Der Kongress,
1. Bezug nehmend auf:
- die Schlussfolgerungen aus den in der Russischen Föderation 1999 durchgeführten Monitoring-Besuchen (CG/Bur (5) 145);
- die Empfehlung 64 (1999) betreffend die Lage der kommunalen Finanzen in Deutschland;
- die Schlusserklärung der Konferenz von Ancona über die Aufgaben und Finanzmittel der regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften;
- die Empfehlung 79 (2000) und den vierten allgemeinen Bericht über die politische Kontrolle der Anwendung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung in den Mitgliedstaaten des Europarats: "Die Finanzmittel der Gemeinden im Verhältnis zu ihren Kompetenzen: ein konkreter Subsidiaritätstest";
- die Empfehlung Nr. R(2000)14 des Ministerkomitees der Mitgliedstaaten: "Kommunales Steuerwesen, Finanzausgleich und Zuschüsse zuhanden der kommunalen Gebietskörperschaften";
2. Berücksichtigend den von Herrn Gerhard Engel (Deutschland, G) an der achten Plenartagung des Kongresses (29.-31. Mai 2001) vorgelegten Bericht CG(8)7 betreffend die finanziellen Beziehungen zwischen Staat, Regionen und Gemeinden;
3. Begrüsst die Initiative, erstmals eine Konferenz über die Finanzbeziehungen zwischen Staat, Regionen und Gemeinden durchzuführen;
4. Bekräftigt erneut seinen Willen, das in Artikel 4.3 der Charta aufgestellte Subdisiaritätsprinzip zu fördern, insbesondere hinsichtlich der finanziellen Selbstverwaltung der regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften;
5. Ist der Meinung, dass die Zuweisung von Aufgaben an Gebietskörperschaften auf einer klaren Definition der Kompetenzen jeder Verwaltungsstufe und ausserdem auf dem Subsidiaritätsprinzip und dem Grundsatz der Angemessenheit der Mittel fussen müsse;
6. Fordert die Behörden der Mitgliedstaaten auf foederierter wie auf regionaler Ebene auf, zu prüfen, inwieweit das in manchen europäischen foederalen Staaten befolgte Konnexitätsprinzip - wonach die Delegation von Aufgaben an die Gemeinden durch die foederale oder die regionale Gesetzgebung (bzw.an die Regionen durch die bundesstaatliche Gesetzgebung) begleitet sein muss von der Zuweisung der zur Finanzierung der dadurch verursachten Ausgaben benötigten Mittel - auch in ihrem eigenen Staat umgesetzt werden könnte;
7. Ersucht die foederalen und regionalen gesetzgebenden Organe und die Regierungen der Mitgliedstaaten dringend, den Kommunalverbänden beim Entwurf der foederalen und der regionalen Haushalte ein Konsultationsrecht hinsichtlich der kommunalen Aufgaben zu garantieren;
8. Ersucht die foederalen und regionalen gesetzgebenden Organe, den Gemeinden das Recht zu gewährleisten, im Falle einer Verletzung ihrer finanziellen Rechte gerichtlich vorzugehen;
9. Fordert die foederalen und die regionalen Verwaltungen der Mitgliedstaaten auf, die Schlussfolgerungen der Moskauer Konferenz, und darin vor allem Artikel 11 (s. Anhang), eingehend zu prüfen.
Anhang
Moskau, den 7. Oktober 2000
CG/CONF/MOSC (2000) 3
Internationale Konferenz über die Finanzbeziehungen zwischen Staat, Regionen und Gemeinden in foederalen Staaten 5.-7. Oktober 2000, Moskau, Russische Föderation |
SCHLUSSERKLÄRUNG
angenommen am 7. Oktober 2000
Die Konferenzteilnehmer: - kommunale und regionale Abgeordnete und Beamte, Vertreter nationaler Gemeinde- und Regionalverbände, Vertreter von Bundes- und Regionalministerien und Wissenschaftler - danken:
- dem Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (im nachstehenden "KGRE" oder "Kongress") und dem Lenkungsausschuss des Europarats für Zusammenarbeit im Dienst der Gemeinde- und Regionaldemokratie dafür, dass sie sie durch diese Konferenz zu ihren Überlegungen über die Finanzbeziehungen zwischen Staat, Regionen und Gemeinden in den europäischen föderalen Staaten beigezogen haben;
- dem Kongress der Gemeinden der Russischen Föderation, dem russischen Ministerium für Föderationsangelegenheiten, Nationalitätenpolitik und Einwanderung sowie der Regierung der Stadt Moskau für die perfekte Organisation und grosszügige Gastfreundschaft.
Die Konferenz ermöglichte die Weiterentwicklung der Überlegungen zu den Finanzbeziehungen in föderalen, quasi-föderalen und stark regionalisierten europäischen Staaten - dies in Fortführung der KGRE-Arbeiten, die 1999 mit Monitoring-Besuchen in der Russischen Föderation begannen und sich fortsetzten mit der Konferenz von Ancona (Italien) über die Kompetenzen und Finanzen von Gemeinden und Regionen, mit der Annahme des Berichts und der Empfehlung 64 (1999) des KGRE über die kommunalen Finanzen in Deutschland sowie mit Bericht und Empfehlung 79 (2000) über "Die Finanzmittel der Gemeinden im Verhältnis zu ihren Kompetenzen: ein konkreter Subsidiaritätstest".
Nach Anhörung der Berichte über die Finanzbeziehungen zwischen den Behörden der verschiedenen Ebenen föderaler Staaten (Deutschland, Österreich, Belgien, Russische Föderation, Schweiz) und stark regionalisierten Ländern (Spanien, Italien) sowie einigen Regionen in diesen Ländern stellten die Teilnehmer zwar einige Fortschritte fest, verwiesen aber daneben auf grosse Schwierigkeiten hinsichtlich der Transparenz und Ausgewogenheit der Finanzbeziehungen zwischen den drei Regierungsebenen, vor allem aber, wenn auch nicht ausschliesslich, zwischen Regionen und Gemeinden.
Nach Anhören des im Rahmen des Programms ADACS "Gemeinden" durch Prof. Gérard MARCOU ausgearbeiteten Berichts mit Schlussfolgerungen betreffend die Finanzbeziehungen zwischen Regionen und Gemeinden in der Russischen Föderation fordern die Teilnehmer die russischen Behörden auf, die daraus resultierenden Empfehlungen aufmerksam zu prüfen.
Nach zweieinhalb Arbeitstagen sind die Teilnehmer zu den folgenden Schlussfolgerungen gekommen:
1. Die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung (im nachstehenden die Charta) ist immer noch der einzige Vertrag von europäischer Tragweite, der (in seinem Artikel 9) den kommunalen Gebietskörperschaften finanzielle Garantien verschafft. Die Mitgliedstaaten des Europarats, welche die Charta unterzeichnet und ratifiziert haben, sind daher gehalten, beim Aufbau der Finanzbeziehungen mit der regionalen und kommunalen Ebene die in Artikel 9 enthaltenen Bestimmungen voll umzusetzen. Staaten, die die Charta nicht ratifiziert haben, sollten dennoch deren Grundprinzipien anwenden.
2. Die Befugnis zur Ausübung gewisser Funktionen verliert ihren Sinn, wenn den Regionen und Gemeinden die Mittel dafür fehlen. Artikel 9 der Charta garantiert den Gemeinden den Schutz ihrer Finanzautonomie und verpflichtet die föderalen Unterzeichnerstaaten rechtlich dazu, diese Grundsätze in ihre zentralen und regionalen Gesetzgebungen einzuarbeiten.
Die Teilnehmer:
3. Gratulieren dem KGRE zu der im Rahmen des Kontrollverfahrens über die Anwendung der Charta erfolgten Ausarbeitung seines 4. Berichts betreffend "Die Finanzmittel der Gemeinden im Verhältnis zu ihren Kompetenzen: ein konkreter Subsidiaritätstest". Ein solcher Bericht stellt einen wichtigen Schritt dar in der Überwachung der Anwendung der Charta; er ermöglicht die Weiterentwicklung und Präzisierung des in der Charta verankerten Konzepts der Finanzautonomie von Gebietskörperschaften.
sind im übrigen erfreut über die Annahme der Empfehlung Nr. R(2000)14 betreffend kommunales Steuerwesen, Finanzausgleich und finanzielle Beiträge an die kommunalen Gebietskörperschaften durch das Ministerkomitee des Europarats.
4. Erinnern daran, dass das Subsidiaritätsprinzip in der Charta seine erste juristische Anerkennung erhielt. Deren Artikel 4.3 fordert: "Die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben obliegt im allgemeinen vorzugsweise den Behörden, die den Bürgern am nächsten sind. Bei der Aufgabenzuweisung an andere Stellen sollte Umfang und Art der Aufgabe sowie den Erfordernissen der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit Rechnung getragen werden."
5. Stellen fest, dass föderale Staaten im Vergleich zu dezentralisierten nichtföderalen Staaten insofern eine institutionelle Besonderheit darstellen, als die Gesetzgebungskompetenz, auch in Finanzfragen, auf zwei Ebenen der öffentlichen Verwaltung (föderal und regional) angesiedelt ist. Wie verschiedene KGRE-Berichte über die finanzielle Lage gezeigt haben, kann dieser Typ von institutionellen Beziehungen den Gemeinden zusätzliche finanzielle Schwierigkeiten bringen und zu Rollenkonfusionen führen, wenn die Verantwortlichkeiten nicht klar und präzise sowohl in der föderalen wie in der regionalen Gesetzgebung verankert sind.
6. Sind der Ansicht, dass das Angemessenheitsprinzip bei der Kompetenzverteilung ebenso beachtet werden muss wie das Subsidiaritätsprinzip. Angemessenheit bedeutet hier Angemessenheit der Finanzmittel an die der Gebietskörperschaft anvertrauten Kompetenzen. So fordert die Charta (Artikel 9.2), dass "die Finanzmittel der kommunalen Gebietskörperschaften in angemessenem Verhältnis zu den durch die Verfassung oder das Gesetz vorgesehenen Zuständigkeiten stehen" müssen. Das Angemessenheitsprinzip kann nicht umgesetzt werden ohne eine klare Definition der Zuständigkeiten jeder Verwaltungsebene.
7. Entdecken, ungeachtet der unbestreitbaren Vielfalt der institutionellen Sachlagen in den an der Konferenz besprochenen Staaten, doch einige gemeinsame Züge, welche die Formulierung gemeinsamer Empfehlungen für die bestmögliche Berücksichtigung kommunaler und regionaler Interessen rechtfertigt.
8. Stellen fest, dass sich die Finanzlage der Gemeinden - jenseits der Frage der institutionellen Beziehungen - in Staaten mit schlechter wirtschaftlicher Konjunktur verschlechtert.
9. Unterstreichen, hinsichtlich der kommunalen Finanzmittel, dass gewisse Tendenzen sich negativ auf diekommunale Selbstverwaltung auswirken können, insbesondere:
9.1 die Minderung der fiskalischen Eigenaufkommen von Gemeinden und die Praxis der regionalen oder föderalen Behörden, diese durch Transfermittel zu ersetzen;
9.2 ein zu starkes Übergewicht der Transfers über die Eigenaufkommen sowie der Subventionen über Globalzuweisungen;
9.3 die Überlassung unproduktiver Steuern an die Gemeinden;
9.4 in gewissen föderalen Staaten mit sowohl föderaler wie regionaler Regierungsebene: das Fehlen einiger weniger stabiler und objektiver Kriterien für den Finanzausgleich sowie die willkürlichen Transferentscheide, wie sie gewisse föderale oder regionale Behörden noch immer fällen. Das verunmöglicht jede mittel- oder langfristige Planung, wie sie die Gemeinden sich und ihren Bürgern schuldig sind, und es sorgt für die Ungleichbehandlung von Gemeinden und also auch von Bürgern. Diese Finanzausgleichskriterien müssen deshalb vom Bedarf und nicht von den Kosten ausgehen;
9.5 übermässige Kontrollen vor allem vonseiten der Regionen über den Haushalt der Gemeinden, unter welchen Kontrollen sich zuweilen eine Kontrolle ex ante über die Opportunität der kommunalen Entscheidungen verbirgt - eine solche aber widerspricht der Charta.
10. Stellten hinsichtlich der Entsprechung zwischen den Kompetenzen und den Ausgaben der Gemeinden folgendes fest:
10.1 die beträchtliche Zunahme der den Gemeinden obliegenden Sozialausgaben in Bereichen wie: Bildungswesen, Wohnen, Gesundheit, Betreuung alter oder behinderter Menschen, benachteiligte Familien, Asylsuchende;
10.2 die Unumgänglichkeit dieser Ausgaben oder sogar die rechtliche Verpflichtung zu ihrer Übernahme bewirkt meistens eine erhebliche Verringerung der öffentlichen kommunalen Investitionen, während doch in den europäischen Ländern herkömmlicherweise gerade die Gemeinden einen bedeutenden Teil der öffentlichen Investitionen übernehmen, die sie aufgrund ihrer Bürgernähe gezielter, das heisst den tatsächlichen Bedürfnissen angepasster vornehmen können;
10.3 die wachsende Verschuldung der Gemeinden bei bereits kleinem finanziellem Spielraum beschwert ihre finanzielle Lage zusätzlich empfindlich und treibt sie in die Abhängigkeit von ihrer Region. Es versteht sich, dass diese Schulden die Gemeindehaushalte noch auf Jahre hinaus belasten werden;
10.4 die Zuweisung einer grossen Anzahl von Kompetenzen an die Gemeinden und Regionen ohne entsprechende finanzielle Kompensation. Diese "Dezentralisierung der Probleme" genannte Tendenz liegt im Zentrum so mancher politischer Konflikte zwischen den verschiedenen Regierungsebenen in föderalen Staaten. In einer Reihe von föderalen Staaten ist diese Tendenz noch dadurch verstärkt, dass das Prinzip der Angemessenheit der Mittel an die Aufgaben in den zentralen und/oder regionalen Rechtstexten nicht klar verankert ist, was zur Folge hat, dass die Anwendung der Texte über die Kompetenzen dem Wohlwollen der regionalen oder föderalen Behörden überlassen bleibt.
Bei der Delegation neuer Aufgaben an die Gemeinden müssen sich die föderalen und regionalen Behörden vom Konnexitätsprinzip leiten lassen, wonach die durch Gesetz, sei es föderal oder regional, auferlegten Kompetenzen begleitet sein müssen vom Transfer der für die Finanzierung der entsprechenden Aufgaben nötigen Mittel. Wo dieses Prinzip in das Gesetz aufgenommen ist, muss es das Recht der Gemeinden gewährleisten, ihren Anspruch auf Entschädigung gegebenenfalls vor Gericht geltend zu machen.
11. Das bisher Gesagte vor Augen, fordern die Konferenzteilnehmer die föderalen und regionalen Behörden föderaler und quasi-föderaler Staaten auf, hinsichtlich der Konzeption der internen Finanzbeziehungen folgenden Empfehlungen Rechnung zu tragen:
11.1 Reformen des regionalen und kommunalen Steuerwesens vorzusehen, die in gewissen Fällen die Einrichtung oder Wiederherstellung eines auf produktive, entwicklungsfähige und nichtveraltete Gemeindesteuern begründeten kommunalen Steuerwesens ermöglichen. Das so reformierte Steuerwesen sollte überdies die Anpassungsfähigkeit der Steuern an die den Gemeinden zugewiesenen Aufgaben bewirken;
11.2 auf dem Wege der Gesetzgebung auf föderaler und auf regionaler Ebene eine strikte Unterscheidung - und entsprechend gewissenhafte Aufteilung - zwischen den auf jeder öffentlichen Verwaltungsebene angesiedelten eigenen Kompetenzen und den delegierten Kompetenzen festzulegen, wobei der Begriff der eigenen Kompetenzen die Beurteilungs- und Wahlfreiheit im Rahmen des Gesetzes impliziert;
11.3 die Verteilung der in manchen föderalen Gesetzgebungen vorgesehenen kollateralen Kompetenzen durch die Annahme föderaler und regionaler Rahmengesetze zu organisieren, die sich auf die Vorgabe allgemeiner Grundsätze beschränken sollen. Ausserdem sollten diese Rahmengesetze auch die Finanzierungsverfahren betreffend die kollateralen Kompetenzen festlegen;
11.4 in Ländern, deren Ausdehnung und Bevölkerungszahl das Bestehen mehrerer Ebenen von lokalen Gebietskörperschaften rechtfertigen, müssen auf jeder Ebene die ihr angemessenen spezifischen Bedingungen der Finanzautonomie sichergestellt werden;
11.5 feststellend, dass das Konnexitätsprinzip in einigen Ländern in die Verfassungen einzelner Regionen aufgenommen worden ist, was es den betreffenden kommunalen Gebietskörperschaften (nötigenfalls auf dem Wege über eine gerichtliche Beschwerde) ermöglicht, eine finanzielle Entschädigung für die Umsetzung der regionalen Gesetze zu erhalten, empfehlen die Teilnehmer den Staaten, gegebenfalls die Frage einer Einführung des Konnexitätsprinzips (entsprechend den bereits vorliegenden Mustern) in ihre föderalen und regionalen Verfassungen zu prüfen.
Was die Beziehungen zwischen Föderation und Regionen betrifft, so könnte der Staat gegenüber den föderierten Einheiten finanzielle Verpflichtungen eingehen, sofern diese durch föderale Gesetze zur Übernahme von Aufgaben verpflichtet sind.
Hinsichtlich der Beziehungen zwischen Regionen und Gemeinden könnte sich der Staat inbezug auf die Umsetzung föderaler Gesetze dort, wo die Gemeindeautonomie nicht nur Sache der Region ist, in analoger Weise gegenüber den Gemeinden verpflichten. Wo jedoch die Gemeindeautonomie einzig Sache der Regionen ist, da empfiehlt sich das Eingehen entsprechender Verpflichtungen der Regionen gegenüber den auf ihrem Gebiet befindlichen Gemeinden.
In diesem Sinne begrüssen die Teilnehmer das Bestehen sowohl in Österreich als auch in den deutschen Ländern Baden-Württemberg, Thüringen, Schleswig-Holstein und Brandenburg von Verfassungsbestimmungen betreffend das Konnexitätsprinzip, worin ausdrücklich eine entsprechende oder angemessene finanzielle Entschädigung für den Gemeinden neu zugewiesene Aufgaben vorgesehen ist.
11.6 in Absprache mit den kommunalen und regionalen Abgeordneten müssen Mechanismen für die Evaluation der durch die Umsetzung der föderalen und regionalen Gesetze entstehenden Realkosten ausgearbeitet und auf strenge und objektive Kriterien abgestützt werden, die den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sowohl das Führen von Verhandlungen (wenn diese Kriterien regelmässig revidierbar sind) als auch das Planen im Rahmen kommunaler wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungsprogramme ermöglichen;
11.7 als allgemeine Regel müssen die Mittel der Gebietskörperschaften genügend diversifiziert und stabil sein, um eine gute mehrjährige Planung der Gebiets- und Investitionspolitik zu ermöglichen. Ausserdem müssen die Mittel entwicklungsfähig und flexibel sein, sodass dem wirtschaftlichen Kontext, dem Wachstum oder neu auftretenden Bedürfnissen Rechnung getragen werden kann;
11.8 die Eigenmittel der kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften in föderalen Staaten müssen in einem formellen Rechtsdokument - der Verfassung oder einem Grundgesetz der Föderation sowie der Verfassung oder einem Grundgesetz der Region verankert sein. Eine solche formelle rechtliche Verpflichtung bietet die von den Gebietskörperschaften benötigten Garantien und bedarf im Falle einer Änderung der Annahme eines Gesetzes oder einer Novellierung von entsprechendem rechtlichem Gewicht;
11.9 nach Meinung der Konferenzteilnehmer versteht es sich, dass ein wesentlicher Teil der kommunalen Eigenmittel entsprechend der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung aus den gemeindeeigenen Steuern und frei festgelegten Abgaben stammen muss. Erst wenn die Gebietskörperschaften ihre eigenen, zur Finanzierung der durch ihre Abgeordneten beschlossenen kommunalen bzw. regionalen Politiken vorgesehenen Steuern erheben, kann man von echter Selbstverwaltung im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungspolitik der Föderation sprechen;
Desgleichen müssen die Gebietskörperschaften, wie in der Empfehlung 79 (2000) des KGRE dargelegt, das Recht haben, den Hebesatz ihrer Steuern zu verändern. Der Steuersatz kann innerhalb einer per Gesetz vorgegebenen Spanne jeweils festgelegt oder zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen jährlich neu ausgehandelt werden. Die Tatsache, dass die Gemeinde- bzw. die Regionalräte die Hebesätze selber festlegen können, bietet Gewähr dafür, dass diese Organe ihren Pflichten in echter Autonomie und mittels einer den lokalen oder regionalen Verhältnissen angepassten Politik nachkommen.
11.10 das Recht, die Hebesätze zu verändern, darf das Recht auf den Erhalt von Transfers - die allerdings vorzugsweise die Form von Pauschalzuwendungen annehmen sollten - nicht schmälern. Diese Transfers dürfen die Stabilität der kommunalen Haushalte und damit deren Vorhersehbarkeit über einen vernünftigen Zeitraum hinweg nicht beeinträchtigen;
11.11 die Autonomie hinsichtlich der Erhebung von Steuern darf dem Bestreben um innerstaatliche Solidarität wie auch den föderalen bzw. regionalen Wirtschaftspolitiken nicht zuwiderlaufen. Das Einschlagen einer entgegengesetzten Marschrichtung würde die Gefahr wirtschaftlicher oder sozialer Ungleichgewichte auf nationaler oder regionaler Ebene hervorrufen.
Dem Erfordernis der Solidarität muss durch eine angemessene Kombination von vertikalem und horizontalem Finanzausgleich nachgekommen werden.
Der vertikale Finanzausgleich besteht in zentralstaatlichen Transfers nach objektiven Kriterien mit der Tendenz, die ungleiche Finanzkraft der lokalen Gebietskörperschaften auszugleichen. Er eignet sich besonders gut für Situationen, die durch grosse Ungleichheiten gekennzeichnet sind.
Es wäre jedoch ein Irrtum, Finanzausgleichssysteme vorzuschlagen, welche die reicheren Gemeinden oder Regionen von ihren Bemühungen um hohe Steueraufkommen abhalten würden, weil dies in ihren Augen möglicherweise nur Transfers für andere Gebietskörperschaften dienen würde. Und entsprechend sollten die Ausgleichssysteme auch die ärmeren Gebietskörperschaften nicht demotivieren, ihre Steuerkraft auszuschöpfen. Der Finanzausgleich muss sowohl auf föderaler (zwischen den föderierten Einheiten) wie auf regionaler Ebene (zwischen den Gemeinden innerhalb einer Region) stattfinden. Es müssen klare und stabile, zusammen mit den Vertretern der Regionen und Gemeinden ausgearbeitete Ausgleichskriterien zur Anwendung kommen. Auf regionaler Ebene müssen die Gemeinden die Möglichkeit haben, ihre Meinung durch ihre Verbände anzubringen. Die gesetzlich verankerten Kriterien dürfen niemals einseitig und ohne vorherige Konsultation der Gemeindeverbände geändert werden.
11.11bis die Steuerautonomie muss ihre eigenen Grenzen und vernünftige Schranken kennen, sodass es nicht zu Erscheinungen eines entfesselten Wettbewerbs zwischen kommunalen Gebietskörperschaften und damit zum Risiko einer Verstärkung der Ungleichgewichte zwischen Gebietskörperschaften kommt;
11.12 Die Vorgänge der Ausarbeitung der kommunalen und regionalen Haushalte wie auch die dieser vorangehenden Debatten über die Prioritäten müssen durchwegs transparent gestaltet werden.
11.13 im Dienste der Transparenz empfehlen die Teilnehmer den föderalen und regionalen Behörden, in ihre Gesetzgebung das Recht der Gemeinden auf Anhörung aufzunehmen. Der KGRE konnte bereits mit Befriedigung feststellen (Empfehlung 64(1999), Abschnitt F.1), dass ein derartiges Recht auf Anhörung in den Verfassungen mehrerer deutscher Länder (Sachsen, Brandenburg, Baden-Württemberg, Thüringen) festgeschrieben ist. Es gilt, diesen Beispielen im Sinne einer Öffnung des Gesprächs zwischen der einzelnen Region und ihren Gemeinden über die Finanzverteilung zu folgen. In Anbetracht der Tatsache, dass auch eine Reihe föderaler Gesetze durch die Gemeinden umgesetzt werden, muss das Anhörungsrecht der Gemeinden, wie dies in Österreich der Fall ist, auch auf föderaler Ebene gewährleistet sein (auch dort, wo es im Prinzip keine hierarchische Verbindung zwischen Föderation und Gemeinden gibt). Die föderalen und die regionalen Regierungen könnten dazu institutionell verankerte gemischte Ausschüsse unter Beiziehung der lokalen Gebietskörperschaften bilden, die das Gleichgewicht zwischen den Aufgaben und den Mitteln in regelmässigen Abständen neu evaluieren. Diese Methode hat der KGRE bereits in seinen Empfehlungen 64 (1999) und 79 (2000) befürwortet;
11.14 im weiteren muss den kommunalen Gebietskörperschaften rechtlicher Schutz in Form der Garantie zur Verfügung stehen, sich gegebenenfalls, das heisst, wenn sie ihre finanziellen Rechte für verletzt halten, an ein Gericht zu wenden. In der Russischen Föderation könnten die Streitfälle über Haushaltsfragen durch noch zu schaffende Verwaltungsgerichte geprüft werden.
12. Die Teilnehmer fordern den Europarat und insbesondere den KGRE als die Interessen der Gemeinden und Regionen seiner 41 Mitgliedstaaten vertretendes Organ auf, die Weiterentwicklung der Finanzbeziehungen in den föderalen Staaten zu beobachten und ihren Stand regelmässig festzuhalten.
13. Hinsichtlich der Situation der Lokalfinanzen in Russland sollte der Europarat:
- für das Funktionieren der Gemeindedemokratie nicht nur in den grossen und mittleren Städten, sondern auch in den kleinen Städten und ländlichen Gemeinschaften sorgen und die entsprechenden Vorkehrungen treffen;
- den russischen Behörden bei der notwendigen Wiederherstellung eines akzeptablen Mindestmasses kommunaler Finanzautonomie mittels Reformen des kommunalen Steuerwesens (örtliche Steuern, gemeinsame Steuern und geteilte Steuern) beistehen;
- zusammen mit den russischen Behörden die Möglichkeit prüfen, das Bildungs- und Austauschprogramm für kommunale und regionale Abgeordnete und Beamte auf den Gebieten Leitung von Verwaltung und Finanzwesen, Leitung der öffentlichen Dienste in Gemeinde und Region und Entwicklung der kommunalen Wirtschaft in ausgewählten Musterregionen der sieben neu geschaffenen föderierten Bezirke zu verstärken;
- die kürzlich durch die russische Obrigkeit zur Förderung von Objektivität und Transparenz des Systems der Finanztransfers auf föderaler und regionaler Ebene eingeführten Massnahmen unterstützen.
1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 30. Mai 2001, 2. Sitzung (siehe Dok. CG (8) 7, Empfehlungsentwurf, vorgelegt durch Herrn G. Engel, Berichterstatter)