23. TAGUNG
Straßburg, 16-18 Oktober 2012

Die Politik des Europarats im Hinblick auf die Nachbarregionen: Die Rolle des Kongresses

Entschließung 343 (2012) [1]

1. Die Ereignisse, die im südlichen Mittelmeerraum, in Zentralasien und im Nahen Osten stattfinden, wurden durch den starken Wunsch der Bevölkerung nach Demokratie und Wandel ausgelöst und haben zu radikalen Prozessen der Öffnung und der Demokratisierung geführt, die noch nicht abgeschlossen sind.

2. Angesichts dieser Situation und der dynamischen Kräfte, die in Bewegung gesetzt wurden, hat der Europarat beschlossen, seine Beziehungen zu diesen Staaten mit dem Ziel zu stärken, sie zum einen in die Lage zu versetzen, von den nach 1989 gesammelten Erfahrungen der Organisation im Hinblick auf den demokratischen Übergang in Mittel- und Osteuropa zu profitieren, und zum anderen einen Dialog und eine produktive Partnerschaft mit den Staaten in diesen Regionen zu entwickeln, die den Wunsch haben, auf allen Ebenen eine Demokratie zu entwickeln, die Vorherrschaft des Rechts zu etablieren und die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten.

3. Der Kongress begrüßt diesen Ansatz und ist bereit, der bereits in der Vergangenheit mit einigen Staaten des südlichen Mittelmeeres etablierten Kooperation neuen Antrieb zu verleihen.

4. Er ist überzeugt, dass die Schaffung einer echten kommunalen und regionalen Demokratie eine unverzichtbare Voraussetzung für die Gewährleistung einer pluralistischen Demokratie ist, auf der Grundlage der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in allen fraglichen Staaten.

5. Der Kongress begrüßt das Vorgehen des Generalsekretärs des Europarats, bilaterale Kooperationsprogramme mit den Nachbarregionen vorzuschlagen und begrüßt die vollständige Einbeziehung bei der Vorbereitung und der zukünftigen Umsetzung der praktischen Aktivitäten.

6. Er stellt des Weiteren mit Zufriedenheit fest, dass einige dieser Staaten den Übereinkommen und Teilabkommen des Europarates beigetreten sind oder dies geplant haben.

7. In seiner Kapazität als politische Versammlung von Gebietskörperschaften, bestehend aus kommunal und regional gewählten Vertretern der 47 Mitgliedstaaten des Europarats, plant der Kongress, seine neuen Partner in die Lage zu versetzen, von seinen Erfolgen, Instrumenten und Erfahrungen zu profitieren, und ein Forum für Begegnungen und für den Austausch zu sein, das nicht nur für die Staaten des südlichen Mittelmeeres, Zentralasiens und des Nahen Ostens besonders wertvoll sein wird, sondern auch für den Kongress.


8. Er ist des Weiteren überzeugt, dass die Stärkung unseres Austauschs und unserer Arbeitsbeziehungen mit kommunal und/oder regional gewählten Vertretern aus diesen Nachbarregionen und -staaten nur dazu beitragen kann, die grundlegenden Werte des Europarats zu fördern, insbesondere die kommunale Demokratie.

9. Im Hinblick auf Marokko freut sich der Kongress besonders darüber, die im Jahr 2010 begonnene Kooperation im Rahmen des Projektes der fortgeschrittenen Regionalisierung fortzusetzen und Treffen zwischen Mitgliedern des Kongresses und marokkanischen Parlamentariern fortzuführen, die momentan das grundlegende Gesetz über Regionalisierung vorbereiten.

10. Darüber hinaus wiederholt der Kongress, sobald die neue territoriale Gliederung Marokkos abgeschlossen ist und im Lichte seiner diesbezüglichen Erfahrungen, dass er uneingeschränkt bereit ist, die Leitung bei der Vorbereitung, der Durchführung und Überwachung der Kommunal- und Regionalwahlen zu übernehmen, die nach Verabschiedung dieses Gesetzes durchgeführt werden.

11. Der Kongress begrüßt des Weiteren die Teilnahme zahlreicher marokkanischer Städte an der Europäischen Woche der Demokratie 2012 und das Interesse, das an der kommunalen partizipativen Demokratie gezeigt wird.

12. Im Hinblick auf Tunesien verfolgt der Kongress nachdrücklich die Diskussionen in der verfassunggebenden Nationalversammlung (NCA), die den Weg hin zu einem demokratischen und pluralistischen Staat ausarbeiten muss, den das tunesische Volk während der Revolution im Januar 2011 gefordert hat.

13. Der Kongress ist erfreut über die Gelegenheit, sich mit dem NCA-Ausschuss für regionale und kommunale Gebietskörperschaften zu treffen und einen Meinungsaustausch vorzunehmen und er ist überzeugt, dass der von der Venedig-Kommission begonnene Dialog, an dem der Kongress in Gänze beteiligt ist, eine wertvolle Quelle für Informationen und Inspiration für das tunesische Parlament sein kann.

14. Der Kongress stellt mit großer Zufriedenheit fest, dass die NCA den Strukturen, den Finanzquellen und Zuständigkeiten, die den kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften übertragen werden sollen und die für eine zukünftige Demokratie unverzichtbar sind, die gebührende Bedeutung zukommen lässt.

15. Der Kongress verfolgt eingehend die Entwicklungen in diesen zwei Staaten und ist erfreut, dass einige seiner Gesprächspartner Interesse an einer verstärkten, regelmäßigen und strukturierten Kooperation mit dem Kongress geäußert haben. Er verpflichtet sich, weiter in dieser Richtung tätig zu sein.

16. In diesem Geiste begrüßt der Kongress insbesondere die Initiative der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, den Status „Partner für Demokratie" für die nationalen Parlamente in diesen Staaten zu schaffen, um einen regelmäßigen Austausch zu erleichtern und die Teilnahme dieser Staaten „an der politischen Debatte über gemeinsame Herausforderungen, die europäische Grenzen überschreiten" zu fördern.

17. Wie die Parlamentarische Versammlung denkt der Kongress, dass die Kooperation, die er mit den gewählten Vertretern der kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften in Nicht-Mitgliedstaaten in den Nachbarregionen entwickeln möchte, effektiver, umfassender und dynamischer sein würde, wenn sie im Rahmen regelmäßiger institutioneller Beziehungen und Kontakte erfolgen würde.

18. Zu diesem Zweck ist der Kongress bereit, sobald Kommunalwahlen stattgefunden haben, einen Sonderstatus vorzuschlagen, der den Weg für eine Zusammenarbeit auf regelmäßiger Basis mit den neu gewählten Gebietskörperschaften der angrenzenden Nicht-Mitgliedstaaten ebnet, wenn diese Staaten dies wünschen.

19. Angesichts des Vorstehenden beschließt der Kongress, die erforderlichen administrativen und rechtlichen Schritte zu ergreifen, die ihm ermöglichen werden, zu gegebener Zeit einen Sonderstatus „Partner für Demokratie" zu verabschieden, den er den gewählten Vertretern der Kommunen in diesen Nachbarstaaten gewähren kann.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 16 Oktober 2012, 2nd sitting(siehe Dokument CG(23)8, Begründungstext), Rapporteur: J-C. Frécon, Frankreich (L, SOZ).