Entschliessung 33 (1996)1 über Verbrechen und städtische Unsicherheit in Europa

Der Kongreß,

mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Gemeinden,

1. Zeigt sich betroffen über die hohen Quoten von Verbrechen, Gewalt und Unruhen in europäischen Städten und, im allgemeinen, über die häufigen Anzeichen einer fehlenden Bürgerpflicht und Verantwortung, die sich in überflüssigen Gewalttaten, in absichtlichen Versuchen den Frieden zu stören und anderen Formen von asozialem Verhalten niederschlägt.

2. Wünscht sich zum Zweck dieser Entschließung, Verbrechen und städtische Unsicherheit eher als absichtliche Taten allgemeiner und geringfügiger Kriminalität, als Wandalismus und Delikte gegen die gegenwärtige Gesetzgebung und gegen akzeptiertes zivilisiertes Verhalten zu definieren, denn als organisiertes Verbrechen.

3. Glaubt, daß hierfür eine Vielzahl von Faktoren verantwortlich sind (wirtschaftlicher Rückgang, Arbeitslosigkeit, soziale Entbehrungen und Ausschluß, eine armselige oder monotone physische Umgebung, unangemessene Wohnungen, Zusammenbruch von Familien, Generationen- und ethnische Konflikte).

4. Ist der Ansicht, daß die kürzlichen Veränderungen und Phänomene in Europa und die sich daraus ergebenden wichtigen strukturellen und politischen Änderungen, besonders in Mittel- und Osteuropa, d.h. die Öffnung der Grenzen, das Ausmaß an Flüchtlingen, demographische und Bevölkerungsentwicklungen, wirtschaftliche Unordnung in manchen Ländern, das Fehlen einer politischen Kultur oder Ethos, größerer Tourismus und höhere Intensität an Kommunikation - Auswirkungen auf die Art von städtischem Verbrechen und Unsicherheit haben, eine Steigerung neuer Verbrechenstendenzen mit sich bringen, zum Beispiel die hohe Drogenabhängigkeitsquote und Drogendelikte, rassistische Anschläge, Straßenbanden etc., um nicht die spektakuläre Ausweitung und Komplexheit von international organisiertem Verbrechen anzuführen.

5. Zeigt sich insbesondere über die hohe Jugendkriminalitätsquote beunruhigt, die steigende Anzahl jugendlicher Straftäter und die negativen Auswirkungen schwacher familiärer Strukturen auf junge Leute, Arbeitslosigkeit, fehlende Perspektiven, Frust durch nicht erreichbare aber doch sichtbare Konsumgüter und das Risiko, daß der Ausweg ins Verbrechen häufig fälschlicherweise als Durchsetzungsvermögen und Würde betrachtet werden kann.

6. Ist betroffen, daß Verbrechen nachteilige Auswirkungen auf die öffentliche Meinung haben können und manche Bereiche der Öffentlichkeit zu extremen Haltungen bewegen kann.

7. Begrüßt deshalb die Identifizierung dieses Problems als eine Priorität in den gegenwärtigen und zukünftigen Aufgabenbereichen des CLRAE - eine Verpflichtung, die durch die Gründung einer Arbeitsgruppe “Verbrechen und städtische Unsicherheit “ reflektiert wird, mit dem Auftrag ein Arbeitsprogramm auszuarbeiten und auf diese Weise den Impuls der bereits von der vorherigen Dauerkonferenz vorgelegten Arbeit weiterführt, hauptsächlich die der internationalen Hauptkonferenz von 1987 in Barcelona und der Reihe anschließender spezialisierter Kolloquien über Verbrechen.

8. Wünscht die Billigung des Programmes der Arbeitsgruppe “Verbrechen und städtische Unsicherheit “, d.h.:

- die Vorbereitung des einleitenden Berichts von Herrn Ries, der derzeit vorliegt

- die Organisation einer internationalen Hauptkonferenz 1997 in Erfurt

- die Vorbereitung eines kompletten Berichts, der 1997 in der Sitzung der Gemeindekammer vorgestellt wird, in Begleitung einer an die europäischen Gemeinden gerichteten Hauptempfehlung

- die Organisation eines 1998 stattfindenden Kolloquiums über städtischen Transport und Verbrechen

- die mögliche Organisation einer weiteren Konferenz über Verbrechenstendenzen und Politik in Mittel- und Osteuropa

und betrachtet die obengenannten Elemente als solide anfängliche Schritte in der Entwicklung der Arbeit des CLRAE, in dieser für die Zukunft der europäischen Gesellschaft überaus bedeutenden Frage.

9. Begrüßt den gegenwärtigen Bericht als einen wertvollen Beitrag zur Bestimmung der Ursachen, dem Ausmaß und der Eigenschaften von Verbrechen; der Auswirkungen auf das soziale Netz in städtischen Gebieten und auf die Gesellschaft als Ganzes; der jüngsten neuen spezifischen Orientationen und Merkmalen, besonders was die Beziehung zwischen Jugendkriminalität und Drogendelikten anbetrifft.

10. Begrüßt ebenfalls die Reihe der im Bericht ausgeführten politischen Annäherungen, welche die Koordination und Abstimmung zwischen verschiedenen Ebenen öffentlicher Behörden und Berufssparten, die in städtische Entwicklung eingebunden sind, verstärken und welche Verbrechensbekämpfungspolitik als eine Mischung aus Solidarität, Vorbeugung, Abschreckung und Unterdrückung identifizieren.

11. Glaubt, daß der zentralen Regierung eine klare Verantwortlichkeit zukommt, was den Aufbau eines rechtlichen Rahmens zur Verbrechensvorbeugung und - bekämpfung betrifft, sowohl die Bereitstellung angemessener finanzieller Mittel und einer politischen Führung.

12. Ist dennoch der Ansicht, daß das Problem am akutesten auf kommunaler Ebene zu spüren ist und dort erkannt wird, wo Unsicherheit bei Bürgern an der Tagesordnung steht, und dem gemäß Kommunalpolitik und entsprechende Programme die Schlüsselrolle in der Bekämpfung von Verbrechen und städtischer Unsicherheit einnehmen.

13. Glaubt folglich, daß die Gemeinden, als Verwalter der sozialen und physischen Umgebung, diesem Problem direkt gegenüberstehen und eine Lösung in allen Verantwortungsbereichen praktisch reflektiert werden muß:- in Städteplanung, öffentlichem Transport, Schul - und Bildungswesen, in Infrastrukturen für Sport und Freizeit, Familien- und Sozialpolitik, Wohnungsbau und natürlich auch in städtischen Polizeidiensten.

14. Glaubt daher, daß in Anbetracht der Vielschichtigkeit dieses Problems und seinen Ursprüngen, Lösungen in einer koordinierten und intersektoralen Art und Weise gesucht werden müssen, und begrüßt deshalb die gemischten Strukturen und Verbände, die in dieser Hinsicht in manchen Ländern gegründet wurden.

15. Glaubt vor allem, daß eine zufriedenstellende Lösung dieser Fragen in hohem Ausmaß nach einer internationalen Annäherung verlangt, und folglich dem Europarat und dem CLRAE wichtige Rollen zukommen, besonders aufgrund der Berufung und der Ziele des Europarats, Lösungen für Probleme in der gegenwärtigen Gesellschaft zu suchen, und aufgrund seiner Rolle, die Prinzipien von Demokratie, Freiheit und Menschenwürde zu verteidigen.

16. Beschließt :

17. Seine Untersuchung dieses großen urbanen Problems fortzusetzen und versichert, als Vehikel für die Überwachung und als Plattform für den Austausch von Informationen und Erfahrungen auf diesem Gebiet zur Verfügung zu stehen, zum Nutzen der Gemeinden aller Mitgliedsstaaten, insbesondere in den Ländern, die große dramatische Änderungen in den letzten Jahren durchgemacht haben und deren politische, soziale und rechtliche Strukturen stets labil sind.

18. Die kommende internationale Konferenz, die vom 26.-28. Februar 1997 in Erfurt stattfindet, auf folgende Punkte zu konzentrieren:-

a. Einen Rückblick auf die gegenwärtige Situation, besonders hinsichtlich der Auswirkung der Öffnung der europäischen Grenzen und das Problem in Mittel- und Osteuropa; die Bedrohung der Demokratie durch Unsicherheit; das sich ausweitende heimtückische Drogenproblem; die Angst vor Verbrechen, die vor allem die wehrlosen Bevölkerungsteile spüren; Korruptionsprobleme innerhalb der Gemeinden; die Auswirkungen der sozialen und physischen Umgebung und, im allgemeinen, eine Beurteilung der zeitgenössischen Merkmale von Verbrechen, die häufig von der Situation früherer Jahre in großem Maße abweichen.

b. Die Rolle der Gemeinden, insbesondere in der Verfolgung und Erkennung neuer Annäherungen und politischer Maßnahmen im Umgang mit Verbrechen, mit Fallstudien, die beispielsweise Räte zur Verbrechensvorbeugung hervorheben; Nachbarschaftsbeobachtungs-programme und andere Beispiele zur Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bevölkerung, wo immer solche Maßnahmen von der Öffentlichkeit akzeptiert werden; neue Wahrnehmung des Einflusses von sozialem und physischen Umfeld in Städten; die Wichtigkeit von Erziehung und Bildung; die Rolle von Sport und Freizeit, insbesondere für junge Leute.

c. Internationale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit, anhand der Untersuchung bestehender und vorgeschlagener Netzsysteme und anderen Beispielen zur Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, und die Identifizierung der besonderen Aufgabe des CLRAE.
19. Die Zusammenarbeit mit anderen Körperschaften innerhalb und außerhalb des Europarats, wie die Pompidou Gruppe gegen Drogenmißbrauch, der Lenkungsausschuß zu Verbrechensproblemen (CDPC), das Europäische Forum für städtische Sicherheit und Europol, und dort wo es angemessen erscheint, die Definition und Organisation gemeinsamer Programme in diesem Zusammenhang.

20. Die Ausarbeitung von an die europäischen Gemeinden gerichteten detaillierten Vorschläge und Empfehlungen, innerhalb und als Begleitung des vollständigen Berichts, der 1997 in der Session der Gemeindekammer vorgelegt wird.

21. Die Organisation einer weiteren Kampagne oder eines Jahres gegen Verbrechen und städtische Unsicherheit in Europa in Betracht zu ziehen, entweder direkt durch den CLRAE organisiert oder durch den Europarat als Einheit.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Gemeinden am 3. Juli 1996 und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 5. Juli 1996 (siehe Dok. CPL (3) 6, Entschliessungsentwurf vorgelegt von Herrn R. Ries, Berichterstatter)