Empfehlung 125 (2003)1 betreffend Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gebiet Kaliningrad: ein Erfordernis der sozialen Kohäsion

Der Kongress,

1. In Anbetracht der durch die Arbeitsgruppe des Präsidiums des KGRE für das Gebiet Kaliningrad und den durch Herrn Skard (Präsident, Norwegen) geführten Orientierungsbesuch vom 2. und 3. Dezember 2002, an welchem die Herren Grzelak (Polen), Saltykov (Russland) und Zaveckas (Litauen) teilnahmen;

2. Berücksichtigt die Stellungnahme des Kongresspräsidiums vom 7. Februar 2003 (s. Dok. CG (9) 27, Stellungnahme) und des Ausschusses für soziale Kohäsion vom 14. März 2003 sowie die Beratung durch Herrn Hans Martin Tschudi (Schweiz), Hauptberichterstatter des Kongresses für grenzüberschreitende Zusammenarbeit;

3. Erinnert an die Empfehlung 117 (2002) betreffend "Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit: ein Einsatz für die demokratische Stabilität in Europa" und den Bericht von Herrn Hans Martin Tschudi (CPR (9) 3 Teil II);

4. Erinnert an die Entschliessung 1298 (2002) der Parlamentarischen Versammlung "Sicherstellung einer prosperierenden Zukunft des Gebiets Kaliningrad: die Notwendigkeit europäischer Solidarität" und an die Empfehlung 1579 (2002) betreffend "die Erweiterung der Europäischen Union und das Gebiet Kaliningrad";

5. Nimmt zur Kenntnis, dass das Europäische Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften (auch Übereinkommen von Madrid genannt) durch Polen, Litauen und die Russische Föderation ratrifiziert worden und in allen drei Ländern in Kraft getreten ist;

6. Nimmt zur Kenntnis, dass das Zusatzprotokoll und das Protokoll Nr. 2 des erwähnten Übereinkommens in Litauen am 27. Februar 2003 in Kraft getreten ist, dass aber Polen und die Russische Föderation diese Texte weder unterzeichnet noch ratifiziert haben;

7. Unterstreicht die aktive Teilnahme des Gebiets Kaliningrad an den drei Euroregionen von Neman, Saule und Balticum, die einen wichtigen Beitrag an die allgemeine grenzüberschreitende Zusammenarbeit darstellt;

8. Betont die mit der georgaphischen Lage des Gebiets Kaliningrad gegebenen Möglichkeiten einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Russland und der Europäischen Union;

9. Anerkennt die durch verschiedene Organisationen wie den Rat der Ostseeanrainerstaaten und die Konferenz der Subregionen des Ostseeraums geleistete Arbeit zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Ostseegebiet;

10. Hebt die Tatsache hervor, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit als ein echtes Instrument zur Stärkung der sozialen Kohäsion, des gegenseitigen Verständnisses und der nachhaltigen Entwicklung von Gemeinden und Regionen in Grenznähe aller einbezogenen Länder anzusehen ist und dass auch kulturelle Aktivitäten als ein integrierendes Element der sozialen Kohäsion gesehen werden können;

11. Ist überzeugt, dass es ohne einen leichten Zugang zu Visen für die Bewohner von Grenzregionen mit Visumspflicht nicht möglich sein wird, Bewegungsfreiheit und den Austausch von Gütern, Diensten, Ideen und Personen sicherzustellen;

12. Begrüsst das zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation geschlossene Abkommen betreffend den Transit russischer Bürger in das russische Festland, der bis zum 1. Juli 2003 zur Einführung eines vereinfachten Transitdokuments sowie eines vereinfachten Transitdokuments für den Bahnverkehr führen soll, welche den Transit zu Lande nur für russische Staatsangehörige zwischen dem Gebiet Kaliningrad und anderen Teilen Russlands ermöglicht - unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die gegenwärtig geltenden Transitregeln für Personen nach der Einführung der neuen Transitregelung für den Personen- und Güterverkehr aus und nach dem Gebiet Kaliningrad nicht verschlechtern sollten;

13. Berücksichtigt die gegenwärtig durch das Generaldirektorat für rechtliche Angelegenheiten des Europarats durchgeführte Studie betreffend "Massnahmen zur Lösung gewisser Probleme des Gebiets Kaliningrad";

14. Erwähnt das durch das Generaldirektorat für rechtliche Angelegenheiten des Europarats im Oktober 2001 durchgeführte Studienseminar über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gebiet Kaliningrad und das im Oktober 2002 durch das Generaldirektorat für rechtliche Angelegenheiten des Europarats in Kaliningrad organisierte gemeinsame Treffen der bilateralen Ausschüsse für grenzüberschreitende Zusammenarbeit;

15. Berücksichtigt die durch den Kongress zusammen mit der Stadt St.Petersburg für den 6. und 7. Oktober 2003 organisierte Konferenz betreffend die Euroregionen und die Zusammenarbeit der Gemeinden und Regionen an der Ostsee, welche zu neuen Vorschlägen für die Zusammenarbeit im Gebiet Kaliningrad führen könnte;

16. Fordert die Russische Föderation und die Europäische Union auf, zusätzliche Schritte für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Gebiets Kaliningrad zu unternehmen und dabei auch die Vorteile seines Status als wirtschaftliche Sonderzone zu nutzen im Hinblick auf eine Maximierung des wirtschaftlichen Potenzials dieses Gebiets als eines Schaufensters für die Entwicklung Russlands und seiner fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Europäischen Union;

17. Fordert die Russische Föderation und Polen auf, das Zusatzprotokoll zu dem Europäischen Rahmenübereinkommen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften (Übereinkommen von Madrid) zu unterzeichnen und zu ratifizieren, da dieses einen brauchbaren rechtlichen Rahmen für die Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Gemeinden und Regionen im Gebiet Kaliningrad bieten könnte;

18. Fordert die Russische Föderation, Polen und Litauen auf:

a. die bestehenden institutionellen Strukturen für grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf allen Ebenen voll zu nutzen;

b. die Unterzeichnung eines dreiseitgen Abkommens über grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gebiet Kaliningrad zu prüfen (wie im Zusatzprotokoll zum oben erwähnten Europäoischen Rahmenübereinkommen vorgesehen; s. auch dessen allgemeine Bestimmungen für zwischenstaatliche Musterverträge), welches es den Gemeinden und Regionen ermöglichen sollte, im Rahmen des Gesetzes einen Grossteil der öffentlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit Fragen des Überschreitens von Grenzen in eigener Verantwortung und zum Wohle der kommunalen Bevölkerung zu regeln und zu handhaben;

c. die konsularische Präsenz eines jeden Staates in den beiden anderen zu verstärken;

d. ihre Interaktion im Interesse der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Gebiets Kaliningrad nach der Erweiterung der Europäischen Union aufrecht zu erhalten;

e. die Schaffung eines mit kommunalen und regionalen (Oblast, Woiwodschaft, Bezirk) gewählten Vertretern besetzten Organs für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit ins Auge zu fassen, dem auch andere Regionen benachbarter Ostseestaaten beitreten könnten, und dabei die Möglichkeit zu beachten, dass sich dieses Organ an gut konzipierten ähnlichen Strukturen für Zusammenarbeit wie dem Barents Euro-Arctic Council, der Oberrheinkonferenz oder an dem im Anhang zu dem Übereinkommen von Madrid figurierenden zwischenstaatlichen Mustervertrag für die grenzüberschreitende Konsultation von Regionen ausrichten könnte;

Diese Abkommen sollten eine solide Zusammenarbeit und, womöglich, den Austausch auf folgenden Gebieten ermöglichen:

19. Fordert das Ministerkomitee auf:

a. bei der Beantwortung der Empfehlung 1579 (2002) der Parlamentarischen Versammlung die Empfehlungen des Kongresses zu berücksichtigen;

b. seine Bemühungen um die Revision des Europäischen Abkommens von 1957 betreffend die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats im Hinblick auf die zukünftige beidseitige Abschaffung der Visumsformalitäten zwischen Russland und der Europäischen Union zu intensivieren;

c. die Entwicklung des Gebiets Kaliningrad besonders aufmerksam zu verfolgen und insbesondere:

i. den Ausschuss von Beratern für die Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Mittel- und Osteuropa mit der Leistung von Rechtshilfe zu betrauen mit dem Ziel, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu verstärken, die Aktivitäten vor Ort zu unterstützen sowie Partnerschaften mit anderen Euroregionen einzurichten, welche Erfahrungswissen und Know-how übermitteln könnten;

ii. den Lenkungsausschuss für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (LR-CT) anzuregen, anlässlich der Konferenz von St.Petersburg (Session III: Kaliningrad in der europäischen Zusammenarbeit: Aussichten für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gebiet Kaliningrad) die Schlussfolgerungen der laufenden Untersuchung betreffend "Massnahmen für die Lösung gewisser Probleme des Gebiets Kaliningrad" vorzustellen und zu diskutieren;

iii. das als Folge der Zusammenkunft des Ministerkomitees in Vilnius eröffnete Sonderkonto für regionale Zusammenarbeit möglichst wirksam für die Entwicklung der regionalen Zusammenarbeit im Gebiet Kaliningrad zu nutzen;

iv. allfällige, dem Programm für vertrauensbildende Massnahmen des Europarats vorgelegte, grenzüberschreitende Projekte für das Gebiet Kaliningrad zu fördern;

v. das Direktorat für Jugendfragen einzuladen, alle für die Einleitung und Entwicklung des Jugendaustauschs in dem Gebiet geeigneten Mittel zu prüfen;

vi. das Direktorat für Jugendfragen und das Generaldirektorat für politische Belange einzuladen, junge Führungspersonen im Gebiet Kaliningrad zur Teilnahme an den Aktivitäten des Programms Democratic Leadership anzuregen;

vii. den Generalsekretär einzuladen, speziell für das Gebiet Kaliningrad konzipierte Aktivitäten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bildungsbereich zu entwickeln;

20. Fordert die Europäische Union auf:

a. den bestehenden Fonds für die Förderung von Aktivitäten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (INTERREG) zu nutzen und den bereits vorliegenden Vorschlag zur Äufnung eines "Fonds für Kaliningrad" zusammen mit den Behörden der Russischen Föderation zu entwickeln;

b. in ihren Hilfsprogrammen für das Gebiet Kaliningrad die Modernisierung der Infrastrukturen an den Grenzübergängen sowie Infrastrukturen mit einer grenzübergreifenden Dimension als prioritär zu behandeln;

c. die Zusammenarbeit zu intensivieren im Hinblick auf eine bessere Koordination und Adaptation der Mittel der Programme PHARE und TACIS (neben dem oben erwähnten Programm INTERREG) zugunsten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gebiet Kaliningrad.

1 Diskussion und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 21. März 2003 (s. Dok. CG (9) 27, durch Herrn H. SKARD, Berichterstatter, vorgelegter Empfehlungsentwurf).