Der Kongress,
mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Regionen,
1. Erinnernd an:
a) seine Empfehlung (38) 1998 betreffend die Lage der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung in der Republik Moldau, worin er eine Reihe von Überlegungen zuhanden der moldawischen parlamentarischen und Regierungsstellen ausgesprochen hatte;
b) seine Entschliessung (59) 1998, worin beschlossen ist, die Entwicklung der kommunalen und regionalen Demokratie in diesem Lande im Hinblick auf einen endgültigen Bericht weiterzuverfolgen;
2. Nach Kenntnisnahme der Ergebnisse der verschiedenen durch die Berichterstatter der zuständigen Arbeitsgruppen in Umsetzung des oben erwähnten Beschlusses unternommenen Besuche;
3. In Berücksichtigung des durch den Berichterstatter über die regionale Demokratie in der Republik Moldau, Herrn Nicolae Radu (Rumänien, R), ausgearbeiteten und von der Kammer der Regionen geprüften Berichts;
4. Nach Kenntnisnahme der durch den beratenden Experten, Prof. Philippe De Bruycker, über die weiter unten erwähnten Gesetze verfassten Stellungnahme;
5. Beglückwünscht das moldawische Parlament zu der positiven Reaktion auf seine Empfehlung, das von der Regierung über die Neuorganisation des nationalen Territoriums vorgelegte Gesetz anzunehmen, und ist erfreut darüber dass das Parlament 1998 angenommen hat:
a) ein Gesetz über die Organisation der Territorialverwaltung, das die Schaffung von neun neuen Regionen (judets) ermöglicht hat,
b) ein Gesetz über die Kommunalverwaltung (das auch die regionale Ebene betrifft);
6. Begrüsst die Annahme weiterer Gesetze betreffend kommunale Finanzen, kommunalen Besitz sowie den Status territorialer Abgeordneter einschliesslich derjenigen auf regionaler Ebene durch das moldawische Parlament;
7. Ist hinsichtlich des Gebiets von Gagausien der Ansicht, dass sich die spezielle Autonomie dieses Territoriums nicht nur in Gesetzen und Vorschriften, sondern auch in der Praxis, und zwar gemäss den in Artikel 15.e der vorliegenden Empfehlung enthaltenen Vorschlägen verwirklichen sollte;
8. Begrüsst die Tatsache, dass die Diskussionen über den Altbezirk (raïon) von Taraklyia zur Schaffung einer neuen Region geführt haben, die zu den neun durch das Gesetz über die Organisation der Gebietsverwaltung eingerichteten regionalen Einheiten hinzukommt; es handelt sich hier um ein deutliches Zeichen dafür, dass die moldawischen Behörden die Rechte der nationalen Minderheiten zu achten gedenken, und um einen Beweis ihrer Anstrengungen um die Entwicklung einer pluralistischen Demokratie auf regionaler Ebene;
9. Begrüsst die Tatsache, dass die moldawischen Bürger nach der Schaffung der zehn Regionen die Vertreter dieser neuen regionalen Verwaltungseinheiten in demokratischen Direktwahlen wählen konnten;
10. Dankt den zentralstaatlichen Behörden der Moldau für die an den Kongress ergangene Einladung, diese Wahlen, auch für die Gebiete von Gagausien und von Taraklyia, zu beobachten;
11. Begrüsst die Tatsache, dass die Vertreter der neuen Regionen und des Territoriums von Gagausien, seinen Empfehlungen Folge leistend, eine ihre Interessen vertretende Vereinigung (Vereinigung für regionale Entwicklung durch lokale Selbstverwaltung - ADRAL) ins Leben riefen;
12. Ist der Ansicht, dass die Schaffung dieser Vereinigung wichtig ist für die Konsolidierung ihrer Zusammenarbeit und für die Verstärkung ihrer Repräsentation vor dem Zentralstaat;
13. Ist überzeugt, dass die Lösung des Konflikts zwischen den moldawischen Behörden und denjenigen der Dnjestr-Republik im Blick auf auf eine stärkere Integration der Moldau in Europa weiterhin zu den nationalen Prioritäten gehören;
14. Ruft in Erinnerung, dass er auf Wunsch der moldawischen Behörden bereit wäre, in Zusammenarbeit mit der Kommission von Venedig bei der Festlegung eines speziellen Autonomiestatuts für die Dnjestr-Republik Hilfe zu leisten;
15. Hält es hinsichtlich der Einführung und Weiterentwicklung der Regionaldemokratie im Lande für notwendig, die folgenden Erwägungen und Empfehlungen an die parlamentarischen und Regierungsstellen der Moldau zu richten:
a) Die Einführung regionaler Selbstverwaltungsstrukturen stellt einen sehr wichtigen Beitrag zur Lösung der Schwierigkeiten der Randgebiete hinsichtlich ihrer Integration in das soziale, politische und wirtschaftliche Leben des Landes dar. In dieser Hinsicht darf die Einführung neuer Regionen als ein erster Schritt in diese Richtung begrüsst werden;
b) Im weiteren ist anzumerken, dass der Regionalisierungsprozess die Grundlagen für die derzeit zu den vordersten Anliegen der Moldau gehörende Wirtschaftsentwicklung des gesamten Landes legen kann;
c) Es ist dringend notwendig, einen besonderen und klar abgegrenzten gesetzlichen Rahmen betreffend die neu eingerichteten Regionen und die Stadt Chisinau zu schaffen, denn diese Gebietskörperschaften haben Probleme und Bedürfnisse, die sich oft stark unterscheiden von denjenigen der lokalen Gebietskörperschaften (Städten und Dörfern);
d) Das Kommunalverwaltungsgesetz betrifft bereits eine Reihe von Fragen, die auch die regionale Selbstverwaltung berühren und weist insofern in die richtige Richtung. Doch sollte dieses Gesetz verbessert werden,
i. um die Beziehungen zwischen den lokalen Gebietskörperschaften und den neuen Regionen zu klären; in diesem Zusammenhang kann man sich fragen, ob es begrüssenswert sei, den Regionen die generelle Zuständigkeit für die Koordination der Aktivitäten der Gemeinden zu übertragen;
ii. um den Status der Präfekten zu klären, deren Funktionen von den neu geschaffenen Regionen ungern geduldet scheinen - dies, obwohl das Gesetz festhält, dass zwischen den Präfekten und den Organen der kommunalen Verwaltung keinerlei Subordination vorgesehen ist;
iii. um die Anzahl der jährlichen Zusammenkünfte der Regionalräte zu erhöhen: vier Zusammenkünfte erscheinen nicht ausreichend.
iv. um die Verbindungen zwischen der Annahme des regionalen und derjenigen des nationalen Haushalts zu präzisieren;
v. um eine zivilrechtliche und strafrechtliche Haftung der Regionen als juristischer Personen neben der ins Auge gefassten unmittelbaren persönlichen Haftung der gewählten Abgeordneten einzurichten;
e) Stellt fest, dass die Anwendung der Gesetze über die kommunale Verwaltung und über die territoriale Verwaltungsorganisation inbezug auf Gagausien und dessen Sonderstatut gewisse Schwierigkeiten bereitet und möchte diesbezüglich folgende Erwägungen und Empfehlungen anbringen:
i. es ist nicht wünschenswert, dass Gagausien durch das Gesetze oder dessen Auslegung als eine territoriale Gebietskörperschaft mittlerer Ebene nach Art der übrigen neun Regionen und der Stadt Chisinau angesehen wird, ungeachtet seines durch die Verfassung anerkannten Sonderstatuts (siehe hierzu die Stellungnahme der Kommission von Venedig);
ii. die Einrichtung eines Präfekten in Gagausien zur Sicherstellung der Achtung der nationalen Gesetze in jenem Gebiet scheint unvereinbar mit der dieser Gebietskörperschaft zuerkannten Autonomie; diese Überlegung leitet sich ebenfalls ab aus dem Status des Gouverneurs (Bashkan) von Gagausien, der ex officio Mitglied der nationalen Regierung ist und somit letztere in dem Gebiet vertritt, das ihn gewählt hat;
iii. es könnte geschehen, dass eines Tages zwischen dem Präfekten und den gagausischen Behörden Konflikte aufkommen, die das nach langen und schwierigen Verhandlungen gefundene Gleichgewicht zwischen den zentralstaatlichen und den gagausischen Behörden gefährden;
iv. das Gesetz über den Sonderstatus Gagausiens kann nur mit spezieller Mehrheit geändert werden; es gehört somit zum Verfassungsrecht, dessen Bestimmungen entsprechend der Hierarchie der Gesetze (Grundsatz der lex superior) den anderen moldawischen Gesetzen übergeordnet sind;
v. es wäre vom politischen und juristischen Standpunkt aus notwendig, dass das moldawische Parlament die spezielle Autonomie Gagausiens bestätigt und ein für allemal den institutionellen Charakter dieser Autonomie sowie die Vollmachten der unter dem moldawischen Recht gewählten Organe Gagausiens spezifiziert. Einzig auf dieser Basis wird es möglich, die Rechtsbestimmungen, welche heute widersprüchlich scheinen, zu interpretieren oder gar abzuändern. Der Kongress ist bereit, sich zusammen mit der Kommission von Venedig an der Arbeit der durch die moldawischen Behörden zu diesem Zweck eingerichteten Gruppe zu beteiligen;
f) Empfiehlt ganz allgemein, das neue System von Gesetzen und Vorschriften betreffend die regionale Selbstverwaltung auszugestalten und zu revidieren, um die oben erwähnten Probleme zu überwinden;
g) Auf dieser Grundlage empfiehlt sich die Einführung von flankierenden Massnahmen, sodass der gesetzliche Rahmen in einer Weise angewendet wird, die den regionalen Gebietskörperschaften die Möglichkeit geben:
i. ihr jeweiliges Gebiet innerhalb der ihnen von Gesetzes und Verfassungs wegen zuerkannten Autonomie, insbesondere hinsichtlich der Entsprechung zwischen Finanquellen und Zuständigkeiten, zu verwalten,
ii. vertiefte Beziehungen mit Gebietskörperschaften anderer europäischer Länder aufzubauen und den Vereinigungen beizutreten, welche diese Gebietskörperschaften auf internationaler Ebene vertreten.