Empfehlung 11 (1995)1 betreffend den Beitrag der Roma und Sinti zum Aufbau eines toleranten Europas

Der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas

1. Ist sich der Wichtigkeit bewusst, die der Anwesenheit des oft marginalisierten, ausgeschlossenen und verfolgten Volkes der Roma und Sinti in unseren Ländern zukommt;

2. Schätzt sich glücklich angesichts der am Wiener Gipfel vorgestellten Initiative, einen Aktionsplan und eine europäische Jugendkampagne gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz in die Wege zu leiten;

3. Beglückwünscht sich zu den Arbeiten der Parlamentarischen Versammlung und vor allem zu dem Bericht Verspaget über «die Roma und Sinti in Europa»;

4. Stellt mit Befriedigung fest, dass die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) anlässlich der Konferenz von Budapest im Rahmen des BDIMR (Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte) von Warschau einen Kontaktpunkt für die Probleme der Roma geschaffen hat;

5. Erinnert an die auf Initiative des KGRE durchgeführte Anhörung vom 11. Juli 1994 zum Thema: «Der Beitrag der Roma und Sinti zum Aufbau eines toleranten Europa», den Bericht von dem Kolloquium von Liptovsky Mikulas (15.-17. Oktober 1992) über «Die Roma und Sinti in der Gemeinde2» sowie die Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe über «Die Aufnahme der Roma und Sinti in den Gebietskörperschaften» und des in diesem Rahmen geschaffenen Städtenetzes

und

6. Empfiehlt dem Ministerkomitee,

i. unverzüglich den Teil II der Entschliessung (75) 13 des Ministerkomitees umzusetzen und von den nationalen Regierungen die Vorlage von nationalen Berichten über die Umsetzung dieser Entschliessung zu verlangen;

ii. Schritte zum Einsatz eines europäischen Mittelsmannes für die Roma und Sinti zu unternehmen, wie dies in der Entschliessung 125 (1981) der SKGRE und in der Empfehlung 1203 (1993) der Parlamentarischen Versammlung gefordert worden war, oder in Ermangelung dessen eine kleine ad hoc-Expertengruppe auf die Beine zu stellen, die sich über Angelegenheiten der Roma und Sinti mit dem Ministerkomitee in Verbindung setzen kann;

iii. Innerhalb des Sekretariats des Europarats eine kleine, mit den Belangen der Roma und Sinti betraute Einheit zu schaffen, die dem Kontaktpunkt der OSZE, dem Kongress sowie den betroffenen nichtstaatlichen Organisationen als Gesprächspartner dienen kann;

iv. den Generalsekretär zu beauftragen, im Europarat eine gemischte Reflexionsgruppe mit Vertretern der Roma und Sinti, Regierungsvertretern, Parlamentariern sowie Vertretern der Gemeinden und Regionen und der nichtstaatlichen Organisationen zu bilden;

v. die Machbarkeit der Ausarbeitung einer internationalen Rechtsinstruments für den Personenverkehr auszuarbeiten, die den in einem Mitgliedsland wohnenden, wandernden Roma und Sinti die Möglichkeit des Bezugs von Ausweispapieren garantiert, welche ihnen das gesetzeskonforme Bereisen der Mitgliedländer gestatten, nicht anders als den übrigen Angehörigen von Mitgliedstaaten;

vi. eine gründliche Untersuchung vorzunehmen und, wenn nötig, eine Revision der nationalen Gesetze zu empfehlen, um den Roma und Sinti zu ermöglichen, in den Genuss ihrer bürgerlichen Grundrechte zu kommen, voll am politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben der Mitgliedstaaten teilzunehmen, in denen sie leben und sich, sofern sie innerhalb der Grenzen der Europäischen Union leben, an den europäischen Wahlen zu beteiligen;

vii. die Regierungen der Mitgliedstaaten aufzufordern, die Entstehung und das Funktionieren des Städtenetzes zu fördern. Die Aktivitäten des Netzes sollten auf europäischer Ebene durch die drei thematischen Zusammenkünfte der in Punkt 8.iii der Entschliessung 16 (1995) erwähnten Arbeitsgruppe unterstützt werden;

viii. Massnahmen zu ergreifen zur Sicherstellung einer besseren Information über die auf europäischer Ebene verfügbaren Programme und Budgets, um den Bevölkerungen der Roma und Sinti zu Hilfe zu kommen und insbesondere Schritte zu unternehmen, um zu ermöglichen, dass ein angemessener Anteil der Interventionen und der in manchen Organisationen wie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Europäischen Union, dem Europarat (insbesondere seinem Sozialentwicklungsfonds) verfügbaren Gelder für Massnahmen zugunsten der Roma und Sinti eingesetzt werden;

ix. die Machbarkeit der Schaffung eines neuen Solidaritätsfonds auf europäischer Ebene zu prüfen, um die mit den allgemeinen Hilfsmassnahmen zugunsten der Nomaden verbundenen, vor allem auch die durch die Gemeinden und die Regionen übernommenen Kosten zu decken;

x. diejenigen Regierungen von Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, zur Unterzeichnung und Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen (STE 148) aufzufordern und in diesem Zusammenhang der Anerkennung und Förderung des Romani besondere Beachtung zu schenken;

xi. die Regierungen der Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, zur Unterzeichnung und Ratifizierung aufzufordern von:

a. dem Übereinkommen über die Beteiligung der Ausländer am öffentlichen Leben der Gemeinde (STE 144)

b. dem Rahmenübereinkommen über den Schutz der nationalen Minderheiten;

xii. die Regierungen der Mitgliedstaaten aufzufordern, die Roma und Sinti als eine Minderheit mit dem selben Status und den selben Begünstigungen wie die übrigen Minderheiten anzuerkennen;

xiii. die Machbarkeit der Schaffung eines Informationszentrums über die Roma und Sinti im Rahmen des Europarats als eines Werkzeugs zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz zu schaffen; dieses Zentrum müsste in Verbindung mit den Gemeinde- und Regionalbehörden und in Konsultation mit der unter 6.iv. genannten gemischten Reflexionsgruppe sowie in enger Zusammenarbeit mit ähnlich orientierten Zentren arbeiten. Ganz allgemein müsste es sich für eine bessere Verständigung zwischen den Roma und Sintin und den Bevölkerungsmehrheiten einsetzen;

xiv. das ECRI (Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz) aufzufordern, mit besonderer Aufmerksamkeit die die Roma und Sinti treffende Diskriminierung, den Rassismus und die Intoleranz im Auge zu haben und zu diesem Zweck folgendes zu organisieren:

─ eine allgemeine Anhörung der Vertreter der Roma und Sinti;

─ Besuche/Abordnungen von Beratern in jenen Ländern, wo die Lage am gespanntesten ist;

Das ECRI (Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz) könnte insbesondere legislative Massnahmen vorschlagen, die garantieren, dass die Medien nicht gewollt oder ungewollt ein negatives Bild der Roma und Sinti vermitteln;

xv. die Regierungen der Mitgliedstaaten aufzufordern, die Möglichkeit zu prüfen, auf nationaler Ebene Zentren der Vermittlung und des durch anerkannte und berechtigte Sprecher geführten Gesprächs zwischen Behörden und Roma und Sinti einzurichten;

xvi. die Machbarkeit der Einrichtung europäischer Ausbildungsprogramme für Mittelsmänner für Roma und Sinti zu prüfen, um diesen einen Status zu verschaffen, aufgrund dessen sie ihre Rolle bei den Gebietskörperschaften voll wahrnehmen können;

xvii. die Regierungen der Mitgliedstaaten aufzufordern, eine Stabilisierungspolitik für solche Bevölkerungsteile der Roma und Sinti einzuleiten, die dies wünschen, indem sie ihnen ein permanentes Aufenthaltsrecht gewähren, das geeignet ist, ihnen bei der Lösung ihrer Wohnungs- und Gesundheitsprobleme und bei der Befriedigung ihrer Erziehungs- und Berufsbildungsbedürfnisse zu helfen;

xviii. die Duchführbarkeit einer umfassenden Aktion zugunsten der Roma und Sinti mittels einer Vereinbarung zwischen den Roma und Sinti, den europäischen Institutionen und den Behörden zu prüfen. Ein solcher Solidaritätspakt müsste den drei Parteien ermöglichen, sich mit Entschiedenheit einzusetzen;

xix. den Aktivitäten des Europarats zur Bekämpfung der Ausgrenzung und der tiefen Armut seine volle Unterstützung zukommen zu lassen;

xx. der durch die Tätigkeit des Europäischen Rats für kulturelle Zusammenarbeit angestrebten, dringlichen Schaffung eines «Kulturweges der Roma und Sinti» sowie seinen Aktivitäten auf dem Gebiet des Schulwesens, der beruflichen Ausbildung und der Information seine volle Unterstützung zu gewähren;

xxi. den im Rahmen des CDEG (Lenkungsausschuss für die Gleichheit zwischen Frau und Mann) durchgeführten Tätigkeiten zugunsten der Roma-und Sinti-Frauen seine volle Unterstützung zu gewähren;

xxii. dem Projekt eines Expertenseminars über den Rechtsstatus der Roma und Sinti in Europa und in den Mitgliedstaaten seine volle Unterstützung zu gewähren;

xxiii. der Ständigen Konferenz für die Zusammenarbeit und Koordination der europäischen Verbände der Roma und Sinti, welches letztes Jahr anlässlich der durch den Europarat durchgeführten Anhörung gegründet wurde, seine Unterstützung zu gewähren;

xxiv. die Bemühungen des Informationsdienstes «Rom News» um eine bessere Verbreitung der Probleme der Roma und Sinti sowie von Beispielen guter Praxis in ganz Europa zu unterstützen;

xxv. die Bemühungen der Zeitschrift «Interface» um europaweite Verbreitung der Beispiele einer «guten Praxis» und anderer nützlicher Informationen zu unterstützen.

7. Fordert die Parlamentarische Versammlung auf, ihren Einsatz für die Sache der Roma und Sinti gestützt auf den Bericht Verspaget und die Empfehlung 1203 (1993) aufrechtzuerhalten;

8. Empfiehlt der OSZE, im Rahmen des innerhalb des BDIMR geschaffenen Kontaktpunktes für die Roma eine Partnerschaft mit dem Kongress der Gemeinden und Regionen anzustreben.

 

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 31. Mai 1995, 2. Sitzung (siehe Dok. CG (2) 3, Teil I Rec., Empfehlungsentwurf vorgelegt von Herrn A. Slafkovsky, Berichterstatter)

2 «Etudes et travaux» Nr. 38; Verlag des Europarats, 1994.