19. TAGUNG

Straßburg, 26. – 28. Oktober 2010

Die Landschaft: Eine neue Dimension der öffentlichen Territorialpolitik

Empfehlung 292 (2010)[1]

1. Die Landschaft trägt wesentlich zum Wohlergehen der Bürger und zur Konsolidierung der europäischen Identität bei. Sie stellt einen privilegierten Bereich der Beziehungen des Menschen zu seiner natürlichen und baulichen Umwelt dar und ist Abbild für die territoriale Dimension der menschlichen Aktivitäten.

2. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates, der die Initiative zur Europäischen Landschaftskonvention hatte, ist überzeugt davon, dass die Landschaft ein politisches Thema von allgemeinem Interesse und ein gemeinsames öffentliches Gut ist. 

3.  Bei dem Thema Landschaft geht es nicht länger nur um den Schutz der außergewöhnlichen Gebiete, sondern vielmehr besonders um Stadtlandschaften, Stadtrandgebiete, ländliche oder Naturschutzgebiete, in denen die große Mehrheit der europäischen Bevölkerung lebt.

4. Die Landschaft ist ein großer Bestandteil der Lebensqualität der Bevölkerung und beinhaltet eine kollektive Verantwortung. Die Landschaftspolitik ist ein Mittel, aus Sicht der Basisdemokratie und der Menschenrechte tätig zu werden. Sie ist eine Antwort auf das Streben des Menschen nach einem qualitativ hochwertigen Lebensrahmen und seiner Forderung nach Teilhabe an den Entscheidungen, die sein tägliches Umfeld verändern. 

5. Der Kongress stellt fest, dass die Landschaftspolitik nach und nach dazu beiträgt, die notwendigen Verbesserungen der Gebiete der Gemeinden und Regionen mit der Notwendigkeit ihrer Wirtschaftsentwicklung und dem langfristigen Erhalt der Ressourcen, der Natur und der Artenvielfalt zu verbinden.


6. Außerdem ist er der Auffassung, dass der Erhalt und die Verbesserung der Qualität der europäischen Landschaften Priorität haben sollte und die Fragen, die durch die ständigen Veränderungen der Landschaft aufgeworfen werden, im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung zu sehen sind. In diesem Sinne sind die Geschwindigkeit der Entwicklung in einigen Ländern und die daraus resultierenden Veränderungen an der Landschaft mit Vorsicht zu betrachten.

7. Die Europäische Landschaftskonvention, der erste internationale Vertrag, der die Qualität der Landschaft mit der Lebensqualität der Bevölkerung des gesamten europäischen Hoheitsgebiets in Verbindung bringt, ist innovativ und hat das Konzept der Landschaft verändert. Sie hat eine neue Dimension der Politik auf internationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene eröffnet und echte, beträchtliche Fortschritte in der Landschaftspolitik in vielen europäischen Ländern bewirkt.

8. Der Kongress stellt mit Befriedigung fest, dass sie ein operationelles Instrument geworden ist, das beträchtliche Resonanz findet. Er begrüßt die große Anzahl an Unterschriften und Ratifizierungen, zehn Jahre nach der Annahme der Konvention in Florenz 2000.

9. Er ist der Auffassung, dass es heute in Europa ein echtes Interesse für die Landschaft gibt, das unterstützt werden sollte, denn die Nichtberücksichtigung der Landschaften bei der Raumordnung würde einen großen Teil des kulturellen und geographischen Erbes unserer Gesellschaft unwiderruflich zerstören.

10. Zur Umsetzung der Konvention ist daher eine strenge und sorgfältige Auslegung erforderlich, die alle Dimensionen berücksichtigt, die sie abdeckt, d.h. die soziale, wirtschaftliche und ökologische Dimension. Eine übereilte oder vereinfachte Anwendung der Konvention könnte zu oberflächlichen oder sogar kosmetischen Maßnahmen führen, die der Landschaft schaden.

11. Der Kongress erinnert daran, dass der institutionelle Rahmen der Landschaftspolitik in jedem Land unterschiedlich ist und dass die ungleiche Situation der Demokratie in den europäischen Ländern, die neuen Methoden, die die Konvention vorschlägt sowie die mangelnde praktische Erfahrung Hindernisse sind, die es zu überwinden gilt.

12. Daher ist er der Auffassung, dass ein weit reichender Erfahrungsaustausch und eine verstärkte internationale Kooperation zur Verbesserung der Qualität der europäischen Landschaften notwendig sind. Er empfiehlt ebenfalls, die grenzüberschreitenden Landschaftsmaßnahmen zu stärken, da die Landschaft ein Kontinuum darstellt, das nicht an der Grenze endet.

13. Die Verbesserung der Landschaft führt zu einer stärkeren Demokratisierung und insbesondere zu mehr Beteiligung der Bevölkerung am Entscheidungsprozess. Hierfür sind auch Maßnahmen zur Bildung, Schulung, Sensibilisierung der Öffentlichkeit und insbesondere der gewählten Vertreter erforderlich.

14. Der Kongress begrüßt den Willen einer steigenden Anzahl von Gemeinden und Regionen, sich für die Landschaftsqualität in ihren Gebieten einzusetzen, da diese eine gewichtige Rolle beim Schutz, der Verwaltung, der Entwicklung und Aufwertung der Landschaften der Gebiete spielen, für die sie verantwortlich sind. Diese neue Dimension der öffentlichen Territorialpolitik muss unterstützt und begleitet werden.

15. Aus diesem Grund und um die effektive Umsetzung und optimale Kontrolle der Europäischen Landschaftskonvention zu garantieren, empfiehlt der Kongress dem Ministerkomitee des Europarates:

a. die Erfahrung der Gemeinden und Regionen anzuerkennen und darauf zu achten, dass in dem Monitoringsystem, das derzeit ausgearbeitet wird, ihre Landschaftsmaßnahmen genügend berücksichtigt werden;

b. die Frage der demokratischen Teilhabe der Bürger, ihre Beteiligung am lokalen Leben und ihr Recht auf einen besseren Lebensrahmen bei der Erneuerung der Mandate der Lenkungsausschüsse in den Bereichen Kulturerbe, Landschaft und Raumplanung zu berücksichtigen;

c. den Lenkungsausschuss für Kulturerbe und Landschaft (CDPATEP) aufzufordern, die Beteiligung der repräsentativen Organe der Zivilgesellschaft im Monitoringverfahren der Konvention zu stärken.

16. Der Kongress empfiehlt dem Ministerkomitee, die Mitgliedstaaten aufzufordern, die dies noch nicht getan haben, die Europäische Landschaftskonvention zu unterzeichnen und zu ratifizieren.

17. Der Kongress ersucht auch das Ministerkomitee, von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung der Europäischen Landschaftskonvention zu fordern :

a. das Konzept der Landschaft in alle nationalen Gesetze und Politiken aufzunehmen, die direkte oder indirekte Auswirkungen auf die Lebensqualität haben;

b. alle in der Konvention dargelegten Prinzipien, insbesondere das Subsidiaritätsprinzip, das in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (SEV Nr. 122) festgelegt ist und den Referenzrahmen für Regionaldemokratie, zu beachten.

18. Außerdem fordert der Kongress die Europäische Union auf, die Landschaftsdimension in der Territorialpolitik stärker zu berücksichtigen und den Erfahrungsaustausch zwischen den Gebietskörperschaften über entsprechende Programme zu fördern. Er unterstreicht außerdem die Vorteile einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und dem Europarat, insbesondere durch gemeinsame Programme, um die Umsetzung der Prinzipien in den Konventionen des Europarates für Landschaft und Kulturerbe zu fördern.

19. Der Kongress fordert die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf, seine Bemühungen für eine stärkere Beteiligung der Gemeinden und Regionen an der Umsetzung der Europäischen Landschaftskonvention  zu unterstützen.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 27. Oktober 2010, 2. Sitzung (siehe Dokument CG(19)14, Begründungstext, Berichterstatter: : Devrim ÇUKUR, Turkei (R, SOC) und Inger LINGE, Schweden (R, EVP/CD)).