Entschliessung 202 (2005)1 über den interkulturellen und interreligiösen Dialog: Initiativen und Verantwortung der Gemeinden

Der Kongress, mit Bezug auf einen Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Unter Verweis auf Empfehlung 170 (2005) über „Den interkulturellen und interreligiösen Dialog: Verantwortung der Gemeinden“, die sich besonders auf die jüngsten Texte des Europarates bezieht, die in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen sind;

2. Verweist insbesondere auf Empfehlung 153 (2004) und Entschließung 181 (2004) des Kongresses über „einen Pakt für die Integration und Partizipation von Immigranten in den Städten und Regionen Europas“;

3. Besorgt über die andauernden rassistischen Straftaten gegen Personen oder Güter sowie die Verwendung von rassistischen und fremdenfeindlichen Argumenten in einigen politischen Reden;

4. Besorgt, dass nach dem Schock der Terroranschläge von fanatischen und extremistischen Einzelpersonen, die Glauben und kulturelle oder regionale Identität fehlgeleitet einsetzen, alle in einen Topf geworfen werden;

5. In der Überzeugung, dass die interkulturellen und interreligiösen Spannungen eine schwere Bedrohung für Frieden, Sicherheit, Demokratie und Entwicklung darstellen;

6. Überzeugt, dass der interkulturelle und interreligiöse Dialog zur Prävention von Konflikten und zur Aussöhnung beitragen kann und einen besseren sozialen Zusammenhalt und Solidarität zwischen den Bewohnern des gleichen Gebietes herbeiführen kann;

7. Überzeugt, dass gemeinsame Werte eine Voraussetzung für diesen Dialog sind, das heißt:

a. Anerkennung der grundsätzlichen Gleichberechtigung aller Mitglieder einer Gesellschaft (Gleichbehandlungsgrundsatz);

b. Zugehörigkeit aller Gruppen, die in ihrem Wert geschätzt werden, zu einer größeren Gesellschaft (Beitrittsgrundsatz);

c. Anerkennung der Freiheit jedes Einzelnen, sich einer bestimmten Gruppe anzuschließen oder auch nicht (Autonomiegrundsatz);

8. Überzeugt, dass die verschiedenen kulturellen und religiösen Gruppen in Europa die gleiche Würde besitzen, solange sie die allgemeinen grundlegenden Prinzipien des Europarates achten: Demokratie, Menschenrechte, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit;

9. Überzeugt, dass die verschiedenen kulturellen und religiösen Gruppen, die diese Grundwerte achten, die gleichen Möglichkeiten zur Beteiligung an der Gesellschaft erhalten sollten und ihre Meinung unter Achtung der Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft äußern können, damit keine Gruppe sich von der Mehrheitsgruppe ausgeschlossen fühlt;

10. Stellt fest, dass die Gemeinden immer öfter sehr konkret mit der wachsenden kulturellen und religiösen Vielfalt der Bewohner eines Gebietes in ihrer Gemeinde konfrontiert werden, während ihre Kompetenzen in diesem Bereich in den verschiedenen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sind;

11. Überzeugt, dass die Gemeinden eine Schlüsselrolle zu spielen haben, um den interkulturellen und interreligiösen Dialog zu fördern aufgrund ihrer Nähe zu den Bürgern, die sie in die Lage versetzt, die lokale, kulturelle und religiöse Vielfalt zu bewerten und mit den Bewohnern Konsultationen und einen Dialog zu führen, um ausgewogen auf die Anliegen und Forderungen der verschiedenen Gruppen einzugehen;

12. Fordert daher die Gemeinden und Gemeindepolitiker Europas auf:

a. sich öffentlich und entschlossen für einen interkulturellen und interreligiösen Dialog einzusetzen, der alle Aspekte der Gemeindepolitik umfasst;

b. allen Bewohnern der Gemeinde Gehör zu schenken, nicht nur den Staatsangehörigen, sondern auch den ausländischen Einwohnern, die legal ansässig sind und auch, soweit wie möglich, den Flüchtlingen, Asylsuchenden und schriftenlosen Ausländern, die vorübergehend auf ihrem Territorium ansässig sind;

c. die kulturelle und religiöse Vielfalt ihrer Gemeinden in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen, damit mit den Vertretern dieser Gruppen ein Vertrauensverhältnis und ein regelmäßiger Dialog aufgebaut wird, der ebenfalls in einem institutionalisierten Rahmen geführt werden kann;

d. sich selbst zum Sprecher dieser Vielfalt bei Kontakten mit allen Bewohnern der Gemeinden und auch auf verschiedenen anderen Regierungsebenen zu ernennen, wenn diese nicht zufriedenstellend auf die legitimen Forderungen einiger kultureller oder religiöser Gruppen ihrer Gemeinde eingehen können;

e. bei den Bewohnern der Gemeinden ein Gefühl der Zugehörigkeit zur örtlichen Gemeinschaft als Ganzes hervorzurufen, die reich an Vielfalt ist und die Rechte und Pflichten jedes Einzelnen festzulegen;

f. die kulturelle Vielfalt der alten und neuen Minderheitengruppen hervorzuheben und ihre Meinungsäußerung, Entwicklung, Interaktion und gegenseitige Bereicherung zu fördern;

g. den historischen, jüngsten oder zeitgenössischen Beitrag der verschiedenen Kulturen und Religionen in der Gemeinde, im städtischen Umfeld und beim Aufbau einer lokalen Identität hervorzuheben;

h. gegen die soziale, wirtschaftliche oder politische Ausgrenzung und den ungleichen Zugang zu den öffentlichen Diensten für bestimmte Bevölkerungsgruppen der Gemeinden, insbesondere die in den benachteiligten Stadtgebieten, anzukämpfen;

i. jede Form von Diskriminierung und Intoleranz zu bekämpfen;

j. die Verbreitung von kulturellen Werken, sportlichen Wettbewerben und Veranstaltungen, die allen sozialen Gruppen zugänglich sind, zu unterstützen, die die kulturelle Vielfalt der Stadt widerspiegeln und diese Vielfalt in den lokalen Medien zu reflektieren;

k. Initiativen für die schulische und außerschulische Erziehung der Jugendlichen zur Toleranz, Vielfalt, Verständnis und Dialog zu ergreifen, auch durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Städtepartnerschaften, Jugend- und Künstleraustausch;

l. die Initiativen der Zivilgesellschaft in der örtlichen Bevölkerung zu unterstützen und Partnerschaften mit den Verbänden, die die kulturelle und religiöse Vielfalt repräsentieren, zu entwickeln und Aktionen für den interkulturellen und interreligiösen Dialog anzubieten;

m. im Veranstaltungskalender der Stadt die kulturellen und religiösen Veranstaltungen der verschiedenen Gruppen in der Gemeinde zu berücksichtigen;

n. transparent und ausgehend von objektiven Kriterien auf die Forderungen der verschiedenen kulturellen oder religiösen Gruppen einzugehen und sich von den Prinzipien der Religionsfreiheit, religiösen Neutralität, Meinungsfreiheit, Verhältnismäßigkeit, Transparenz und Nicht-Diskriminierung, die im Begründungstext zu diesem Bericht (CPL (12) 4 Teil II) dargestellt werden, leiten zu lassen;

o. gerechte Maßnahmen vorzusehen und für die Einrichtung angemessener Gotteshaüser in der Gebietskörperschaft zu ergreifen;

p. sich von dem Handbuch über lokale konsultative Strukturen für ausländische Einwohner leiten zu lassen, das der Kongress zur Institutionalisierung einer Struktur des Dialogs und der Konsultation mit den ausländischen Einwohnern, die legal auf dem Territorium der Gemeinden ansässig sind, veröffentlicht hat, wie in der Konvention des Europarates über die Beteiligung von Ausländern am kommunalen öffentlichen Leben vorgeschlagen;

q. wie im Begründungstext zu dieser Entschließung dargelegt, die Einrichtung eines lokalen interreligiösen Rates, so wie er auch in einigen anderen europäischen Gemeinden existiert, zu unterstützen, um regelmäßig Vertreter der verschiedenen kulturellen und religiösen Gruppen der Gemeinden zusammenzubringen;

r. darauf zu achten, dass die von der Stadt angebotenen Dienste diese Vielfalt widerspiegeln, dass die Mitarbeiter ihrer Gemeindeverwaltung diese interkulturellen Ziele vertreten und in der Lage sind, dieser Politik zum Erfolg zu verhelfen;

13. Beauftragt seinen Ausschuss für Kultur und Bildung weiterhin gute Praktiken aufzuzeigen und zu verbreiten, insbesondere:

a. sobald wie möglich ein europäisches Treffen für die kulturelle und religiöse Vielfalt in den Gemeinden abzuhalten;

b. mit der Generaldirektion für Bildung, Kultur und Kulturerbe, Jugend und Sport (GD IV) bei der Einrichtung eines Programms zusammenzuarbeiten, das jedes Jahr eine „Interkulturelle Stadt des Europarates“ benennt, ausgehend von dem Pilotprojekt, das 2003-2004 in Sarajewo ins Leben gerufen wurde;

c. zu prüfen, wie die Kooperation mit den Programmen der Verbindungsbüros für örtliche Demokratie zu verbessern ist, die den Dialog zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die Toleranz, das friedliche Zusammenleben, die Entwicklung oder die Sicherung der Gemeindedemokratie in Südosteuropa fördern;

d. mit allen betroffenen Abteilungen des Europarates und mit dem Ausschuss der Regionen der Europäischen Union zusammenzuarbeiten, im Hinblick darauf, dass 2008 zum Jahr des interkulturellen Dialogs erklärt wird.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 31. Mai 2005 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 2. Juni 2005 (siehe Dok. CPL (12) 4, Entschliessungsentwurf vorgelegt durch M. Hunt (Vereinigtes Königreich, L, GILD) und B. Fäldt (Schweden L, PSE), Berichterstatter.