18. TAGUNG
Straßburg, 17. – 19. März 2010

Der intra-regionale Transport: eine Frage nachhaltiger Entwicklung und territorialen Zusammenhalts

Empfehlung 287 (2010)[1]

1. Die Regionen haben in den letzten Jahrzehnten im Zusammenhang mit der Globalisierung der Wirtschaft, der demografischen Entwicklung und der geänderten Lebensweise erhebliche Wandlungen erfahren. Diese Veränderungen haben sich wesentlich auf die räumliche Verteilung der Bevölkerung, auf die Flächenbewirtschaftung und -nutzung sowie die Organisation der öffentlichen und privaten Dienste ausgewirkt. All dies hat auch zu einem exponentiellen Anwachsen der Verkehrsströme geführt.

2. Die Begrenztheit fossiler Energiequellen, die steigenden Benzinpreise sowie die erforderliche Verringerung des CO2-Ausstoßes stellen neue Herausforderungen dar. Der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats zeigt sich besorgt über den wachsenden Ausstoß von Treibhausgasen, vor allem infolge steigender privater Kfz-Nutzung und erheblicher Ausweitung des Warenverkehrs auf den Straßen.

3. Mobilität und Verkehrspolitik sind zu einem wesentlichen Problem der Lebensqualität und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in unserer Gesellschaft geworden. Das Funktionieren der Wirtschaft und die Entwicklung einer Region erfordern effiziente Infrastrukturen und ein Verkehrsnetz, das den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen ermöglicht und die nötige Mobilität gewährleistet, um zur Arbeit, zur Schule und Ausbildung oder zu Freizeitvergnügungen zu gelangen.

4. Der Kongress hält es für nötig, die Verkehrspolitik zu überdenken und den nötigen Übergang zu einer Zeit nach dem Ende fossiler Brennstoffe zu planen. Die unvermeidliche Erhöhung der Kraftstoffpreise führt in der Tat zu großen wirtschaftlichen und sozialen Problemen, weil die Menschen auf den Straßenverkehr angewiesen sind. Er bleibt in Europa das Hauptverkehrsmittel sowohl für Personen als auch für Güter.

5. Die Mehrheit der Europäer lebt zwar in städtischen Ballungsgebieten, jedoch bedürfen das Umland und die ländlichen Gebiete besonderer Aufmerksamkeit. Auch dort muss ein zusammenhängendes Dienstleistungsniveau sichergestellt werden, das den berechtigten Ansprüchen der Bevölkerung genügt.

6. Der Kongress wünscht sich eine neue Mobilitätskultur, die stärker auf nachhaltige Verkehrsmittel abstellt und den sozialen und gebietsmäßigen Zusammenhalt stärker betont, d.h. diejenigen besonders berücksichtigt, die am stärksten auf nachhaltige Verkehrsmittel angewiesen sind.

7. Da die Zuständigkeit für den Verkehr bei verschiedenen Ebenen der Verwaltung liegt, sollten sich sowohl kommunale als auch regionale oder staatliche Instanzen und neben öffentlichen Behörden auch private Akteure angesprochen fühlen. Nichtsdestoweniger ist der Kongress davon überzeugt, dass den Regionen eine besonders wichtige Rolle zukommt, wenn es gilt, größtmögliche Kohärenz des Vorgehens und ausgewogene Gebietsentwicklung sicherzustellen.

8. Nachhaltige intra-regionale Verkehrspolitik muss Verkehrsstaus begrenzen, die Verkehrssicherheit verbessern, die Lärmbelästigung und Luftverpestung eindämmen und für eine gerechtere Aufteilung der Verkehrswege für alle Nutzer sorgen. Sie muss darüber hinaus Methoden für die schnelle Beförderung zu vertretbaren Preisen für die Benutzer vorschlagen und eine größere Interaktion zwischen städtischen und regionalen Verkehrsbetrieben fördern.

9. Transport und Raumordnung sind beides Aspekte der Mobilität. Wenn der Bezug zum Verkehr bei Entscheidungen der Raumordnung und Städteplanung richtig berücksichtigt wird, kann die Verkehrserzeugung begrenzt und die Bedürfnisse der Bevölkerung angemessener berücksichtigt werden.

10. Der Kongress betont die dringende Notwendigkeit neu durchdachter, nachhaltiger, diversifizierter und integrierter Verkehrspolitik, die möglichst umweltverträgliche Verkehrsformen und alternative neue Lösungen wie Car-Sharing, Bus-auf-Anfrage und öffentliche Mietfahrradstationen fördert. Das hiermit verbundene Potenzial zur Verkehrsentlastung sollte erschlossen werden.

11. Der Kongress unterstreicht die meist unterschätzte wichtige Rolle nichtmotorisierter Fortbewegungsarten, die selbstverständlich die anderen Verkehrsformen ergänzen sollten. In zahlreichen Gegenden Europas machen die nichtmotorisierten Fortbewegungsformen über ein Drittel des täglichen Verkehrsaufkommens der Bevölkerung aus. Das Zu-Fuß-Gehen und der Fahrradverkehr sollten unterstützt werden, denn diese Fortbewegungsmittel stehen allen zur Verfügung, kosten wenig, sind umweltschonender und tun der Gesundheit gut.

12. Was Kraftfahrzeuge angeht, sollte die europäische wie die nationale Gesetzgebung stärker auf die Einhaltung optimaler Schadstoffausstoßnormen drängen. Außerdem sollte die Entwicklung von Fahrzeugen beschleunigt werden, die schadstoffärmer sind. Die vermehrte Nutzung solcher Fahrzeuge durch Behörden und Unternehmen und die Integration in umfassendere Mobilitätskonzepte sollte gefördert werden.

13. Der Verkehrsbereich weist auch soziale und kulturelle Aspekte auf, die man nicht vernachlässigen darf. Die Entwicklung bestimmter Verkehrsmittel hängt auch weitgehend von ihrem Image ab. Es könnte mit guten verkehrsträgerübergreifenden Angeboten auch die öffentliche Meinung gewonnen werden.

14. Der Kongress begrüßt die Tatsache, dass die Europäische Kommission, im Rahmen ihres Plans zur Bekämpfung des Klimawandels, sich mehr und mehr für nachhaltigen Verkehr interessiert, und betont die Notwendigkeit, die entsprechenden Bemühungen zu verstärken, wenn man eine erhebliche Vermindung des Anteils und der Menge an Treibhausgasausstoß im Verkehr erreichen will.

15. Folglich fordert der Kongress das Ministerkomitee auf, die Europäische Raumordnungsministerkonferenz  (CEMAT) zu bitten:

a. mit ihren Überlegungen über eine bessere Ausgestaltung der Verkehrs- und Raumordnungspolitik zugunsten nachhaltiger Entwicklung und regionalen Zusammenhalts fortzufahren;

b. in ihrer Erklärung zur nächsten Ministerkonferenz (Moskau, 8.-9. Juli 2010) konkrete Vorschläge hinsichtlich der neuen Herausforderungen der globalisierte Welt an die Regionen aufzunehmen.

16. Der Kongress fordert das Ministerkomitee des Europarats auf, den Mitgliedsstaaten nahezulegen:

a. die Bedeutung der regionalen Ebene bei der Ausarbeitung einer vorausschauenden und abgestimmten Vision intra-regionalen Verkehrs anzuerkennen;

b. in Zusammenarbeit mit den Regionen eine neue Verkehrspolitik zu entwickeln, die neue Mobilitätsanforderungen mit räumlichen wie zeitlichen Faktoren verbindet;

c. auf nationaler Ebene eine integrierte Entwicklung kollektiver Verkehrsmittel durch langfristige Investitionen und Verpflichtungen zu unterstützen und auszubauen;

d. Modellvorhaben mit innovativen Verkehrsformen zu unterstützen und systematisch auszuwerten sowie erfolgreiche Versuche entschlossen allgemein umzusetzen.

17. Der Kongress fordert das Ministerkomitee ferner auf, die Europäische Kommission zu bitten, mit Hilfe von Modellvorhaben kommunale und regionale Initiativen zugunsten eines nachhaltigen Verkehrs stärker zu unterstützen, z. B. durch die CIVITAS-Initiative für sauberen Stadtverkehr.

18. Der Kongress fordert die Parlamentarische Versammlung des Europarats auf, mit ihren Arbeiten zum Problem nachhaltiger Entwicklung und regionalen Zusammenhalts fortzufahren.



[1] Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 18. März 2010 und Annahme durch den Kongress am 19. März 2010, 3. Sitzung (siehe Dokument CPR(18)4, Begründungstext, Berichterstatter : A. Banaszak, Poland (R, NI)).