14. PLENARTAGUNG
(Straßburg, 30. Mai – 1. Juni 2007)

Die ausgewogene Verteilung der Gesundheitsversorgung in den ländlichen Regionen

Empfehlung 223(2007)[1]


1. Der geographische Zugang der Bevölkerung zur Gesundheitsversorgung ist ein entscheidender Faktor für ihr Wohlergehen. Damit dieser Zugang jedoch effektiv ist, ist es notwendig, dass die Gesundheitsdienste ausgewogen auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verteilt sind;

2. Nur allzu oft stellt man eine ungleiche Verteilung der Gesundheitsversorgung sowohl zwischen den Mitgliedstaaten als auch zwischen den Regionen eines Staates und den Gebieten einer Region zum Nachteil der ländlichen Gebiete fest. Die  Weltgesundheitsorganisation (WHO) bemerkte hierzu, dass zwar 45% der Weltbevölkerung in ländlichen Gebieten leben, aber nur 25% der Ärzte in diesen Gebieten tätig sind;

3. Diese Ungleichheiten entstehen durch verschiedene Faktoren: Geringere Attraktivität bestimmter Gebiete führt zu einer medizinischen Verödung, Politik der  Vergütung der im Gesundheitswesen tätigen Personen, Ausbildungspolitik und insbesondere die Fähigkeit, ausgebildete Fachleute in dem Gebiet zu halten, Pensionierung ohne Ersatz, Migration;

4. Es ist wichtig festzustellen, dass die Prognosen in diesem Bereich auf eine Verschlechterung der ungleichen Verteilung der Gesundheitsversorgung in den europäischen Regionen hinweisen und zwar aus verschiedenen Gründen: Zunahme der Pflegebedürftigkeit, insbesondere in Verbindung mit der Zunahme und Überalterung der Bevölkerung, zunehmender Einsatz der Medizin, Vorschriften für Sicherheit sowie Reduzierung der praktizierenden Ärzte;

5. Angesichts dieser Situation kamen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarates in dem Aktionsplan, der beim Gipfel in Warschau im Mai 2005 verabschiedet wurde, überein, dass der Gesundheitsschutz als soziales Recht eine wichtige Voraussetzung für die soziale Kohäsion und die wirtschaftliche Stabilität ist und sie verpflichteten sich, die Arbeiten für einen ausgewogenen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung zu verstärken;

6. Der Kongress der Gemeinden und Regionen ist sich ebenfalls bewusst, dass eine ungleiche Verteilung der Gesundheitsversorgung die Gebiete schwächen und die soziale Kohäsion in den Regionen beeinträchtigen kann;

7. Hierzu ist daran zu erinnern, dass die Kammer der Regionen des Kongresses anlässlich der Frühjahrstagung im März 2007 die Empfehlung 212(2007) über „E-Gesundheit und Demokratie in den Regionen" verabschiedete, in der konkrete Antworten auf das Problem der medizinischen Verödung in den Regionen gegeben werden;

8. Angesichts des Vorangegangenen, empfiehlt der Kongress dem Ministerkomitee des Europarates:

a. die Regierungen der Mitgliedstaaten aufzufordern, spezifische Maßnahmen zur Bekämpfung der medizinischen Verödung in den betroffenen europäischen Regionen zu ergreifen, insbesondere:

i.       permanente Instrumente einzusetzen, um schwache Gebiete zu identifizieren oder Gebiete, die durch die Verteilung der Gesundheitsdienste und die Überalterung des Pflegepersonals geschwächt werden;

ii.       die Koordination zwischen der Gesundheitspolitik und der Raumordnungspolitik zu verbessern, insbesondere bei der Stadtplanung und der Verteilung der Sozialdienste für Personen und Familien, besonders für ältere Menschen und Minderjährige (um die negativen Folgen der sozialen Benachteiligung auf ihre Gesundheit auszugleichen);

iii.      die soziale Situation beim Vergleich der regionalen Gesundheitssysteme zu berücksichtigen;


iv.      die Niederlassung der im Gesundheitswesen tätigen Personen noch stärker zu regeln und sie davon abzubringen, sich in Regionen niederzulassen, die bereits gut versorgt sind, und sie zu ermutigen in Regionen zu praktizieren, in denen es wenig Ärzte gibt, hierzu:

- weitere medizinische Fakultäten in den ländlichen Regionen einzurichten;

- in das Medizinstudium Programme aufzunehmen, die die Studenten besser auf die medizinische Praxis in ländlichen oder schlecht versorgten Gebieten vorbereiten, insbesondere durch Praktika, in denen die Studenten mit dieser Praxis konfrontiert werden;

- finanzielle Beihilfen für die medizinische Ausbildung anzubieten gegen eine Verpflichtung der Studenten, in ländlichen oder schlecht versorgten Gebieten zu praktizieren;

- das Gehalt in den ländlichen Gebieten anzuheben und Maßnahmen zur Steuerbefreiung und Befreiung von Sozialabgaben vorzusehen;

v. die Verteilung der Kompetenzen zwischen dem Pflegepersonal (Übertragung von Aufgaben zwischen Ärzten und Krankenpflegern oder Allgemeinmedizinern und Fachärzten) zu klären und zu überprüfen und zwar durch eine andauernde medizinische Weiterbildung sowie durch die Einrichtung neuer Ausbildungen, d.h. neuer Berufe im Gesundheitsbereich;

vi. die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und medizinischem Personal zu stärken;

b. den Europäischen Gesundheitsausschuss (CDSP) aufzufordern, im Rahmen seiner Aktivitäten zur Planung und Organisation der Gesundheitsdienste auf Ebene der Primär- und Sekundärversorgung, Maßnahmen  der Mitgliedstaaten zu erwägen, damit eine optimale Verteilung der Gesundheitsversorgung in den Regionen Europas gewährleistet ist.



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 30. Mai 2007 und Annahme durch den Kongress am 1. Juni 2007, 3. Sitzung (siehe Dokument CPR(14)4REC, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch N. Evdokimova (Russische Föderation, R, NI) und P. Muratore (Italien, R, ILDG), Berichterstatter).