Entschliessung 92 (2000)1 betreffend die Beteiligung der ausländischen Einwohner am kommunalen öffentlichen Leben

Der Kongress,

1. Erinnernd insbesondere an:

- das Übereinkommen des Europarats über die Beteiligung der Ausländer am öffentlichen kommunalen Leben, das seit Februar 1992 zur Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten aufliegt;

- die Europäische Menschenrechtskonvention des Europarats und deren Zusatzprotokolle;

2. In Erwägung der Ergebnisse der Konferenz von Strassburg vom 5. und 6. November 1999 "Welche Beteiligung am öffentlichen Leben des Orts für die ausländischen Einwohner ?" und des bei Konferenzschluss durch die Teilnehmer angenommenen Aufrufs;

3. Der Stadt Strassburg und ihrem Conseil Consultatif des Etrangers (Konsultativrat der Ausländer (CCE)) für die Möglichkeit dankend, diese Konferenz durchzuführen;

4. Den Bericht von Frau Lund und die Empfehlung Nr. 76 (2000) betreffend "Die Beteiligung der ausländischen Einwohner am kommunalen öffentlichen Leben" zur Kenntnis nehmend;

5. Auf die politische Aktualität dieser Debatte in zahlreichen europäischen Ländern hinweisend;

6. Vor allem auch Punkt 8 des Aufrufs von Strassburg berücksichtigend, worin der Kongress gebeten wird, sich in Partnerschaft mit den kommunalen Gebietskörperschaften zum Wohle aller Stadtbewohner für eine Vertiefung der wechselseitigen Kenntnis der verschiedenen Beteiligungsmodelle einzusetzen;

7. Überzeugt, dass die Grundsätze der Demokratie es verbieten, die legal und auf Dauer auf den Territorien europäischer Staaten lebenden ausländischen Einwohner, gleichgültig welchen Ursprungslandes, vom politischen Leben der Gemeinde fernzuhalten;

8. Überzeugt, dass der Zugang zu diesem Recht eine wesentliche Absicherung des sozialen Zusammenhalts in den Städten, der nachhaltigen Toleranz und des Friedens in unseren Gesellschaften darstellt;

Fordert die europäischen Gebietskörperschaften auf:

9. Sich für die Anerkennung der ausländischen Einwohner als hinsichtlich des städtischen Lebens aktiver Wohnbürger und als Akteure des öffentlichen Lebens einzusetzen;

10. Die für ihre Integration tätigen, gegen jede Form der Intoleranz kämpfenden und als bevorzugte Verhandlungspartner zwischen den kommunalen bzw. regionalen Entscheidungsorganen und der Ausländerbevölkerung fungierenden ausländischen Einwohnervereine aktiv zu unterstützen;

11. Die Information der ausländischen Wohnbevölkerung über ihre nach geltender nationaler Gesetzgebung bestehenden Rechte und Pflichten und über die ihnen gebotenen Möglichkeiten hinsichtlich Vereinigungsrecht, Ausdrucksfreiheit, Partizipation und Konsultation zu verbessern;

12. In Zusammenarbeit mit den betreffenden Bevölkerungen Charten über die bei einer Politik hinsichtlich ausländischer Stadtbewohner zu befolgenden Leitprinzipien auszuarbeiten;

13. Den ausländischen Einwohnern die Beteiligung an lokalen Referenden und Konsultationsverfahren zu gestatten;

14. Auf kommunaler und/oder regionaler Ebene die ausländische Wohnbevölkerung repräsentierende Konsultationsorgane einzurichten und sich dabei an den in einer ganzen Reihe von europäischen Städten und Regionen bereits bestehenden Beispielen zu orientieren;

15. Diese Organe nicht auf eine rein beratende Rolle zu beschränken [Visa svp. !], sondern ihnen die Fähigkeit zu Initiativen und Vorschlägen zuzusprechen, sodass sie in Angelegenheiten, die ihnen am Herzen liegen und die ausländische Wohnbevölkerung betreffenden, an die kommunalen Ratsversammlungen gelangen können;

16. Diese Organe mit angemessenem Personal sowie einem Betriebs- und Strukturhaushalt zu versehen, welche sie zur vollen Wahrnehmung ihrer Rolle befähigen, den Kontext für die Entscheidungsfindung in allen die ausländische Wohnbevölkerung betreffenden stadtpolitischen Entscheidungen vorzubereiten;

17. Die Sichtbarkeit der Politiker/innen ausländischer Herkunft zu verbessern, um die allgemeine Akzeptanz der Rolle und Stellung der ausländischen Wohnbevölkerung bei der Bevölkerung zu erleichtern;

18. Die Möglichkeit zu prüfen, in den den Städten und Regionen unterstehenden öffentlichen Diensten qualifizierte Personen als Berater und Vermittler bezüglich ausländischer Einwohner einzusetzen;

19. Wann immer möglich, die Integration ausländischer Einwohner in die Kommunalverwaltungen zu fördern;

20. Das Personal der Kommunalverwaltungen auszubilden für den Umgang mit ausländischen Einwohnern und für deren Information, Beratung und Unterstützung in Verwaltungsvorgängen;

21. Den ausländischen Einwohnern beim Erwerb der Fähigkeit, auch auf sprachlichem Gebiet, zur vollen Integration in das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben der Stadt zu helfen;

22. Zum Erfahrungsaustausch zwischen den Städten bzw. Regionen Europas beizutragen und die öffentliche Meinung dafür zu sensibilisieren, wie wichtig der Zugang der ausländischen Einwohner, ungeachtet ihres Herkunftslandes, zur vollen Beteiligung am kommunalen und regionalen Demokratiegeschehen ist;

23. Diese Debatte in alle politischen Parteien hineinzutragen und dabei den Grundsatz hochzuhalten, dass es eine echte Gemeindedemokratie ohne die volle Beteiligung sämtlicher Gemeindebewohner nicht geben kann;

24. Sich für eine umfassende, mutige und grosszügige Integrationspolitik in allen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens einzusetzen, die ausgeht von der gleichen Menschenwürde eines jeden Einwohners;

Fordert den Ausschuss der Regionen der Europäischen Union auf:

25. Die Schlussfolgerungen der Strassburger Konferenz und den von den Konferenzteilnehmern angenommenen Aufruf bei allen seinen Mitgliedern zu verbreiten;

26. Seinen ganzen Einfluss in die Wagschale zu werfen, damit - in Befolgung der in einer 1997 vom Europäischen Parlament angenommenen Entschliessung geäusserten Stellungnahme - in sämtlichen Ländern der Europäischen Union Bestimmungen angenommen werden, wonach hinsichtlich der bürgerlichen und politischen Rechte auf die Unterscheidung von Menschen unionsinterner und unionsexterner Herkunft verzichtet wird;

Empfiehlt dem Präsidium des Kongresses, seine hierfür zuständigen Statutarischen Ausschüsse zu beauftragen:

27. In ihre Arbeitspläne Folgearbeiten zu der Strassburger Konferenz, insbesondere einen breiten diesbezüglichen Erfahrungsaustausch unter den europäischen Städten und Regionen aufzunehmen, bei welchem mit den übrigen einschlägigen Organen des Europarats und weiteren in dem Bereich tätigen Organisationen zusammengearbeitet würde;

28. Überdies zum gegebenen Zeitpunkt eine weitere Konferenz vorzusehen, an welcher die Bilanz aus diesem Erfahrungsaustausch zu ziehen sowie die kommunalen und regionalen Abgeordneten aus den europäischen Ländern aufzurufen wären, im Rahmen ihrer nationalen Gesetzgebungen Vorstösse zu unternehmen zur Aufklärung der öffentlichen Meinung und zur Förderung guter Praxis hinsichtlich der Rechte der Wohnbürger, ungeachtet ihrer Herkunftsländer, in ihren jeweiligen Gemeinden.

1 Diskussion durch den Kongress und Annahme am 24. Mai 2000, 2. Sitzung (siehe Dok. CG (7) 5, Entschliessungsentwurf, vorgelegt durch Frau H. Lund, Berichterstatter).