Empfehlung 100 (2001)1 betreffend die Stärkung der Fähigkeit der Gemeinden und Regionen zu integrierter und nachhaltiger gemeinsamer Verwaltung grenzübergreifender Wasservorkommen

Der Kongress, mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Regionen,

1. In Erinnerung rufend:

a. die 1998 durch die Parlamentarische Versammlung des Europarats angenommene Strassburger Erklärung "Réapprendre l'eau" (Das Wasser neu lernen), worin festgehalten ist, dass "das Wasser und die Verwaltung all seiner Verwendungen eine politische, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Herausforderung darstellt, rund um welche sich die Umrisse des Europa von morgen abzeichnen";

b. das Inkrafttreten der Wasser-Rahmenrichtlinie (WRR) der Europäischen Union am 22. Dezember 2000, welche, gestützt auf den Grundsatz einer integrierten Wasserbewirtschaftung im Rahmen von Flussbecken, eine Koordination der Wasserpolitiken in der gesamten EU anzielt und durch gemeinschaftliches Vorgehen und die Vorgabe einheitlicher Ziele, Grundsätze, Definitionen und Grundmassnahmen einen leistungsfähigen und wirksamen Gewässerschutz auf Gemeindeebene fördert;

c. die auf die Auswirkungen des politischen Wandels in den zentral- und osteuropäischen Ländern sowie auf das Interagieren der Verwaltung der Naturschätze mit dem Wirtschaftswachstum und der demokratischen Stabilität zurückzuführende besondere Bedeutung des Donaubeckens;

d. die Probleme im Zusammenhang mit der Frage, wie die grenzüberschreitenden Gewässer des Donaubeckens - das 18 Länder unterschiedlichen Entwicklungsgrades umfasst - untereinander aufgeteilt und in Zusammenarbeit bewirtschaftet werden können: Probleme, die zwar einzigartig sind, bei deren Behandlung aber die bereits mit anderen Flussecken, vor allem dem Rheinbecken, gesammelten Erfahrungen berücksichtigt werden müssen;

2. Feststellend:

a. das Fehlen einer Koordination zwischen den Regionen des Donaubeckens bei der Bewirtschaftung der grenzüberschreitenden Gewässer, woraus sich Schwierigkeiten insbesondere bei der Bekämpfung von Verschmutzungen und Überschwemmungen ergeben;

b. das Risiko des Aufkommens von Konflikten, wie dies bereits der Fall war, zwischen Wasserkonsumenten oder auch zwischen benachbarten Staaten infolge der Umleitung oder der Verschmutzung eines gemeinsamen Wasserlaufs;

3. Besorgt angesichts

a. der im Donaubecken vor allem im Zusammenhang mit dem Balkankonflikt und mit der Zyanidverschmutzung von Baia Mare unlängst entstandenen Konflikte, die zeigten, dass die notwendigen Mechanismen für einen raschen Informationsaustausch und für ein koordiniertes Vorgehen, insoweit sie vorhanden sind, nicht hinreichen, um eine ernsthafte grenzüberschreitende Verschmutzung zu verhindern;

b. der zahlreichen Änderungen, welche die zentral- und osteuropäischen Länder an ihren nationalen Wassergesetzen und -politiken vornehmen und angesichts der nach dem Inkrafttreten der WRR in der EU noch zu erwartenden Zunahme dieser Tendenz; der Ansicht, dass diese Änderungen auch die grenzüberschreitenden und umweltrelevanten Belange berücksichtigen und unter aktiver Mitarbeit der Zivilgesellschaft ausgearbeitet werden müssen;

c. der Tatsache, dass die Gemeinden und Regionen nicht immer über den gebotenen Zugang zu Information und Ausbildung auf dem Gebiet der integrierten und nachhaltigen Verwaltung von Wasservorkommen verfügen;

4. Hervorhebend:

a. die Bedeutung einer integrierten Wasserverwaltung in den zentral- und osteuropäischen Ländern im Hinblick auf die Erfüllung der ökologischen und sozialen Kriterien für einen Beitritt zur Europäischen Union;

b. die für demokratische Staaten unabdingbare unterschiedslose Beteiligung der Bevölkerung an der Verwaltung der Wasservorkommen und der Ausarbeitung einschlägiger Politiken;

5. Angesichts der Tatsache,

a. dass die Gemeinden und Regionen heute hinsichtlich der komplexen Verwaltung grenzübergreifender Flussbecken vor drei Hauptproblemen stehen: der Bekämpfung von Verschmutzung, der Privatisierung der mit dem Wasser zusammenhängenden Dienstleistungen sowie der Beteiligung und Information der Bevölkerung;

b. dass die Ausarbeitung von Regeln und Normen zur Eindämmung von Verschmutzung oft Sache der nationalen Regierungen ist, während die Umsetzung dieser Vorschriften für gewöhnlich den Gemeinden und Regionen obliegt;

c. dass die Wasserversorgung bisher herkömmlicherweise öffentlichen Organen auf kommunaler oder regionaler Ebene überlassen war, während die Gebietskörperschaften heute, vor allem in städtischen Gebieten, vor der umstrittenen Frage stehen, ob sie ihre Wasserversorgung privatisieren sollen, und wenn ja, dann wie;

d. dass diese Entwicklungen grenzüberschreitende Implikationen haben, da Verschmutzungen an Landesgrenzen nicht Halt machen und da im übrigen Privatisierungen oft durch internationale Gesellschaften betrieben werden;

e. dass die Verwaltung grenzübergreifender Wasservorkommen eng mir den folgenden Themenkomplexen zusammenhängt: Zugang zum Wasser als ein Menschenrecht; Subsidiarität; Einbeziehung der Abnehmer in die Entscheidungsverfahren durch Beteiligung und Information der Bevölkerung; Umweltschutz;

f. dass der Europarat sich für demokratische Entscheidungsverfahren und für die Menschenrechte in Europa einsetzt und daher die für eine diesbezügliche Initiative zuständige Institution ist;

6. Begrüssend:

a. die Arbeiten unter anderem der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau, des Übereinkommens über die Zusammenarbeit zum Schutz und zur verträglichen Nutzung der Donau sowie des Donau-Umweltprogramms u.a.;

b. die Rolle, die das Internationale Grüne Kreuz (GCI) bei der Suche nach Informationen, bei der Analyse von Entscheidungsverfahren und bei der Unterstützung einer die gemeinsame integrierte und partizipative Verwaltung des Donaubeckens durch die Länder und Regionen begünstigenden Situation zu übernehmen gedenkt;

7. Empfiehlt dem Ministerkomitee des Europarats, die Regierungen der Mitgliedstaaten dazu aufzurufen,

a. durch eine Stärkung der Mechanismen für den Informationsaustausch und die Koordination der verschiedenen Initiativen eine Intensivierung der grenzüberschreitenden und interregionalen Zusammenarbeit in den europäischen Flussbecken in die Wege zu leiten;

b. den Gemeinden und Regionen bei der Einrichtung von Programmen für die Sensibilisierung und Einbeziehung der Bevölkerung beizustehen;

c. durch eine allgemeine Verfügbarmachung der Erfahrungen im Bereich der Wasserbewirtschaftung sowie der Verfahren zur Regelung von Konflikten in West-, Zentral- und Osteuropa eine Verstärkung der europäischen Kohäsion und eine Verbesserung der Wasserpolitik in die Wege zu leiten. Ein solches Vorgehen muss die Kenntnis der Geschichte der Zusammenarbeit und gemeinsamen Verwaltung betreffend europäische Wasserläufe, die Ausarbeitung nationaler und regionaler Gesetze, die Frage der Privatisierung und die Rolle der Gemeinden und Wasserbehörden in den europäischen Mitgliedstaaten umfassen;

d. den Anpassungsprozess der zentral- und osteuropäischen Länder an die WRR dadurch zu erleichtern, dass sie den politisch Verantwortichen und der Bevölkerung an ihre regionalen bzw. nationalen Gegebenheiten angepasste Beratung über die möglichen Wirkungen und Vorteile bieten, die eine integrierte Verwaltung der Wasservorkommen bringen könnte, sowie dadurch, dass sie die Schritte prüfen, die unternommen werden müssten, um eine nachhaltige partizipative Wasserbewirtschaftung im grenzüberschreitenden Rahmen einzuführen;

e. die vorrangige Bedeutung zu erkennen, die einer Lösung der schwerwiegenden Wasserprobleme zukommt, welche die wirtschaftliche und soziale Übergangssituation in den auf dem Wege in die Europäische Union befindlichen Donauländern aufgeworfen hat, und die Notwendigkeit einzusehen, dass die Einrichtung eines integrierten und grenzübergreifenden Verwaltungssystems in jenen Ländern unterstützt wird.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 30. Mai 2001 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 31. Mai 2001 (siehe Dok. CPR (8) 3, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch Frau C. Jacobs, Berichterstatter)