Entschliessung 106 (2000)1 betreffend die Evaluation der kommunalen und regionalen Demokratie in den Mitgliedstaaten seit November 1998: Beitrag des Kongresses an das Monitoring des Ministerkomitees betreffend die Gemeindedemokratie

Der Kongress,

Mit Bezug auf einen Vorschlag seines Ausschusses für Institutionsfragen,

1. In Beantwortung der an den Kongress gerichteten Aufforderung des Ministerkomitees,

- seine Tätigkeit hinsichtlich der länderweisen Ausarbeitung von Berichten über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie in allen Mitgliedstaaten fortzusetzen und seine Bemühungen im Hinblick auf die tatsächliche Befolgung der in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung enthaltenen Grundsätze durch sämtliche Mitgliedstaaten zu intensivieren2;

- ihm bis November 2000 Informationen über die in diesen Aktivitäten erzielten Fortschritte zukommen zu lassen3;

2. In Anbetracht der statutarischen Entschliessung (2000) 1 des Ministerkomitees betreffend den KGRE, in deren Artikel 2.3 die oben erwähnten Tätigkeiten formell anerkannt und als satzungsmässige Aktivitäten des Kongresses erachtet werden;

3. Daran erinnernd, dass er in den Jahren 1999-2000 spezifische Berichte über die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie in folgenden Mitgliedstaaten ausgearbeitet hat: Deutschland, Finnland, Niederlande und San Marino (1999) sowie Estland, Frankreich, Moldau, "Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien" und Tschechische Republik (20004 und dass er, gestützt auf diese Berichte, eine Reihe von Empfehlungen angenommen hat5, deren Umsetzung auf nationaler Ebene durch die Vertreter der betreffenden Staaten anlässlich der Mini-Tagungen des Kongresses vorgestellt werden6;

4. Im weiteren daran erinnernd, dass er im gleichen Zeitraum einen 4. Allgemeinen Bericht über die Kontrolle der Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, und zwar hinsichtlich der Finanzmittel der Gemeinden im Verhältnis zu ihren Kompetenzen, ausgearbeitet hat, worin auch die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips untersucht wird7 (worüber das Ministerkomitee ebenfalls eine Empfehlung annahm [R Nr.95(19)]), und dass aufgrund dieses Berichts eine spezifische Empfehlung und Entschliessung angenommen worden sind8;

5. In Anbetracht der oben erwähnten Empfehlungen und Entschliessungen:

- begrüsst das Interesse, welches das Ministerkomitee im Rahmen seines eigenen Verfahrens zur Überwachung der Einhaltung ihrer in Sachen Demokratie eingegangenen Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten (des sogenannten Monitoring) dem Thema Gemeindedemokratie entgegenbringt;

- konstatiert die beträchtliche Menge an Gesetzesreformen, die in den untersuchten Staaten durchgeführt worden sind und weiss die auf institutioneller Ebene lebhaft geführte Debatte über die territoriale Selbstverwaltung in Europa sowie die wachsende Bedeutung, welche die zentralstaatlichen Regierungen der kommunalen und regionalen Demokratie beimessen, zu würdigen;

- stellt fest, dass die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung noch immer grosses Interesse erweckt und dass sie in dem in der vorliegenden Entschliessung zur Sprache kommenden Zeitraum durch sieben Mitgliedstaaten - nämlich durch das Vereinigte Königreich, Rumänien und Russland im Jahre 1998, Litauen und die Tschechische Republik 1999 und Albanien sowie die Slowakei im Jahre 2000 - ratifiziert worden ist;

6. Legt jedoch Wert darauf, daran zu erinnern, dass hinsichtlich:

- der Grösse der Gemeinden in einer Reihe von Staaten das Thema Zusammenlegungen und eventuelle Verschmelzungen immer wieder aufkommt und dass sich die zentralstaatlichen Behörden über die möglichen Auswirkungen ihrer Reformen auf die demokratischen Strukturen der lokalen Gebietskörperschaften nicht immer im klaren sind;

- der Festlegung der Zuständigkeiten der kommunalen Gebietskörperschaften die sektorielle Gesetzgebung in vielen Staaten die Aufgaben des Zentralstaats einerseits und diejenigen der verschiedenen Ebenen betroffener Gebietskörperschaften andererseits nicht hinreichend festlegt, und dass dies einer wirksamen Verwaltung abträglich sein kann;

- der Finanzierung der kommunalen Gebietskörperschaften Artikel 9 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung nicht immer entsprochen wird, indem nämlich:

a. in der Mehrzahl der untersuchten Länder die aus echten Gemeindesteuern (deren Sätze die Gemeinde selbst festlegt) herrührenden Eigenmittel sehr beschränkt sind;

b. die Subventionen im Vergleich zu den Eigenmitteln zu hoch sind, was zuweilen noch verschlimmert wird durch den hohen Anteil gebundener im Vergleich zu den nichtgebundenen Subventionen;

c. die Anpassung der Finanzmittel der lokalen Gebietskörperschaften an ihre Zuständigkeiten dem Wohlwollen des Gesetzgebers und dem Zufall jährlicher Finanzbeschlüsse, wo nicht dem Gutdünken der Regierung überlassen bleibt. Die meisten europäischen Gemeinden verfügen daher nicht über hinreichende Finanzmittel im Verhältnis zu den ihnen zugewiesenen Aufgaben;

7. Möchte, hinsichtlich der Förderung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung und ihrer tatsächlichen Anwendung durch die Mitgliedstaaten, sein politisches Monitoring verstärken und bekundet erneut seine Absicht, folgende Konferenzen zu organisieren:

- eine internationale Konferenz von Vertretern der nationalen rechtsprechenden Gremien, um die juristischen Bedingungen für die Anwendung der in der Charta enthaltenen Bestimmungen in den sie ratifiziert habenden Ländern zu untersuchen;

- möglichst in Zusammenarbeit mit dem Lenkungsausschuss für kommunale und regionale Demokratie (CDLR): eine internationale Konferenz über die Angepasstheit der Finanzmittel an die Aufgaben der kommunalen Gebietskörperschaften, um unter den Vertretern der einschlägigen Behörden innerhalb der Mitgliedstaaten des Europarats einen konstruktiven Dialog über kommunale Selbstverwaltung einzuleiten;

8. Ist hinsichtlich der regionalen Selbstverwaltung weiterhin der Überzeugung, dass die die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips auf allen Regierungsebenen sichern sollenden Garantien so lange unvollständig sind, als das Ministerkomitee des Europarats den Entwurf der Europäischen Charta der regionalen Selbstverwaltung nicht angenommen haben wird;

9. Bestätigt hinsichtlich jener Länder, deren kommunal- und regionalpolitische Situation bereits Gegenstand eines diesbezüglichen Berichts gewesen sind, seine Bereitschaft:

- diesen Ländern gegebenenfalls durch Sachverständigengutachten betreffend Gesetzesreformen, durch die Organisation von Seminarien, Konferenzen o.ä. oder, auf Verlangen der betroffenen Behörden, durch die Beobachtung von Kommunal- und/oder Regionalwahlen beizustehen;

- die die betroffenen Gemeinden und Regionen vertretenden Verbände, insbesondere im Hinblick auf die Förderung grenzüberschreitender oder interterritorialer Zusammenarbeit, zu unterstützen;

10. In Anbetracht des Gesagten:

- ist entschlossen, die Lage der kommunalen und regionalen Demokratie in den Mitgliedstaaten und die Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung mithilfe der Ausarbeitung entsprechender Berichte und der Annahme von Empfehlungen und Entschliessungen zuhanden der betreffenden zentralen und territorialen Behörden weiterhin zu überwachen;

- beauftragt seinen Ausschuss für Institutionsfragen, diese Überwachung (Monitoring) vorzunehmen;

- ist der Meinung, dass das Ministerkomitee die systematische Prüfung der Einhaltung ihrer Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten aussetzen könnte, insofern es dem Kongress mit seiner statutarischen Entschliessung (2000)1 echte Handlungsbefugnisse hinsichtlich des diesbezüglichen Monitoring eingeräumt hat und dieser mit entsprechenden Fällen an das Ministerkomitee gelangen wird;

- ist indessen der Meinung, dass Länder, die Gegenstand eines Monitoring durch den Kongress gewesen sind, innerhalb einer Frist von zwei Jahren eine schriftliche Antwort auf die Empfehlungen des Kongresses abgeben sollten, und dass diese Antworten ebenfalls durch das Ministerkomitee geprüft werden sollten.

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2 Beschlossen anlässlich der 650. Zusammenkunft der Ministerdelegierten vom 24.-25. November 1998.

3 Beschlossen anlässlich der 699. Zusammenkunft der Ministerdelegierten vom 16.-24. Februar 2000.

4 Anlässlich seiner 6. Tagung prüfte der Kongress folgende Berichte: über die kommunalen Finanzen in der Bundesrepublik Deutschland (Dok: CPL (6) 3, Teil II); die regionale Demokratie in Finnland (Dok: CPR (6) 2, Teil II); die kommunale und regionale Demokratie in den Niederlanden (Dok: CG (6) 4, Teil II, revidiert); die Gemeindedemokratie in San Marino (Dok: CPL (6) 4, Teil II). Anlässlich seiner 7. Tagung prüfte der Kongress fogende Berichte: über die Gemeindedemokratie in Estland (Dok: CPL (7) 7, Teil II); die kommunale und regionale Demokratie in Frankreich (Dok: CG (7) 7,Teil II); die regionale Demokratie in der Republik Moldau (Dok: CPR (7) 4, Teil II); die Gemeindedemokratie in der "Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien" (Dok: CPL (7) 8, Teil II); die kommunale und regionale Demokratie in der Tschechischen Republik (Dok: CG (7) 4, Teil II).

5 Deutschland: Empfehlung 64 (1999); Finnland: Empfehlung 66 (1999); Niederlande: Empfehlung 55 (1999), Entschliessung 77 (1999); San Marino: Empfehlung 63 (1999), Entschliessung 82 (1999); Estland: Empfehlung 81 (2000); Frankreich: Empfehlung 78 (2000), Entschliessung 94 (2000); Republik Moldau: Empfehlung 84 (2000), Entschliessung 103 (2000); "Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien": Empfehlung 82 (2000), Entschliessung 100 (2000); Tschechische Republik: Empfehlung 77 (2000), Entschliessung 93 (2000).

6 Die Erklärungen dieser Staaten finden sich in den Protokollen von den betreffenden anlässlich der Mini-Tagung abgehaltenen Sitzungen: Dokumente (CG/CP (6) PV 2) sowie (CG/CP (6) PV 3 prov. Teil 2.

7 Dieser Bericht (Dok. CPL (7) 3, Teil II) erhielt die Zustimmung des Kongresses an dessen 7. Plenartagung im Mai 2000.

8 Empfehlung 79 (2000) und Entschliessung 97 (2000).