Empfehlung 78 (2000)1 betreffend die kommunale und regionale Demokratie in Frankreich
Der Kongress,
1. Erinnert:
a) an seine Entschliessung 31 (1996) über die durch den Kongress zu befolgenden Grundsätze bei der Erarbeitung von Berichten über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie in den Mitgliedländern des Europarats und den sich um eine Mitgliedschaft bei diesem bewerbenden Ländern;
b) insbesondere an Abschnitt 11 dieser Entschliessung, worin er fordert, dass innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne sämtliche Mitgliedstaaten Gegenstand eines ausführlichen Berichts über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie werden;
c) daran, dass er, gestützt auf den oben erwähnten Abschnitt, bereits mehrere Berichte über die kommunale und regionale Demokratie in verschiedenen europäischen Ländern2 ausgearbeitet hat;
2. Erinnert daran, dass er 1998 durch das Ministerkomitee des Europarats aufgefordert wurde, seine Tätigkeit hinsichtlich der länderweisen Ausarbeitung von Berichten über die Situation der Gemeinde- und Regionaldemokratie für sämtliche Mitgliedstaaten fortzusetzen;
3. In Anbetracht des Willens von Parlament und Regierung Frankreichs, die politische Debatte über die Dezentralisierung in Frankreich fortzusetzen, um die gesetzlichen Grundlagen und die Bedingungen für die Ausübung der territorialen Selbstverwaltung zu verbessern, und aus dem Wunsch, einen konstruktiven Beitrag zu dieser Debatte leisten zu können;
4. Nimmt zur Kenntnis, dass die französische Regierung, gestützt auf diesen Willen, einen Ausschuss für Dezentralisation unter dem Vorsitz von Sénateur Pierre Mauroy, ehemaligem Premierminister, ins Leben gerufen hat;
5. Hat den von den Herren Berichterstattern Moreno Bucci (Italien, G) und Jean-Claude Van Cauwenberghe (Belgien, R), unterstützt von Herrn Prof. Philippe De Bruycker (Belgien), nach 5 offiziellen Besuchen der Berichterstatter zwischen Dezember 1999 und März 2000 (Paris, 2 mal; Boulogne-Billancourt; Metz, Bourg en Bresse; Ajaccio) vorgelegten Bericht über die kommunale und regionale Demokratie in Frankreich zur Kenntnis genommen;
6. Dankt allen Vertretern der französischen zentralstaatlichen und territorialen Behörden sowie den Hochschuldozenten, die zu einer Unterredung mit den auf Besuch weilenden Berichterstattern bereit waren3, für ihre grosse Gesprächsbereitschaft und das zutage gelegte Interesse an der Tätigkeit des Kongresses;
7. Erachtet es für notwendig, die folgenden Überlegungen und Empfehlungen an die parlamentarischen und Regierungsstellen Frankreichs zu richten:
7.1 Betreffend den Prozess der Dezentralisierung und die Verwaltungsorganisation des Territoriums:
7.1.1 Stellt fest, dass der anfangs der achtziger Jahre eingeleitete Dezentralisierungsprozess einen Bruch mit der zentralistischen Tradition und einen geglückten Versuch einer staatlichen Reform darstellt, dessen Erfolg weitgehend von der zunehmenden Umsetzung einer Reihe grundlegender Prinzipien insbesondere im Bereich der Kompetenzen, des Finanzwesens und der Kontrollen abhing;
7.1.2 Beobachtet indes, dass dieser Erfolg nicht hindert, dass der Dezentralisierungsprozess von einem Grossteil der territorialen Abgeordneten als unvollendet und als in einem als "re-zentralisierend" empfundenen Kontext liegend gesehen wird;
7.1.3 Stellt fest, dass Frankreich heute in seinem Mutterland immer noch mehr als 36.000 Gemeinden zählt, und dass sich dies auf die laufende Dezentralisationsdebatte auswirkt;
7.1.4 Nimmt zur Kenntnis, dass die insbesondere durch das Gesetz vom 12. Juli 1999 gestützte Verstärkung der interkommunalen Zusammenarbeit unter anderem eine pragmatische Antwort auf die historisch begründete Vielzahl von Gemeinden darstellt, die den französischen Behörden näher liegt als die einfache Zusammenlegung von Gemeinden;
7.1.5 Stellt fest, dass sich auf den übergeordneten Ebenen der 96 Departemente und 22 Regionen des französischen Mutterlandes sogar eine gewisse territoriale Fragmentierung abspielt, wenn auch in weniger starkem Ausmass;
7.1.6 Bezweifelt die demokratische Legitimität gewisser Institutionen der interkommunalen Zusammenarbeit, die mit eigenen Steuervollmachten ausgestattet sind und de facto eine die Gemeinden überlagernde neue Ebene der Gebietsverwaltung darstellen;
7.1.7 Ist angesichts des Gesagten der Meinung,
a) dass die starke Zunahme der mit immer grösseren Machtbefugnissen ausgestatteten Strukturen für interkommunale Zusammenarbeit im Verein mit einem zunehmenden Wettbewerb zwischen den verschiedenen Behörden die Gefahr einer politisch-administrativen Hypertrophie birgt, deren Mängel hinsichtlich Kosten und Komplexität zulasten der territorialen Selbstverwaltung gehen könnten;
b) dass jetzt schon Überlegungen angestellt werden sollten über die Integration der durch die Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften verursachten territorialen Veränderungen in die zukünftige Raumordnungs- und Raumorganisationskarte des nationalen Territoriums;
c) dass es von Nutzen sein könnte, den Gebietskörperschaften eine Fähigkeit der Selbstorganisation zuzusprechen, die bis zum Beschluss der Fusion gewisser Verwaltungsebenen gehen könnte, auch wenn diese von unterschiedlicher Art sind;
d) dass die demokratische Legitimität der am stärksten integrierten Institutionen interkommunaler Zusammenarbeit zu den Grundfragen der Debatte über die Zukunft der Dezentralisation in Frankreich gehören müsse;
7.2 Betreffend die Frage der Kompetenzen von Gebietskörperschaften:
7.2.1 Begrüsst die in den Dezentralisationsgesetzen der achtziger Jahre enthaltene genaue Aufzählung, welche das System der Kompetenzenverteilung sehr durchsichtig gestaltet;
7.2.2 Stellt jedoch fest, dass das Ziel, nämlich die Schaffung homogener Kompetenzenblöcke für gewisse Bereiche, nicht erreicht worden ist, dies unter anderem wegen der unzähligen und wiederholten Übertragungen und Delegationen von Kompetenzen ausserhalb jeder legislativen Verfügung;
7.2.3 Stellt fest, dass diese Kompetenzenübertragungen mit der traditionellen Generalklausel betreffend Kompetenzen zuweilen schlecht zusammenpassen und beitragen zu einer zunehmenden Kompetenzen-Verschachtelung, die sich negativ auf die Entwicklung der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung auswirkt;
7.2.4 Stellt fest, dass diese Erscheinung sich aufgrund der nicht nur zwischen Gebietskörperschaften der selben Ebene, sondern auch zwischen solchen unterschiedlicher Ebenen bis hin zum Zentralstaat geübten Praxis der Vertragsschliessung weiter kompliziert;
7.2.5 Gibt seiner Besorgnis Ausdruck angesichts der Tatsache, dass die Ausübung von Kompetenzen auf dem Wege über die Vertragsschliessung in Frankreich heute ein Verwaltungsinstrument darstellt, dessen Wirksamkeit und Anpassungsfähigkeit zwar anerkannt ist, das aber:
- in gewissen Phasen den demokratischen Kontrollmechanismen auf territorialer Ebene entgeht,
- - den kommunalen und regionalen Abgeordneten zuweilen als staatlicher Übergriff erscheint,
- - in gewissen Fällen unvermeidlich einen Wettbewerb zwischen Gebietskörperschaften auslöst;
7.2.6 Ist der Ansicht, dass die Verschachtelung und vertragliche Ausgestaltung der Kompetenzen einen Zustand der Unsicherheit geschaffen hat, der nach rascher Klärung ruft;
7.3 Hinsichtlich der Finanzmittel der Gebietskörperschaften:
7.3.1 Begrüsst:
a) die Tatsache, dass bei Annahme der erwähnten Dezentralisationsgesetze die Kompetenzenübertragungen begleitet waren von Finanzübertragungen vonseiten des Zentralstaats, sodass die Dezentralisation nicht auf eine Entlastung des Staates zulasten der Gebietskörperschaften hinauslief;
b) die Tatsache, dass die finanzielle Autonomie der französischen Gebietskörperschaften darauf zurückzuführen ist, dass die Gemeindeabgeordneten ihre Steuersätze im Rahmen des Gesetzes selber festlegen können;
c) die Tatsache, dass die Gemeindehaushalte annähernd 30% der gesamten öffentlichen Ausgaben ausmachen, und dass 3/4 der öffentlichen Investitionen heute durch Gebietskörperschaften vorgenommen werden, was einem erheblichen Teil der öffentlichen Geschäfte entspricht;
d) die Tatsache, dass Frankreich somit weit über dem Mittel der steuerlichen Eigenaufkommen (25,7%) und weit unter dem Mittel der Transferzahlungen (49%) in den Mitgliedstaaten des Europarats liegt4, was als Leistung umso bemerkenswerter ist, als sie in einem Kontext der kommunalen "Zerbröselung" stattfindet;
7.3.2 Äussert sich jedoch besorgt:
a) da diese Situation heute zunehmend in Frage gestellt wird durch eine paradoxe Entwicklung, die durch einen Rückgang der steuerlichen Eigenaufkommen der Gebietskörperschaften bei gleichzeitig im Zunehmen scheinender Dezentralisation gekennzeichnet ist;
b) in der Tat macht die Eigenfiskalität der Gebietskörperschaften eine eigentliche Erosion durch aufgrund der diversen Massnahmen, welche im Lauf der letzten zwanzig Jahre über den Weg der jährlichen Finanzgesetze eingeführt wurden;
c) diese Massnahmen führen zu einer "Verstaatlichung der Eigenfiskalität der Gebietskörperschaften", die der Staat zwar durch zusätzliche Zuwendungen kompensiert, welche die Verluste aus der Unterdrückung der lokalen Steuern ersetzen, aber der Gefahr unterliegen, die realen Kosten der Ausübung ihrer Kompetenzen durch die Gebietskörperschaften nicht aufzuwiegen;
d) eine derartige Entwicklung bleibt für die kommunale und regionale Selbstverwaltung und Demokratie nicht ohne Folgen, denn die zunehmende Verstaatlichung des kommunalen Steuerwesens bedeutet unbestreitbar einen kommunalen Autonomieverlust in dem Masse, wie den Gemeinden immer weniger Freiheit bleibt, sich eigene Einnahmen zu verschaffen;
e) diese Entwicklung nährt bei zahlreichen territorialen Abgeordneten eine Beunruhigung, die sich allgemein in dem Eindruck äussert, dass seit Anfang der neunziger Jahre eine Rezentralisierung stattfindet;
7.3.3 Ruft deshalb in Erinnerung, dass die Eigenfiskalität für Gebietskörperschaften dadurch, dass sie in gewissem Umfang über ihren Steuerfuss entscheiden, die Hauptmöglichkeit der Mittelbeschaffung darstellt und somit zu den wesentlichen Grundlagen einer echten Selbstverwaltung gehört;
7.3.4 Ist diesbezüglich der Ansicht:
a) dass der Zeitpunkt gekommen ist, die Logik der jährlichen Anpassungen vermittels Finanzgesetzen ohne Gesamtvision und mit wenig Rücksicht auf die Finanzautonomie der Gebietskörperschaften hinter sich zu lassen;
b) dass sich eine Umgestaltung des kommunalen und regionalen Steuerwesens aufgrund einer Konsolidierung der steuerlichen Selbstverwaltung der Gebietskörperschaften vermittels einer Stärkung des Finanzausgleichs zwischen den Territorien5 aufdrängt;
7.4 Betreffend die Statute der gewählten Gemeinde- und Regionalabgeordneten:
7.4.1 Ist der Ansicht, dass es für die Sicherstellung der freien Ausübung ihres Mandats durch die territorialen Abgeordneten angezeigt ist, die Bedingungen für die Ausübung ihrer Verantwortung im Rahmen des Gesetzes klar festzulegen;
7.4.2 Um jede Verbeamtung der territorialen Abgeordneten zu vermeiden, müssen allgemeine Bestimmungen angenommen werden, die ihnen eine angemessene Entlöhnung und entsprechende soziale Absicherung gewährleisten;
7.4.3 Um den politischen Einsatz auf kommunaler und regionaler Ebene zu fördern, ist es hinsichtlich der zivilrechtlichen wie der strafrechtlichen Haftung sehr wichtig, die unmittelbare persönliche Haftung auf besondere, gesetzlich anerkannte Fälle zu begrenzen. Aus dem selben Grunde müssen die kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften eine eigene Rechtspersönlichkeit erhalten;
7.5 Betreffend die Beziehungen zwischen den zentralstaatlichen Behörden und den Gebietskörperschaften:
7.5.1 begrüsst die Tatsache, dass die "Verwaltungsaufsicht", deren Schwerfälligkeit ganz besonders fühlbar war, wenn sie a priori (bevor der Beschluss gefallen oder ausführungsreif war) ausgeübt wurde, einer Legalitätsprüfung a posteriori gewichen ist, die hinsichtlich administrativer Aspekte nur durch einen Richter und hinsichtlich finanzieller Aspekte nur durch die regionalen Kammern ausgeübt werden kann;
7.5.2 ist der Ansicht, dass es wichtig ist, den Entscheidungsprozess von Gebietskörperschaften nicht durch lange und komplizierte Genehmigungsverfahren zu belasten, die ihre Autonomie einzuengen drohen;
7.6 Betreffend die Entflechtung der staatlichen Befugnisse:
7.6.1 Begrüsst die Tatsache, dass die Entflechtung seit der Wiederaufnahme der Dezentralisation in den achtziger Jahren nicht mehr als eine Vorbedingung, sondern als eine notwendige Begleiterscheinung der Dezentralisation gesehen wird, sodass die dezentralisierten Behörden stets und in zunehmendem Masse in der zentralstaatlichen Verwaltung einen Gesprächspartner auf ihrer eigenen Stufe finden, der ihren Erwartungen entspricht und ihre Autonomie respektiert;
7.7 Betreffend die Frage der Ämterkumulierung:
7.7.1 Hatte ein offenes Ohr für die Bemerkungen mancher französischer Kommunalabgeordneter, die die Praxis der Kumulierung nationaler und territorialer Abgeordnetenmandate in Frage stellen;
7.7.2 Ist der Ansicht, dass sich eine Begrenzung der Praxis der Ämterkumulierung empfiehlt, damit die territorialen Abgeordneten, die nur auf lokaler oder regionaler Ebene politische Verantwortung übernehmen, aufgewertet werden;
7.8 Betreffend die politische Verantwortlichkeit der territorialen Exekutiven vor den Abgeordnetenkammern:
7.8.1 stellt fest, dass, bis auf eine einzige Ausnahme, den Abgeordnetenkammern der Gebietskörperschaften keinerlei politische Möglichkeit zur Verfügung steht, die für die Ausarbeitung und Umsetzung ihrer Beschlüsse durch sie selbst berufenen Vertreter der Exekutive auch selbst abzuberufen;
7.8.2 sich durchaus der Tatsache bewusst, dass den Bürgern anlässlich freier Wahlen die Möglichkeit gegeben ist, eine globale Bewertung der Tätigkeit von Abgeordneten zum Ausdruck zu bringen, ist der Kongress dennoch der Ansicht, dass die Schaffung von Ausnahmemechanismen für die Abberufung von territorialen Exekutivmitgliedern durch die sie eingesetzt habenden Abgeordnetenversammlungen wünschenswert wäre. Solche Mechanismen, die in genau umschriebenen Fällen aktiviert würden, wären dann in der Lage, den Abgeordnetenversammlungen die politische Kontrolle über die sie gewählt habende Gemeinde zurückzugeben.
7.9 Betreffend ganz besonders die regionale Demokratie:
7.9.1 erfreut darüber, dass die Bürger erklären, die Stärkung einer regionalen Identität sowie die Tatsache zu schätzen, dass zahlreiche wichtige Angelegenheiten der französischen Gesellschaft auf regionaler Ebene entschieden werden;
7.9.2 stellt in den letzten Jahren eine Tendenz fest, die regionale Ebene stärker für die Lösung eigentlich zentralstaatlicher Probleme zu benützen - vor allem auch über die Praxis der Vertragsschliessung - als für die Erfüllung der Forderung der Bürger nach einer ihren Bedürfnissen näheren Verwaltung;
7.9.3 ist deshalb der Ansicht, dass die Regionen, nicht anders als die übrigen Gebietskörperschaften:
a) nicht als einfache Ausführungsorgane der auf zentralstaatlicher Ebene beschlossenen Politiken anzusehen sind;
b) umfassender beigezogen werden sollten zu den durch den Staat bezüglich ihrer gefällten Beschlüssen, insbesondere der Beschlüsse betreffend ihre Zuständigkeiten, ihre Finanzen und die Verteilung der EU-Gelder;
c) zu jedem Projekt oder Beschluss betreffend die zukünftige territoriale Organisation des Landes konsultiert werden sollten;
7.9.4 hinsichtlich der Gebietskörperschaft Korsika, fordert die parlamentarischen und Regierungsstellen auf, ein neues Statut zu schaffen, welches es Korsika ermöglicht, zentralstaatliche Beschlüsse an die Besonderheiten der Insel anzupassen. Diesbezüglich, und gestützt auch auf Lösungen, die angepasst wurden an die Bedürfnisse anderer europäischer Inseln, empfiehlt es sich:
a) die Anerkennung der Besonderheit der betreffenden Gebietskörperschaft zu verstärken;
b) umfangreiche Kompetenzenpakete insbesondere auf den Gebieten Raumordnung, Identität, Kultur, Sprache und Bildungswesen zu übertragen;
c) die Möglichkeit zu untersuchen, die korsische Territorialversammlung mit mehr gesetzgebenden Vollmachten in den unter b), oben, genannten, in Beziehung mit dem Inselcharakter und der kulturellen Eigenart stehenden Bereichen zu versehen und ihre Zuständigkeiten in finanzieller Hinsicht zu verstärken, ohne dass dies die wesentlichen Vorrechte der zentralstaatlichen Behörden zur Diskussion stellt;
7.10 Betrreffend die Ratifikation der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung und anderer Übereinkommen des Europarats im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung:
7.10.1 Bedauert, dass Frankreich die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung6 noch nicht ratifiziert hat, wenngleich es diesen Text doch unmittelbar nach dessen Annahme 1985 unterzeichnete;
7.10.2 Möchte diesbezüglich dringend darauf hinweisen, dass selbst nach Ansicht französischer Juristen und Politiker:
a) der Ratifikation dieses Übereinkommens aus Sicht der Verfassung nichts entgegensteht;
b) die Definition des Konzepts "kommunale Selbstverwaltung" in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung7 sich nicht unterscheidet von dem in den Artikeln 34 und 72 der französischen Verfassung gebrauchten Begriff der "freien Verwaltung" (libre administration);
c) die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung brauchbare Antworten auf einige der Probleme bereithält, welche die Dezentralisation in Frankreich mit sich bringt, und dass ihre Ratifikation keinerlei Umgestaltung des gegenwärtigen Systems der Gebietskörperschaften verlangt;
d) das französische Recht den meisten Grundsätzen der Charta entspricht, und dass gewisse Bestimmungen des französischen Rechts zuweilen eher noch mehr Schutz bieten als diejenigen der Charta oder doch, nach der Annahme der Dezentralisationsgesetze, vollständig mit dieser harmonieren;
7.10.3 Begrüsst die Tatsache, dass Frankreich das Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften oder -behörden ratifiziert und dessen beide Zusatzprotokolle unterzeichnet hat, die es nun zu ratifizieren gilt;
7.10.4 Bedauert, dass Frankreich die Europäische Charta über die Beteiligung von Ausländern am kommunalen öffentlichen Leben noch nicht ratifiziert hat und regt an, dass die französischen Behörden dieses Übereinkommen unterzeichnen und ratifizieren, um bei der Einführung allseits mitgetragener, innovatorischer und demokratischer Lösungen zur Frage der Integration der Einwanderer in das soziale Leben des Landes einen europäischen Referenztext nutzen zu können;
7.10.5 Stellt fest, dass die Ratifikation der Europäischen Charta der regionalen und Minderheitensprachen, ungeachtet des diesbezüglich manifestierten politischen Willens, infolge einer Stellungnahme des Verfassungsrats (Conseil Constitutionnel) nicht durchgeführt wurde.
ANHANG I
Gesprächspartner der KGRE-Delegation anlässlich ihrer offiziellen Besuche im Laufe der Vorbereitung des Berichts
über kommunale und regionale Demokratie in Frankreich
in der Reihenfolge der Begegnungen
(Dezember 1999 - März 2000)
Herr Michel MERCIER, Berichterstatter des Senats für Dezentralisation, Präsident des Generalrats Rhône
Herr Daniel HOEFFEL, Senator, Erster Vizepräsident der Vereinigung französischer Bürgermeister (AMF)
Herr Alain DELCAMP, Präsident der Gruppe unabhängiger Experten für die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung
Herr Jean-Claude FRECON, Berichterstatter der Vereinigung französischer Bürgermeister (AMF) für "Steuerwesen und ländliche Gemeinden"
Herr CARREZ, Vorsitzender des Finanzausschusses der AMF, Abgeordneter in der Nationalversammlung, Bürgermeister von Perreux
Frau Marie-Claude SERRES COMBOURIEU, für Finanzwesen, wirtschaftliche Entwicklung und interkommunale Zusammenarbeit verantwortliche Vertreterin der AMF
Herr Denis CASTAING, für internationale Beziehungen verantwortlicher Vertreter der AMF
Herr Jean-Paul ALDUY, Bürgermeister von Perpignan
Herr Jean DELANEAU, Vorsitzender des Ausschusses für Sozialwesen des Senats, Präsident des Generalrats von Indre et Loire
Herr Jean-Bernard AUBY, Präsident der französischen Vereinigung für Gemeinderecht
Frau Marie-José TULARD, Direktorin des Dienstes für Gebietskörperschaften des Senats
Herr Didier LALLEMAND, Generaldirektor der kommunalen Gebietskörperschaften im Innenministerium
Herr Michel PAPAUD, persönlicher Referent des Generaldirektors der kommunalen Gebietskörperschaften im Innenministerium
Herr Denis PERRIN, Beigeordneter des Stellvertretenden Direktors für kommunale Zuständigkeiten und Institutionen im Innenministerium
Herr Jean-Pierre FOURCADE, Bürgermeister von Boulogne-Billancourt, Senator, Vorsitzender des Regierungsausschusses für kommunales Finanzwesen
Herr Gérard LEMAIRE, Generalbevollmächtigter der Vereinigung der französischen Regionen (ARF)
Herr Pierre MAUROY, ehemaliger Premierminister, Senator, Bürgermeister von Lille, Vorsitzender des Regierungsausschusses für Dezentralisation
Herr Philippe LEROY, Präsident des Generalrats des Dépt. Moselle, Vorsitzender des Ausschusses "Europa" der Vereinigung der französischen Départements (ADF), Vize-Präsident der Region Lorraine und Bürgermeister von Vic sur Seille
Herr Patrick WEITEN, Generalrat des Dépt. Moselle, Bürgermeister von Yutz
Herr Jean WEBER, Bürgermeister von Remilly
Herr Martial WLAZLAK, persönlicher Referenz von Herrn LEROY
Herr Jean PEPIN, Präsident des Generalrats von Ain, Senator
Herr François PAOUR, (ehemaliger) Präsident des Nationalen Verbandes von Bürgermeistern französischer Landgebiete, Bürgermeister von Saint-Bernard
Herr René ANSELLEM, Bürgermeister von Pressiat
Herr Jacques BOYON, Minister a.D., Bürgermeister von Pont-d'Ain
Herr Michel CARMINATI, Vizepräsident des Generalrats von Ain, Bürgermeister von Izernore
Frau Danielle COMTET, Bürgermeisterin von Misérieux
Herr Robert MERIAUDEAU, Bürgermeister von Bregnier-Cordon
Herr Noël RAVASSARD, Regionalrat der Region Rhône-Alpes, Bürgermeister von Chatillon-sur-Chalaronne
Frau Geneviève RIGUTTO, Bürgermeisterin von Chatillon-en-Michaille
Herr MONTANE, Verwaltungsbeamter der Territorialversammlung von Korsika
Die Herren ALBERTINI und PIETRI, Vertreter der politischen Gruppe "Un autre avenir" (Eine andere Zukunft) von Korsika, Mitglieder der Territorialversammlung von Korsika
Herr Toussaint LUCIANI, korsische politische Gruppe "Mouvement pour la Corse" (Bewegung für Korsika), Mitglied der Territorialversammlung von Korsika
Herr José ROSSI, Präsident der Territorialversammlung von Korsika
Herr Jean-François BATTINI, Geschäftsträger, Territorialversammlung von Korsika
Herr VINCIGUERRA, Mitglied der Territorialversammlung von Korsika
Herr Jean-Guy TALAMONI, Vorsitzender des Ausschusses für Europafragen der Territorialversammlung von Korsika und Vertreter der politischen Gruppe "Corsica Nazione"
Herr Jean BAGGIONI, Präsident des Exekutivrats von Korsika
Herr José COLOMBANI, persönlicher Referent von Herrn BAGGIONI
Herr Jean-Pierre RAFFARIN, Präsident der Vereinigung der Regionen Frankreichs (ARF), Präsident der Region Poitou-Charentes
Herr Paul GIROD, Vizepräsident des Senats, Mitglied des Senatsreferats für Dezentralisation, Generalrat der Aisne, Bürgermeister von Droizy
Herr Adrien ZELLER, Präsident der Region Alsace, ehemaliger Abgeordneter, Co-Präsident des Instituts für Dezentralisation
Herr Jean-François LEGARET, Stellvertretender Bürgermeister der Stadt Paris
Herr Louis GRANIER, Generalbevollmächtigter der Stadt Paris
Frau POLITIS, verantwortlich für internationale Beziehungen im Sekretariat des Bürgermeisteramts von Paris
Herr François LUCAS, technischer Berater bei Herrn Jean-Pierre CHEVENEMENT, Innenminister
Herr Prof. Michel VERPEAUX, Universität Panthéon-Assas, Paris II
Herr Prof. Gérard MARCOU, Forschungsgruppe über Kommunalverwaltung in Europa, CNRS
Herr Prof. Hugues PORTELLI, Co-Präsident des Instituts für Dezentralisation
Herr Prof. Jean-Claude NEMERY, Universität von Reims, Champagne-Ardenne
Herr Jean-Louis GUIGOU, Delegierter für Raumordnung und regionale Aktion (DATAR)
Herr Jean PEYRONY, Geschäftsträger, DATAR
Herr Philippe VALLETOUX, Vorstandsmitglied des Crédit local de France.
EUROPÄISCHE CHARTA DER KOMMUNALEN SELBSTVERWALTUNG
STE Nr. 122
Zur Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten aufgelegter Vertrag
Situation am 18.04.00
ZUR UNTERZEICHNUNG AUFGELEGT:
Ort: Strassburg
Datum 15.10.85
INKRAFTTRETEN:
Bedingungen: 4 Ratifikationen
Datum: 01.09.88
Mitgliedstaaten des Europarats:
Staaten |
Datum |
Datum |
Datum |
Anmerkg. |
R. |
D. |
A. |
T. |
C. |
O. |
Albanien |
27/05/98 |
04/04/00 |
01/08/00 |
|||||||
Andorra |
||||||||||
Österreich |
15/10/85 |
23/09/87 |
01/09/88 |
X |
||||||
Belgien |
15/10/85 |
|||||||||
Bulgarien |
03/10/94 |
10/05/95 |
01/09/95 |
X |
||||||
Kroatien |
11/10/97 |
11/10/97 |
01/02/98 |
X |
||||||
Zypern |
08/10/86 |
16/05/88 |
01/09/88 |
X |
||||||
Tschechische Republik |
28/05/98 |
07/05/99 |
01/09/99 |
X |
||||||
Dänemark |
15/10/85 |
03/02/88 |
01/09/88 |
X |
X |
|||||
Estland |
04/11/93 |
16/12/94 |
01/04/95 |
X |
||||||
Finnland |
14/06/90 |
03/06/91 |
01/10/91 |
|||||||
Frankreich |
15/10/85 |
|||||||||
Georgien |
||||||||||
Deutschland |
15/10/85 |
17/05/88 |
01/09/88 |
X |
X |
|||||
Griechenland |
15/10/85 |
06/09/89 |
01/01/90 |
X |
||||||
Ungarn |
06/04/92 |
21/03/94 |
01/07/94 |
X |
||||||
Island |
20/11/85 |
25/03/91 |
01/07/91 |
|||||||
Irland |
07/10/97 |
|||||||||
Italien |
15/10/85 |
11/05/90 |
01/09/90 |
X |
||||||
Lettland |
05/12/96 |
05/12/96 |
01/04/97 |
X |
||||||
Liechtenstein |
15/10/85 |
11/05/88 |
01/09/88 |
X |
||||||
Litauen |
27/11/96 |
22/06/99 |
01/10/99 |
|||||||
Luxemburg |
15/10/85 |
15/05/87 |
01/09/88 |
|||||||
Malta |
13/07/93 |
06/09/93 |
01/01/94 |
X |
||||||
Moldau |
02/05/96 |
02/10/97 |
01/02/98 |
|||||||
Niederlande |
07/01/88 |
20/03/91 |
01/07/91 |
X |
X |
|||||
Norwegen |
26/05/89 |
26/05/89 |
01/09/89 |
|||||||
Polen |
19/02/93 |
22/11/93 |
01/03/94 |
|||||||
Portugal |
15/10/85 |
18/12/90 |
01/04/91 |
|||||||
Rumänien |
04/10/94 |
28/01/98 |
01/05/98 |
X |
||||||
Russland |
28/02/96 |
05/05/98 |
01/09/98 |
|||||||
San Marino |
||||||||||
Slowakei |
23/02/99 |
01/02/00 |
01/06/00 |
X |
||||||
Slowenien |
11/10/94 |
15/11/96 |
01/03/97 |
X |
||||||
Spanien |
15/10/85 |
08/11/88 |
01/03/89 |
X |
X |
|||||
Schweden |
04/10/88 |
29/08/89 |
01/12/89 |
X |
||||||
Schweiz |
||||||||||
Ehemals jugoslawische Republik Mazedonien |
14/06/96 |
06/06/97 |
01/10/97 |
|||||||
Türkei |
21/11/88 |
09/12/92 |
01/04/93 |
X |
||||||
Ukraine |
06/11/96 |
11/09/97 |
01/01/98 |
|||||||
Vereinigtes Königreich |
03/06/97 |
24/04/98 |
01/08/98 |
X |
Nichtmitgliedstaaten des Europarats:
Etats |
Datum |
Datum |
Datum Inkrafttreten |
Anmerkg |
R. |
D. |
A. |
T. |
C. |
O. |
Internationale Organisationen:
Organisationen |
Datum |
Datum |
Datum Inkrafttreten |
Anmerkg |
R. |
D. |
A. |
T. |
C. |
O. |
Anmerkungen:
(a) Beitritt - (s) Unterzeichnung bedarf der Ratifikation - (su) Rechtsnachfolge - (r) Unterzeichnung "ad referendum".
R.: Vorbehaltsklausel - D.: Deklarationen- A.: Behörden - T.: räumlicher Geltungsbereich - C.: Mitteilung - O.: Einrede.
ANNEXE III
ÜBEREINKOMMEN ÜBER DIE BETEILIGUNG VON AUSLÄNDERN
AM KOMMUNALEN ÖFFENTLICHEN LEBEN
STE Nr. 144
Zur Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten und für den Beitritt der Nichtmitgliedstaaten aufgelegter Vertrag
Situation am: 18.04.00
ZUR UNTERZEICHNUNG AUFGELEGT
Ort: Strassburg
Datum: 05.02.92
INKRAFTTRETEN:
Bedingungen: 4 Ratifikationen
Datum: 01.05.97
Mitgliedstaaten des Europarats:
Staaten |
Datum |
Datum |
Datum Inkrafttreten |
Anmerkg. |
R. |
D. |
A. |
T. |
C. |
O. |
Albanien |
||||||||||
Andorra |
||||||||||
Österreich |
||||||||||
Belgien |
||||||||||
Bulgarien |
||||||||||
Kroatien |
||||||||||
Zypern |
15/11/96 |
|||||||||
Tschechische Republik |
||||||||||
Dänemark |
05/02/92 |
|||||||||
Estland |
||||||||||
Finnland |
26/08/97 |
|||||||||
Frankreich |
||||||||||
Georgien |
||||||||||
Deutschland |
||||||||||
Griechenland |
||||||||||
Ungarn |
||||||||||
Island |
||||||||||
Irland |
||||||||||
Italien |
05/02/92 |
26/05/94 |
01/05/97 |
X |
||||||
Lettland |
||||||||||
Liechtenstein |
||||||||||
Litauen |
||||||||||
Luxembourg |
||||||||||
Malta |
||||||||||
Moldau |
||||||||||
Niederlande |
30/11/94 |
28/01/97 |
01/05/97 |
X |
X |
|||||
Norwegen |
09/08/93 |
09/08/93 |
01/05/97 |
X |
||||||
Polen |
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Portugal |
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Rumänien |
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Russland |
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San Marino |
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Slowakei |
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Slowenien |
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Spanien |
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Schweden |
05/02/92 |
12/02/93 |
01/05/97 |
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Schweiz |
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Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien |
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Türkei |
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Ukraine |
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Vereinigtes Königreich |
05/02/92 |
Nichtmitgliedstaaten des Europarats:
Etats |
Datum |
Datum |
Datum Inkrafttreten |
Anmerkg |
R. |
D. |
A. |
T. |
C. |
O. |
Internationale Organisationen:
Organisationen |
Datum |
Datum |
Datum Inkrafttreten |
Anmerkg |
R. |
D. |
A. |
T. |
C. |
O. |
Anmerkungen:
(a) Beitritt - (s) Unterzeichnung bedarf der Ratifikation - (su) Rechtsnachfolge - (r) Unterzeichnung "ad referendum".
R.: Vorbehaltsklausel - D.: Deklarationen- A.: Behörden - T.: räumlicher Geltungsbereich - C.: Mitteilung - O.: Einrede.
1 Diskussion durch den Kongress und Annahme am 25. Mai 2000, 3. Sitzung (siehe Dok. CG (7) 7, Empfehlungsentwurf, vorgelegt durch die Herren M. Bucci und J.C. Van Cauwenberghe, Berichterstatter).
2 Italien, Türkei (1997), Albanien, Bulgarien, Lettland, Moldau, Vereinigtes Königreich, Ukraine (1998), Deutschland, ehemals jugoslawische Republik Mazedonien, Finnland, Niederlande, Russland, San Marino (1999), Estland, Slowenien, Tschechische Republik (in Arbeit)
3 Die Liste der Gesprächspartner findet sich im Anhang 1 zu dieser Empfehlung.
4 4.Monitoring-Bericht über die Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung: "Die Finanzmittel der Gebietskörperschaften in Beziehung gesetzt zu ihren Kompetenzen: ein konkreter Subsidiaritätstest", Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, Strassburg, Mai 2000.
5 Der Premierminister unterstrich die Bedeutung dieser Selbstverwaltung, indem er einen Regierungsausschuss für Dezentralisation gründete. "Eine vermehrte steuerliche Eigenverantwortung bei den Gemeinden vermag die Gemeindedemokratie im Geiste unserer Mitbürger besser zu verankern": so ein Auszug aus dem Brief von Lionel Jospin an den Vorsitzenden des Dezentralisationsausschusses, Pierre Mauroy.
6 Siehe Anhang 2
7 Artikel 3.1 : "das Recht und die tatsächliche Fähigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften, im Namen der Gesetze einen wesentlichen Teil der öffentlichen Angelegenheiten in eigener Verantwortung zum Wohl ihrer Einwohner zu regeln und zu gestalten"