Empfehlung 71 (1999)1 betreffend Musterverträge für die Grenzüberschreitende zusammenarbeit im bereich der nuklearen Sicherheit

Der Kongress,

1. In Anbetracht des von Herrn Jirsa (Tschechische Republik) im Namen der Arbeitsgruppe für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung vorgelegten Berichts betreffend "Ausarbeitung eines Mustervertrages für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit";

2. In Berücksichtigung der Empfehlung 1311 (1997) der Parlamentarischen Versammlung, worin die Regierungen der Mitgliedstaaten aufgefordert werden, international mehr Transparenz in die die Kernenergie betreffenden Aktivitäten hineinzubringen, weshalb die Inspektion verschiedener Kernenergieanlagen auch durch die Behörden anderer Länder als des Betreiberlandes empfohlen wird. Die internationale Gemeinschaft müsse eventuelle Vorfälle oder Unfälle kennen und untersuchen können, um sicher zu gehen, dass sie in Zukunft allgemein generell werden können;

3. Eingedenk der Empfehlung 42 (1998) des KGRE, worin die Regierungen der Mitgliedstaaten aufgerufen werden, "die Vorkehrungen für die demokratische Mitwirkung an der Planung und am Betrieb von Kernenergieanlagen zu verstärken, sodass sämtliche betroffenen gesellschaftlichen Gruppen auf kommunaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene miteinbezogen werden";

4. Erinnernd an die Entschliessung 64 (1998) betreffend nukleare Sicherheit und kommunale sowie regionale Demokratie, worin der KGRE seine Arbeitsgruppe für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung auffordert, "einen Mustervertrag für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Regionen und/oder Gemeinden in Sachen Kernkraftwerke auszuarbeiten";

5. Der Ansicht, dass grenzüberschreitende Zusammenarbeit oft in Schwierigkeiten gerät über Umweltfragen, die im allgemeinen zahlreiche Probleme aufwerfen, zumal Nachfragen in diesem Bereich oft als Eingriff in die dem nationalen Kontext vorbehaltenen Rechte gewertet werden;

6. Unterstreichend, dass Störungen der Umwelt nicht an den Landesgrenzen Halt machen, weshalb die Grenzregionen vor der Notwendigkeit stehen, im beiderseitigen Interesse ihrer Bevölkerungen zusammenzuarbeiten;

7. In Anbetracht der Tatsache, dass die Kernenergie Gefahr läuft, zu einem Tabu bzw. aus der institutionalisierten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ausgeklammert zu werden, da der Energiesektor und die wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit Kernenergie in der alleinigen Zuständigkeit der souveränen nationalen Behörden liegen;

8. Überzeugt, dass diese Konzeption nur dadurch überwunden werden kann, dass unabhängig arbeitende lokale Verbindungsausschüsse die grenzübergreifenden Institutionen unterstützen sowie dadurch, dass nationale Pläne - im Hinblick auf das Einfrieren oder die Überwachung von Kernenerieprojekten in Grenznähe - besser koordiniert werden;

9. Unterstreichend, dass ein grenzüberschreitendes Zusammenarbeiten zwischen den nationalen und regionalen Kernenergiebehörden und den örtlichen Verbindungsausschüssen unabdingbar ist für einen wirksamen Schutz der Bevölkerungen vor nuklearen Risiken und vor Schädigungen durch radioaktive Strahlung sowie dafür, dass die grenznahen Bevölkerungen Zugang bekommen zu allen nötigen Informationen;

10. Überzeugt, dass alle vorhandenen Informationen und Vorschläge betreffend Standort, Bau, Betrieb und Stillegung von Kernenergieanlagen präzis und zuverlässig sein und den zuständigen örtlichen und regionalen Stellen auch der eventuell betroffenen Nachbarländer sowie der durch den Transport radioaktiven Materials betroffenen Gebiete und Regionen öffentlich zur Kenntnis gebracht werden müssen;

11. Daran erinnernd, dass internationale und bilaterale Verträge das grenzüberschreitende Zusammenarbeiten von kommunalen und regionalen Behörden möglich machen können, und dass interne Verwaltungsbestimmungen den Gemeinden und Regionen den Abschluss individueller Verträge mit ausländischen Partnern ermöglichen können;

12. In der Erwägung, dass das Europäische Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften oder -behörden die gemeinsamen allgemeinen und rechtlichen Grundlagen für die Möglichkeit der bilateralen Zusammenarbeit schafft;

13. In Anbetracht dessen, dass das im Anhang zu dem Rahmenübereinkommen figurierende (jedoch keinen integrierenden Bestandteil davon bildende) abgestufte System von Vertragsmustern und -entwürfen darauf angelegt ist, den Staaten einerseits wie den Gebietskörperschaften andererseits eine Auswahl von Formen der Zusammenarbeit anzubieten, die ihren Problemen angemessen sind;
Fordert das Ministerkomitee des Europarats auf,

14. die nachfolgenden Entwürfe von Musterverträgen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit im Hinblick auf ihre Anfügung an das Europäische Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften oder -behörden zu prüfen.

ANHANG

A. Entwurf eines Mustervertrages für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit

Zwischenstaatlicher Vertrag

Die Regierung von ...
und die Regierung von ...,

kommen wie folgt überein:

Artikel 1

Es wird eine gemischte Kommission für nukleare Sicherheit (nachstehend "die Kommission" genannt) geschaffen.

Artikel 2

Die Kommission umfasst ... Mitglieder, nämlich:
- ... Mitglieder vonseiten ...;
- ... Mitglieder vonseiten ....

Ihrem Mandat entsprechend setzt sich die Kommission folgendermassen zusammen:

Partei A (vonseiten ...):
- ... durch nationale Behörden ernannte Mitglieder;
- ... durch regionale Behörden ernannte Mitglieder;
- ... durch kommunale Behörden ernannte Mitglieder.

Partei B (vonseiten ...):
- ... durch nationale Behörden ernannte Mitglieder;
- ... durch regionale Behörden ernannte Mitglieder;
- ... durch kommunale Behörden ernannte Mitglieder.

Artikel 3

Die Kommission ist beauftragt, im Rahmen der nuklearen Aktivitäten der Parteien für die Zusammenarbeit der durch diese Aktivitäten betroffenen Grenzregionen zu sorgen, die Sicherheitsmassnahmen der Regionen in dem Bereich zu koordinieren und mithilfe aller in den geltenden Gesetzen und Bestimmungen liegenden Möglichkeiten eine konzertierte Aktion einzuleiten.

Zu diesem Zweck:

Artikel 4

Die Kommission kann Ausschüsse und/oder Arbeitsgruppen für die Behandlung spezifischer Fragen betreffend ein Territorium oder ein besonderes Problem bilden.

Artikel 5

Die Kommission tritt so oft wie nötig, jedoch mindestens ... mal jährlich zusammen.

Den Vorsitz der Kommission übernehmen (in zweijährigem Turnus) die beiden Länder abwechslungsweise.

Die Kommission kann Fachleute kooptieren.

Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung sowie Vorschriften für den Betrieb und die Finanzierung ihres Sekretariats.

Artikel 6

Jede der beiden Parteien kommt für die Ausgaben ihrer eigenen Delegation auf.

Artikel 7

Der vorliegende Vertrag wird für die Dauer von ... Jahren, beginnend mit seinem Inkrafttreten, geschlossen. Er verlängert sich automatisch um eine weitere Laufzeit von ... Jahren, sofern er nicht von einer der Parteien ein Jahr vor seinem Ablaufen gekündigt wird.

Artikel 8

Jede der Parteien notifiziert der anderen den Abschluss der nach ihrem innerstaatlichen Recht für die Umsetzung des vorliegenden Vertrages erforderlichen Verfahren; der Vertrag tritt in kraft mit dem Datum der letzten Notifizierung.

Ausgefertigt zu ... am .... in ... Exemplaren in ... und in ... Sprache, wobei der Wortlaut der beiden Texte gleichermassen verbindlich ist.

B. Entwurf eines Mustervertrages für die interregionale und/oder interkommunale grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit

(Variante 1)

Zwischenstaatlicher Vertrag

[Die Regierung von ...
und die Regierung von ...,

im Bestreben, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit zu fördern, beschliessen, dass ein Mechanismus der Zusammenarbeit eingerichtet wird

zwischen der Region/Gemeinde ...
und der Region/Gemeinde ... ]

(Variante 2)

Interregionaler oder interkommunaler Vertrag

Die Regione/Gemeinden von ...
und von ...

der Staaten ....
und ...

kommen wie folgt überein:

a. Die Parteien verpflichten sich, vorgängig dem Bau einer Kernkraftanlage mit möglicherweise grenzüberschreitenden Auswirkungen, im Rahmen der geltenden Gesetze und Bestimmungen ein Verfahren der gegenseitigen Konsultation einzurichten und zu entwickeln;

b. sie streben eine Koordination der Ziele und die Ausarbeitung gemeinsamer Politiken im Bereich der nuklearen Sicherheit, des Schutzes vor radioaktiver Strahlung und der diesbezüglichen Notstandspläne sowie hinsichtlich des Transports und der Entsorgung des Atommülls an;

c. die Parteien verpflichten sich, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um einander alle ihnen verfügbaren Informationen über die Standortwahl, den Bau, den Betrieb und die Stillegung von Kernenergieanlagen mit der Möglichkeit grenzüberschreitender Auswirkungen sowie über jeden in solchen Anlagen aufgetretenen Zwischenfall zu übermitteln.

Artikel 2

Die Parteien bilden eine gemischte Kommission [eine Fachgruppe] für nukleare Sicherheit für die Umsetzung von Artikel 1.

Artikel 3

Die Kommission [Fachgruppe] umfasst ... Mitglieder, wovon ... Mitglieder vonseiten ... und ... Mitglieder vonseiten ... .

Die Kommission [Fachgruppe] setzt sich entsprechend ihrem Mandat folgendermassen zusammen:

Partei A (vonseiten ...):

- ([ ... durch nationale Behörden ernannte Mitglieder]);
- ... durch regionale Behörden ernannte Mitglieder;
- [ ... kommunale Behörden ernannte Mitglieder].

Partei B (vonseiten ... ):

- ([ ... durch nationale Behörden ernannte Mitglieder]);
- ... durch regionale Behörden ernannte Mitglieder;
- [ ... kommunale Behörden ernannte Mitglieder].

Artikel 4

Die Kommission [Fachgruppe] hat die Aufgabe:

Artikel 5

Der Kommission steht ein permanentes Sekretariat zur Verfügung.]

Artikel 6

Die Kommission tritt so oft wie nötig, jedoch mindestens ... mal jährlich zusammen.

Den Vorsitz der Kommission übernehmen (in zweijährigem Turnus) die Parteien der beiden Länder abwechslungsweise.

Die Kommission kann Fachleute kooptieren.

Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung und Vorschriften betreffend die Arbeit und Finanzierung ihres Sekretariats.

Artikel 7

Jede Partei kommt für die Ausgaben ihrer eigenen Delegation auf.

Artikel 8

Der vorliegende Vertrag wird für die Dauer von ... Jahren, beginnend mit seinem Inkrafttreten, geschlossen. Er verlängert sich automatisch um eine weitere Laufzeit von ... Jahren, sofern er nicht von einer der Parteien ein Jahr vor seinem Ablaufen gekündigt wird.

Artikel 9

Jede der Parteien notifiziert der anderen den Abschluss der nach ihrem innerstaatlichen Recht für die Umsetzung des vorliegenden Vertrages erforderlichen Verfahren; der Vertrag tritt in kraft mit dem Datum der letzten Notifizierung.

Ausgefertigt zu ... am .... in ... Exemplaren in ... und in ... Sprache, wobei der Wortlaut der beiden Texte gleichermassen verbindlich ist.

1 Diskussion und Annahme durch den Ständigen Ausschuss am 24. November 1999 (siehe Dok. CG (6) 15, Empfehlungsentwurf, vorgelegt durch Herrn T. Jirsa, Berichterstatter).