Empfehlung 75 (2000)1 betreffend den Entwurf eines Europäischen Rahmenübereinkommens der Berggebiete

Der Kongress,

1. ERINNERND

a. daran, dass ein erster Entwurf eines Rechtstexts unter dem Titel "Entwurf einer Europäischen Charta der Berggebiete" durch den Kongress im Rahmen seiner Empfehlung 14 (1995) gutgeheissen wurde;

b. daran, dass die Parlamentarische Versammlung an der Ausarbeitung dieses Entwurfs teilgenommen hatte und ihn sodann in ihrer Empfehlung 1274 (1995) unterstützte;

c. daran, dass nach einer zustimmenden Stellungnahme des Komitees Hoher Beamter der CEMAT das Ministerkomitee die Gründung einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe beschloss und diese beauftragte, gestützt auf die oben erwähnten Empfehlungen den Text eines Übereinkommens betreffend die Berggebiete auszuarbeiten;

d. daran, dass die Rechtsabteilung des Generalsekretariats des Europarats (DAJ) eine Stellungnahme zu dem durch die erwähnte Arbeitsgruppe ausgearbeiteten Text abgegeben hat, worin sie vorschlägt, den Entwurf einer Europäischen Charta der Berggebiete umzuändern in den Entwurf eines Rahmenübereinkommens;

e. daran, dass die mit der Angelegenheit befassten Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung und des Kongresses in Berücksichtigung der Stellungnahme der Rechtsabteilung den Entwurf einer Europäischen Charta der Berggebiete revidiert und in die Form des Entwurfs zu einem Europäischen Rahmenübereinkommen der Berggebiete gebracht haben.

2. BERÜCKSICHTIGEND

a. die Tatsache, dass die Gemeinden und Regionen der Berggebiete die Annahme eines internationalen Rechtsinstruments verlangen, das geeignet ist, im Rahmen einer umfassenden Politik für nachhaltige Raumentwicklung die Bedingungen sicherzustellen, welche für die sozio-ökonomische Entwicklung der Bergbevölkerungen unter Wahrung ihrer Umwelt notwendig sind;

b. die durch die Fachverbände, die repräsentativen Organe der kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften sowie die im Europarat versammelten Regierungsexperten geleistete Arbeit;

c. die zahlreichen Aufrufe zur Annahme von internationalen Massnahmen im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung der Berggebiete, welche anlässlich der im Laufe der letzten Jahre durch den Kongress und die Parlamentarische Versammlung durchgeführten Konferenzen ergangen sind, insbesondere anlässlich

- der 3. Konferenz der Berggebiete, die vom 15.-17. September 1994 in Chamonix (Frankreich) stattfand;

- der parlamentarischen Konferenz für eine gesamteuropäische Politik der Berggebiete, die vom 11.-13. September 1997 in Rodez (Frankreich) stattfand;

- des Forums betreffend die dauerhafte Raumentwicklung des europäischen Kontinents, welches am 25. und 26. November 1999 in Strassburg (Frankreich) stattfand;

- des Seminars über den Entwurf eines Europäischen Rahmenübereinkommens der Berggebiete, das am 28. April 2000 in St.Vincent (Italien) stattfand;

d. die Empfehlung des KGRE Nr. 72 (2000), welche Stellung nimmt zu den "Leitprinzipien für die nachhaltige Gebietsentwicklung des europäischen Kontinents" und worin der Kongress das Komitee Hoher Beamter der Europäischen Konferenz der Raumordnungsminister (CEMAT) auf die Notwendigkeit hinweist, dass ein Europäisches Rahmenübereinkommen der Berggebiete angenommen wird;

e. den Empfehlungsentwurf (Doc 8733) der Parlamentarischen Versammlung betreffend die Rolle des Europarats hinsichtlich der Raumordnung, welcher dem Ministerkomitee empfiehlt, den Entwurf des Europäischen Rahmenübereinkommens der Berggebiete anzunehmen und so den Forderungen der Bergbevölkerungen, vor allem auch in den zentral- und osteuropäischen Ländern, nachzukommen.

3. UNTERSTREICHT

a. dass der Entwurf eines Europäischen Rahmenübereinkommens der Berggebiete:

- sich an alle Berggebiete in den Mitgliedstaaten des Europarats, an deren Bevölkerungen sowie an die europäischen, nationalen und regionalen politischen Stellen wendet;

- seine Daseinsberechtigung in dem Bestreben findet, den europäischen Gebirgsraum in seiner Gesamtheit und unter Berücksichtigung seiner sozio-ökonomischen, kulturellen und Umwelt-Aspekte zu behandeln;

- darauf angelegt ist, den Abschluss bilateraler und multilateraler internationaler Verträge betreffend die grenzübergreifenden Gebirgsmassive sowie die Annahme nationaler Politiken für die Entwicklung und den Schutz der Berggebiete zu fördern;

b. dass die "Konvention zum Schutz der Alpen" (Alpenkonvention) hinsichtlich der Alpen ein Beispiel ante litteram für die Anwendung der im Entwurf des Europäischen Rahmenübereinkommens der Berggebiete enthaltenen Grundsätze darstellt, und dass die in der "Alpenkonvention" enthaltenen Bestimmungen diejenigen des Entwurfs eines Europäischen Rahmenübereinkommens der Berggebiete daher;

c. dass die nicht zu den Alpenländern gehörenden Mitgliedstaaten des Europarats (insbesondere diejenigen Zentral- und Osteuropas) über keine internationalen rechtlichen Bezugswerke verfügen, die ihnen bei der Lösung der Probleme ihrer eigenen Berggebiete, besonders der grenzüberschreitenden unter ihnen, hilfreich sein können;

d. dass der Entwurf zu dem Rahmenübereinkommen ein für die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörtperschaften der Berggebiete in den betreffenden Ländern unerlässliches Instrument darstellt.

4. EMPFIEHLT dem Ministerkomitee:

a. den Entwurf eines Europäischen Rahmenübereinkommens der Berggebiete, der sich im Anhang zu dieser Empfehlung findet, den Europäischen Raumordnungsministern, die am 7. und 8. September 2000 in Hannover zusammenkommen werden, zuzuleiten;

b. nach der Konferenz von Hannover den Entwurf des Rahmenübereinkommens noch einmal zu prüfen, um ihn so bald wie möglich anzunehmen und zur Unterzeichnung aufzulegen.

ANHANG

ENTWURF EINES EUROPÄISCHEN RAHMENÜBEREINKOMMENS DER BERGGEBIETE

Präambel

Die Mitgliedstaaten des Europarats und die übrigen Unterzeichner des vorliegenden Übereinkommens,

1. In Anbetracht dessen, dass es das Ziel des Europarats ist, eine engere Vereinigung zwischen seinen Mitgliedern herzustellen, und dass dieses Ziel insbesondere durch den Abschluss von Verträgen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet verfolgt wird;

2. Erinnernd an das Europäische Rahmenübereinkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften oder -behörden, genannt Übereinkommen von Madrid, von 1980;

3. Erinnernd an die Empfehlungen und die an der Konferenz von Rio de Janeiro 1992 eingegangenen Verpflichtungen betreffend Umwelt und Entwicklung, inbesondere an das Kapitel 13 der Agenda 21;

4. Im weiteren erinnernd an die anlässlich der europäischen Konsultation über nachhaltige Entwicklung in den Bergen (Trento, Italien, 7.-11. Oktober 1996) angenommene Zwischenstaatliche Erklärung, worin zu bedenken gegeben wird, dass die Berggebiete ein ausserordentliches Erbe darstellen, das es zu erhalten gilt;

5. Hinsichtlich der Alpen die Alpenschutzkonvention von Salzburg aus dem Jahre 1991 berücksichtigend;

6. Erinnernd an den Aktionsbereich Nr. 10 betreffend die Oekosysteme in den Bergen aus der von den versammelten Umweltministern 1995 gutgeheissenen Europäischen Strategie für biologische und landschaftliche Vielfalt;

7. In Erwägung sämtlicher durch das Ministerkomitee, die Parlamentarische Versammlung und den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas hinsichtlich der Berge angenommenen Entschliessungen und Empfehlungen;

8. In Erwägung der Empfehlung 14 (1995) vonseiten des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas sowie der Empfehlung 1274 (1995) vonseiten der Parlamentarischen Versammlung des Europarats betreffend die Europäische Charta der Berggebiete;

9. Feststellend, dass die Berggebiete weite Bereiche des europäischen Territoriums einnehmen und wichtige Aufgaben im allgemeinen Interesse, vor allem auf dem Gebiet der Umwelt sowie auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet, wahrnehmen;

10. Im Bewusstsein, dass die europäischen Berggebiete in ihrer Vielfalt - die es zu bewahren und zu fördern gilt - wirtschaftlich, sozial und in Umweltbelangen aufgrund ihrer Höhenlage, Abschüssigkeit und klimatischen Bedingungen manche Probleme gemeinsam haben, die nach einer spezifischen, integrierten und an den Grundsätzen nachhaltiger Entwicklung ausgerichteten Politik rufen;

11. Erwägend, dass sich eine solche Politik in eine gesamteuropäische Raumordnungspolitik einfügen muss, die notwendig Massnahmen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, zum Schutz und zur Bewirtschaftung der Naturschätze sowie für die Respektierung der lokalen Traditionen und Kulturen umfassen muss;

12. Erwägend, dass die Umweltsituation in den Bergen für die dort lebenden Bevölkerungen nicht nur Zwänge, sondern auch Chancen mit sich bringt, und dass ein gutes Gleichgewicht gefunden werden muss zwischen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Bevölkerung und dem Schutz ihrer Umwelt;

13. Den Grenzcharakter gewisser Berggebiete und damit die Notwendigkeit berücksichtigend, beidseits solcher Grenzen kohärente Politiken durchzuführen;

14. Überzeugt, dass die besonderen Bedingungen in den Berggebieten die Befriedigung der Grundbedürfnisse ihrer Bewohner erschweren und dass die Bergbevölkerungen Lebens- und Arbeitsbedingungen aufrechterhalten können sollten, die gleichwertig sind mit denjenigen anderer Gebiete;

15. Erwägend, dass es hierfür vor allem notwendig ist, sich auf die den Gebieten, ihren Bewohnern und den Problemen der Berggebiete nahen Gemeinden und Regionen zu verlassen, deren Zusammenarbeit zu fördern und allfällige Initiativen von ihrer Seite zu unterstützen;

sind wie folgt übereingekommen:

TEIL I: ZWECK, DEFINITION UND ANWENDUNGSBEREICH

Artikel 1

Zweck

1. Zweck des vorliegenden Übereinkommens ist die Definition eines gemeinsamen Rahmens, sodass:

a. jede Vertragspartei eine spezifische und integrierte Politik für die Entwicklung, die Planung, die Verwaltung und den Schutz der Berggebiete konzipieren und diese Politik mit allen dafür geeigneten Mitteln umsetzen kann;

b. zwischenstaatlich bi- oder multilaterale Abkommen betreffend homogene grenzübergreifende Berggebiete geschlossen werden können;

2. Der in Artikel 1 ins Auge gefasste gemeinsame Rahmen soll den Bergbevölkerungen Bedingungen für eine sozio-ökonomische Entwicklung gewährleisten, welche ein Gleichgewicht zwischen den menschlichen Aktivitäten und den ökologischen Erfordernissen wahrt, wie dies den in der obenstehenden Präambel genannten Zielen und Grundsätzen entspricht.

Artikel 2

Definition des Berggebiets und territorialer Anwendungsbereich

1. Zum Zwecke des vorliegenden Übereinkommens verstehen die Vertragsparteien unter "Berggebiet" jedes Gebiet, dessen Höhenlage, Abschüssigkeit und Klima besondere, die Aktivitäten der Menschen beeinflussende Bedingungen schaffen.

2. In Übereinstimmung mit Artikel 12.1, nachstehend, kann jeder Staat die Gebiete seines Territoriums bezeichnen, welche der obenstehenden Definition entsprechen und auf welche das Übereinkommen Anwendung finden soll.

TEIL II: GRUNDSÄTZE UND INSTRUMENTE

Artikel 3

Grundsätze

1. Die Besonderheit von Berggebieten muss durch die Vertragsparteien rechtlich verankert werden; diese Gebiete müssen demzufolge in den Genuss einer vor allem traditionelle Aktivitäten begünstigenden und an den Grundsätzen nachhaltiger Entwicklung ausgerichteten Politik kommen.

2. Die Gemeinden und Regionen sollen, entsprechend ihren jeweiligen Zuständigkeiten, in Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip in die Festlegung, die Ausarbeitung und die Umsetzung der durch diese Politik geforderten Massnahmen einbezogen werden. Die Vertragsparteien verpflichten sich, bei der Ausarbeitung und Verwirklichung ihrer Bergpolitik die Rolle der Gemeinden und Regionen zu fördern, indem sie deren Zuständigkeiten und Finanzmittel verstärken und, wo nötig, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erleichtern.

3. Interkommunale und interregionale Zusammenarbeit im nationalen sowie im grenzüberschreitenden und im transnationalen Rahmen sollte die Umsetzung der Bergpolitik erleichtern.

Artikel 4

Instrumente

1. Im Hinblick auf die Verwirklichung einer Bergpolitik, die sich aus dem vorliegenden Übereinkommen ergibt, verpflichtet sich jede Vertragspartei:

a. für die Entwicklung und den Schutz der Berggebiete geeignete Instrumente einzuführen. Diese Instrumente, welche die Form übergreifender und integrierter Pläne und Programme haben, werden auf der hierfür am besten geeigneten territorialen Ebene - lokal, regional, national oder grenzübergreifend - ausgearbeitet. Sie finden Anwendung auf geographisch homogene und in funktionaler Hinsicht kohärente Gebiete;

b. die bereits verfolgten sektoriellen Politiken anzupassen, ihre Wirksamkeit zu erhöhen und für ihre Koordination sowie Integration in gesamthafter Sicht zu sorgen;
c. die interkommunale, interregionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu fördern und gegebenenfalls hinsichtlich grenzübergreifender homogener geographischer Räume den Abschluss internationaler, bilateraler und/oder multilateraler Verträge anzustreben.

2. Im Blick auf die Anwendung von Abschnitt 1.b, oben, verpflichtet sich jede Vertragspartei, innerhalb der betroffenen sektoriellen Politiken auf der rechtlichen, administrativen, fiskalischen, wirtschaftlichen und finanziellen Ebene geeignete Massnahmen einzuführen und dabei die im Anhang zu dem vorliegenden Übereinkommen angegebenen Richtlinien zu verfolgen.

TEIL III: STÄNDIGER AUSSCHUSS

Artikel 5

Zusammensetzung und Funktionieren

1. Zu Zwecken des vorliegenden Übereinkommens wird ein Ständiger Ausschuss gebildet.

2. Jede Vertragspartei kann sich durch eine Delegation von Vertretern aus ihren Berggebieten in dem Ständigen Ausschuss vertreten lassen. Jede Delegation verfügt über eine Stimme. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats und der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) nehmen darin als Beobachter teil.

3. Im Falle eines Beitritts der Europäischen Gemeinschaft zu dem Übereinkommen ist diese darin mit einer Zahl von Stimmen vertreten, die gleich ist wie diejenige ihrer dem Übereinkommen beigetretenen Mitgliedstaaten; wenn die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ihr Stimmrecht ausüben, übt die Europäische Gemeinschaft ihr Stimmrecht nicht aus, und umgekehrt.

4. Jeder Mitgliedstaat des Europarats, der nicht Vertragspartei in dem Übereinkommen ist, kann sich in dem Ständigen Ausschuss durch einen Beobachter vertreten lassen.

Der Ständige Ausschuss kann durch einstimmigen Beschluss jeden Nichtmitgliedstaat des Europarats, der nicht Vertragspartei in dem Übereinkommen ist, einladen, sich an einer seiner Zusammenkünfte durch einen Beobachter vertreten zu lassen.

Jede Organisation und jede technisch einschlägig qualifizierte Institution kann für sich Beobachterstatus in dem Ständigen Ausschuss beantragen. Der Ständige Ausschuss kann einem solchen Ersuchen mit einfacher Stimmenmehrheit stattgeben.

5. Der Ständige Ausschuss wird durch den Generalsekretär des Europarats einberufen. Seine erste Zusammenkunft findet innerhalb eines Jahres nach dem Datum des Inkrafttretens des Übereinkommens statt. Danach tritt er immer dann zusammen, wenn die Mehrheit der Parteien dies fordert, mindestens jedoch alle zwei Jahre.

6. Die Mehrheit der Vertragsparteien bildet das für die Durchführung einer Zusammenkunft des Ständigen Ausschusses notwendige Quorum.

7. Der Ständige Ausschuss gibt sich, vorbehaltlich der in dem vorliegenden Übereinkommen enthaltenen Bestimmungen, eine Geschäftsordnung.

Artikel 6

Zuständigkeiten

1. Der Ständige Ausschuss ist beauftragt, die Anwendung und Umsetzung des vorliegenden Übereinkommens zu verfolgen. Er kann insbesondere:

a. an die Vertragsparteien Empfehlungen abgeben hinsichtlich der zur Umsetzung des vorliegenden Übereinkommens zu ergreifenden Massnahmen;

b. geeignete Massnahmen empfehlen für die Information des Publikums über die im Rahmen des vorliegenden Übereinkommens unternommenen Arbeiten;

c. Empfehlungen an das Ministerkomitee abgeben betreffend die Einladung von Nichtmitgliedstaaten des Europarats zum Beitritt zu dem vorliegenden Übereinkommen;

d. jeden Vorschlag zur Verbesserung der Wirksamkeit des vorliegenden Übereinkommens machen.

2. Der Ständige Ausschuss kann zur Erfüllung seiner Aufgaben aus eigener Initiative Treffen von Expertengruppen veranlassen.

Artikel 7

Bericht über die Anwendung des Übereinkommens

Der Ständige Ausschuss übermittelt dem Ministerkomitee des Europarats nach jeder Zusammenkunft einen Bericht über seine Arbeit und über die Umsetzung des Übereinkommens.

Jede Vertragspartei informiert den Ständigen Ausschuss über die in Anwendung des vorliegenden Übereinkommens getroffenen Massnahmen.

Artikel 8

Öffentlichkeit der Arbeiten

Der Ständige Ausschuss legt der Parlamentarischen Versammlung und dem KGRE regelmässig, mindestens jedoch alle fünf Jahre, einen ausführlichen Bericht über die Anwendung des vorliegenden Übereinkommens vor.

TEIL IV: SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 9

Unterzeichnungen und Ratifikationen

Das vorliegende Einkommen wird zur Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten des Europarats und der Europäischen Gemeinschaft aufgelegt. Sie wird Gegenstand von Ratifikation, Annahme oder Zustimmung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Zustimmungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.

Artikel 10

Inkrafttreten

1. Das vorliegende Übereinkommen tritt in Kraft am ersten Tag des Monats, der auf den Ablauf einer Zeitspanne von drei Monaten nach dem Datum folgt, an welchem fünf Mitgliedstaaten des Europarats ihr Einverständnis erklärt haben, entsprechend den Bestimmungen von Artikel 9 durch das Übereinkommen verpflichtet zu sein.

2. Für jeden Mitgliedstaat oder, gegebenenfalls, für die Europäische Gemeinschaft, der später sein Einverständnis erklärt, durch das Übereinkommen verpflichtet zu werden, tritt dieses in Kraft am ersten Tag, der auf den Ablauf einer Zeitspanne von drei Monaten nach dem Datum der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme- oder Zustimmungsurkunde folgt.

Artikel 11

Beitritt von Nichtmitgliedstaaten

1. Nach dem Inkrafttreten des vorliegenden Übereinkommens kann das Ministerkomitee jeden Nichtmitgliedstaat des Europarats einladen, dem Übereinkommen beizutreten.

2. Für jeden beitretenden Staat tritt das Übereinkommen in Kraft am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitraum von drei Monaten nach dem Datum der Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats folgt.

Artikel 12

Gebietsklausel

1. Jede Vertragspartei kann zum Zeitpunkt der Unterzeichnung oder der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Zustimmungsurkunde das Gebiet oder die Gebiete angeben, auf welche das vorliegende Übereinkommen gemäss Artikel 2, oben, in Absprache mit den Gemeinden und Regionen sowie mit den übrigen Vertretern der betreffenden Berggebiete Anwendung finden soll.

2. Jede Vertragspartei kann in der Folge zu jedem Zeitpunkt die Anwendung des vorliegenden Übereinkommens auf jedes weitere Gebiet ausdehnen, welches den in Artikel 2 des vorliegenden Übereinkommens genannten Bedingungen entspricht und für dessen internationale Beziehungen sie verantwortlich ist oder für das sie Verpflichtungen eingehen kann, indem sie dies in einer an den Generalsekretär des Europarats gerichteten Erklärung mitteilt.

Artikel 13

Kündigung

1. Jede Vertragspartei kann das vorliegende Übereinkommen zu jedem Zeitpunkt kündigen, indem sie eine entsprechende Notifizierung an den Generalsekretär des Europarats richtet.

2. Die Kündigung wird wirksam am ersten Tag des Monats, der auf den Ablauf einer Zeitspanne von sechs Monaten nach dem Empfangsdatum der Notifizierung durch den Generalsekretär folgt.

Artikel 14

Verschiedene Notifizierungen

Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats und jedem Staat, der Vertragspartner des vorliegenden Übereinkommens ist:

a. jede Unterzeichnung;

b. die Hinterlegung jeder Ratifikations-, Annahme- Zustimmungs- oder Beitrittsurkunde;

c. jedes Datum eines Inkrafttretens des Übereinkommens entsprechend dessen Artikeln 9 und 10;

d. jeden in Anwendung der in Artikel 7 und 8 enthaltenen Bestimmungen erstellten Bericht;

e. jede andere Rechtshandlung, Notifizierung, Erklärung oder Mitteilung mit Bezug zu dem vorliegenden Übereinkommen.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.

Geschehen zu Strassburg, am ......, in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einem einzigen Exemplar, das im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats und jedem zum Beitritt zu dem vorliegenden Übereinkommen aufgeforderten Staat beglaubigte Abschriften.

ANHANG

Richtlinien für die Anwendung von Artikel 4.1.b des Übereinkommens

A) Richtlinien betreffend die einschlägigen sektoriellen Politiken

1. Wirtschaftliche Vielfalt und Mehrfachbeschäftigung

Anregung einer breiten Vielfalt wirtschaftlicher Tätigkeiten und Förderung von Mehrfachbeschäftigung mithilfe aller hierzu dienlichen Beschlüsse insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts, der sozialen Absicherung, der Steuern und der Ausbildung.

2. Land- und Forstwirtschaft

1. Umsetzung einer an die Besonderheiten der Berggebiete, an den Umweltschutz und an die multifunktionale Rolle der Landwirtschaft angepassten Land- und Forstwirtschaftspolitik, welche diesen Aktivitätsbereich modernisiert und - über die Einführung einer Reihengeschäfts- und Qualitätspolitik - die Diversifikation und Kommerzialisierung der Produktionen fördert.

2. Diese Politik soll insbesondere:

a. die Bedingungen des Fortbestandes der landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und durch Beweidung genutzten Räume, der Höfe und berglandwirtschaftlich genutzten Flächen gewährleisten;

b. komplementärwirtschaftliche Tätigkeiten unterstützen;

c. land- und forstwirtschaftliche Initiativen unterstützen, die zum Schutz und zur Betreuung der Umwelt beitragen;

d. die den Berggebieten eigenen natürlichen und ökologischen Zwänge kompensieren;

e. Massnahmen für den Schutz, die Entwicklung und die nachhaltige Nutzung der Wälder einführen.

3. Industrie, Handwerk, Handel und private Dienstleistungen

1. Entwicklung der Industrie, des Handwerks, des Handels und der privaten Dienstleistungen unter Berücksichtigung der in den Berggebieten herrschenden besonderen Bedingungen;

2. Verstärkung der Zusammenarbeit, vor allem zwischen kleinen Unternehmen sowie zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen einschliesslich der Land- und der Forstwirtschaft sowie des Tourismus;

3. Einführung wissenschaftlicher Forschung und technologischer Entwicklung sowie Schaffung oder Verbesserung von Netzen für den Transfer von Technologie und Innovation in Berggebieten.

4. Tourismus

1. Anregung und Unterstützung von Initiativen, die beitragen zur Entwicklung eines die natürlichen, wirtschaftlichen, sozialen, patrimonialen und kulturellen Gegebenheiten in den Bergen respektierenden Qualitätstourismus, insbesondere solcher Initiativen, welche Gemeinden oder Regionen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ergreifen;

2. Ermutigung zu einem die ökologischen Besonderheiten jeder Lage respektierenden Qualitätstourismus und entsprechende Anpassung der Leistungsfähigkeit der Infrastrukturen und Dienstleistungen;

3. Förderung eines ganzjährigen Tourismus;

4. Reglementierung der Ausübung gefährlicher oder das Gleichgewicht der natürlichen Umwelt gefährdender Freizeitaktivitäten und Sensibilisierung der Touristen für diese Probleme.

5. Wohnungswesen, Umfeld und Infrastruktur

1. Überwachung, damit die Dauerbewohner nicht unter dem durch die Nachfrage nach Zweitwohnungen verzerrten Immobilienmarkt zu leiden haben;

2. Konsolidierung und Förderung der bestehenden Wohnungen und Kontrolle der Errichtung von Zweitwohnungen;

3. Nichtdiskriminierung der Berggebiete im Vergleich zum übrigen Territorium hinsichtlich des Wohnungswesens, der Grundausstattung und der öffentlichen Dienste;

4. Leichter Zugang für die Bergbevölkerung zu den nähergelegenen öffentlichen Diensten;

5. Aufrechterhaltung von öffentllichen Erholungsanlagen und Diensten in den Berggebieten, unabhängig von ihrer Rentabilität.

6. Verkehr

Unter Berücksichtigung der umweltbedingten Zwänge sowie der Notwendigkeit, Gesundheit und Lebensqualität der Bergbewohner zu schützen:

1. Förderung der Zugänglichkeit der Berggebiete in Sicherheit das ganze Jahr über;

2. Verbesserung des Schienenverkehrs für internationalen Durchgangsverkehr und für interregionalen Verkehr sowie Förderung des öffentlichen Verkehrs insbesondere auf lokaler Ebene;

3. Verbesserung der regionalen, interregionalen und grenzüberschreitenden Verbindungswege unter Berücksichtigung der kommunalen Rechtsnormen für Umweltverträglichkeitsprüfungen.

7. Energie

1. Verwertung der einheimischen Ressourcen und umweltzuträgliche Nutzung der hydroelekrischen Möglichkeiten;

2. Umverteilung der aus ihren hydraulischen Ressourcen stammenden Einkommen unter den Gebietskörperschaften in den Bergen;

3. Konsolidierung der Programme zur Förderung alternativer und erneuerbarer Energien.

8. Umwelt

1. Schutz und nachhaltige Bewirtschaftung der Böden, des Wassers, der Luft und der Landschaften sowie Erhaltung und gegebenenfalls Wiederherstellung der Flora und Fauna und ihrer Standorte;

2. Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen für jedes Vorhaben auf dem Gebiet der Touristik, der Industrie oder der Infrastrukturen wie auch für alle Programme oder Politiken, die den Umweltressourcen in den Bergen erheblicheren oder dauernden Schaden zufügen könnten;

3. In den in Artikel 4.a. des Übereinkommens erwähnten Plänen und Programmen Abgrenzung der Zonen, wo Bauten, Freizeitanlagen, Verkehr oder andere die Umwelt gefährdende oder schädigende Aktivitäten eingeschränkt, vermieden oder nötigenfalls verboten werden müssen;

4. Bestandesaufnahme der von Naturgefahren bedrohten Zonen und Einleitung einer entsprechenden Präventivpolitik zur Gewährleistung der Sicherheit von Personen und Gütern.

9. Bildung und Ausbildung

1. Förderung des Zugangs zum Bildungswesen und, in Berücksichtigung der Notwendigkeit auch von Erwachsenenbildung, Aufrechterhaltung der Schulen in den Berggebieten; diese sollten so organisiert werden, dass die Kinder keine grossen Entfernungen zu überwinden haben; daher auch Förderung von Tele-Unterricht und Bildungstechnologien;

2. Schaffung von Ausbildungsgängen, die den wirtschaftlichen Realitäten der Berggebiete angepasst sind, wie Ausbildungen auf Doppelqualifikationen hin und Ausbildungen in typischen Gebirgsberufen.

10. Kultur

1. Respektierung und Stärkung der Identität der Bergbevölkerungen und ihrer Regionen;

2. Aufrechterhaltung und Förderung der Vielfalt und des Reichtums ihres Kulturerbes und des örtlichen Vereinslebens.

11. Wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit

1. Einführung oder Verbesserung von Informationssystemen und Systemen zur Erhebung statistischer Daten in Berggebieten, die mit denjenigen anderer Staaten kompatibel, d.h.vergleichbar sind;

2. Förderung der Vernetzung und Zusammenarbeit aller mit Bergproblemen befasster Institutionen.

B) Richtlinien betreffend wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen

Im Hinblick auf die Anwendung von Artikel 4.1.b des Übereinkommens angenommene wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen können folgende Form haben:

1. Direkthilfen, steuerliche Anreize und/oder Entgelt für Leistungen, die für Schutz und Pflege der Umwelt oder für die Verhütung von Naturgefahren erbracht werden;

2. Beitragsleistungen zum Ausgleich für naturbedingte Behinderungen oder ökologische Zwänge;

3. Ausgleichssysteme, einschliesslich des Steuerausgleichs, zugunsten benachteiligter Gebiete.

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 24. Mai 2000, 2. Sitzung (siehe Dok. CG(7) 6, Empfehlungsentwurf, vorgelegt durch Herrn Vierin, Berichterstatter)