Empfehlung 171 (2005)1 über die Umsetzung der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (Artikel 4.6, 5, 9.6 und 10) “Konsultation der Gemeinden”

Der Kongress, mit Bezug auf einen Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Ist der Auffassung, dass das Recht der Gemeinden auf Konsultation, das in den Artikeln 4.6, 5, 9.6 und 10 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung festgelegt ist, ein grundlegendes Prinzip der europäischen demokratischen Rechtspraxis ist und zu einem guten Regieren beitragen soll;

2. Glaubt, dass die Konsultation der Gemeinden zur Förderung eines guten Regierens beim politischen und administrativen Prozess erforderlich ist, damit die Wünsche der Gemeinden rechtzeitig bekannt und bei den Entscheidungen der Zentral- und Regionalbehörden auch berücksichtigt werden können;

3. Stellt mit Befriedigung fest, dass die Tendenz dahin geht, dass die Zentralbehörden in sehr vielen Ländern Mittel- und Osteuropas die Gemeinden im Rahmen der Konsolidierung des demokratischen Wandels konsultieren;

4. Stellt fest, dass in der Mehrheit der Länder die Mechanismen zur Konsultation der Gemeinden sich auf Rechtsverfahren oder Gewohnheitsrecht gründen, das in der demokratischen und politischen Beziehung zwischen Staat und Gemeinden herrscht;

5. Stellt fest, dass obwohl in einigen Ländern die Konsultation der Gemeinden ein allgemeines Prinzip ist, das im Gesetz verankert ist, es sich in den meisten Ländern allein auf das Gewohnheitsrecht gründet;

6. Begrüßt die Tatsache, dass das Konsultationsverfahren nach und nach zu einem wichtigen Bestandteil der politischen Verhandlungen zwischen Staat und Gemeinden wird. In mehreren Staaten hat sich das Konsultationsverfahren zu Verhandlungen zwischen Regierung und Gemeinden entwickelt, bei denen echte institutionelle Vereinbarungen über die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung und die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips geschlossen werden und so die Rolle der Gemeinden bei der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten und demokratischen Institutionen verbessert wird;

7. Stellt jedoch fest, dass in diesem Verfahren fast immer Informationen und Meinungen zwischen den Vertretern der Zentralregierung und den Gemeinden ausgetauscht werden, aber nur selten eine echte politische Verhandlung stattfindet;

8. Begrüßt ebenfalls die Tatsache, dass die nationalen und regionalen Gemeindeverbände eine sehr wichtige Rolle bei der Sicherung und Verbesserung der gemeinsamen Interessen spielen und den institutionellen Dialog entweder mit der Zentralregierung oder den Regionen führen;

9. Bedauert, dass es in einigen Ländern des Kaukasus noch einige Zeit dauern wird, bis eine regelmäßige Konsultation der Gemeinden in einem klar definierten institutionellen Kontext stattfindet;

10. Ist der Auffassung, dass die Gemeinden während des Entscheidungsprozesses zu allen Fragen, die ihre Interessen direkt betreffen, zu konsultieren sind, insbesondere Wirtschafts- und Finanzfragen, Raumplanung, Umwelt, europäische Fragen, örtliche Entwicklung, Bildung und Kultur;

11. Stellt fest, dass außer im Falle von Aserbaidschan, das besonderer Aufmerksamkeit bedarf, man sagen kann, dass die Gemeinden in allen Ländern mehr oder weniger während des Legislativverfahrens bei Fragen, die sie betreffen, konsultiert werden;

12. Stellt fest, dass in Ländern, in denen die Gemeinden von der Zentral- (oder Föderal-)/Regionalregierung konsultiert werden, in drei Bereichen im Allgemeinen formelle oder informelle Konsultationen und/oder eine Partizipation der Gemeinden stattfinden: Gemeindefinanzen, Verantwortung der Gemeinden und Änderungen der Gemeindegrenzen;

13. Stellt fest, dass bei Legislativ-, Planungs- und Entscheidungsverfahren (Artikel 4.6 der Charta) die Gemeinden normalerweise über ihre nationalen und regionalen Verbände konsultiert werden (bei Entscheidungen über eine spezifische Gemeinde wird diese jedoch selbst konsultiert);

14. Stellt fest, dass in der Territorialorganisation als allgemeine Regel die Vorabkonsultation der betroffenen Gemeinden gilt (Artikel 5 der Charta);

15. Begrüßt die Tatsache, dass dieses Prinzip von der Mehrheit der Länder verabschiedet wurde;

16. Verweist auf die Tatsache, falls die Gemeinden nicht konsultiert werden und es keine objektiven bindenden Regeln für die Entscheidungen im Bereich der Finanzen gibt, dies manchmal zu inoffiziellen Systemen führen kann, in denen die fehlende Unparteilichkeit Einfluss auf die Finanzierung der Gemeinden nehmen kann und Mittel und Subventionen im Widerspruch zur Charta willkürlich verteilt werden;

17. Begrüßt die Tatsache, dass alle Länder das Recht der Gemeinden auf Vereinigung auf nationaler Ebene anerkennen (Artikel 10 der Charta) – mit anderen Worten ihr Recht, einer nationalen und/oder regionalen Vereinigung zum Schutz und zur Förderung ihrer gemeinsamen Interessen anzugehören;

18. Stellt fest, dass mit Ausnahme einer sehr kleinen Anzahl von Ländern, das Konzept der „angemessenen Konsultation” noch nicht zu einem spezifischen Fallrecht geführt hat. (Trotzdem sollte berücksichtigt werden, dass es in einigen Ländern ein umfassendes Fallrecht über allgemeine Rechtswirkungen bei fehlender Konsultation der Gemeindebehörden zu administrativen und legislativen Fragen gibt);

19. Empfiehlt den Mitgliedstaaten:

a. das Recht der Gemeinden auf Konsultation im regionalen, nationalen oder föderalen Recht zu verankern;

b. das Konsultationsverfahren zu einem System der Verhandlung zwischen der Regierung und den nationalen Gemeindeverbänden auszubauen;

c. offiziell die nationalen und/oder regionalen Gemeindeverbände als Partner der regionalen, nationalen oder föderalen Behörden im Konsultationsverfahren anzuerkennen;

d. ein ständiges Konsultationsorgan einzurichten, in dem die nationalen und kommunalen Behörden vertreten sind (die Gemeinden sind durch ihren nationalen Verband vertreten);

e. die Entwicklung der nationalen und regionalen Gemeindeverbände zu unterstützen;

f. das Recht der Gemeindeverbände, Mitglied eines internationalen Verbandes der Gemeinden und Regionen zu werden, systematisch gesetzlich anzuerkennen;

g. systematisch die Gemeinden bei wichtigen Themen wie Befugnisse und Verantwortung, steuerliche Dezentralisierung und Finanzressourcen der Gemeinden in einem ständigen institutionellen Rahmen zu konsultieren und regelmäßig die Effizienz solcher Konsultationen zu überprüfen;

20. Fordert insbesondere:

a. die Behörden in Armenien, Aserbaidschan, Bulgarien, Zypern, der Tschechischen Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Lettland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Rumänien, der Slowakischen Republik, Schweden, Türkei, Ukraine und dem Vereinigten Königreich auf, besondere Legislativbestimmungen mit einer allgemeinen Auflage zur Konsultation der Gemeinden auf verschiedenen Legislativebenen einzuführen;

b. die Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarates auf, die Gemeindebehörden bei allen Fragen der Finanzmittel, die ihnen zugewiesen werden, zu konsultieren (Artikel 9.6 der Charta);

c. die Behörden von Aserbaidschan auf, das Verfahren zur Einrichtung nationaler Gemeindeverbände mit Hilfe des Europarates zu beschleunigen;

d. die georgischen Behörden auf, die Entwicklung des neu geschaffenen Gemeindeverbandes zu unterstützen und ihn zu einem institutionellen Partner bei den Beziehungen zwischen der Zentralregierung und den Gemeinden zu machen.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 1. Juni 2005 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 2. Juni 2005 (siehe Dok. CPL (12) 5, Empfehlungsentwurf vorgelegt durch E. Calota (Rumänien, L, SOC), Berichterstatter)