Entschliessung 195 (2005)1 über „20 Jahre Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung“

Der Kongress,

1. Angesichts des Berichtes „20 Jahre Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung“, vorgelegt von Birgitta Halvarsson (PSE, Schweden);

2. Bekräftigt im 20. Jahr des Bestehens der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (im Folgenden: die Charta), dass

a. die Charta als echter internationaler Vertrag weiterhin der einzige Text ist, der bindend für die Staaten die wesentlichen Charakteristiken der kommunalen Selbstverwaltung und ihre Umsetzung im institutionellen Bereich festlegt;

b. die Charta juristisch gesehen einzigartig ist und den Gemeinden der Mitgliedstaaten Garantien für die Ausübung ihrer Rechte und Befugnisse in einem demokratischen Staat, in dem eine Gewaltenteilung zwischen den Regierungsebenen besteht, liefert;

c. die Charta ein Text ist, der Bedingungen zur demokratischen Ausübung der Macht auf kommunaler Ebene durch die demokratisch gewählten Organe zugunsten der Bürger festlegt und ihnen so hilft, ihre Lebensqualität zu verbessern;

d. seit Anfang der 90er Jahre die Charta in den Mitgliedstaaten des Europarates als Rechtsrahmen für institutionelle Reformen diente und eine besonders wichtige Referenz für die demokratischen Reformen in Mittel- und Osteuropa war;

3. Begrüßt dass:

a. die Parlamentarische Versammlung und das Ministerkomitee des Europarates nach dem Fall der Berliner Mauer erklärten, dass die neuen Beitrittskandidaten des Europarates sich verpflichten sollten, die Charta neben einigen anderen Konventionen des Europarates zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Damit bestätigt sie dieses Dokument als eines der Gründungsdokumente der pluralistischen Demokratie und der demokratischen Stabilität in Europa;

b. 2005 die meisten Mitglieder des Europarates, d.h. 41 Staaten von insgesamt 46 Mitgliedstaaten des Europarates die Charta ratifiziert haben, eine Bilanz, die einiges über die Bedeutung dieser Konvention für die Staaten Europas aussagt;

c. der Kongress schrittweise ein System zur Überwachung der Einhaltung der Prinzipien der Charta durch die Mitgliedstaaten über ein sogenanntes Monitoringverfahren eingerichtet hat und dass das Ministerkomitee diese Aufgabe in seiner Statutarischen Entschließung (2000) 1 ganz dem Kongress übertragen hat;

d. das Monitoring einerseits Legislativreformen und institutionelle Veränderungen in den Mitgliedstaaten angeregt hat und es andererseits erlaubt, einen politischen Dialog auf hoher Ebene zwischen den kommunalen Vertretern des Kongresses und den Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarates zu führen;

e. das Ministerkomitee, das ein transversales Monitoringverfahren für die Gemeindedemokratie eingeleitet hatte, beschlossen hat, dieses Verfahren zugunsten des Kongresses einzustellen;

f. die Gruppe unabhängiger Experten für die Charta in diesem Verfahren eine wichtige Rolle spielen und den Vertretern des Kongresses bei der Auslegung der Charta zur Seite stehen konnte;

4. Verweist hierbei darauf, dass die Auslegung der Charta durch eine Reihe von Empfehlungen des Kongresses an die Mitgliedstaaten in den letzten zehn Jahren erfolgte, die grundlegende Aspekte wie die Praxis der kommunalen Selbstverwaltung, die Ausübung der Befugnisse der Gemeinden, die Gemeindefinanzen, den institutionellen Rahmen und die Beziehungen der Gemeinden zu den Bürgern und dem Staat betreffen;

5. Ist der Auffassung, dass der Auslegungsprozess der Charta ein andauernder Prozess ist und die Herausforderungen bei der Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung aufzeigen sollte;

6. Ist der Ansicht, dass der Auslegungsprozess insbesondere zu folgenden Themen fortgesetzt werden sollte:

a. Befugnisse und normative Selbstverwaltung der Gemeinden;

b. institutionelle Organisation der Gemeinden;

c. Gemeindefinanzen und Gemeindeeigentum;

d. Beziehungen zwischen Staat und Gemeinden und inzwischen Regionen und Gemeinden je nach Fall aufzunehmen;

e. Rechtsschutz der kommunalen Selbstverwaltung und Einbeziehung der Charta in das nationale Recht der Mitgliedstaaten;

7. Ist ebenfalls der Auffassung, dass bei der Ausübung der kommunalen Selbstverwaltung eine Reihe von Grundelementen in Zusatzprotokollen zur Charta oder in getrennten Texten in Form von Empfehlungen oder Entschließungen des Kongresses erarbeitet werden können;

8. In Anbetracht der Tatsache, dass die Frage der Ratifizierung der Charta durch die Europäische Union als Rechtspersönlichkeit gemäß Artikel I-7 des Verfassungsvertrages gestellt werden sollte;

9. Schlägt vor:

a. die Arbeitskapazitäten der Gruppe unabhängiger Experten für die Charta aufzustocken, damit sie den Kongress besser beim Monitoring und der Auslegung der Charta unterstützen kann;

b. dass die Gruppe unabhängiger Experten für die Charta in einem Dokument eine Reihe von Vorschlägen vorlegt, die die Erfahrungen sowie die Auslegung der Charta nach der Überwachung der Einhaltung der Verpflichtungen des Kongresses widerspiegeln;

c. zu prüfen, ob die Charta auch für Nichtmitgliedstaaten des Europarates geöffnet werden kann, die in unmittelbarer geographischer Nähe zu den Mitgliedstaaten des Europarates liegen und über demokratisch eingesetzte Gemeinden verfügen;

10. Beauftragt den Institutionellen Ausschuss des Kongresses zusammen mit der Gruppe unabhängiger Experten für die Charta die Prüfung der verschiedenen Rechtsformen zur Systematisierung der Auslegung und/oder Entwicklung der Grundelemente der Charta fortzusetzen, die im Bericht „20 Jahre Charta“ aufgelistet sind.

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 1. Juni 2005, 2. Sitzung (siehe Dok. CG (12) 6, Entschliessungsentwurf vorgelegt durch B. Halvarsson (Schweden L, SOC), Berichterstatter).