Entschließung 154 (2003)1 über die Stellung der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung im künftigen Verfassungsvertrag der Europäischen Union

Der Kongress,

1. Billigt den Beschluss des Präsidiums des Kongresses, als Dringlichkeitsdebatte, einen Bericht über die Stellung der Gemeinden und Regionen in den künftigen Verfassungsvertrag der Europäischen Union aufzunehmen;

2. Im Hinblick auf den vom Berichterstatter des Präsidiums Giovanni Di Stasi (Italien) ausgearbeiteten Bericht;

3. Verweist auf seine Stellungnahme 16 (2002) über das Weißbuch der Europäischen Kommission über das Europäische Regieren, in der insbesondere die Haltung des Kongresses zur Berücksichtigung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung durch die Institutionen der Europäischen Union enthalten ist;

4. Verweist auf seine Empfehlung 118 (2002) betreffend Regionen mit Gesetzgebungsbefugnis, in der der Konvent über die Zukunft Europas aufgefordert wird, die Forderungen zu berücksichtigen, die bei den Konferenzen der Präsidenten der Regionen mit Gesetzgebungsbefugnis in Barcelona (2000) und Lüttich (2001) gestellt wurden;

5. Verweist in diesem Zusammenhang auf die Forderungen der Präsidenten der Regionen mit Gesetzgebungsbefugnis bei der dritten Konferenz in Florenz im November 2002;

6. Dankt dem Präsidium des Kongresses für die zahlreichen Initiativen, die es ergriffen hat, damit das Präsidium des Konventes für die Zukunft Europas sowohl um die Haltung des Kongresses bezüglich der Achtung des Grundsatzes der kommunalen Selbstverwaltung, insbesondere der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, als auch um die spezifischeren Forderungen der Regionen als Ganzes weiß;

7. Nahm insbesondere die Schlussfolgerungen der Anhörung von Herrn Dehaene, Vize-Präsident des Konventes am 30. Januar 2002 über die zukünftige Rolle und Stellung der Gemeinden und Regionen in der Europäischen Union zur Kenntnis, an der sich eine Delegation des Kongresses aktiv beteiligte;

8. Begrüßt die Entschließung 2002/2141 des Europäischen Parlaments betreffend der Rolle der Gemeinden und Regionen beim Aufbau Europas, die die Vorschläge des Kongresses und des Ausschusses der Regionen zur Einbeziehung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung als Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes unterstützte;

9. Nahm die Vorschläge des Konventes nach seiner Sitzung am 7. Februar 2002 über die kommunale und regionale Selbstverwaltung sowie den Entwurf des Protokolls über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und des Proportionalitätsgrundsatzes zur Kenntnis, die jedoch nur teilweise auf die Forderungen des Ausschusses der Regionen eingehen;

10. Verweist auf die Tatsache, dass die Vielfalt der Gemeinden und Regionen ein Trumpf für Europa ist und geachtet werden sollte;

11. Erachtet es auch als notwendig, auf die kulturelle Vielfalt und die kulturelle und sprachliche Identität der Regionen Europas zu achten, die durch die jüngsten Vorschläge des Konvents über die ausschließliche Zuständigkeit der Union beim Abschluss von internationalen Abkommen für die Kultur- und Bildungsdienste beeinträchtigt werden könnte;

12. Würdigt die großen Anstrengungen des Ausschusses der Regionen und seiner sechs Beobachter im Konvent bei der Herausstellung des Anliegens der Regionen und Gemeinden und der Stärkung der institutionellen Stellung des Ausschusses der Regionen in den Institutionen der Union;

13. Begrüßt das Übereinkommen zwischen dem Ausschuss der Regionen und dem Kongress über die Hauptforderungen der Gemeinden und Regionen, ein Übereinkommen, das durch die gemeinsame Position der europäischen Verbände der Gemeinden und Regionen (VRE, AGEG, CALRE, RGRE, KPKR und Eurocités), die dem Konvent vorgelegt wurde, größtenteils abgelöst wird;

14. Begrüßt es, dass der Entwurf des Verfassungsvertrags vorsieht, dass die Europäische Union mit dem Europarat kooperiert und der Entwurf von Artikel 5, Absatz 2 vorsieht, dass die Europäische Union der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarates beitreten kann;

15. Bedauert jedoch in diesem Zusammenhang, dass noch keine ähnliche Bezugnahme auf die Möglichkeit eines Beitritts der Union zur Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung in Kapitel III des Entwurfes des Verfassungsvertrags der Union aufgenommen wurde, insbesondere als Ergänzung zu Artikel 6 bezüglich der Berücksichtigung der Strukturen der staatlichen Behörden auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene der Mitgliedstaaten;

16. Erachtet es als notwendig, einige Wochen vor Beendigung der Arbeiten des Konvents über die Zukunft Europas, folgende Hauptvorschläge zur Ergänzung und Stärkung der Stellung der Gemeinden und Regionen im Verfassungsvertrag vorzubringen:

a. bezüglich der Charta der kommunalen Selbstverwaltung:
nach Artikel 9, Absatz 6 des Entwurfes des Verfassungsvertrags folgenden Absatz hinzuzufügen: „Die Union kann der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung beitreten. Der Beitritt zu dieser Charta ändert nicht die Befugnisse der Union, wie in der vorliegenden Verfassung definiert";

b. bezüglich der Vorabkonsultation der Gemeinden und Regionen:
nach Absatz 2 des Protokollentwurfes über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und des Proportionalitätsgrundsatzes folgenden Absatz einzufügen: „Der Ausschuss der Regionen wird von der Kommission zum Stand der Ausarbeitung eines Gesetzgebungsakts im Rahmen der Einhaltung des Prinzips des guten Regierens konsultiert. Die Organisationen, die die Regionen und Gemeinden vertreten, können ebenfalls konsultiert werden“;

c. bezüglich der Achtung der regionalen und kommunalen Vielfalt und Identität:

i. nach Artikel 2 des Entwurfs des Verfassungsvertrags folgenden Satz einzufügen : „Die Union achtet die nationale, regionale und kommunale Identität der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren Prinzipien der internen Organisation sowie der kulturellen, linguistischen und territorialen Vielfalt"; 

ii. in Artikel 11 einzufügen: „Bei den Verhandlungen über internationale Abkommen der Europäischen Union wird die Zustimmung der Mitgliedstaaten jedes Mal eingeholt, wenn die Einhaltung des Prinzips der kulturellen Vielfalt auf dem Spiel steht";

d. bezüglich der Art der Gesetzgebungsakte der Union:
zum Entwurf des Protokolls über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und des Proportionalitätsgrundsatzes nach Artikel 1 folgenden Absatz hinzuzufügen: „Die Union bedient sich insbesondere der Rahmengesetze. Eine detailliertere Regelung sollte nur dann eingerichtet werden, wenn die Verwirklichung der zu erreichenden Ziele dies erfordert. Auf jeden Fall sollte den Staaten, Regionen und Gemeinden ein vernünftiger Spielraum bei der Umsetzung der Gemeinschaftsnormen zugestanden werden“;

e. bezüglich der besonderen Beteiligung der Parlamente der Mitgliedstaaten am Frühwarnsystem:
den Entwurf des Protokolls über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und des Proportionalitätsgrundsatzes abzuändern, indem in Artikel 5 nach den Worten „Zweikammerparlamente" die Worte „mit den zwei Kammern" eingefügt werden, in dem Maße wie eine der Kammern die Gemeinden und Regionen und/oder die Regionen mit Gesetzgebungsbefugnis vertritt;

f. bezüglich der Stellung des Ausschusses der Regionen:
in Kapitel IV, in Artikel 23 über den Ausschuss der Regionen folgende Absätze aufzunehmen:

i. Der Ausschuss der Regionen beteiligt sich am demokratischen Leben der Union als institutioneller Vertreter der staatlichen, regionalen und kommunalen Behörden der Mitgliedstaaten;

ii. die Kommission, der Rat oder das Parlament konsultieren den Ausschuss der Regionen zu Vorschlägen der Rahmengesetze der Union. Er wird ebenfalls bei Vorschlägen zu Übertragungs- oder Vollstreckungshandlungen konsultiert, die möglicherweise Auswirkungen auf die Befugnisse der Gemeinden und Regionen der Mitgliedstaaten haben. Die Kommission und der Rat müssen ihre Entscheidung begründen, wenn sie sich nicht der Meinung des Ausschusses der Regionen anschließen. Der Ausschuss kann eine Initiativstellungnahme abgeben, wenn er dies für nützlich hält;

iii. bezüglich der Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips ist die Rolle des Ausschusses der Regionen als repräsentative Institution der Gemeinden und Regionen zu unterstreichen. Zusätzlich zu dem Zugang zum Gerichtshof sollte der Ausschuss der Regionen, falls das Subsidiaritätsprinzip verletzt wird, das bereits im Entwurf des Verfassungsvertrags beinhaltet ist, eine verstärkte Rolle beim Frühwarnsystem analog zu den nationalen Parlamenten spielen;

g.
bezüglich der Partnerschaft zwischen den Gemeinden und Regionen:
in dem Kapitel über das demokratische Leben der Union folgenden Artikel einzufügen : „Die Union erkennt an, dass eine aktive Partnerschaft mit allen Stufen der National-, Regional- und Kommunalregierung notwendig ist für die Entwicklung und die effektive Umsetzung der Gesetzgebung und der Gemeinschaftspolitik. Die Kommission nutzt den Trilog mit den Mitgliedstaaten und den Regionen und/oder Gemeinden jedes Mal, wenn es ihr für die Erreichung der verfolgten Ziele notwendig erscheint und im Einklang mit den Verfassungssystemen der Mitgliedstaaten steht ";

h. bezüglich des Grundsatzes des territorialen Zusammenhalts:
zu Artikel 2 des Entwurfs des Verfassungsvertrags nach den Worten „wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt" die Worte „und territorialer“ hinzuzufügen;

i. bezüglich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit:
zu Artikel 3 über die Ziele des Entwurfs des Verfassungsvertrags einen neuen Absatz wie folgt hinzuzufügen: „Die Union fördert und unterstützt die grenzüberschreitende und interterritoriale Zusammenarbeit, einschließlich Städtepartnerschaften und Erfahrungsaustausch sowohl innerhalb der Union als auch an den Außengrenzen“;

17. Beauftragt sein Präsidium, unverzüglich die Entschließung zu übermitteln an:

a. den Konvent über die Zukunft Europas und diesen aufzufordern, die Entschließung den Mitgliedern zur Prüfung vorzulegen;

b. den Ausschuss der Regionen, damit der Ausschuss diese durch seine Beobachter in der Kommission unterstützt;

c. der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, damit sie die Vorschläge des Kongresses unterstützt;

d. das Ministerkomitee des Europarates, damit es die Entschließung den Regierungen der betroffenen Mitgliedstaaten zuleitet.

1 Aussprache im Kongress und Annahme am 22. Mai 2003, 3. Sitzung (siehe Dok. CG (10) 12 revidiert, Entschließungsentwurf, vorgelegt von Herrn Di Stasi, Berichterstatter).