Empfehlung 101 (2001)1 betreffend die Auswirkungen der Globalisierung auf die Regionen

Der Kongress, mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Regionen,

1. Stellt fest, dass die Globalisierung zu einer unentrinnbaren Tatsache geworden ist, die sich auf das politische, soziale und kulturelle Leben auswirkt und Reaktionen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene auslöst;

2. Stellt die Tatsache in Rechnung, dass die wachsende Internationalisierung des Austauschs sich auf die daran beteiligten Regionen positiv auswirkt, zugleich aber bei den schwächsten Regionen zu Spannungen führt;

3. Erwägt die auf dem Wege zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes mit freiem Güter-, Kapital- und Personenverkehr im Rahmen der Europäischen Union erreichten Fortschritte;

4. Ruft in Erinnerung, dass die durch die weltweiten Finanzinstitute befürwortete Senkung der Zollschranken vor allem für Regionen mit schwachen Industrie- und Handelsstrukturen ungute Nebenwirkungen haben kann, was durch Nichtregierungsorganisationen angeprangert wird, die diesbezüglich nach mehr Transparenz und demokratischer Kontrolle rufen;

5. Weist insbesondere darauf hin, dass die durch den Freihandel gesteigerte Dynamik von Wachstum und Gewinn nicht allen Regionen in gleicher Weise zugute kommt, was wegen der Möglichkeit der Vergrösserung des Abstands zwischen den reichsten und den ärmsten Bevölkerungen die demokratische Stabilität in Europa einem Risiko aussetzt;

6. Erinnert an die Fähigkeit der Regionen, auf die Herausforderungen der Globalisierung rasch zu reagieren durch die Mobilisierung regionaler Wirtschaftspotenziale und die Förderung ihrer eigenständigen Entwicklung, wie sie vonnöten ist, um Landflucht und Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte in Schach zu halten, eine übermässige wirtschaftliche und industrielle Konzentration in den städtischen Ballungszentren zu bremsen und für eine die Umwelt schonende, nachhaltige Entwicklung zu sorgen;

7. Weist auf die Fähigkeit von Grenzregionen hin, das transnationale Wirtschaftswachstum anzuregen und auf der Suche nach Lösungen für ihre Probleme als Randregionen zu innovatorischen Lösungen zu gelangen;

8. Anerkennt die wichtige Rolle des Interreg-Programms der Europäischen Union für die Entwicklung von grenzüberschreitender und interregionaler Zusammenarbeit in den darin einbezogenen Ländern;

9. Betont, dass die kulturelle Identität der einzelnen Regionen, die durch ihre jeweilige Geschichte, ihre Traditionen, Menschen und Sprachen wie auch durch die Anhänglichkeit der Bewohner an ihre Region geprägt ist, einen wichtigen Beitrag zur regionalen Kohäsion leistet und die wirtschaftliche Entwicklung unterstützt;

10. Bedenkt, dass die Region eine bürgernahe Struktur mit der Fähigkeit ist, die Wünsche ihrer Bewohner zu berücksichtigen und territoriale Besonderheiten zu fördern, die es angesichts der gegenwärtigen Globalisierungstendenzen zu bewahren gilt;

11. Verweist auf die durch den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas im Zusammenhang mit der Globalisierung geleistete Arbeit, insbesonderte auf das Wirtschaftsforum der europäischen Regionen [Genf, (18.-20.Januar 1996), Dortmund (23.-26. Juni 1996), Moskau (25.-26. November 1996), Wien (9.-12. September 1997), Bukarest (2.-4. Juli 1998), Weimar (3.-4. Mai 1999) und Skopje (16.-18. November 2000)], das den Regionen Europas jeweils Gelegenheit zum Austausch von Informationen und Erfahrungen über Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung gab;

12. Erinnert an die Debatten und Arbeiten betreffend Globalisierung anlässlich der durch den Kongress im November 2000 in Barcelona durchgeführten 1. Konferenz der Präsidenten von Regionen mit Gesetzgebungsbefugnis;

13. Erinnert an die Arbeiten der Parlamentarischen Versammlung zur Globalisierung, so die Empfehlung 1461 (2000) über die Rolle des Europarats in der Regionalplanung und die Empfehlung 1308 (1996) betreffend die Welthandelsorganisation (WTO) und die Sozialrechte;

14. Berücksichtigt die Arbeiten des Ausschusses der Regionen betreffend "Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Regionen angesichts der Globalisierung: wie man sie fördern kann (COM(1998)718)" sowie die Initiativstellungnahme vom 15. Februar 2001: "Die Struktur und die Ziele der europäischen Regionalpolitik im Zuge der Erweiterung und Globalisierung (COM-1/024)";

15. Fordert die Mitgliedstaaten des Europarats auf:

a. die Eignung der Regionen für die Ausarbeitung von Wirtschaftspolitiken anzuerkennen, welche dazu angetan sind. den Herausforderungen der Globalisierung entgegenzutreten;

b. die Dezentralisierung von Zuständigkeiten und eine Regionalpolitik zu fördern, welche den Regionen brauchbare Handlungsinstrumente und Mittel zu wirtschaftlicher Entwicklung und zu fruchtbaren interregionalen Partnerschaften an die Hand gibt, die ihnen eine rasche Anpassung an die sich mit der Globalisierung ergebende neue sozio-ökonomische Lage ermöglichen;

c. diese Massnahmen durch eine die Schaffung von Arbeitsplätzen fördernde Politik, steuerliche Anreize und Exporthilfen zu unterstützen;

d. die Befugnisse der Regionen zu stärken, sodass sie sich aktiv in die grenzüberschreitende und interterritoriale Zusammenarbeit einbringen und am Sammeln von Information und Erfahrung hinsichtlich der Auswirkungen der zunehmenden Globalisierung beteiligen können, insbesondere auch den Aufbau regionaler Partnerschaften für die Entwicklung wirtschaftlicher Synergien bzw. Ergänzungen zu fördern und damit zugleich einen wirtschaftlichen Ausgleich innerhalb der Staaten zu unterstützen;

e. besondere Politiken für Regionen mit geographischen oder strukturellen Nachteilen wie Rand-, Insel-, Ultrarand-, Berg- oder in einer Übergangswirtschaft befindliche Regionen auszuarbeiten;

f. beizutragen zur Integration der Grenzregionen in nationale und transeuropäische Verkehrs- und Kommunikationsnetze, die im Hinblick auf die Öffnung der Grenzen und Mobilisierung der Bevölkerungen angelegt und somit geeignet sind, die Zusammenarbeit benachbarter Regionen im Rahmen dauerhafter grenzübergreifender Strukturen zu fördern;

g. im Hinblick hierauf das Europäische Rahmenübereinkommen des Europarats über grenzüberschreitende Zusammenarbeit und dessen beide Zusatzprototokolle zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

h. in Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden Politiken zur Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen auszuarbeiten, da diese in Europa die meisten Arbeitsplätze schaffen;

i. in die genannten Aktivitäten zur Förderung der sozio-ökonomischen Regionalentwicklung die kulturelle Dimension der Regionen miteinzubeziehen;

16. Fordert das Ministerkomitee des Europarats auf:

a. bei seinen zwischenstaatlichen Arbeiten auch die Wirkung der Globalisierung zu berücksichtigen und deren Auswirkungen auf die Kultur-, die Wirtschafts- und die Sozialpolitik - vor allem inbezug auf die Raumordnung - zu untersuchen;

b. die Arbeiten im Hinblick auf die Formulierung und Annahme eines bindenden Rechtsdokuments zu beschleunigen, das in Form eines Übereinkommens die regionale Selbstverwaltung in den Mitgliedstaaten absichert;

c. seine dafür zuständige Arbeitsgruppe mit der Untersuchung der Auswirkungen der Globalisierung auf die sozialen Strukturen in den Mitgliedstaaten des Europarats zu beauftragen;

17. Empfiehlt der Parlamentarischen Versammlung:

a. die spezifischen Probleme zu untersuchen, welche die Globalisierung für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung von Europas Regionen mit sich bringt;

b. den Problemen im Zusammenhang mit der Dezentralisierung und Regionalisierung in den Mitgliedstaaten die gebührende politische Wichtigkeit zuzuerkennen und den Beitrag der Regionen zur demokratischen Stabilität und zur Bewältigung der Auswirkungen der Globalisierung anzuerkennen;

c. die Annahme eines die regionale Selbstverwaltung in den Mitgliedstaaten stärkenden internationalen Rechtsdokuments politisch zu unterstützen;

d. die nationalen Regierungen auf die Notwendigkeit hinzuweisen, als Reaktion auf den durch die Globalisierung entstehenden Druck spezifische Politiken für die regionale Entwicklung auszuarbeiten;

e. den regionalen Aspekten der Globalisierungseffekte in den Arbeitsbereichen ihrer Ausschüsse, etwa in der landwirtschaftlichen und ländlichen Entwicklung, in den kulturellen Aktivitäten oder in den Wirtschafts-, Technologie- und Umweltpolitiken, besondere Aufmerksamkeit zu widmen;
18. Empfiehlt der Europäischen Union:

a. bei der Anpassung ihrer regionalpolitischen Instrumente an die Erweiterung den Herausforderungen durch die Globalisierung Rechnung zu tragen;

b. die Unterstützung benachteiligter Regionen, insbesondere von Küsten-, Rand-, Insel- und Ultrarandregionen, fortzusetzen und zu intensivieren;

c. dazu die Finanzierung des Programms Interreg zu erhöhen;

d. im Zuge der Erweiterung die Regionen der Beitrittskandidaten mit angemessenen Strukturen für die Zusammenarbeit auszustatten;

e. den Dialog mit den Vertretern der Regionen über die durch die Globalisierung verursachten grossen sozio-ökonomischen Probleme zu vertiefen;

19. Empfiehlt der BERD:

a. bei der Festlegung ihrer Interventionspolitiken den grossen Herausforderungen Rechnung zu tragen, welche sich auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene durch die Globalisierung ergeben und inbesondere Regionen mit schwachen wirtschaftlichen und kommerziellen Strukturen im Hinblick auf eine Verbesserung ihrer Infrastrukturen zu unterstützen;

b. wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung solchen Staaten zu gewähren, die die Fortschritte ihrer wirtschaftlichen, administrativen und demokratischen Reform unwiderlegbar beweisen können und durch eine Politik der Dezentralisierung und Regionalisierung die Grundlagen zu kommunaler und regionaler Selbstverwaltung schaffen.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 30. Mai 2001 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 31. Mai 2001 (siehe Dok. CPL (8) 4 rev., Empfehlungsentwurf vorgelegt durch Herrn B. Suaud, Berichterstatter)