Empfehlung 38 (1998)1 betreffend die Lage der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung in der Republik Moldau

Der Kongress,

1. Erinnert an seine Mission als Beobachter des Referendums über das Statut der regionalen Selbstverwaltung von Gagausien im Januar 1995 und an die Beobachtung der Kommunalwahlen in der Republik Moldau im Frühling des selben Jahres,

2. Hat von der durch den Europarat im Hinblick auf die Vorbereitung der Gesetzentwürfe über Gebietsorganisation, öffentliche Lokalverwaltung und Lokalwahlen im Mai 1997 in die Republik Moldau entsandten Expertenmission Kenntnis genommen,

3. Hat vom 4.-6. Dezember 1997 eine aus seinen beiden Co-Berichterstattern, den Herren Lycourgos (Zypern) und Muller (Frankreich), einem Fachberater und dem Sekretariat bestehende Delegation dorthin entsandt und von ihrem Bericht Kenntnis genommen,

4. Begrüsst die am 1. Juli 1997 durch das moldauische Parlament erfolgte Ratifikation der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, und wartet dringend darauf, die Grundsätze der Charta im Lande tatsächlich umgesetzt zu sehen,

5. In Anbetracht des durch seine beiden Co-Berichterstatter über die Lage der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung in der Republik Moldau verfassten und durch die Kammer der Gemeinden und die Kammer der Regionen geprüften Zwischenberichts,

6. Hat Kenntnis genommen von der durch Herrn de Bruycker, Fachberater, ausgearbeiteten Stellungnahme zu den letzten Fassungen des Gesetzentwurfs betreffend öffentliche Lokalverwaltung und des Gesetzentwurfs betreffend die administrative Gebietsorganisation der Republik Moldau, welche alle beide dem Parlament unterbreitet wurden,

7. Erachtet es für notwendig, bereits jetzt an die aus den nächsten Legislativwahlen in der Republik Moldau hervorgehenden Funktionsträger in Parlament und Regierung die folgenden Erwägungen und Empfehlungen zu richten:

7.1 Hinsichtlich des demokratischen Fundaments der Gemeinden

7.1.1 erklärt, dass die derzeitige Lage, wonach 92 lokale Gebietskörperschaften - entsprechend 10% der moldauischen Gemeinden, zugleich aber einem erheblichen Prozentsatz der Bevölkerung, da die Hauptstadt Chisinau und andere grosse Städte dazugehören - jeder gewählten demokratischen Stütze hinsichtlich sowohl des Gemeinderats als auch des Bürgermeisters entbehren, unvereinbar ist mit Artikel 3, Abschnitt 2, der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung,

7.1.2. Ist der Ansicht, dass diese Situation, welche auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass die Wählerhürde von 50% bei den Gemeindewahlen vom Frühjahr 1995 in beiden Wahlgängen nicht erreicht worden ist, aufgrund des Entscheides des Verfassungsgerichts vom 6. November 1995 hätte behoben werden sollen, welcher Entscheid verlangt hatte, dass die verfassungswidrige Bestimmung, wonach bei einer Wahlbeteiligung von unter 50% die Regierung einen Bürgermeister ernennt, innerhalb von 4 Monaten geändert "und die rechtlichen Folgen der für verfassungswidrig erklärten Gesetzesvorschriften wiederhergestellt" werden,

7.1.3 Beklagt, dass zwei Jahre nach innerhalb von 4 Monaten erfolgter Änderung des Wahlgesetzes in dem vom Verfassungsgericht geforderten Sinne noch immer 92 Städte und Gemeinden über keine Gemeindedemokratie mit gewählten Organen verfügen.

7.1.4 Empfiehlt den Funktionsträgern von Parlament und Regierung der Republik Moldau, unverzüglich die Wahl der Gemeindeorgane anzusetzen in jenen 92 Städten und Gemeinden, wo solche bis heute fehlen.

7.2 Hinsichtlich der Kontrolle über die Handlungen und Organe der Gemeinden

7.2.1 Empfiehlt, dass jede Zweckmässigkeitskontrolle (gegen Handlungen oder gewählte Abgeordnete gerichtet, die "gegen die allgemeinen Interessen der Bürger handeln") abgeschafft wird und die Aufsichtsbefugnis der Behörden sich in Übereinstimmung mit Artikel 8 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung auf die Legalitätskontrolle beschränkt,

7.3 Hinsichtlich der Gemeindesekretäre, die jetzt von der Regierung ernannt werden, empfiehlt den moldauischen Behörden die Annahme eines Statuts, das mit den Grundsätzen der Selbstverwaltung, wie sie Artikel 6 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung vorsieht, konform ist.

7.4 Hinsichtlich der Kommunalfinanzen

7.4.1 Stellt fest, dass die gegenwärtige Situation aufgrund der äusserst schwachen Eigenmittel und der Inexistenz klarer und transparenter Regeln betreffend die Übertragung von Finanzmitteln nicht vereinbar ist mit Artikel 9 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung,

7.4.2 Empfiehlt den parlamentarischen und Regierungsstellen der Republik Moldau, ein Gesetz betreffend die Gemeindefinanzen anzunehmen, das den mit der Ratifikation der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung eingegangenen Verpflichtungen nachkommt, und zu diesem Zweck die Ratschläge der Europaratsexperten umzusetzen.

7.5 Hinsichtlich der Regionalisierung

7.5.1 Stellt fest, dass die gegenwärtige Situation mit 37 Bezirken, 4 ausserbezirklichen Städten und der autonomen Region Gagausien den in Westeuropa geltenden Normen regionaler Selbstverwaltung nicht entspricht, vor allem insofern das Exekutivorgan bei der zentralstaatlichen Verwaltung liegt und dem gewählten Organ gegenüber nicht verantwortlich ist,

7.5.2 Begrüsst die Entschlossenheit der moldauischen Regierung, 8 Regionen zu schaffen, die, mit der Stadt Chisinau, die 37 Bezirke ersetzen und das Land dadurch mit einer modernen, von den Grundprinzipien der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung angeregten Regionalebene versehen sollen,

7.5.3 Begrüsst daher den politischen Konsens, der hinsichtlich dieses Regionalisierungsprojekts bei den moldauischen Gemeindeverbänden besteht.

7.5.4 Empfiehlt dem moldauischen Parlament, den von der Regierung eingebrachten Gesetzentwurf über die Gebietsverwaltung anzunehmen.

7.6 Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit

7.6.1 Begrüßt die Willenserklärung vonseiten der Regierungsbehörden und der Gemeindeverbände, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der kommunalen bzw. regionalen Gebietskörperschaften zu fördern.

7.6.2 Empfiehlt den parlamentarischen und Regierungsstellen, sei es im Rahmen des allgemeinen Gesetzes betreffend die kommunale Selbstverwaltung, sei es durch ein spezielles Gesetz, die einen rechtlichen Rahmen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gemeinden bzw. Regionen festlegenden Bestimmungen in Anlehnung an das diesbezügliche Rahmenübereinkommen des Europarats und sein Zusatzprotokoll anzunehmen.

7.7 Hinsichtlich der dem Parlament vorliegenden Gesetzentwürfe betreffend öffentliche Lokalverwaltung und Administrative Gebietsorganisation

7.7.1 Begrüßt die gute allgemeine Haltung des Textes, der sowohl die kommunalen wie die regionalen Gebietskörperschaften betrifft und einen entscheidenden Schritt in Richtung auf die Einführung eines mit den vom Kongress hochgehaltenen Grundsätzen übereinstimmenden institutionellen Rahmens für die kommunale und regionale Selbstverwaltung darstellt,

7.7.2 Empfiehlt dem moldauischen Parlament die rasche Annahme dieser Texte unter Berücksichtigung der nachfolgenden Vorschläge, die sie noch klarer machen und mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung in völlige Übereinstimmung bringen sollen:

- die in dem Gesetzentwurf betreffend die administrative Gebietsorganisation verwendete Terminologie, besonders hinsichtlich des Begriffes "Bezirk" [distrikt], gestützt auf die im Anhang zu diesem Entwurf figurierende Stellungnahme zu klären;

- der ebenfalls im Anhang figurierenden Stellungnahme betreffend den Gesetzentwurf über administrative Gebietsorganisation Rechnung zu tragen, und zwar insbesondere folgenden Punkten:

. die Kompetenzen von Gemeinden und Städten einerseits und der Bezirke andererseits unter Vermeidung von Aufgabenüberschneidungen klären;

. entsprechend Artikel 10 der Charta das Recht der kommunalen Gebietskörperschaften zur Zusammenarbeit vorsehen;

. die Möglichkeiten der Absetzung von kommunalen Abgeordneten einschränken auf eine nur im Falle sehr schwerer Unmöglichkeit oder Unfähigkeit der Amtsführung zu erwägende Lösung;

. die Aufsichtsbefugnis über die kommunalen Gebietskörperschaften auf eine Legalitätskontrolle zurückzubinden, die "Verwaltungs- und Haushaltskontrollen" und vor allem die Berücksichtigung der "allgemeinen Interessen der Bürger" durch die Kontrollbehörden - eine Zweckmässigkeitskontrolle, wie sie durch die Charta nicht zugelassen ist - fallen lassen;

. dafür sorgen, dass die Ernennung und die allfällige Absetzung des Gemeinde- und des Bezirkssekretärs Sache der Organe der Gebietskörperschaft und nicht der Regierung ist;

. den im Widerspruch zur Charta die Begrenzung der finanziellen Selbstverwaltung der Bezirke vorsehenden Artikel 98 abschaffen;

. in Artikel 88 die objektiven Kriterien für die Festlegung der Finanzüberweisungen an die Gebietskörperschaften präzisieren, um Willkür zu vermeiden;

. die in Artikel 117 und folgende vorgesehenen Kompetenzen der "Verwaltungskommission" klären, um zu vermeiden, dass diese in die Kompetenzbereiche der Gebietskörperschaften eindringt;

. Artikel 121, wonach Unstimmigkeiten zwischen zentralstaatlichen Behörden und Gebietskörperschaften durch die Regierung entschieden werden, da im Widerspruch zu Artikel 4, Abschnitt 4 der Charta stehend, fallen lassen.

8. Um den für die Entwicklung der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung notwendigen legislativen Rahmen zu vervollständigen

8.1 Empfiehlt den Funktionsträgern in Regierung und Parlament der Republik Moldau, ein Gesetz betreffend die Gemeindefinanzen, ein Gesetz über die Besitztümer von Gebietskörperschaften sowie ein Gesetz über den öffentlichen Dienst in den Gemeinden auszuarbeiten und anzunehmen.

9. Hinsichtlich der Ausbildung des Gemeinde- und Regionalpersonals

9.1 Empfiehlt dem Ministerkomitee, die für die Unterstützung der moldauischen Behörden beim Aufbau einer spezifischen Ausbildung für das Gemeinde- und Regionalpersonal mithilfe des ENTO benötigten Mittel freizustellen,

10. Hinsichtlich der autonomen Region Gagausien

10.1 Begrüßt die Tatsache, dass das neue Statut der Region Gagausien dank der Mässigung sowohl der moldauischen als auch der regionalen Behörden entscheidend zur Lösung der politischen Spannungen beigetragen hat, die in dieser Region aufgetreten waren;

10.2 Hält für notwendig, dass gewisse Bestimmungen des Statuts, vor allem bezüglich der Festlegung der Kompetenzen dieser Selbstverwaltungsregion, revidiert werden;

Empf. 38

10.3 Begrüßt daher die Tatsache, dass die Kommission für Demokratie durch Recht (Kommission von Venedig) den regionalen Behörden von Gagausien bei der Ausarbeitung des in Artikel 12 des in Zusammenarbeit mit dem Kongress ausgearbeiteten Selbstverwaltungsstatuts vorgesehenen "Gesetzeskodex von Gagausien" ihre Hilfe gewährt.

11. Hinsichtlich der Lage in der Dnjestr-Republik

11.1 Beklagt die Tatsache, dass das 1995 zwischen der moldauischen Regierung und dem Premierminister der Föderation Russland geschlossene Abkommen, wonach sich die 14. Armee allmählich aus der Dnjestr-Republik zurückziehen würde, nicht ratifiziert und umgesetzt worden ist, sodass ein angemessenes Selbstverwaltungsstatut für diese Region hätte festgelegt werden können,

11.2 Erklärt sich für verfügbar, Hilfe zu leisten bei der Festlegung eines Selbstverwaltungsstatuts für die Dnjestr-Republik, sobald die politische Lage es erlaubt und sofern die moldauischen Behörden dies wünschen.

ANHANG

I. EINFÜHRUNG

Im Vergleich zu der früheren Version der Texte betreffend die administrative Gebietsorganisation der Republik Moldau sowie betreffend die öffentliche Lokalverwaltung, welche Gegenstand eines im Mai 1997 abgelieferten Berichts von Europaratexperten waren, zeigt es sich, dass inzwischen bedeutende Fortschritte gemacht worden und viele damals vorgebrachte Bemerkungen berücksichtigt worden sind. Es bleiben allerdings noch ziemlich wichtige Anmerkungen bezüglich der letzten Entwürfe zu machen.

II. STELLUNGNAHME ZU DEM GESETZENTWURF BETREFFEND DIE ADMINISTRATIVE GEBIETSORGANISATION

Der Entwurf betreffend die "administrative Gebietsorganisation" ist offensichtlich ein allgemeiner, die verschiedenen gebietskörperschaftlichen Ebenen der Republik Moldau organisierender Text, während der Entwurf betreffend die "öffentliche Lokalverwaltung" deren interne Organisation regelt. Es zeigt sich, dass der Titel des zweiten Texts geändert werden sollte, sodass er besser Auskunft gibt über seinen Inhalt und insbesondere darüber, dass er sich zum erstgenannten Text komplementär verhält.

Es ist bedauerlich, dass die im moldauischen Recht verwendeten Konzepte der wohlbegründeten Unterscheidung zwischen dekonzentrierten und dezentralisierten Organen nicht deutlich Rechnung tragen. Die Tatsache, dass der zweite Entwurf, betreffend die öffentliche Lokalverwaltung, in seinem Kapitel IX auch das Schicksal des "Sektors (Platzes)" regelt, während es sich in diesem Fall offensichtlich um eine dekonzentrierte Verwaltungseinheit des Staates (sogar um einen Teil der Stadtverwaltungen) handelt, zeugt davon. Der Begriff "Einheiten der Gebietsverwaltung", der für die Beschreibung von Dörfern, Gemeinden, Städten, Agglomerationen und Bezirken verwendet wird, trägt deren Selbstverwaltung nicht wirklich Rechnung - es sei denn, es handle sich um eine simple Übersetzungsfrage. Es liesse sich den moldauischen Behörden eher der Ausdruck Gebietskörperschaft vorschlagen, um jede Verwechslung mit dekonzentrierten staatlichen Verwaltungseinheiten zu vermeiden. Im übrigen ist die Unterscheidung zwischen Dörfern, Gemeinden, Städten und Agglomerationen ebenso komplex wie, so scheint es, in juristischer Hinsicht ohne wirkliche Aussagekraft. Aus Gründen der Einfachheit kann man sich daher fragen, ob es nicht möglich wäre, eine einzige Gattungsbezeichnung für sämtliche Basis-Gebietskörperschaften zu benützen.

. Artikel 2 des Textes, der nur Artikel 109 der Verfassung wiederholt, muss weggelassen werden. Im übrigen versteht man in der mir einzig vorliegenden englischen Version, sofern kein Irrtum in der Numerierung der Verfassungsartikel vorliegt, nicht, weshalb Artikel 1 nicht auf Artikel 109 verweist, sondern nur auf die Artikel 110 und 111.

. Der Sinn von Artikel 7, §2, wonach "die Stadtverwaltung in ihrer Struktur sich selbstverwaltende Gebietseinheiten umfassen" kann, wird nicht deutlich. Sofern es sich nicht um einen Übersetzungsirrtum handelt, taucht eine Verwirrung auf zwischen Artikel 7, §4, wonach "die Städte in Sektoren aufgeteilt werden" können und Artikel 9, §3, wonach "die Bezirke in Sektoren (Plätze) aufgeteilt werden" können. Der Ausdruck "Sektor" müsste für die eine oder die andere dieser Gebietsunterteilungen reserviert sein. Die Verwirrung des
Lesers nimmt noch zu in Kapitel XI, das von dem im Entwurf betreffend die öffentliche Lokalverwaltung figurierenden "Sektor oder Platz" handelt. Es muss daher präzisiert werden, was der Begriff Sektor genau abdeckt.

. Artikel 9, "wonach der Bezirk eine aus Dörfern (Gemeinden), Städten und Agglomerationen - den Grundeinheiten der administrativen Gebietsorganisation der Republik - bestehende territoriale Verwaltungseinheit ist", ist ein besonders wirrer Text. Es zeigt sich, dass der Bezirk in Moldau die zweite Ebene der Gebietskörperschaften, zwischen der Basisebene und der Ortsebene darstellt. Bei der Lektüre der weiter oben genannten Bestimmung lässt sich fragen, worin seine Autonomie besteht gegenüber den Basiskörperschaften, aus denen er hervorzugehen scheint. Da - wie dies aus Artikel 7 des Gesetzentwurfs betreffend die öffentliche Lokalverwaltung zu entnehmen ist - die Absicht zu sein scheint, aus dem Bezirk eine vollständige Gebietskörperschaft zu machen, muss diese Bestimmung geändert werden und sich darauf beschränken, in §2 zu besagen, dass die Bezirksgrenzen ausgehend von den Grenzen der Dörfer, Gemeinden, Städte und Agglomerationen bestimmt werden. Das gleiche kann bezüglich Artikel 10 gesagt werden, worin es wahrscheinlich um Gagausien geht, was aber im Sinne eines guten Verständnisses des Texts gesagt werden müsste.

. Sofern es sich nicht um eine Übersetzungsfrage handelt, ist der Gebrauch des Ausdrucks "Bezirk" zur Bezeichnung der Gebietskörperschaft auf der Zwischenebene fragwürdig. Dieser wenig gebräuchliche Ausdruck verweist eher auf die Idee einer dekonzentrierten staatlichen Verwaltungseinheit; man könnte daher die moldauischen Behörden über den Sinn dieses Ausdrucks im Moldavischen befragen und ihnen eventuell raten, sich eher des Begriffs "Region" zu bedienen, umsomehr als dieser in der französischen Übersetzung des Gesetzentwurfs betreffend die öffentliche Lokalverwaltung für die Bezirksorgane mit der Bezeichnung "Regionalrat" verwendet wird.

Artikel 16, §2, wonach ein Dorf erst ab 1000 Einwohner als solches gilt, widerspricht Artikel 14, § 1, des Gesetzentwurfs betreffend öffentliche Lokalverwaltung, wonach ein Lokalrat für Orte unterhalb 1000 Einwohner 7 Mitglieder aufweist.

III. STELLUNGNAHME ZUM GESETZENTWURF BETREFFEND DIE ÖFFENTLICHE LOKALVERWALTUNG

Als erstes ist hervorzuheben, dass der Entwurf in die gute Richtung weist und einen lobenswerte Bemühung darstellt, Prinzipien aus der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung zu verwirklichen. Manche Bestimmungen, wie die Artikel 8,§2, 9 und 86,§2 sind deutlich unmittelbar durch die Charta inspiriert. Der Gesetzentwurf regelt die kommunale und regionale Selbstverwaltung ziemlich vollständig; gut ist insbesondere auch, dass er Bestimmungen betreffend den Besitz und die Finanzierung enthält, wenn letztere auch noch durch weitere Gesetzgebungen ergänzt werden müssen.

. Die §§ 1 und 3 von Artikel 2 wiederholen nur den Text von Artikel 109 der Verfassung und müssen weggelassen werden.

. Artikel 13,§3 dagegen wiederholt Artikel 9 und sollte deshalb weggelassen werden.

. Es empfiehlt sich, nachzuprüfen, ob der in Artikel 6 genannte "Rat für öffentliche Verwaltung" identisch ist mit der in Artikel 117 genannten "Verwaltungskommission" und gegebenenfalls das Vokabular zu vereinheitlichen, sofern es sich nicht nur um ein Übersetzungsproblem handelt.

Ausserdem ist unverständlich, weshalb in dieser Bestimmung die "Koordination der Aktivität der Lokalräte, um die öffentlichen Dienstleistungen von regionalem und städtischem Interesse zu erbringen" so stark betont wird, und worum es sich dabei genau handelt: Zusammenarbeit zwischen Städten, Erbringung von Dienstleistungen von regionalem Interesse - da ja doch die städtischen Dienstleistungen Sache der Städte sind. Ausserdem ist erstaunlich, dass der Text keine Bestimmung enthält betreffend das Recht von Gebietskörperschaften, sich zwecks Zusammenarbeit zusammenzuschliessen; im Vergleich zur Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung klafft hier eine Lücke.

Hinsichtlich insbesondere der Basisgemeinschaften:

. Die Bemühungen um Präzisierung der Kompetenzen der Gebietskörperschaften in ihrem Grundgesetz verdient es, begrüsst zu werden, da die letzten Ratschläge der Monitoring-Gruppe für die Umsetzung der Charta selten so unmittelbar verwendet werden. Die Kompetenzen der Basisgemeinschaften und diejenigen der Bezirke sind jedoch nicht immer hinreichend genau definiert, und, vor allem: sie überschneiden sich, beispielsweise die "öffentliche Hygiene" und der "Gesundheitsschutz", "soziale Probleme, einschliesslich der Zentren und Einrichtungen für Sozialhilfe" und die "Sozialhilfe und der Unterhalt der Gesundheits- und Sozialeinrichtungen". Zumindest müssen diese Begriffe besser gegeneinander abgegrenzt werden.

. Nach den Artikeln 18 und 41 werden die Vize-Bürgermeister auf Vorschlag des Bürgermeisters durch den Lokalrat ernannt. Es sollte angegeben sein, ob sie unter den Mitgliedern des Lokalrats ausgewählt werden müssen oder nicht. Nach Artikel 41 sind die Vize-Bürgermeister, im Gegensatz zum Bürgermeister, dem Rat gegenüber verantwortlich. Es empfiehlt sich, nachzuprüfen, ob dieses für die Mitglieder der örtlichen Exekutive vorgesehene, differenzierte System mit dem Ganzen kohärent ist.

. Es ist eigentümlich, dass Artikel 19 einerseits die Wahl der Ratspräsidenten durch die lokale Ratsversammlung vorsieht und andererseits bestimmt, dass der Lokalrat durch den Bürgermeister einberufen wird. Es erschiene logischer, wenn der Lokalrat durch seinen Präsidenten einberufen würde, sodass deutlich wird, dass dieser eine Gegenkraft gegenüber dem direkt gewählten Bürgermeister darstellen kann.

. Aus dem Gesetzentwurf geht nicht hinreichend deutlich hervor, ob der Bürgermeister tatsächlich direkt durch die Bevölkerung gewählt wird. Dieser Punkt müsste geklärt werden.

. Artikel 24 verlangt in seinem §2 für gewisse Beschlüsse eine 2/3-Mehrheit, es sei denn, es handle sich hierbei um eine einfache Quorums-Regel. Hier ist Aufmerksamkeit angebracht, denn das könnte die Regierung der Gemeinde u.U. in schädlicher Weise blockieren.

. Bezüglich Artikel 21 §5 und Artikel 30 §5 sollte man sicherstellen, ob die vorgesehene Frist tatsächlich für die Durchführung ["convocation" eigentlich = Einberufung] der Wahlen gilt oder nur für eine diesbezügliche Beschlussfassung.

. Die Bestimmungen betreffend Formen der Kontrolle, die unmittelbar auf den die örtlichen Organe bildenden Personen lasten, sind recht zahlreich und ausführlich. Artikel 30 ist diesbezüglich besonders wichtig. §1 dürfte die Auflösung des Rats nur in schweren Fällen gestatten und eine Suspension seiner Tätigkeit überhaupt nicht.

Vor allem muss jede Sanktion gegenüber dem Rat als ganzem im Falle von Kompetenzenübertretungen abgeschafft werden. Da im übrigen die Kontrolle über Gebietskörperschaften einzig eine Legalitätskontrolle sein darf, ist nicht einzusehen, wie ein Gericht dazu kommen könnte, einen Beschluss zu annullieren, "weil er nicht den allgemeinen Interessen des Dorfs, der Gemeinde, der Stadt oder der Agglomeration entspricht". Ebenso muss in §6 die Möglichkeit der Absetzung eines Ratsmitglieds, wenn dieses "der Verfassung oder anderen Akten oder Interessen der Gebietskörperschaft zuwider handelt oder sich an Aktivitäten konstitutionsfeindlicher Organe beteiligt", fallen gelassen werden - auch wenn der Artikel hierfür eine gerichtliche Bestätigung fordert. Es sollten nur die allerschwersten Fälle evoziert werden, wie dies Artikel 43 hinsichtlich des Bürgermeisters tut.

. Ebenso zahlreich sind die Bestimmungen betreffend die Beaufsichtigung der Akte. Aus den Artikeln 26, §2, 30, 109, 111b) und vor allem 112 geht hervor, dass diese Kontrollen auf Ersuchen des Präfekten durch Gerichte durchgeführt werden. Eine bessere Lösung könnte darin bestehen, die Durchführung der Verwaltungskontrolle bei den lokalen Gebietskörperschaften - wie vorgesehen unter strenger Begrenzung auf die Legalitätskontrolle und zusätzlich flankiert von speziell eingerichteten verwaltungsgerichtlichen Einspruchsverfahren zuhanden der Gebietskörperschaften - den Präfekten zu übertragen. Im übrigen ist der Ausdruck "Verwaltungs- und Haushaltskontrolle" in Artikel 111 i) zu unbestimmt und muss präzisiert werden, vor allem hinsichtlich der Unterscheidung von der Legalitätskontrolle, so wie auch die Bedeutung und Tragweite des Ausdrucks "Kontrolle über die Erfüllung der Aufgaben eines Bürgermeisters" aus Artikel 123 erläutert werden muss.

. Die Bedeutung von Artikel 38,i) inbezug auf Artikel 49 müsste präzisiert werden.

. Der Modus der Ernennung sowie die Befugnisse des Gemeindesekretärs müssen revidiert werden, dabei muss von dem wesentlichen Grundsatz ausgegangen werden, dass dieser hohe Beamte ein Organ der Gemeinde ist und folglich durch die Gemeinde ernannt und, gegebenenfalls, auch durch sie abgesetzt werden muss, es sei denn, sein Status hänge, versehen mit angemessenen Rekursmöglichkeiten, von zentralstaatlichen Organen ab.

Hinsichtlich speziell der Bezirke

Grundsätzlich muss man den moldauischen Behörden zu ihrem Beschluss gratulieren, starke Regionen zu schaffen - das bedeutet im Vergleich zu den heute bestehenden Bezirken einen grossen Fortschritt. Vor allem ist nun darauf zu bestehen, dass die vorgesehenen Regionen mit einer Versammlung und einem echten Exekutivorgan ausgestattet werden (dem Präsidenten des Regionalrats und dem
ständigen Präsidium), zumal die Rolle des Präfekten in der Regionalverwaltung sehr begrenzt ist. Artikel 109, §2 präzisiert nützlicherweise, "dass es zwischen den Chefs der zentralstaatlichen Verwaltung (Präfekten) einerseits und den Versammlungen der Gemeinden, der Regionen und der Stadt Chisinau keine Beziehungen der Unterordnung gibt". Artikel 61 sieht nur vor, dass "der Chef der zentralstaatlichen Verwaltung (der Präfekt) den Sitzungen des ständigen Präsidiums beiwohnen kann". Wenn deutlich ist, dass er über keine beratende Stimme verfügt, beeinträchtigt diese Bestimmung nicht die Autonomie der Region. Man kann sich allerdings fragen, ob das Bestehen des Bezirks-Verwaltungsausschusses nicht hinreicht, um die Koordination zwischen der dekonzentrierten zentralstaatlichen Verwaltung und den Bezirken sicherzustellen.

. Es ist nicht verständlich, weshalb in Artikel 55 auf "der Koordination der Tätigkeit der Dorf-Ratsversammlungen (Gemeinden) zur Erbringung der öffentlichen Dienste von regionalem Interesse" bestanden wird und worum es sich dabei handelt: Zusammenarbeit zwischen Gemeinden oder Erbringung der Dienstleistungen von regionalem Interesse, kann doch durch die Kommunen nur die Erbringung kommunaler Dienstleistungen erwartet werden. Es erscheint notwendig, im Geiste der projektierten europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung in diese Bestimmung eine Klausel betreffend eine generelle Befugnis zugunsten der Bezirke einzufügen.

. Das Vorhandensein eines Sekretärs innerhalb des Bezirks ruft nach dem selben Kommentar wie das Vorhandensein eines Sekretärs auf der Ebene der Basiskörperschaften.

. Artikel 66 ruft nach denselben Kommentaren wie Artikel 30.

. Es ist unerlässlich, dass Artikel 88 betreffend die Finanzüberweisungen an Regionen und Gemeinden deutlich macht, dass diese auf einer Reihe objektiver Kriterien beruhen müssen, sodass bei der Verteilung keinerlei Willkür mehr möglich ist. Auch über den präzisen Sinn dieser Bestimmung sind noch Erklärungen nötig.

. Artikel 93, §2 erfordert eine Erklärung.

. Artikel 98 sollte wahrscheinlich gestrichen werden. Man kann ohne starke Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltung die Gebietskörperschaften zwingen, ihr eigenes Budget an dasjenige des staatlichen Haushalts anzupassen.

. Die Konzeption und genaue Rolle des in den Artikeln 117 und folgende angesprochenen "Verwaltungsausschusses" müssen erläutert werden. Was die kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften betrifft, so kann es sich nur um ein Organ für die Konzertation und Koordination handeln, das keinerlei bindende Entscheidungen treffen kann, ohne ihre Autonomie zu beeinträchtigen. Artikel 121, wonach "Divergenzen zwischen den zentralstaatlichen Behörden und den Gebietskörperschaften durch die Regierung gelöst werden", ist unzulässig.

. Es ist Aufmerksamkeit angezeigt hinsichtlich der Tatsache, dass die in Artikel 132 vorgesehene Einbeziehung (insbesondere auf der zivilen Ebene) der persönlichen Verantwortung der Lokalabgeordneten der freien Ausübung ihres Mandats nicht Abbruch tun darf, und dass es auch eine Form der direkten Verantwortung der Gebietskörperschaften als juristischer Personen geben müsse.

1 iehe. dok. CG (4) 20, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch die Berichterstatter Herren Lycourgos und Muller)