Empfehlung 95 (2001)1 betreffend die Basisstationen für die mobile Telefonie und die Gebietskörperschaften

Der Kongress,

1. Die starke Entwicklung der Telekommunikation in Europa wie auch weltweit beobachtend;

2. Die steigende Nachfrage nach einem modernen Telekommunikationssystem wie auch die wirtschaftliche Vorteile eines solchen anerkennend;

3. Im Bewusstsein, dass die Benützung von Mobiltelefonen und den damit verbundenen Technologien sich in voraussehbarer Zukunft noch weiter entwickeln wird;

Berücksichtigend:

4. Die im April 1998 durch die Internationale Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) abgegebenen Empfehlungen betreffend die Begrenzung der Exposition durch gepulste (bis zu 300 GHz) elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder;

5. Die Empfehlung des Rats der Europäischen Union vom 12. Juli 1999 betreffend die Begrenzung der Exposition der Bevölkerung durch elektromagnetische Felder (0 Hz bis 300 GHz);

6. Die laufende internationale Forschung betreffend mögliche gesundheitliche Auswirkungen der Mobiltelefonie;

In der Erwägung,

7. Der zunehmenden Verbreitung der Sendemasten in Europa, die oft in der Nähe von Wohngebäuden stehen, ohne dass die Öffentlichkeit darüber informiert oder die betreffenden Bewohner zu Einrichtungen konsultiert würden, die sich doch unmittelbar auf die Annehmlichkeiten ihres Lebensraumes auswirken;

8. Dass diese Situation die Bevölkerung sowie die Gemeinden und Regionen beunruhigt und ihnen das Gefühl vermittelt, dass die Infrastrukturen für den Mobilfunk nicht hinreichend geregelt seien;

9. Dass es eine breite Palette nationaler Normen und Gesetze betreffend die Grenzwerte für die Exposition durch elektromagnetische Felder gibt;

10. Dass Fragen der öffentlichen Gesundheit, auch betreffend die Auswirkungen von durch Einrichtungen der Telekommunikation bewirkte Expositionen durch elektromagnetische Felder, komplexer Natur sind;

11. Dass die Weltgesundheitsorganisation die gesundheitlichen Auswirkungen elektromagnetischer Felder untersucht, wenn auch bis heute keinerlei wissenschaftlich abgesicherte Belege für das Bestehen gesundheitlicher Auswirkungen und Risiken für die Bevölkerung vorliegen;

12. Dass gewisse Gebiete empfindlichere Umwelten darstellen als andere, so etwa Wohnquartiere, Schulen, Krankenhäuser, Naturschutzgebiete und weitere Zonen, wo die Standortwahl erhöhte Aufmerksamkeit erfordert;

13. Dass der gegenwärtige Kenntnisstand lückenhaft genug ist, um prinzipielle Vorsicht zu Drechtfertigen;

14. Dass die Mehrheit der Gemeinden und Regionen in der Sorge um ein nach Qualität und ffizienz hochstehendes Verfahren, um Wahrung der Gemeindedemokratie und um Transparenz ein verstärktes Aufsichtsrecht fordern;

15. Dass es in zahlreichen Ländern diesbezüglich an genauen Richtlinien vonseiten der Zentralregierung mangelt - ist es doch notwendig, dass die Regierungen hinsichtlich einer Reihe von Fragen klar und entschieden den Weg weisen durch eine umfassende staatliche Politik, die strategische Möglichkeiten auf kommunaler und regionaler Ebene öffnet;

16. Dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit erkennen sollte, die Förderung des Aufbaus von Mobilfunknetzen zum allgemeinen Nutzen der Bevölkerung und der Wirtschaft in Einklang zu bringen mit den in der Gemeinschaft vorhandenen ästhetischen, ökologischen oder gesundheitlichen Bedenken;

17. Dass sich Regierungen, Gebietskörperschaften, Wissenschafter, Unternehmen und Konsumenten aktiv mit den Sorgen inbezug auf allfällige gesundheitliche Auswirkungen der Technologien im Zusammenhang mit der Mobiltelefonie auseinandersetzen sollten;

Empfiehlt dem Ministerkomitee,

18. Aufmerksam das internationale Projekt EMF der Weltgesundheitsorganisation zu verfolgen, das, gestützt auf die zuverlässigsten verfügbaren Daten, eine Harmonisierung der einschlägigen Normen anstrebt;

19. Die in der Öffentlichkeit gehegten Sorgen hinsichtlich möglicher gesundheitlicher Auswirkungen der mit der mobilen Telefonie gegebenen Exposition durch elektromagnetische Felder zu berücksichtigen;

Empfiehlt den Regierungen der Mitgliedstaaten,

20. Im Sinne einer Vorsichtsmassnahme die strengsten der geltenden nationalen Grenzwerte Ioder mindestens die durch das ICNIRP und den Rat der Europäischen Union empfohlenen Grenzwerte für die Exposition durch elektromagnetische Felder zu übernehmen;

21. Richtlinien für das Vorgehen in heiklen Gebieten auszuarbeiten, die geeignet sind, die Auswirkungen der Anbringung von Mobilfunkeinrichtungen auf ein Mindestmass zu reduzieren. Orte wie etwa Schulen, Kinderkrippen, Krankenhäuser und Wohnquartiere sollten aus umwelthygienischen Gründen für kritisch gelten. Es sollte den Planungsbehörden anheimgestellt sein, nach Massgabe der in ihrem Einflussbreich vorliegenden Gegebenheiten umweltempfindliche Zonen auszuweisen;

22. Hinsichtlich einer Reihe von Fragen klare und deutliche Regierungsrichtlinien für eine auf einen nationalen Telekommunikationsplan gegründete staatliche Politik auszuarbeiten. Diese Richtlinien sollten folgende Fragen betreffen: Kontrolle über Planung und Entwicklung, Aufsicht und Erstellung von Berichten, Gesundheit und Sicherheit, Verpflichtungen aufseiten der Betreiber und Informationen, die diese geben müssen, Rolle und Pflichten der verschiedenen Behörden und Organe;

23. Die nationalen Richtlinien auf das Prinzip der Vorsicht zu gründen und Gesundheitsfragen als wichtige, bei der Planung zu berücksichtigende Faktoren zu behandeln;

24. Den Gebietskörperschaften eingehende Richtlinien hinsichtlich des Gebots der Vorsicht sowie darüber zukommen zu lassen, wie die Gesundheit beim Entwurf ihrer Planung in Rechnung zu stellen ist;

25. Während der Ausarbeitung der allgemeinen Politik wie auch der Richtlinien sämtliche betroffenen Parteien einschliesslich der Kommunal- und Regionalverbände, der Promotoren von Telekommunkationsvorhaben und der Netzbetreiber zu konsultieren, sodass allen zu berücksichtigenden Fragen Rechnung getragen werden kann;

26. Der unabhängigen Erforschung der gesundheitlichen Implikationen von mit den Telekommunikationen zusammenhängenden elektromagnetischen Feldern erhöhte Priorität zu verleihen sowie die Fortschritte der internationalen Forschung in Medizin und Wissenschaft zu verfolgen und bei der Festlegung einschlägiger nationaler Politiken zu berücksichtigen;

27. Darüber zu wachen, dass die Telekommunikationsindustrie sich an der Erforschung der gesundheitlichen Wirkungen beteiligt und dass die Werbung für Mobiltelefonie Hinweise auf mögliche Gesundheitsrisiken enthält;

28. Die Entscheidungskompetenzen der Gebietskörperschaften hinsichtlich des Standorts, des Baus und der Veränderung von Einrichtungen der Telekommunikation in ihrem territorialen Zuständigkeitsbereich zu stärken;

29. Ein Verfahren einzurichten, das den Gemeinden und Regionen vermehrte Kontrolle über die Standortwahl für Sendemasten der Telekommunikation und über die dazugehörigen Einrichtungen gewährt sowie die Festlegung einer eigenen Telekommunikationspolitik im Rahmen der nationalen Politik ermöglicht;

30. Dafür zu sorgen, dass die Gemeindedemokratie integrierendes Bestandteil des Planungsprozesses wird in Form von öffentlichen Konsultationen, Information potenzieller Nachbarn sowie der Kommunikation zwischen Netzbetreibern und Gemeinden, vor allem auch bei den Abklärungen im Vorfeld von Gesuchen;

31. Die Promotoren und Betreiber von Netzen zu frühestmöglicher Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Behörden zu bewegen: beim Beschluss der Merkmale sowie der kartografischen Festlegung ihrer Netze, bei der Ventilierung von Standortmöglichkeiten und der weitestgehenden Begrenzung von Auswirkungen auf die Umwelt durch das Zusammenlegen oder die gemeinsame Nutzung von Masten sowie auf der Ebene der Gestaltung und "Tarnung" der Anlagen;

32. Die Betreiber zu einer aktiven Suche nach Roaming-Absprachen innerhalb des Landes zu bewegen, damit den Kunden eines Netzes die Möglichkeit gegeben wird, das Netz eines anderen Betreibers zu nutzen, sodass eine Vervielfachung von Infrastrukturen vermieden wird;

33. Von den Promotoren und Betreibern Anstrengungen zu fordern, die Einrichtung von Funkstationen in empfindlichen Gegenden zu vermeiden oder, sollte dies unmöglich sein, deren Auswirkungen durch besondere Sorgfalt bei der Standortwahl und Konzeption der Einrichtung sowie den Einsatz vorsichtiger technologischer Lösungen auf ein Minimum zu reduzieren;

34. Die Ernennung einer Vermittlerpersönlichkeit vorzusehen für die Betreuung der Standortwahl von Sendestationen der Mobiltelefonie in dem Fall, dass auf kommunaler Ebene keine Einigung zustande kommt oder im Fall anderer einschlägiger Probleme;

35. Für einen höheren Bekanntheitsgrad des Standorts von Telekommunikationseinrichtungen zu sorgen durch die Verpflichtung der Promotoren und Betreiber von Netzen, diesbezüglich Informationen zu liefern und das geografische Informationssystem GIS im Hinblick auf die Führung eines nationalen Registers solcher Einrichtungen zu benützen;

36. Eine Strategie der Überwachung der Telekommunikationsanlagen auszuarbeiten, worin die Pflichten und Verantwortlichkeiten aller betroffenen Parteien bis ins einzelne festgelegt und die Betreiber dieser Anlagen zur alljährlichen Veröffentlichung einer Abschlussprüfung betreffend ihre Telekommunikationsanlagen verpflichtet werden.

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 31. Mai 2001, 3. Sitzung (siehe Dok. CG (8) 12, Empfehlungsentwurf, vorgelegt durch Herrn M. Bucci, Berichterstatter)