14. PLENARTAGUNG
(Straßburg, 30. Mai – 1. Juni 2007)
Die territoriale Kontinuität der Sozialdienste in den ländlichen Regionen
Entschliessung 243(2007)[1]
1. Die Sozialdienste sind der Schlüssel zu einer solidarischen Gesellschaft: Die Bürger dürfen nicht gezwungen sein zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse, wie Beschäftigung, Bildung, soziale Sicherheit und Versorgung sowie Zugang zu diesen Diensten, in verstädterten Gebieten zu leben;
2. Jedoch muss man zugeben, dass die ländlichen Gebiete in Europa unter einer stärkeren sozialen Ausgrenzung und Not leiden als die Stadtgebiete aufgrund einer Reihe von Faktoren (alternde Bevölkerung, unzureichende Verkehrsanbindung, weniger qualifizierte Fachleute, Schwierigkeiten beim Zugang zu den Diensten, höhere Kosten, ein einziger Arbeitgeber), die oft noch durch ein niedrigeres Niveau und höhere Kosten der sozialen Leistungen verstärkt werden;
3. Die Versuche der Regionalbehörden, den ländlichen Gemeinden die größtmögliche Unterstützung mit dem besten Kosten-Effizienz-Verhältnis angedeihen zu lassen, führen zu der Gefahr, dass die einkommensschwachen Einwohner am schlimmsten von der Reduzierung der Dienste betroffen sind;
4. Die Sozialdienste werden im Allgemeinen von den staatlichen Behörden auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene geregelt und finanziert, aber die Dienste selbst können vom staatlichen oder privaten Sektor, den Vereinigungen oder anderen Organisationen des Drittsektors übernommen werden (gemischte Wirtschaft der Sozialleistungen). Daher sind eine Koordinierung und enge Kooperation nötig, um sicherzustellen, dass die Ärmsten von diesen Diensten profitieren und dass ihr Zugang transparent und ausgewogen verwaltet wird;
5. Trotz dieser Situation werden die zuständigen Behörden nur selten wegen der doppelten Problematik: Armut und soziale Ausgrenzung in den ländlichen Gebieten und dem Bedarf an Diensten angegriffen. Übrigens gibt es immer noch keinen Konsens über die Definition für „ländliche Gebiete“;
6. Die Dienstleistungen im ländlichen Raum sind nicht immer vergleichbar mit denen in der Stadt und stoßen auf Hindernisse und spezifische Probleme. Daher müssen neue Mittel gefunden werden, die an die Forderungen und Besonderheiten jeder Region angepasst sind, um einen gleichrangigen Zugang für alle zu garantieren;
7. Der Kongress der Gemeinden und Regionen fordert daher, in dem Bestreben die Nachhaltigkeit der Sozialdienste in den ländlichen Gemeinden und/oder entlegenen Gemeinden zu garantieren und die Unterschiede im Entwicklungsniveau zwischen den verschiedenen Regionen und innerhalb einer Region selbst zu verringern, die Regionalbehörden der Mitgliedstaaten des Europarates auf:
a. die Ländlichkeit als eine Frage an sich zu behandeln und für die Verabschiedung einer gemeinsamen Definition einzutreten, zumindest auf nationaler Ebene;
b. gegebenenfallseine Reihe von Leistungsindikatoren auszuarbeiten, um die Sozialdienste zu bewerten, die Situation vor Ort zu prüfen, insbesondere die Dienstleistungen für die schwächsten Mitglieder der ländlichen und isolierten Gemeinden sowie objektive und empirische Vergleiche zwischen Stadt und Land anzustellen;
c. bei den Sozialdiensten Maßnahmen zu ergreifen, die an die Besonderheiten des ländlichen Raumes angepasst sind und auf die wesentlichen Bedürfnisse wie Kinderbetreuung und Schutz der Kinder einzugehen, die mit großen Hindernissen wie unzureichende Infrastrukturen bei Verkehr und Kommunikation konfrontiert werden:
i. auf allen entsprechenden Ebenen an die Mehrkosten der Dienstleistungen in ländlichen Regionen angepasste Finanzierungsmechanismen vorzusehen;
ii. Maßnahmen zu ergreifen, damit der Endnutzer und alle Mitglieder der ländlichen Gemeinden über ihr eigenes Leben entscheiden können und diese in die Planung und Umsetzung der Sozialdienste in ihrer Nähe einzubeziehen und hierbei die Leitlinien für die Anwendung der guten Praktiken zu nutzen, die die Expertengruppe des europäischen Ausschusses für soziale Kohäsion betreffend Beteiligung der Nutzer an den Sozialdiensten und Erbringen integrierter Sozialdienste erstellt hatte (CS‑US);
iii. die verschiedenen betroffenen Organisationen voll und ganz in die Planung und Lieferung der Sozialdienste einzubeziehen;
iv. die Autonomie der älteren oder behinderten Menschen mit Hilfe von verstärkten mobilen Diensten und Hausbesuchen zu fördern;
v. andere Formen der Dienstleistungen mit Hilfe des Internets oder per Telefon in Anwendung der Entschließung 231(2007) über E-Gesundheit und Demokratie in den Regionen zu prüfen;
vi. gegebenenfalls die Ressourcen der Zentraldienste auf die vernetzten Nutzerorganisationen in den ländlichen Gebieten zu übertragen oder, falls nötig, spezifische Vorkehrungen für den Transport der Nutzer aus den ländlichen Gebieten zu treffen;
vii. spezifische Programme für Dienste für Kinder einzurichten, damit die Dienstleister eine Betriebsgenehmigung und eine Grundausbildung über Sicherheit und Entwicklung des Kindes erhalten. So könnte der Mangel an verfügbarem qualifiziertem Personal und der Mangel an Kinderbetreuung in den entlegenen Gebieten behoben werden;
viii. individuell die Lage der Minderheitengruppen in den ländlichen Gebieten zu betrachten und darauf zu achten, dass sie nicht doppelt zu Opfern werden;
d. einen integrierten Ansatz bei der Gesundheitsversorgung und den Sozialdiensten in den ländlichen Gebieten zu verabschieden und im Bereich des sozialen Schutzes Verbesserungen aus dem Bereich Gesundheit im ländlichen Raum zu übernehmen sowie umgekehrt und eine Verbindung zwischen den Sozialdiensten, Unterkunft und anderen Maßnahmen herzustellen;
e. die Benennung eines Bürgerbeauftragten für Sozial- und Gesundheitsdienste auf regionaler Ebene zu erwägen, der die Einhaltung der Rechte der schutzbedürftigsten Mitglieder der Gesellschaft überwachen würde;
f. ein System des „persönlichen Gesundheitsbudgets“ (Direktzahlungen an die Nutzer anstatt an die Dienstleister) auf regionaler Ebene einzurichten (mit einer möglichen gemischten Finanzierung Staat/Region), damit die schutzbedürftigen Bürger ihren sozialen Schutz selbst organisieren und die ländlichen Gebiete wirtschaftlich davon profitieren können;
8. Der Kongress unterstreicht, dass eine seiner Prioritäten in den nächsten Jahren sein wird zu prüfen, wie die soziale Kohäsion dank einer ausgewogenen Regionalentwicklung zu realisieren ist und hierzu:
a. beauftragt er seinen Ausschuss für Soziale Kohäsion, eine Konferenz der Regionalvertreter für soziale Angelegenheiten zu organisieren, um die wichtigen sozialen Fragen auf regionaler Ebene zu behandeln und die Dienstleistungen in den ländlichen und/oder isolierten Regionen zu einem wichtigen Diskussionsthema zu machen;
b. weist er daraufhin, dass ein zusätzlicher Bericht über die ausgewogene Verteilung der Gesundheitsdienste ebenfalls bei der Plenartagung 2007 vorgesehen ist sowie ein weiterer Bericht über die Dienste von allgemeinem Interesse im ländlichen Raum vom Ausschuss für Nachhaltige Entwicklung bei der Frühjahrstagung 2008 vorgelegt wird.
[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 30. Mai 2007 und Annahme durch den Kongress am 1. Juni 2007, 3. Sitzung (siehe Dokument CPR(14)5RESREV, Entschliessungsentwurf vorgelegt durch S. Berger (Deutschland, R, EVP/CD), Berichterstatter).