Kammer der Regionen

18. SITZUNG

CPR(18)4
1. März 2010

Der intra-regionale Transport: eine Frage nachhaltiger Entwicklung und territorialen Zusammenhalts

Ausschuss für nachhaltige Entwicklung

Berichterstatter: Adam BANASZAK, Polen (R, NG[1])

A. Entschliessungsentwurf 2

B. Empfehlungsentwurf 3

Zusammenfassung

Ein effizientes Verkehrsnetz ist unerlässlich für das reibungslose Funktionieren der Gesellschaft und Wirtschaft einer Region; es ermöglicht den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Menschen und gewährleistet die Mobilität, die für Beschäftigung, Bildung und Freizeit notwendig ist. Der Verkehr ist ein wesentlicher Bestandteil für den sozialen Zusammenhalt und eine Voraussetzung für Lebensqualität und Beschäftigung.

Eine der wichtigsten Herausforderungen für die intra-regionale Personenbeförderung ist die notwendige Reduzierung seiner Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Andere Probleme beziehen sich auf die CO2-Emissionen und deren negative Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Die demografische Entwicklung – insbesondere in ländlichen Regionen – ist ein weiterer Grund, die Verkehrsstrategien zu überdenken.

Dieser Bericht untersucht die vielfältigen Strategien, um der intra-regionalen Verkehrspolitik eine neue Richtung zu geben, die durch eine verbesserte Effizienz den sozialen und wirtschaftlichen Reichtum sicherstellt, ohne jedoch das Verkehrsaufkommen zu erhöhen. Diese Strategien vereinen Maßnahmen in den Bereichen Infrastruktur- und Dienstleistungen mit Aufklärungskampagnen und der Verbesserung des Images nachhaltiger Reisemöglichkeiten.


A. Entschliessungsentwurf [2]

1. Mobilität und Verkehrspolitik sind zu einem wesentlichen Problem der Lebensqualität und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in unserer Gesellschaft geworden. Ein effizientes Verkehrsnetz ist für die integrierte sozioökonomische Entwicklung einer Region notwendig. Es ermöglicht den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen und gewährleistet die nötige Mobilität, um zur Arbeit, zur Schule und zu den Freizeitaktivitäten zu gelangen.

2. Der derzeitige Wandel in Wirtschaft und Lebensart veränderte die räumliche Verteilung der Bevölkerung, die Flächenbewirtschaftung und –nutzung erheblich und führte somit zu einem explosionsartigen Anwachsen der Verkehrsströme.

3. Der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, der sich schon immer eingehend mit dem Problem der territorialen Entwicklung befasste, ist besorgt über die Ausweitung des Güterverkehrs auf den Straßen, über die steigende private Kfz-Nutzung und den Bau von Straßen, der immer mehr Raum einnimmt.

4. Die Begrenztheit fossiler Energiequellen, die steigenden Kraftstoffpreise sowie die notwendige Verringerung des CO2-Ausstoßes stellen neue Herausforderungen für die Mobilität dar.

5. Eine nachhaltige Mobilität zu schaffen ist daher eine Herausforderung, der sich die Regionen entschlossen stellen müssen. Hierzu sollten sie ein intra-regionales, diversifiziertes, nachhaltiges und integriertes Verkehrssystem vorschlagen, das alternative Lösungen für Privatfahrzeuge anbietet.

6. In dem Bewusstsein, dass für eine diversifizierte Organisation des Verkehrs vor allem die Koordinierung der verschiedenen Akteure des öffentlichen Verkehrswesens auf einem Gebiet nötig ist, unterstreicht der Kongress die grundlegende Rolle der Regionen bei der ausgewogenen und effizienten Entwicklung ihres Gebiets.

7. Hierzu sollten die Regionen die Kooperation zwischen den betroffenen Akteuren stärken - Gemeinden, Betreiber, Nutzer - um alle Elemente des Problems besser zu beleuchten, insbesondere die heikle Frage der Finanzierung des Verkehrs und die Festsetzung der Preise.

8. Die politischen Entscheidungen in dem Bereich stützen sich heute auf Hypothesen, die nur wenig oder gar nicht die indirekten sozialen und ökologischen Kosten berücksichtigen, während zum Beispiel die Konzentration der öffentlichen Mittel auf Straßeninfrastrukturprojekte dazu führt, dass die private Nutzung des Autos noch gefördert wird. Die Umsetzung einer nachhaltigen und integrierten Verkehrspolitik würde die verschiedenen Akteure zwingen, sich darum zu bemühen, ein besseres Angebot an Verkehrsmitteln vorzuschlagen.

9. Außerdem sollte sich der Kongress auch daran erinnern, dass ein gleicher Zugang zu den Infrastrukturen und privaten und öffentlichen Diensten gewährleistet sein muss. Besondere Aufmerksamkeit ist daher auf die Stadtrandgebiete sowie die ländlichen Gebiete zu legen, damit mittelfristig erhebliche soziale, ökologische und landschaftliche Kosten vermieden werden.


10. Die Integration von Verkehrs-, Städte-, Umwelt- und Raumordnungspolitik ist notwendig, um das Verkehrsaufkommen zu verringern, die Kosten des gemeinschaftlichen Verkehrs und der Infrastruktur zu minimieren, die Bedürfnisse der Bevölkerung besser zu berücksichtigen und die erhoffte Verringerung des Treibhauseffekts zu erzielen.

11. Angesichts dieser Feststellungen fordert der Kongress die Regionen der Mitgliedstaaten des Europarates auf:

a. eine neue Mobilitätspolitik auszuarbeiten, die sich auf die Komplementarität der verschiedenen Verkehrsmittel stützt, Verkehrsmittel mit geringem Kohlenstoffausstoß begünstigt und die Abhängigkeit von den fossilen Brennstoffen verringert;

b. eine nachhaltige und integrierte Verkehrspolitik vorzuschlagen, die insbesondere die Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigt und gleichzeitig die öffentlichen Verkehrsmittel, den Zugang der Bevölkerung zu den wesentlichen Diensten fördert und das Verursacherprinzip verabschiedet, um die Verwendung privater Fahrzeuge einzuschränken;

c. den Straßenverkehr an die Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung anzupassen und eine bessere Aufteilung zwischen verschiedenen Transportmitteln sicherzustellen;

d. gesündere und nachhaltigere Reisegewohnheiten zu fördern und das Image des öffentlichen Personennahverkehrs, des Fahrradfahrens und des Zu-Fuß-Gehens zu stärken;

e. intra-regionale Verkehrsdienste zu organisieren, um Ungleichheiten in der Entwicklung innerhalb einer Region zu minimieren, indem sie zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den zahlreichen beteiligten Akteuren aufrufen;

f. darauf zu achten, dass der Zugang der schutzbedürftigsten Gruppen gewährleistet ist, indem innovative Verkehrslösungen angeboten werden, wie Car-Sharing oder Busse auf Anfrage, usw;

g. bewährte Methoden aus anderen europäischen Regionen auszutauschen, um von den Erfahrungen anderer zu profitieren;

h. in der Regionalverwaltung dank einer nachhaltigen Mobilitätspolitik mit gutem Beispiel voranzugehen, die das Zu-Fuß-Gehen, das Fahrradfahren und die kohlenstofffreien Verkehrsmittel begünstigt;

12. Der Kongress fordert seinerseits den Ausschuss für nachhaltige Entwicklung auf, sich mit diesen Fragen zu befassen, insbesondere nach der Annahme der Europäischen Städtecharta II: Manifest für eine neue Urbanität.

B. Empfehlungsentwurf [3]

1. Die Regionen haben in den letzten Jahrzehnten im Zusammenhang mit der Globalisierung der Wirtschaft, der demografischen Entwicklung und der geänderten Lebensweise erhebliche Wandlungen erfahren. Diese Veränderungen haben sich wesentlich auf die räumliche Verteilung der Bevölkerung, auf die Flächenbewirtschaftung und -nutzung sowie die Organisation der öffentlichen und privaten Dienste ausgewirkt. All dies hat auch zu einem exponentiellen Anwachsen der Verkehrsströme geführt.

2. Die Begrenztheit fossiler Energiequellen, die steigenden Benzinpreise sowie die erforderliche Verringerung des CO2-Ausstoßes stellen neue Herausforderungen dar. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats zeigt sich besorgt über den wachsenden Ausstoß von Treibhausgasen, vor allem infolge steigender privater Kfz-Nutzung und erheblicher Ausweitung des Warenverkehrs auf den Straßen.

3. Mobilität und Verkehrspolitik sind zu einem wesentlichen Problem der Lebensqualität und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in unserer Gesellschaft geworden. Das Funktionieren der Wirtschaft und die Entwicklung einer Region erfordern effiziente Infrastrukturen und ein Verkehrsnetz, das den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen ermöglicht und die nötige Mobilität gewährleistet, um zur Arbeit, zur Schule und Ausbildung oder zu Freizeitvergnügungen zu gelangen.

4. Der Kongress hält es für nötig, die Verkehrspolitik zu überdenken und den nötigen Übergang zu einer Zeit nach dem Ende fossiler Brennstoffe zu planen. Die unvermeidliche Erhöhung der Kraftstoffpreise führt in der Tat zu großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen, weil die Menschen auf den Straßenverkehr angewiesen sind. Er bleibt in Europa das Hauptverkehrsmittel sowohl für Personen als auch für Güter.

5. Die Mehrheit der Europäer lebt zwar in städtischen Ballungsgebieten, jedoch bedürfen das Umland und die ländlichen Gebiete besonderer Aufmerksamkeit. Auch dort muss ein zusammenhängendes Dienstleistungsniveau sichergestellt werden, das den berechtigten Ansprüchen der Bevölkerung genügt.

6. Der Kongress wünscht sich eine neue Mobilitätskultur, die stärker auf nachhaltige Verkehrsmittel abstellt und den sozialen und gebietsmäßigen Zusammenhalt stärker betont, d.h. diejenigen besonders berücksichtigt, die am stärksten auf nachhaltige Verkehrsmittel angewiesen sind.

7. Da die Zuständigkeit für den Verkehr bei verschiedenen Ebenen der Verwaltung liegt, sollten sich sowohl kommunale als auch regionale oder staatliche Instanzen und neben öffentlichen Behörden auch private Akteure angesprochen fühlen. Nichtsdestoweniger ist der Kongress davon überzeugt, dass den Regionen eine besonders wichtige Rolle zukommt, wenn es gilt, größtmögliche Kohärenz des Vorgehens und ausgewogene Gebietsentwicklung sicherzustellen.

8. Nachhaltige intra-regionale Verkehrspolitik muss Verkehrsstaus begrenzen, die Verkehrssicherheit verbessern, die Lärmbelästigung und Luftverpestung eindämmen und für eine gerechtere Aufteilung der Verkehrswege für alle Nutzer sorgen. Sie muss darüber hinaus Methoden für die schnelle Beförderung zu vertretbaren Preisen für die Benutzer vorschlagen und eine größere Interaktion zwischen städtischen und regionalen Verkehrsbetrieben fördern.

9. Transport und Raumordnung sind beides Aspekte der Mobilität. Wenn der Bezug zum Verkehr bei Entscheidungen der Raumordnung und Städteplanung richtig berücksichtigt wird, kann die Verkehrserzeugung begrenzt und die Bedürfnisse der Bevölkerung angemessener berücksichtigt werden.

10. Der Kongress betont die dringende Notwendigkeit neu durchdachter, nachhaltiger, diversifizierter und integrierter Verkehrspolitik, die möglichst umweltverträgliche Verkehrsformen und alternative neue Lösungen wie Car-Sharing, Bus-auf-Anfrage und öffentliche Mietfahrradstationen fördert. Das hiermit verbundene Potenzial zur Verkehrsentlastung sollte erschlossen werden.

11. Der Kongress unterstreicht die meist unterschätzte wichtige Rolle nichtmotorisierter Fortbewegungsarten, die selbstverständlich die anderen Verkehrsformen ergänzen sollten. In zahlreichen Gegenden Europas machen die nichtmotorisierten Fortbewegungsformen über ein Drittel des täglichen Verkehrsaufkommens der Bevölkerung aus. Das Zu-Fuß-Gehen und der Fahrradverkehr sollten unterstützt werden, denn diese Fortbewegungsmittel stehen allen zur Verfügung, kosten wenig, sind umweltschonender und tun der Gesundheit gut.

12. Was Kraftfahrzeuge angeht, sollte die europäische wie die nationale Gesetzgebung stärker auf die Einhaltung optimaler Schadstoffausstoßnormen drängen. Außerdem sollte die Entwicklung von Fahrzeugen beschleunigt werden, die schadstoffärmer sind. Die vermehrte Nutzung solcher Fahrzeuge durch Behörden und Unternehmen und die Integration in umfassendere Mobilitätskonzepte sollte gefördert werden.


13. Der Verkehrsbereich weist auch soziale und kulturelle Aspekte auf, die man nicht vernachlässigen darf. Die Entwicklung bestimmter Verkehrsmittel hängt auch weitgehend von ihrem Image ab. Es könnte mit guten verkehrsträgerübergreifenden Angeboten auch die öffentliche Meinung gewonnen werden.

14. Der Kongress begrüßt die Tatsache, dass die Europäische Kommission, im Rahmen ihres Plans zur Bekämpfung des Klimawandels, sich mehr und mehr für nachhaltigen Verkehr interessiert, und betont die Notwendigkeit, die entsprechenden Bemühungen zu verstärken, wenn man eine erhebliche Vermindung des Anteils und der Menge an Treibhausgasausstoß im Verkehr erreichen will.

15. Folglich fordert der Kongress das Ministerkomitee auf, die Europäische Raumordnungsministerkonferenz  (CEMAT) zu bitten:

a. mit ihren Überlegungen über eine bessere Ausgestaltung der Verkehrs- und Raumordnungspolitik zugunsten nachhaltiger Entwicklung und regionalen Zusammenhalts fortzufahren;

b. in ihrer Erklärung zur nächsten Ministerkonferenz (Moskau, 8.-9. Juli 2010) konkrete Vorschläge hinsichtlich der neuen Herausforderungen der globalisierte Welt an die Regionen aufzunehmen.

16. Der Kongress fordert das Ministerkomitee des Europarats auf, den Mitgliedsstaaten nahezulegen:

a. die Bedeutung der regionalen Ebene bei der Ausarbeitung einer vorausschauenden und abgestimmten Vision intra-regionalen Verkehrs anzuerkennen;

b. in Zusammenarbeit mit den Regionen eine neue Verkehrspolitik zu entwickeln, die neue Mobilitätsanforderungen mit räumlichen wie zeitlichen Faktoren verbindet;

c. auf nationaler Ebene eine integrierte Entwicklung kollektiver Verkehrsmittel zu unterstützen und auszubauen;

d. Modellvorhaben mit innovativen Verkehrsformen zu unterstützen und systematisch auszuwerten sowie erfolgreiche Versuche entschlossen allgemein umzusetzen.

17. Der Kongress fordert das Ministerkomitee ferner auf, die Europäische Kommission zu bitten, mit Hilfe von Modellvorhaben kommunale und regionale Initiativen zugunsten eines nachhaltigen Verkehrs stärker zu unterstützen, z. B. durch die CIVITAS-Initiative für sauberen Stadtverkehr.

18. Der Kongress fordert die Parlamentarische Versammlung des Europarats auf, mit ihren Arbeiten zum Problem nachhaltiger Entwicklung und regionalen Zusammenhalts fortzufahren.



[1] L :Kammer der Gemeinden / R : Kammer der Regionen

UILDG : Unabhängige und Liberaldemokratische Gruppe des Kongresses  

EVP/CD : Gruppe der Europäischen Volkspartei – Christdemokraten des Kongresses

SOZ : Sozialistische Gruppe des Kongresses

NG : Mitglied, das keiner politischen Gruppe des Kongresses angehört

[2] Vorentwurf der Entschließung und der Empfehlung am 1. Dezember 2009 vom Ausschuss für nachhaltige Entwicklung der Kammer der Regionen angenommen

Mitglieder des Ausschusses:

V. Kadokhov (Vorsitzende), I. Linge (stellv. Vorsitzende), C. Abela Baldacchino* (Stellvertreter: F. Cutajar*), R. Bayrak, L. Beauvais, M.A. Caronia (Stellvertreterin: G. Marmo), Z. Cholewinski (Stellvertreter: A. Banaszak), D. Cukur, L. Dellai, N. Dudov, I. Franzen, P. Jansen, M. Kichkovskyy, J. Mattei-Fazei, S. Neeson (Stellvertreterin: J. McCartney), C. Nicolescu, J. Stadelmann, A. Stoilov* (Stellvertreterin: D. Ruseva*), E. Szucs, E. Villarroya Saldana.

NB: Die Namen der Mitglieder, die an der Abstimmung teilnahmen, sind kursiv gedruckt.

Sekretariat des Ausschusses: M. Moras

[3] Siehe Fußnote 2