Ansatz bei der Einstellung wählen, gemäß dem Verhaltenskodex einiger Mitgliedstaaten;

h. sicherstellen, dass dank eines individuell ausgerichteten Ansatzes und gegebenenfalls angepasster Aktionspläne in einem Europa, das kulturell immer vielfältiger wird, die Minderheitengruppen im ländlichen Raum nicht doppelt benachteiligt werden;

i. älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Menschen, die unter andauernden Gesundheitsproblemen leiden, die häusliche Pflege ermöglichen im Gegensatz zur Pflege in einer Einrichtung durch Direktzahlungen (oder „persönliche Gesundheitsbudgets“) an die Nutzer oder Pfleger, damit sie in ihrer ländlichen Gemeinschaft bleiben und zu deren Wirtschaft beitragen können, indem sie vor Ort die Entschädigung für ihre Behinderung ausgeben;

j. die Möglichkeit prüfen, einen Bürgerbeauftragten für Sozial- und Gesundheitsdienste zu benennen, an den sich die Bürger direkt wenden können;

9. Außerdem fordert der Kongress das Ministerkomitee auf:

a. sich auf eine Definition für „Ländlichkeit“ zu einigen, die für alle 46 Mitgliedstaaten gilt;

b. die europäische Beobachtungsstelle für Gesundheitssysteme und Politik sowie die Beobachtungsstelle für die Entwicklung der Sozialdienste aufzufordern, ihre Kompetenzen und Ressourcen für die Ausweitung ihrer Untersuchung der Systeme der Sozialdienste in den ländlichen Gebieten und entlegenen Gebieten Europas einzusetzen.



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 30. Mai 2007 und Annahme durch den Kongress am 1. Juni 2007, 3. Sitzung (siehe Dokument CPR(14)5REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch S. Berger (Deutschland, R, EVP/CD), Berichterstatter).