Empfehlung 46 (1998)1 betreffend den Stand der kommunalen und regionalen Demokratie in Kroatien

Der Kongress,

1. Gemäss der Entschliessung 58 (1997) betreffend den Stand der Gemeindedemokratie in den Mitgliedstaaten und insbesondere deren Abschnitt 11, worin Kroatien als eines der Länder mit grösseren Problemen hinsichtlich der Gemeindedemokratie aufgeführt ist, sowie gemäss deren speziell Kroatien gewidmetem Abschnitt 13;

2. In Berücksichtigung des Abschnitts 9.vi der Stellungnahme Nr. 195 (1996) der Parlamentarischen Versammlung betreffend das Beitrittsgesuch Kroatiens zum Europarat, worin verzeichnet ist, dass Kroatien sich verpflichtet habe, die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung im Laufe des auf seinen Beitritt (6. November 1996) folgenden Jahres zu unterzeichnen und zu ratifizieren sowie die Experten des Europarats zu der projektierten Revision des Gesetzes über kommunale Selbstverwaltung zu konsultieren;

3. In Anbetracht der zahlreichen Missionen des KGRE in dieses Land seit 1993 sowie der Konklusionen der verschiedenen Berichte über den Stand der kommunalen und regionalen Demokratie in Kroatien, welche im Februar 1996 durch das Präsidium und den Ständigen Ausschuss des Kongresses angenommen wurden;

4. Nach Entsendung einer aus Frau Lund (Dänemark, G) und Herrn Leinen (Deutschland, R) in Begleitung eines Experten bestehenden Delegation nach Kroatien im Oktober 1997 und im Februar 1998;

5. Den kroatischen Behörden für ihre Unterstützung bei diesen Besuchen sowie den Botschaften der Gemeindedemokratie im Lande dankend;

6. Hält es für notwendig, gestützt auf den im Anhang zu der vorliegenden Empfehlung figurierenden Bericht, zuhanden der kroatischen Regierungsbehörden die nachfolgenden Erwägungen und Empfehlungen zu formulieren:

6.1 Begrüsst die Tatsache, dass Kroatien am 19. September 1997, innerhalb eines Jahres nach seinem Beitritt zum Europarat, entsprechend den anlässlich seines Beitritts unterschriebenen Zusagen die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung unterzeichnet und ratifiziert hat;

6.2 Bedauert jedoch, dass die kroatische Regierung bei dieser Ratifikation beträchtlichen Gebrauch gemacht hat von den in Artikel 12 der Charta angebotenen Möglichkeiten und somit einige wichtige Bestimmungen wie etwa Artikel 4.3, 5 und 6; Artikel 8.3; Artikel 9.5, 7 und Artikel 10.2 der Charta nicht angenommen hat;

6.3 Bedenkt, dass sowohl der Geist der von Kroatien bei seinem Beitritt unterzeichneten Verpflichtung betreffend die Ratifikation der Charta als auch der Zweck von deren Artikel 12 eine breitestmögliche Ratifikation der Charta meint und fordert Kroatien deshalb auf, den Anwendungsbereich der Charta so rasch wie möglich - insbesondere auf die oben unter 6.2 genannten Bestimmungen - auszudehnen;

6.4 Ist angesichts der Tatsache, dass die Charta in Europa im Begriff ist, zu einem Grundprinzip des europäischen Rechts zu werden, der Meinung, dass die von Kroatien am 11. Oktober 1997 in Strassburg hinterlegte Ratifikationsurkunde diesen Staat nicht von der Einhaltung sämtlicher darin enthaltenen Grundsätze entbindet;

6.5 Ist angesichts mehrerer konkreter Beispiele von der Praxis der kroatischen Regierung, insbesondere betreffend die Bürgermeisterwahl von Zagreb und die Wahl der Regionalversammlung der Zupanija von Primorsko Goranska, der Ansicht, dass das "Gesetz über die kommunale Autonomie und Verwaltung" keine tatsächliche Gewähr für die kommunale Selbstverwaltung und die Respektierung der Wahlresultate bietet und dass dessen Änderung daher unbedingt und dringend geboten ist;

6.6 Bedauert, dass ungeachtet der wiederholten Versprechungen betreffend die in Konsultation mit Experten des Europarats vorgesehene Änderung der kroatischen Gesetzgebung über die kommunale Selbstverwaltung, wie es die Einhaltung der beim Beitritt eingegangenen Verpflichtungen forderte, keinerlei Fortschritte in dieser Sache zu verzeichnen sind. Er bekräftigt erneut seine Unterstützung und Verfügbarkeit für die Umsetzung des von der kroatischen Regierung ausgegangenen Vorschlags, zu dem genannten Zweck in Konsultation mit Vertretern der Regierung und der Gebietskörperschaften des Landes einen gemischten Ausschuss von Experten des kroatischen Parlaments und des Europarats zu bilden, der die verschiedenen Aspekte des zu ändernden Gesetzes gründlich prüfen soll. Selbstverständlich ist der vorliegende Bericht keinesfalls als eine erschöpfende Stellungnahme in dieser Sache anzusehen, zumal der Kongress noch immer nicht Kenntnis hat von dem revidierten Textentwurf zu diesem Gesetz;

6.7 Wiederholt mit Nachdruck seine in Artikel 13a der Entschliessung 58 (1997) ausgesprochene Forderung einer raschestmöglichen Revision des die Doppelfunktion der Komitatsgouverneure und des Bürgermeisters von Zagreb sowie das freie Ermessen des Präsidenten der Republik einführenden Gesetzes, diese in ihrem Amt zu bestätigen oder auch nicht. Diese Revision muss

i. entweder in dem Gesetz die Kriterien präzisieren, die als einzige den Staatschef dazu veranlassen können, die Wahl des Bürgermeisters von Zagreb oder diejenige der Gouverneure der Komitate (Zupan) nicht anzuerkennen:

ii. oder einerseits die Funktionen des Bürgermeisters von Zagreb und der Grafschaftsgouverneure in ihrer Eigenschaft als Vertreter der Gebietskörperschaften und andererseits die Funktionen der Vertreter des Zentralstaats in Zagreb und auf der Stufe der Komitate explizit verschiedenen Personen zuerkennen;

6.8 Empfiehlt den kroatischen Behörden, dafür zu sorgen, dass die revidierte Gesetzgebung auch das Recht der kroatischen Gebietskörperschaften umfasst, ein zuständiges und unabhängiges Gericht um die Prüfung eines das Gesetz interpretierenden Regierungsbeschlusses zu ersuchen - dies gemäss Artikel 11 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, der gelegentlich der Ratifikation der Charta durch Kroatien zu keinerlei Vorbehalten Anlass gab;

6.9 Stellt mit Befriedigung fest, dass sich nach Ansicht der kroatischen Gebietskörperschaften deren Situation in den letzten Jahren im ganzen verbessert hat, erachtet jedoch die anhaltende Unklarheit hinsichtlich der Kompetenzenverteilung zwischen den verschiedenen Regierungsebenen sowie das Ungenügen der Mittel, die den kommunal und regional für die Umsetzung der Kompetenzen Verantwortlichen zur Verfügung gestellt werden, als äusserst besorgniserregend;

6.10 Beharrt auf der Notwendigkeit einer klareren Verteilung der Kompetenzen, flankiert von den verschiedenen gebietskörperschaftlichen Ebenen angemessenen Mitteln, deren Verteilung nach festgelegten Verfahren und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta erfolgen muss;

6.11 Ist der Ansicht, dass die Bestimmungen von Artikel 11 des "Gesetzes über die kommunale Autonomie und Verwaltung" dem Geist der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, und insbesondere deren Artikel 10, widersprechen, bedeuten sie doch faktisch die Unmöglichkeit, einen rechtlich anerkannten Gemeindeverband zu gründen, solange dieser weniger als 50% der Gemeinden und Städte umfasst; ist sich ausserdem über die Konformität dieser Bestimmung mit Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention im Zweifel;

6.12 Begrüsst die im Gange befindliche Ausarbeitung von Gesetzesartikeln betreffend die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit dem Ziel, die den Gebietskörperschaften diesbezüglich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu klären und fordert Kroatien auf, so bald wie möglich das Europäische Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften oder -behörden und dessen Zusatzprotokoll zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

6.13 Eingedenk der Tatsache, dass infolge der Gründung der Republik Kroatien der rechtliche Status der Grundstücke und der zuvor selbstverwalteten Fremdenverkehrsindustrie noch nicht völlig geklärt ist, fordert die kroatische Regierung auf, diesen Bereich so bald wie möglich abzuklären;

6.14 In Anbetracht der Tatsache, dass zur Zeit weitere Gesetzesvorschläge betreffend die kommunale Selbstverwaltung - insbesondere betreffend die Gemeindefinanzen und die Kompetenzenverteilung zwischen Gemeinden, Städten und Zupanije - vorbereitet werden, und angesichts der grundlegenden Bedeutung all dieser Texte, einschliesslich derjenigen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, für das gute Funktionieren der kommunalen Selbstverwaltung, bittet die kroatischen Behörden dringend, die Experten des Europarats schon zu den Vorstadien der eigentlichen Revision der betreffenden Gesetze beizuziehen;

6.15 Gibt seine Beunruhigung hinsichtlich der zuvor unter Verwaltung des UNTAES stehenden Zone und der grossen Funktionsschwierigkeiten ihrer 1997 gewählten kommunalen Organe zu verstehen; diese Schwierigkeiten gefährden das Vertrauen der Zonenbevölkerung in die Fähigkeit ihrer Institutionen, zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen wirksam beizutragen und damit das allgemeine Vertrauen in die Prinzipien der Selbstverwaltung; fordert deshalb die kroatische Regierung auf, den Kongress regelmässig über die Entwicklung Ostslawoniens und das Funktionieren der gemeindedemokratischen Institutionen in jenem Landesteil zu unterrichten und ruft sie ausserdem auf, die Rückkehr der Zwangsumsiedler und Flüchtlinge zu beschleunigen, zum Wohle der Gemeindedemokratie in ihren Herkunftsgemeinden wie auch in den sie aufnehmenden Gemeinden;

6.16 Lädt die kroatischen Gemeinden und Regionen und deren Verbände sowie die kroatische Regierung ein, in Zusammenarbeit mit dem Kongress sobald wie möglich eine grosse Konferenz über die Fortschritte der kommunalen und regionalen Demokratie und über die einschlägige Rechtsreform zu organisieren, wie dies in dem Bericht vorgeschlagen wurde, den der Kongress beim Beitritt Kroatiens über den Stand der kommunalen und regionalen Demokratie in dem Lande vorlegte;

7. Begrüsst die Initiative vonseiten der kroatischen Regierung und der Botschaft der Gemeindedemokratie von Osijek, Ausbildungsprogramme für kommunale und regionale Abgeordnete und Beamten anzubieten und ersucht den Generalsekretär des Europarats, diese wichtige Initiative mithilfe des Programms Lode sowie der für die kommunale und regionale Demokratie in Kroatien vorgesehenen freiwilligen Beiträge zu unterstützen;

8. Lädt das Ministerkomitee ein, bei der Beurteilung der Erfüllung der durch Kroatien anlässlich seines Beitritts eingegangenen Verpflichtungen die vorliegenden Empfehlungen zu berücksichtigen und Kooperationsprogramme - vor allem im Rahmen des Kongresses, der ADL und des Programms Lode - mithilfe angemessener Finanzhilfe zu unterstützen und, wenn möglich, mit der Hilfe anderer internationaler Organisationen und der Europäischen Union zu entwickeln, um den notwendigen Reformen im Bereich der kommunalen und regionalen Selbstverwaltung zuzuarbeiten, das gute Funktionieren der Zivilgesellschaft wiederherzustellen, die Rückkehr der Flüchtlinge und Zwangsumsiedler zu erleichtern und den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes, das unter den kriegerischen Ereignissen in jenem Teil Europas schwer gelitten hat, zu unterstützen.

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 28. Mai 1998, 3. Sitzung (siehe Dok CG (5) 4, Empfehlungsentwurf vorgelegt von Frau H. LUND und Herrn J. LEINEN, Berichterstatter)