Entschliessung 136 (2002)1 betreffend das Internationale Jahr der Berge - Ein neues politisches Projekt für die europäischen Berge: Benachteiligte Berggebiete in Ressourcen verwandeln

1. Anlässlich des Internationalen Jahres der Berge hat der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) in der Absicht, den Bergbewohnern eine angemessene Lebensqualität zu verschaffen und die nachhaltige Entwicklung der Bergregionen zu fördern, die folgende Erklärung zur Zukunft der europäischen Berggebiete angenommen.

Der Kongress,

2. Erinnert daran, dass dem durch den KGRE ausgearbeiteten Europäischen Rahmenübereinkommen der Berggebiete durch das Ministerkomitee des Europarats noch nicht zugestimmt worden ist. Die Frage einer gemeinsamen Ausrichtung der Berggebiete zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung, wie ihre lokalen Gebietskörperschaften dies damals vorschlugen, bleibt daher im Moment noch offen. Der Kongress möchte jedoch die in den Jahren seither über die Berggebiete - vor allem über die für sie charakteristischen sozio-ökonomischen und Umwelt-Faktoren - geleistete Arbeit aufwerten. Es wäre somit wünschenswert, wenn ein Dokument ausgearbeitet würde, das sich, auch wenn es nicht die Form eines Übereinkommens erhält, doch an den Grundsätzen des vom Kongress seinerzeit entworfenen Übereinkommens für die Berggebiete ausrichtet. Der Kongress wird sich während des Internationalen Jahres der Berge hierum bemühen;

3. Ist der Ansicht, dass Europa es sich heute nicht mehr leisten kann, das, was Millionen von Menschen und die sie repräsentierenden öffentlichen Institutionen in den Berggebieten aufgebaut haben, an den Rand der New Economy und des Weltmarktes abzuschieben. Die Berggebiete wollen das mit ihnen herkömmlicherweise verknüpfte Bild von Notstandsgebieten abschütteln und sich als eine Ressource präsentieren, in welche Staaten, Regionen und die Europäische Union kulturell, politisch und finanziell investieren können;

4. Ist der Ansicht, dass die Berggebiete Europas den nötigen Rahmen für eine Entwicklung schaffen müssen, die mit ihrer Umwelt vereinbar ist und sich mit der Fähigkeit des Menschen kombiniert, Verfahren zur Nutzung der natürlichen Ressourcen zu schaffen, indem er die Naturgegebenheiten an seine Produktionsziele adaptiert und lernt, mit diesen Naturgegebenheiten zusammenzuleben und sie zu bewahren. Hierbei nimmt die Fähigkeit, technologisch und innovatorisch ausgerichtete Produktionssysteme zu schaffen, eine Schlüsselstellung ein;

5. Ist der Meinung, dass der Mangel an angemessenen Politiken für eine nachhaltige Entwicklung den Verfall der Gebiete und die dadurch bewirkte Abwanderung der Bergbewohner verursacht, mit schwerwiegenden Folgen für das ökologische und soziale Gleichgewicht sämtlicher Regionen des erweiterten Europa: er unterstreicht, dass der Verfall und die Preisgabe der Berggebiete sich unmittelbar negativ auf das Leben der im Flachland lebenden Bevölkerungen auswirkt, und zwar vor allem hinsichtlich der Wasservorräte sowie hinsichtlich der Risiken von Naturkatastrophen;

6. Fordert alle Gemeinden und Regionen der 44 Mitgliedstaaten des Europarats auf, die Bemühungen um den Erhalt der Berggebiete für die kommenden Generationen zu unterstützen;

7. Erachtet die rechtliche Anerkennung der Besonderheit der Berggebiete beim Neuaufbau Europas von 2004 als strategisches Ziel und fordert die Mitglieder des "Konvents zur Zukunft Europas" auf, diesem Ziel Rechnung zu tragen. Die Berggebiete müssten als ein Faktor der Integration für den gesamten Kontinent anerkannt werden; die Aussicht auf ein spezifisches Interventionsprogramm der EU zugunsten der Berggebiete im Rahmen der Reform der Strukturfonds für den Zeitraum 2007 - 2013 müsste unterstützt werden;

8. Erachtet es in Anbetracht der Besonderheit der Berggebiete für notwendig, dass die europäische Gesetzgebung auch daraufhin angelegt wird, den Nachteilen, vor allem hinsichtlich der sozialen Gegebenheiten und der Produktionsbedingungen, unter denen die Berggebiete im Vergleich zu anderen Teilen des Kontinents leiden, entgegenzuwirken;

9. Ist ausserdem der Meinung, dass zu diesen Zielen auch die rechtliche, soziale und wirtschaftliche Anerkennung gehört: es ist unerlässlich, über ein europäisches Rechtssystem zu verfügen, das die Berggebiete als solche berücksichtigt, eine klare, objektive und homogene Definition der diesbezüglichen Klassifikationskriterien enthält und die Schaffung der Bedingungen erleichtert, deren es für die Verbesserung der Dienstleistungen und der Lebensqualität in den Berggebieten bedarf;

10. Ist Befürworter einer starken politischen Initiative zur Befreiung der Alpenschutzkonvention aus der Sackgasse, in der sie sich wegen der unterschiedlichen Interpretationen der Unterzeichnerstaaten hinsichtlich der Anwendungsprotokolle befindet, wobei für diese Initiative die kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften der Berggebiete mobilisiert werden müssten;

11. Möchte im übrigen die gewählten Abgeordneten der Gemeinden und Regionen in den Berggebieten auf die Möglichkeit hinweisen, Partnerschaften zwischen Regionen unterschiedlicher west-, zentral- und osteuropäischer Staaten einzugehen und erklärt sich bereit, sein Know-how in den Dienst solcher Vorhaben zu stellen. Es ist notwendig, durch die Schaffung neuer Netze und Institutionen eine neue Zusammenarbeit zwischen jenen Staaten, Regionen und Ortschaften zu fördern, die die Ressourcen der Berggebiete miteinander gemeinsam haben, denn es bedarf einer wirksamen "transversalen Zusammenarbeit", um zu einem Gleichgewicht zwischen Entwicklung und Erhaltung zu gelangen.

1 Diskussion und Annahme durch den Kongress am 6. Juni 2002, 3. Sitzung (siehe Dok. CG (9) 9, Entschliessungsentwurf vorgelegt durch die Herren E. Borghi und Doric, Berichterstatter)