16. PLENARTAGUNG
Straßburg, 3. – 5. März 2009

Die digitale Kluft und die E-Inklusion in den Regionen

Empfehlung 263 (2009)[1]

1.Die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) können eine Rolle bei der wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Entwicklung spielen. Sie können die Offenheit, Transparenz und Effizienz des Staates und seiner Dienste fördern.

2. Um eine positive Wirkung zu erzielen, müssen die IKT jedem Bürger zugänglich sein und ihre Entwicklung darf nicht völlig dem privaten Sektor überlassen werden mit der Gefahr, dass einige Sektoren von sozialem Interesse, die jedoch wenig rentabel sind, vernachlässigt werden.

3. Heute zeigt der rasche Fortschritt der IKT jeden Tag ein bisschen mehr die sozioökonomische Ungleichheit zwischen den Bürgern und zwischen den Ländern, trotz der Bemühungen und Initiativen unter anderem der Europäischen Kommission und einiger Staaten. Sie schafft eine „digitale Kluft“ oder digitale Ausgrenzung, die sich ohne koordiniertes Eingreifen auftun wird.

4. In den Ländern selbst gibt es ebenfalls regionale Ungleichheiten zwischen Städten und Dörfern - 52% der Europäer in den Städten nutzten 2006 regelmäßig das Internet gegenüber 30% der Europäer im ländlichen Raum. In den ländlichen Regionen Europas haben etwa 3 von 10 Personen keinen Zugang zu einer schnellen Breitbandverbindung.

5. Angesichts der Bedeutung des Internetzugangs bei der Suche nach einem Arbeitsplatz und der Auswirkung, die es auf die Ansiedlung von Unternehmen haben kann, sollte ein gerechter Internetzugang eine Priorität für das staatliche Vorgehen und ein Recht sein, ebenso wie die Anbindung an das Wasser-, Strom- und Straßennetz.

6. Trotzdem führt der Zugang allein noch nicht zur Nutzung: gezielte Bemühungen zur Sensibilisierung und ständigen Weiterbildung führen dazu, dass die Kluft bedeutend verringert wird.

7. Der Kongress ist überzeugt, dass die staatlichen Behörden einen großen Teil der Verantwortung tragen und die Bedingungen dafür schaffen müssen, dass sich die Informationsgesellschaft in Richtung E-Inklusion der Bürger entwickelt und zu einer ausgewogenen Regionalentwicklung beitragen kann, damit die am wenigsten begünstigten Regionen Europas Zugang zu einem erfüllteren sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben haben.


8. Die staatlichen Behörden spielen eine grundlegende Rolle bei der Regulierung. Der Markt darf nicht allein diktieren, wer ein Recht auf eine gute Verbindung hat, wer ein Recht oder kein Recht auf einen Internetzugang hat und auch nicht welche E-Zugänglichkeit zu Webseiten akzeptabel ist. Die Gebietskörperschaften, die mehr als nur Träger der Infrastrukturprojekte sind, spielen eine Rolle als Planer, Anbieter und Entscheidungsträger der Dienste von allgemeinem Interesse.

9. Angesichts des oben Gesagten fordert der Kongress das Ministerkomitee des Europarates auf, die zuständige Struktur, die die Arbeiten des ad hoc Ausschusses über die elektronische Demokratie (CAHDE) verfolgt, zu ersuchen, das Problem der digitalen Kluft in die Diskussionen einzubeziehen.

10. Der Kongress empfiehlt dem Ministerkomitee des Europarates, die Mitgliedstaaten aufzufordern

a. eine kohärente und effiziente Politik und Gesetzgebung der E-Inklusion auf nationaler und europäischer Ebene zu betreiben, in Anlehnung an die bereits bestehenden oder noch einzurichtenden lokalen/regionalen digitalen Agendas;

b. eine ausgewogene Telekommunikationsinfrastruktur zu gewährleisten, d.h. „gute Verbindung“ für alle und insbesondere mit Hilfe der Gesetzgebung darauf zu achten, dass die Gesetze des Marktes durch das allgemeine Interesse ausgeglichen werden;

c. einen erschwinglichen oder kostenlosen Internetzugang für die Öffentlichkeit anzubieten, indem die Orte für den kostenlosen Zugang der Öffentlichkeit in den Ländern gestärkt werden, in denen sie existieren und man sich in den Ländern, in denen diese nicht existieren oder die nicht über die Mittel dafür verfügen, auf Absprachen mit privaten Betreibern stützt;

d. gezielte Steuermaßnahmen zusammen mit den Unternehmen vorzusehen, um bescheidene Haushalte beim Erwerb von Computermaterial zu unterstützen, indem ein Teil der Summe vom steuerpflichtigen Einkommen abgesetzt werden kann;

e. die Angebote für digitale Schulungen in Europa zu vereinheitlichen, um Stellen und Neueinstufungen zu schaffen, damit diese Angebote so evolutionär sind wie die IKT selbst und auf die Qualifikation ausgerichtet sind. Hierzu sollte ein Bezugssystem angeboten und die in den Orten mit öffentlichem Internetzugang durchlaufene Ausbildung auf europäischer Ebene anerkannt werden;

f. gute öffentliche Dienste online anzubieten, um eine Qualitätsnutzung zu entwickeln, die zu einer größeren sozialen Inklusion beitragen kann:

i.       die Qualität der Dienste zu verbessern, die zugänglich, nutzbar und erschwinglich sein müssen, um den Empfehlungen der Initiative « Zugänglichkeit des Internets (Web Accessibility Initiative ‑ WAI) des World Wide Web Consortium (W3C) zu folgen;

ii.       den Rechtsrahmen zu stärken, um die Entwicklung und Förderung der Normen für die Zugänglichkeit im Einklang mit der Erklärung der Europäischen Union von Riga anzuregen, die vorsieht, dass bis 2010 die Webseiten zu 100% konform sind mit den gemeinsamen Standards und den Praktiken der Zugänglichkeit zum Internet;

iii.      die digitale Zugänglichkeit zu einem Auswahlkriterium bei Ausschreibungen betreffend die Entwicklung digitaler Dienste und Software zu machen;

iv.      das nationale Bezugssystem zur Zugänglichkeit zu harmonisieren, damit das Thema, das noch zu wenig verstanden wird, verständlicher wird, die Ausbildung der staatlichen Akteure erleichtert und die Regeln zur Zugänglichkeit bei der Erstellung von Webseiten berücksichtigt werden;

g. den Nicht-Nutzern oder seltenen Nutzern zu helfen, psychologische Schranken zu überwinden und insbesondere die Nicht-Internetnutzer anzusprechen, indem die Information über die Medien verbreitet wird, die am besten das gewünschte Publikum erreichen (Hausfrauen, Arbeitssuchende, ältere Menschen, Zuwanderer etc.);


h. Computermaterial und –inhalte den schulischen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen durch die Entwicklung von Internetzugängen (EPN) und digitalen Arbeitsräumen (ENT), damit die soziale und digitale Kluft verringert und die Übermittlung von Wissen über die Schule hinaus verstärkt wird (geteiltes Wissen mit den Eltern zum Beispiel); 

i. eine digitale Solidarität mit den Entwicklungsländern an den Tag zu legen, indem Kooperationsprojekte eingerichtet werden (Lehre, Entwicklung lokaler Inhalte, Ausrüstung der Schulen etc.);

j. eine neue Generation von Plattformen und Diensten zu entwickeln, die oft aufgrund ihrer Wirtschaftsperspektiven (Unternehmensgründung) sowie ihrer potenziellen Rolle bei der Verringerung der digitalen Kluft als Web 2.0 bezeichnet wird. Die spezifische Natur des Web 2.0 zeichnet sich durch seine neuen Nutzungsformen und den selbst produzierten digitalen Inhalt aus, die in den « traditionellen » Medien nicht verfügbar sind (Austausch von Photos etc.).



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 4. März 2009 und Annahme durch den Kongress am 5. März 2009, 3. Sitzung (siehe Dokument CPR(16)1REP, Begründungstext, Berichterstatter : J.‑M. Bourjac (Frankreich, R, SOC)).