Empfehlung 180 (2005)1 1 über die Situation der Gemeindefinanzen in den Niederlanden

Der Kongress, mit Bezug auf einen Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Unter Berücksichtigung des Begründungstextes über die Situation der Gemeindefinanzen in den Niederlanden [CPL(12)11 Teil II], eingereicht von Kathryn Smith (VK, SOC) sowie der Empfehlung 79 (2000) über die Finanzmittel der Gemeinden, fordert das Ministerkomitee auf, folgende Schlussfolgerungen betreffend der derzeitigen Situation und Reform der Gemeindefinanzen in den Niederlanden zu berücksichtigen;

2. Der Kongress ist der Auffassung, dass die Befugnis, Gemeindesteuern zu erheben und ihre Höhe festzulegen, ein Grundrecht der Gemeinden ist, das in Artikel 9 der Charta der kommunalen Selbstverwaltung (im Folgenden „die Charta”) garantiert ist;

3. Der Kongress verweist darauf, dass Artikel 9.3 der Charta vorsieht, dass „zumindest ein Teil der Finanzmittel der Gemeinden aus den Gemeindesteuern stammen sollte …”;

4. Der Kongress ist der Auffassung, dass der Teil der Finanzmittel, die aus den Gemeindesteuern stammen sollte, beträchtlich und nicht nur symbolisch sein sollte. Daher verweist der Kongress auf seine Empfehlung 79 (2000), in der er die Auffassung vertrat, dass die Gemeinden einen beträchtlichen Anteil ihrer Mittel aus den eigenen Steuereinnahmen und aus Abgaben beziehen sollten, deren Höhe sie selbst festsetzen können;

5. Der Kongress stellt fest, dass das Gemeindesteuersystem der Niederlande sich dadurch auszeichnet, dass 83% der Einnahmen aus Gemeindesteuern aus der Grundsteuer kommen, dass der Anteil der Einnahmen der Gemeindesteuern nur 8,8% der Gemeindeeinnahmen ausmacht und dass die Gemeindesteuern nur 1,1% des BIP des Landes ausmachen;

6. Der Kongress ist der Ansicht, dass die letzte Zahl von 1,1% bereits recht niedrig ist und dass eine weitere Verringerung der Steuereinnahmen der Gemeinden nicht mehr in Einklang mit Artikel 9.3 der Charta stünde;

7. Der Kongress verweist darauf, dass er 1999 die geringe Höhe der Eigenressourcen der niederländischen Gemeinden bedauerte (§47 der Empfehlung 55) und empfahl, gemäß Artikel 9 der Charta die Möglichkeit zu erwägen, einen festen Prozentsatz der staatlichen Einnahmen dauerhaft an die Gebietskörperschaften zu überweisen und eine beträchtliche Erhöhung ihrer Eigenmittel durch zusätzliche Steuern und andere Maßnahmen zu erlauben (§50i der Empfehlung 55);

8. Der Kongress stellt fest, dass die niederländische Regierung durch die Reform der Grundsteuer plant, den Teil dieser Steuern abzuschaffen, der von den Mietern zu entrichten ist, die jährliche Erhöhung der Grundsteuer für Eigentümer und gewerbliche Gebäude zu maximieren und den Gemeindefonds aufzustocken, um einen Ausgleich für den Einkommensverlust der Gemeinden zu schaffen (am 27. April 2005 wurde dem Parlament ein Gesetzesentwurf vorgelegt);

9. Der Kongress bedauert, dass die Abschaffung der Grundsteuer für Mieter, gekoppelt mit der Erhöhung der Grundsteuer für Eigentümer und gewerbliche Gebäude, die Steuereinnahmen der Gemeinden um etwa zwei Drittel des derzeitigen Steuereinkommens der niederländischen Gemeinden verringert, das verglichen mit anderen europäischen Ländern bereits sehr niedrig ist;

10. Der Kongress ist der Ansicht, dass eine solche Entwicklung die klassische demokratische Verbindung zwischen der Besteuerung und der Vertretung schwer beeinträchtigt. Der Gemeindebürger unterliegt, wenn er kein Eigentümer ist, nicht länger der Gemeindesteuer. Eigentümer von Immobilien, die Steuerzahler bleiben, sind nicht immer in der Gemeinde ansässig und daher nicht an der Entscheidung über die Grundsteuer, die sie zu bezahlen haben, beteiligt;

11. Der Kongress warnt davor, dass nach dem neuen System die Ausgleichsmaßnahmen nicht nur zu einer strukturellen Kürzung des Einkommens für eine große Gruppe von Gemeinden führen werden, sondern die Gemeindefinanzen außerdem sehr viel mehr in den Aufgabenbereich des Zentralstaates fallen werden. Gleichzeitig scheint die Steuerbelastung des Bürgers nicht gesenkt, sondern nur von den Gemeindesteuern auf zentrale Steuern umverteilt zu werden;

12. Der Kongress gibt zu, dass es Kritik am bestehenden System der Grundsteuer gab und dass es nützlich wäre, nach alternativen Lösungen zu suchen. Er bedauert auch, dass die Regierung trotz der Stellungnahmen des Nationalen Rates für Finanzbeziehungen, des Rates für Staatliche Verwaltung und der Vereinigung der niederländischen Gemeinden keine alternativen Quellen für Steuereinnahmen angeboten hat;

13. Daher ist der Kongress der Ansicht, dass die Abschaffung der Grundsteuer für Mieter und ihre Beschränkung ohne Ausgleich durch eine andere Gemeindesteuer als Verletzung von Artikel 9.3 der Charta angesehen werden kann und daher eine Verletzung des öffentlichen Völkerrechts darstellt;

14. Der Kongress:

a. empfiehlt den niederländischen Behörden, die Bestimmungen im Gesetzesentwurf dahin gehend abzuändern, dass die Gemeinden eine alternative Möglichkeit zur Erhebung von Gemeindesteuern erhalten;

b. fordert die zuständigen niederländischen Behörden auf, den Vorschlägen, die gegen Artikel 9 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung verstoßen, nicht zu folgen;

c. empfiehlt den niederländischen Behörden, weiterhin zusammen mit dem Verband der niederländischen Gemeinden nach Mitteln und Wegen zu suchen, damit den Gemeinden ab 2007, ab der Reform der Grundsteuer, gesetzlich eine alternative Quelle der Gemeindesteuereinnahmen zumindest in gleicher Höhe wie die derzeitige Grundsteuer, deren Höhe sie frei bestimmen können, zugewiesen wird;

d. fordert das Ministerkomitee des Europarates auf, diese Empfehlung an die niederländischen Behörden weiterzuleiten und sie aufzufordern, diese umzusetzen;

e. fordert die niederländische Regierung auf, den Kongress vor der nächsten Frühjahrstagung über das Follow-up dieser vorliegenden Empfehlung zu informieren.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 8. November 2005 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 9. November 2005 (siehe Dok. CPL (12) 11, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch K. Smith (Vereinigtes Königreich, L, Soc), Berichterstatter).