Empfehlung 82 (2000)1 betreffend die Lage der kommunalen Demokratie in der „ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien“

Der Kongress,

mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Berücksichtigt die Entscheidung des Präsidiums des Kongresses vom 2. November 1998, Herrn Frécon aus Frankreich nach seinem Bericht über die inhaftierten Bürgermeister in Tetovo und Gostivar2 auch mit der Erstellung eines Berichtes über die Lage der kommunalen Demokratie in der „Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien3“ zu beauftragen;

2. Verweist auf die Entschließung 31 (1996) bezüglich der Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten und die vorbehaltlose Ratifizierung 1997 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung durch Mazedonien;

3. Verweist ebenfalls auf den Kontrollbericht, insbesondere auf die Absätze 91 bis 98 der Parlamentarischen Versammlung, auf Empfehlung 1453 (2000) und die Entschließung 1213 (2000) (insbesondere die Absätze 13 viii und 13 ix), die am 5. April 2000 angenommen wurden;

4. Berücksichtigt die Arbeiten bei den gemeinsamen Tagungen der Arbeitsgruppen über die Lage der kommunalen Demokratie in den Mitgliedstaaten und über die Regionalisierung in Europa;

5. Dankt der mazedonischen Regierung, insbesondere dem Justizministerium, dem Ministerium für kommunale Selbstverwaltung, dem Finanzministerium sowie der Vereinigung der Einheiten der kommunalen Selbstverwaltung (ZELS) und den Gemeindepolitikern für ihre Mitwirkung und Kooperation bei der Erstellung des Berichtes über die Lage der kommunalen Demokratie;

6. Dankt außerdem der Delegation der Europäschen Union und dem Programm Phare sowie der Mission der OSZE, Vladimir Ristovski, Direktor des Informations- und Dokumentationszentrums des Europarates in Skopje und Mirjana Lozanoska, Delegierte der Agentur der kommunalen Demokratie von Ohrid für die gute Zusammenarbeit;

7. Unterstreicht, dass die „Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ erst vor kurzem ihre Unabhängigkeit erlangt hat und über eine multiethnische Bevölkerung verfügt;

8. Verweist auf die schwierige geopolitische Situation Mazedoniens in Südosteuropa, die durch den Kosovokonflikt noch erschwert wurde;

9. Erkennt die großen Bemühungen dieses Landes an, 360 000 Flüchtlinge 1999 aufzunehmen und das friedliche Zusammenleben der Gemeinschaften zu gewährleisten;

10. Unterstreicht besonders die wichtige Rolle der Gemeinden bei der täglichen Aufnahme dieser Flüchtlinge;

11. Ist sich der Tatsache bewusst, dass jede Regierung Schwierigkeiten hätte, alle wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen und gemeinschaftlichen Probleme des Landes anzugehen;

12. Erkennt die großen Bemühungen der mazedonischen Regierung, insbesondere des Justizministeriums und des Ministeriums für kommunale Selbstverwaltung an, zahlreiche Reformen auch in der öffentlichen Verwaltung durchzuführen;

13. Begrüßt die Schaffung eines Ministeriums für kommunale Selbstverwaltung im Dezember 1998, die Ausarbeitung eines „Aktionsplanes“ sowie einer Strategie für die Reform des Systems der kommunalen Selbstverwaltung in der Republik Mazedonien, die im November 1999 verabschiedet wurden;

14. Stellt jedoch fest, dass die Kohärenz der Arbeiten der verschieden Ministerien nicht immer gewährleistet ist, was den Reformprozess erschwert;

15. Begrüßt die vorbehaltlose Ratifizierung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung durch Mazedonien am 6. Juni 1997, bedauert jedoch, dass sie noch nicht in angemessener Form umgesetzt wurde;

16. Verweist auf die Strukturreform von 1996, die die Zahl der Gemeinden von 34 auf 124 erhöhte, ohne jedoch die neuen Gemeinden mit den notwendigen Ressourcen auszustatten, die für ihre Funktionsweise notwendig sind. Die notwendigen Übertragungen der alten Gemeinden auf die neuen Gemeinden sind nicht so durchgeführt worden wie dies hätte sein sollen;

17. Verweist auf die schwierigen Beziehungen mit den Anrainerstaaten zu Beginn des Bestehens des Landes und stellt mit Befriedigung fest, dass die Beziehungen zu den meisten angrenzenden Ländern sich insbesondere durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit entscheidend verbessert haben und die Absicht der mazedonischen Regierung, die Europäische Rahmenkonvention über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften und seine Protokolle zu unterzeichnen;

18. Bedauert die zahlreichen Hindernisse in der mazedonischen Gesellschaft, die teilweise durch die extreme Biopolarisierung und ein fast völliges Fehlen eines ständigen und professionellen öffentlichen Dienstes entstehen;

19. Hebt hervor, dass alle Komponenten des Landes – Regierung, Gemeindeverbände, Kommunalpolitiker, politische Parteien, bürgerliche Gesellschaft – gemeinsam versuchen sollten, diese Hindernisse zu überwinden und einen echten Modernisierungsprozess des Landes zu beginnen;

20. Stellt fest, dass die „Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ einen schwierigen Übergangsprozess hin zu einer Marktwirtschaft durchläuft, der die Einführung der Mehrwertsteuer beinhaltet, was auf große Schwierigkeiten stößt;

21. Unterstreicht den Schwerpunkt, der vor 1990 auf die Selbstverwaltung der örtlichen Verwaltungseinheiten und die Beteiligung der Bürger an der Verwaltung der kommunalen Angelegenheiten gelegt wurde;

22. Stellt fest, dass obwohl das Gesetz über die kommunale Selbstverwaltung von 1995 den Gemeinden 32 Kompetenzen zugesteht und im Einklang mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung steht, es nur teilweise angewendet wurde und die Gemeinden tatsächlich über einen großen Teil ihrer Kompetenzen nicht verfügen, was im Widerspruch zu Artikel 112 der Verfassung Mazedoniens steht und daher unvereinbar mit den beim Beitritt der „Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“ zur Europäschen Charta der kommunalen Selbstverwaltung eingegangenen Verpflichtungen ist;

23. Stellt fest, dass nach dem Bericht von Jean-Claude Frécon weder die kommunale Selbstverwaltung noch die finanzielle Selbstverwaltung der Gemeinden effektiv gesichert sind;

24. Schlägt eine beträchtliche Übertragung der Befugnisse zusammen mit einer anteiligen Übertragung der Finanzmittel zugunsten der mazedonischen Gemeinden vor, wobei die Unparteilichkeit und die Transparenz der Verfahren gewährleistet sein müssen;

25. Nimmt die kürzlich durch das Ministerium für kommunale Selbstverwaltung übermittelten Vorentwürfe des Gesetzes über kommunale Selbstverwaltung sowie des Gesetzes über das kommunale Finanzwesen zur Kenntnis und begrüsst den in dem genannten Ministerium herrschenden Reformgeist, dies noch unter Vorbehalt seiner Meinung hinsichtlich des Inhalts der beiden Gesetzentwürfe;

Bezüglich der Befugnisse der Gemeinden

26. Bedauert, dass die Gemeinden nur über schwache und eingeschränkte Befugnisse verfügen und nicht in der Lage sind, einen wichtigen Teil der Gemeindeangelegenheiten im Sinne von Artikel 3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung zu verwalten;

27. Ist überzeugt, dass ein beträchtlicher Teil der Befugnisse, der auch heute noch von der Zentralregierung ausgeübt wird, auf die Gemeinden übertragen und im Einklang mit dem Prinzip der Subsidiarität ausgeübt werden sollte. Diese Übertragungen betreffen insbesondere die Bereiche, die die Verfassung den Gemeinden zugedacht hat. Die den Gemeinden übertragenen Befugnisse müssen vollständig und umfassend sein wie in Artikel 4,4 der Charta vorgesehen;

28. Ist der Auffassung, dass das Prinzip der Dezentralisierung die Regierung ebenfalls veranlassen könnte, einige Befugnisse an die Gemeinden zu übertragen;

29. Verweist auf die Notwendigkeit, eine klare Aufteilung der Kompetenzen zwischen den verschiedenen Entscheidungsebenen und auch zwischen der Stadt Skopje und den sieben Gemeinden, aus denen sie sich zusammensetzt, vorzunehmen;

30. Unterstreicht die Notwendigkeit, einen geeigneten Rechtsrahmen auszuarbeiten, der die Unparteilichkeit und die Transparenz sicherstellt;

31. Verweist auf die Schwierigkeiten, die bei der Verwaltung der Gemeinden Tetovo und Gostivar nach Anwendung von Artikel 75 des Gesetzes über die kommunale Selbstverwaltung bezüglich der Auflösung der Gemeinderäte unter bestimmten Voraussetzungen aufgetreten sind;

32. Empfiehlt den mazedonischen Behörden:

Bezüglich der Gemeindefinanzen

33. Stellt fest, dass das Budget der Gemeinden heute nur 1% der öffentlichen Ausgaben Mazedoniens ausmacht;

34. Ist der Auffassung, dass die Festsetzung einer Höchstgrenze des Gemeindehaushalts (Einnahmen und Ausgaben) nach einem Jahresgesetz unvereinbar mit der Finanzautonomie im Sinne von Artikel 9 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung ist;

35. Erwägt, dass die Neuverteilung des Überschusses der Gemeindeeinnahmen, die diese Höchstgrenze überschreiten, nicht nach objektiven Kriterien erfolgt;

36. Berücksichtigt die Einschränkungen der öffentlichen Ausgaben, die die internationalen Finanzorgane auferlegen;

37. Stellt mit Besorgnis fest, dass die Finanzverwaltung nicht in der Lage zu sein scheint, Steuern und Abgaben in einem vernünftigen Verhältnis einzutreiben (manchmal nur 20%);

38. Unterstreicht jedoch, dass die Übertragung von Ressourcen und Personal für die Befugnisse, die bis jetzt vom Staat ausgeübt werden, keine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben darstellt, sondern nur eine andere Aufteilung der Ressourcen zwischen Staat und Gemeinden;

39. Ist der Auffassung, dass die Projekte zur geringen Erhöhung der Staatsmittel für die Gemeinden keineswegs den Bedürfnissen der Gemeinden entspricht und nicht erlaubt, eine wirkliche Dezentralisierung durchzuführen, die jedoch in der im November 1999 verabschiedeten Strategie des Ministeriums für kommunale Selbstverwaltung festgelegt ist;

40. Stellt fest, dass angesichts Zersplitterung und fehlender Transparenz des Gemeindehaushalts weder das Betriebsergebnis der Staatsbetriebe, noch die Subventionen aus den verschiedenen Sonderfonds oder die Erhebung einiger Gemeindesteuern berücksichtigt werden (Grundsteuer/Ausrüstungssteuer);

41. Empfiehlt den mazedonischen Behörden gemäß den Grundsätzen der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung:

a) Abschaffung der jährlichen Höchstgrenze für die Gemeindeeinnahmen;
b) Übertragung von Haushaltsmitteln anteilig zur Übertragung der Befugnisse;
c) Einsetzung einer gemischten Kontrollbehörde (Staat/Gemeinden) zur Festlegung der Kriterien für die Umverteilung der staatlichen Ressourcen;
d) Kontrolle der öffentlichen Ausgaben durch den Gemeindeverband unter Einhaltung des Prinzips der Regulierung der Staatswirtschaft durch den Staat, z.B. durch Einsetzung eines Organs zu einer konzertierten Aktion zwischen Regierung und Gemeinden;
e) Einrichtung eines Systems zum Finanzausgleich z.B. durch die Umverteilung eines Mehrwertsteuerprozentsatzes ausgehend von objektiven Kriterien wie der Einwohnerzahl;
f) Sicherstellung, dass die Gemeinden über einen beträchtlichen Teil der öffentlichen Ressourcen verfügen, damit die kommunale Selbstverwaltung gewährleistet ist;
g) Sicherstellung, dass die Gemeinden nach dem neuen Gesetz über die Gemeindefinanzen über Eigenmittel verfügen (Steuern, Gemeindesteuern);
h) Einsetzung eines Systems, die die Bedingungen für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung für die Gemeinden sicherstellt;
i) Umschichtung des Gemeindehaushalts und der Betriebszahlen der Staatsbetriebe, um eine bessere Transparenz der öffentlichen Gemeindeausgaben zu gewährleisten;
j) Klarstellung der Beziehung zwischen den Gemeinden und den Staatsbetrieben und/oder Überlegungen über die Möglichkeit der Privatisierung einiger Dienste;
k) Einrichtung eines effizienteren Systems zur Steuererhebung;

42. Stellt mit Befriedigung fest, dass in dem durch das Ministerium für kommunale Selbstverwaltung übermittelten Vorentwurf des Gesetzes über das kommunale Finanzwesen so, wie der Berichterstatter dies empfohlen hatte, die Überweisung eines Teils der Mehrwertsteuer an die Gemeinden vorgesehen ist, ohne dass allerdings der betreffende Prozentsatz festgelegt wär;

Bezüglich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit

43. Verweist darauf, dass die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bedeutet, dass die Gemeinden auf interner Ebene über Befugnisse und die notwendigen Mittel zu ihrer Ausübung verfügen;

44. Dankt der mazedonischen Regierung für die Bemühungen zur Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Albanien, Bulgarien und Griechenland bei der auch die Gemeinden einbezogen wurden. Dies zeigt sich in der gemeinsamen Erklärung, die bei dem Dreiparteiengipfel der Außenminister der betroffenen Länder am 8. März 2000 in Korca verabschiedet wurde;

45. Fordert die mazedonische Regierung auf, die Europäische Rahmenkonvention über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Gemeinden oder territorialen Gebietskörperschaften und seine Protokolle zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

46. Empfiehlt den mazedonischen Behörden, in Abstimmung mit den Behörden der angrenzenden Länder, alle geeigneten Maßnahmen zur Erleichterung des Grenzübertritts und Erlangung von Visa insbesondere für die Bevölkerung in den Grenzgebieten zu ergreifen, in dem eine Karte für Grenzgänger oder ein multiples Einreisevisum ausgestellt werden;

Bezüglich der territorialen Strukturen Mazedoniens

47. Stellt fest, dass das Gesetz über die territorialen Strukturen nicht vor den nächsten Gemeindewahlen im November 2000 angenommen wird und dass es daher schwierig sein wird, Gemeinden abzuschaffen, deren Bürgermeister soeben erst gewählt wurden;

48. Stellt fest, dass de facto mehrere Kategorien von Gemeinden geschaffen wurden (Gemeindezentren aus den 34 alten Gemeinden, neu geschaffene Gemeinden und neue Gemeinden, die weitere Befugnisse übernehmen, wenn sie dazu in der Lage sind);

49. Verweist auf die Notwendigkeit, die Verwaltungsstrukturen des Landes zu stabilisieren sowie auf die Risiken, die eine neue Reform für die territorialen Strukturen bedeuten könnte;

50. Ist sich jedoch der Funktionsmängel bei der Schaffung der neuen Gemeinden, die mit äußerst unzureichenden Finanz-, Personal- und Logistikmitteln ausgestattet sind, bewusst;

51. Ist über die Fragen der Auslegung informiert, die die Kommunalpolitiker bezüglich der Vereinbarkeit der Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit (Artikel 10, Absatz 2 und 3 des Gesetzes über die kommunale Selbstverwaltung von 1995) und des Bestehens eines Gemeindeverbandes (Artikel 10, Absatz 5 ) aufwerfen;

52. Verweist auf Artikel 10 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, in dem die Vereinsfreiheit der Gemeinden zur Durchführung von Aufgaben, die von gemeinsamem Interesse sind, angeführt wird;

53. Teilt den Wunsch der mazedonischen Behörden, die Einheit und Integrität des Landes beizubehalten und den Zerfallsprozess nicht zu bestärken, der nicht mit der Kooperation zwischen den Gemeinden vereinbar wäre. Verweist jedoch darauf, dass die Schaffung neuer Gemeindeverbände gemäß Artikel 10 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung nicht nur nach ethnischen Überlegungen zulässig sein sollte und falls notwendig das Gesetz zu ändern sei;

54. Fordert die mazedonischen Behörden auf, Artikel 10 des Gesetzes über die kommunale Selbstverwaltung so auszulegen, dass die Möglichkeit besteht, interkommunale Strukturen (z.B. interkommunale Gewerkschaften, die den Bürgern spezifische Dienste anbieten) zu schaffen und ihre Konformität mit dem Geist der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung zu überprüfen, um sicherzustellen, dass die Schaffung anderer Gemeindeverbände und die Schaffung von interkommunalen Kooperationsorganen möglich ist oder eine Abänderung des Gesetzes in diesem Sinne vorzunehmen;

55. Empfiehlt den mazedonischen Behörden, die Kooperation zwischen den Gemeinden zu fördern, um den Bürgern bessere Dienste zu bieten und die Effizienz der Gemeindeverwaltung falls nötig durch finanzielle Anreize zu verbessern;

56. Schlägt vor, einen freiwilligen Zusammenschluss von Gemeinden, deren Lebensfähigkeit nicht gewährleistet ist, zu ermöglichen und die Umstellung von angrenzenden Gemeinden, die ihre öffentlichen Dienste gemeinsam organisieren möchten zu begünstigen oder die Schaffung von „Stadtbezirken“ um einige Städte oder Gemeinden, insbesondere um alte Städte herum vorzusehen;

57. Nimmt mit Interesse die Existenz von Nachbarschaftsgemeinschaften (neighborhood communities) zur Kenntnis, deren Status und Vorrechte in Kapitel XII des Gesetzes über die kommunale Selbstverwaltung von 1995 geregelt werden. Diese bilden im Inneren der Gemeinde einen Rat gewählter Vertreter und sichern die Entwicklung der partizipativen Demokratie sowie die Bürgervereinigungen zur Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten;

58. Verweist auf Artikel 3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, in dem die kommunale Selbstverwaltung als Recht und Befähigung der Gemeinden festgelegt wird, im Rahmen des Gesetzes einen wichtigen Teil der öffentlichen Angelegenheiten in Eigenverantwortung zu regeln und zum Nutzen der Bevölkerung zu verwalten;

59. Empfiehlt den mazedonischen Behörden gemäß den Grundsätzen der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung:

a) die Arbeit der Nachbarschaftsgemeinschaften und die Entwicklung der partizipativen Demokratie auf intrakommunaler Ebene zu fördern und die im gegenwärtigen Gesetz vorgesehenen Bestimmungen umzusetzen;

b) darauf zu achten, dass der Privatisierungsprozess die Gemeinden mit Grundbesitz ausstattet, der ihren Bedürfnissen entspricht und es ihnen erlaubt, Einfluss auf die Stadt- und Wirtschaftsentwicklung zu nehmen, insbesondere wäre es angebracht, das Ermächtigungs- und Genehmigungssystem der staatlichen Verwaltung für Stadtplanung dort abzuändern, wo das System nicht Artikel 8 der Charta bezüglich der Verwaltungskontrolle der Gemeinden entspricht;

Bezüglich der Politiker und des Personals der Gemeinden

60. Unterstreicht, dass jede Übertragung von Befugnissen mit einer Übertragung von Finanzmitteln und qualifiziertem Personal gemäß Artikel 6.2 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung einher gehen muss, das gilt insbesondere für das Personal in den Regionalbüros der Regierung, das den Gemeinden überstellt werden könnte;

61. Empfiehlt den mazedonischen Behörden:

a) die Stellung des Personals der Gemeinden gemäß den Anforderungen von Artikel 6 der Charta zu definieren und für ein neutrales, stabiles und kompetentes Gemeindepersonal zu sorgen:

b) Artikel 54 des Gesetzes über die kommunale Selbstverwaltung abzuändern und ein Einstellungssystem, das sich auf das „Spoilsystem“ gründet, abzuschaffen;

c) eine Ausbildungsstruktur für territoriale leitende Angestellte und Kommunalpolitiker ins Leben zu rufen;

d) die Stellung der Kommunalpolitiker zu definieren und insbesondere gemäß Artikel 7 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung die Politiker bei der Ausübung ihrer Funktionen, ihre Vergütung und ihr Gehalt durch eine Entschädigungsberechnung zu schützen, bei der die Größe der Gemeinde und der Verantwortung des Politikers berücksichtigt wird;

Bezüglich der bürgerlichen Gesellschaft

62. Stellt fest, dass die Medien dazu beitragen können, den Reformprozess anzuregen und diese Rolle auch spielen sollten;

63. Begrüßt die Initiativen der Agentur für kommunale Demokratie von Ohrid seit 1997 zur Förderung und Entwicklung der kommunalen Demokratie und des Dialogs zwischen den Gemeinden insbesondere dank des Programms für vertrauensbildende Maßnahmen des Europarates; bedauert jedoch die fehlenden Finanzmittel dieser Agentur;

64. Ist der Auffassung, dass die Vereinigung der Einheiten der kommunalen Selbstverwaltung ein echter Ansprechpartner der Regierung werden sollte, Arbeitsvorschläge unterbreiten und über die Interessen der Gemeinden unabhängig von der politischen oder ethnischen Zugehörigkeit der Kommunalpolitiker wachen sollte;

65. Ermutigt das Ministerium für kommunale Selbstverwaltung, seine Aktionen durch eine geeignete Kommunikationspolitik zu verdeutlichen und mit der Vereinigung der Einheiten der kommunalen Selbstverwaltung und den Bürgern in Dialog zu treten;

66. Stellt mit Bedauern fest, dass keine Frau unter den 124 mazedonischen Bürgermeistern ist. Dies erschwert die Anwendung von Artikel 2.2 der Charta des Kongresses;

67. Empfiehlt den mazedonischen Behörden, die Beteiligung der Frauen an den Gemeindewahlen durch geeignete Maßnahmen anzuregen;

68. Fordert die mazedonischen Behörden und die Vertreter der bürgerlichen Gesellschaft auf, die Aktionen zur Stärkung des sozialen Zusammenhaltes und des Dialoges zwischen den Gemeinden fortzuführen;

69. Bekräftigt die dringenden Reformen, die im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung notwendig sind, um die Funktionsweise der Gemeinden und die Ausübung der kommunalen Selbstverwaltung durch die Politiker zu gewährleisten;

70. Empfiehlt den mazedonischen Behörden, die Zusammenarbeit mit dem Europarat und die Übermittlung von Gesetzentwürfen betreffend kommunale Selbstverwaltung, kommunales Finanzwesen oder territoriale Strukturen fortzusetzen, sodass deren Übereinstimmung mit der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung geprüft werden kann;

71. Fordert das Ministerkomitee auf, diese Empfehlungen bei der Überprüfung der Einhaltung der von Mazedonien eingegangenen Verpflichtungen zu berücksichtigen und insbesondere im Rahmen des Stabilitätspaktes des Kongresses, der Agentur für kommunale Demokratie und des ADACS Programms die Bemühungen der Regierung und der mazedonischen Politiker auch finanziell zu unterstützen, damit sichergestellt wird, dass die Prinzipien der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung umgesetzt werden; empfiehlt insbesondere dem Ministerkomitee, die Schaffung eines Ausbildungszentrums für den territorialen öffentlichen Dienst im Rahmen des Stabilitätspaktes oder ein gemeinsames Programm mit der Europäischen Union zu unterstützen.

 

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeiden am 24. Mai 2000 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss am 25. Mai 2000 (siehe Dok. CPL (7) 8, Empfehlungsentwurf, vorgelegt durch Herrn J. C. Frecon, Berichterstatter).

2 Dokument CG/BUR (5) 75

3 Der Begriff „Mazedonien“ wird später aus Gründen der Lesbarkeit als Beschreibung verwendet und bedeutet keine Stellungnahme des Kongresses bezüglich der Namensgebung dieses Staates.