Entschliessung 42 (1996)1 betreffend das 2. Wirtschaftsforum der europäischen Regionen (Dortmund, 24.-26. Juni 1996)

Der Kongreß,

mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Regionen,

1. Hat die "Dortmunder Erklärung" (im Anhang) und den durch die Herren Chevrot (Frankreich) und Habermann (Deutschland) vorgelegten Bericht über "Die Regionen Europas im industriellen Strukturwandel" - beide Dokumente ausgehend von den Ergebnissen des vom 24. bis 26. Juni in Dortmund veranstalteten zweiten Wirtschaftsforums der europäischen Regionen - zur Kenntnis genommen;

2. Beglückwünscht sich zu der Durchführung des zweiten Forums der europäischen Regionen in Dortmund in Anwesenheit des Präsidenten des Europäischen Parlaments und des für die Regionalpolitik zuständigen europäischen Kommissars, deren Beteiligung als ein Zeichen für die der Initiative der Kammer der Regionen zur Stärkung der sozio-ökonomischen Zusammenarbeit zwischen den Regionen West- und Osteuropas innewohnende Dynamik und für das ihr entgegengebrachte Interesse gewertet werden kann;

3. Eingedenk der Empfehlung 23 (1996) und der Entschliessung 38 (1996) betreffend das erste Ost/West-Wirtschaftstreffen der Regionen, in dessen Schlussfolgerungen die Leitlinien für die zukünftige Arbeit des Kongresses auf diesem Gebiet skizziert sind;

4. Im Hinblick darauf, dass die gegenwärtige politische und wirtschaftliche Lage in Zentral- und Osteuropa, vor allem der Aufbau stabiler und arbeitsfähiger demokratischer Strukturen, vonseiten der europäischen Regionen anhaltende Bemühungen politischer, administrativer und wirtschaftlicher Art um eine Verstärkung des Wandlungsprozesses benötigt, und bedenkend, dass dieser Prozess durch eine interregionale Zusammenarbeit unterstützt werden sollte, die sich auf trag- und arbeitsfähige Verbindungsstrukturen abstützen kann;

5. Der Ansicht, dass solche Strukturen die neue geopolitische Situation in Europa berücksichtigen und deshalb vermehrt in den zentral- und osteuropäischen Ländern geschaffen bzw. verankert werden sollten;

6. Daran erinnernd, dass es ohne Stabilität und wirtschaftlichen Fortschritt keine dauerhaften demokratischen Institutionen in Europa geben kann, weshalb die Regionen ihre vermehrte wirtschaftliche Zusammenarbeit beschlossen haben, um so beizutragen zu einer Erleichterung der Reformen und zur Stärkung der demokratischen Institutionen auf kommunaler und regionaler Ebene;

7. Lädt die Gemeinden und Regionen ein:

a. ihre Bemühungen fortzusetzen und den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der im Wandel befindlichen Länder in einem Geiste der Solidarität und des gegenseitigen Vertrauens mit Projekten für den Transfer von administrativem, sozio-ökonomischem und ökologischem Know-how beizustehen, um deren neue demokratische Strukturen zu stärken,
b. zwischen spezialisierten Behörden ihrer Verwaltungen zwei- und dreiseitige Programme für Zusammenarbeit, technische Hilfe und Partnerschaft zu entwickeln,

c. auf ihrer Stufe Initiativen zur Ankurbelung der Wirtschaftstätigkeit einzuleiten, die vor allem darauf angelegt sind, die Struktur der kleinen und mittelständischen Unternehmen und deren Potential zur Schaffung neuer Berufe und Arbeitsplätze zu stärken,

d. die Interaktion zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor vermehrt zu fördern, um so einen raschen Wandel der regionalen Wirtschaftsstrukturen und ihre Anpassung an die neuen marktwirtschaftlichen Bedingungen und Regeln anzuregen,

e. dieses Kooperationsprogramm zu unterstützen und gemeinsam mit der Stiftung für die Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung der europäischen Regionen sowie mit dem Kongress, in Verbindung mit den Aktionen vonseiten der die regionalen Gebietskörperschaften Europas erfassenden internationalen Organisationen, in Zukunft weitere Wirtschaftstreffen der europäischen Regionen zu organisieren;

8. Beauftragt das Präsidium:

a. die durch die Kammer der Regionen auf diesem Gebiet begonnene Arbeit aufmerksam zu verfolgen und ihr - vorab für die kommenden Foren von Moskau (1996) und Wien (1997) und mögliche weitere Treffen - jede benötigte technische, politische und administrative Unterstützung zuzusichern;

b. die Arbeitsgruppe "Beschäftigung und wirtschaftliche bzw. soziale Entwicklung der Regionen" aufzufordern, die Organisation zukünftiger Treffen zu begleiten und zu beraten sowie die Einrichtung einer europäischen Ost/West-Verbindungs-, Ausbildungs- und Informationsstelle zu prüfen, die den regionalen Gebietskörperschaften als Kontakt- und Koordinationsstelle dienen und in einer Region eines zentral- oder osteuropäischen Landes angesiedelt werden könnte. Diese Stelle könnte die Funktion einer Relaisstation übernehmen, wo die sich aus der industriellen und administrativen Umstrukturierung ergebenden echten Bedürfnisse der regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften Zentral- und Osteuropas zum Ausdruck gebracht und gesammelt werden, um dann gezielt den institutionellen und wirtschaftlichen Partnern in den westeuropäischen Regionen übermittelt zu werden.

ANHANG

Dortmunder Erklärung
des Wirtschaftsforums der Regionen Europas

Die Regionen Europas wollen am Aufbau der zukünftigen Strukturen unserer Wirtschaft und Gesellschaft beteiligt sein. Subsidiarität, Dezentralisierung und Regionalisierung sind Tendenzen, die heute in allen europäischen Staaten festzustellen sind und die darauf ausgerichtet sind, Bürgernähe, höhere Transparenz und effektivere demokratische Prozesse zu sichern. Die Bürger in den Gemeinden und Regionen Europas wollen und müssen an dem Integrationsprozess beteiligt werden und dies im politischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Bereich sowie bei Fragen der Umweltgestaltung, des Transportwesens und dem Aufbau der neuen Technologie- und Kommunikationsnetze.

Die Regionen Europas sind konfrontiert mit schwerwiegenden Folgen der industriellen Umstrukturierung und einem verschärften internationalen Wettbewerb.

Um zur Lösung dieser Probleme beizutragen, engagieren sich die Regionen Europas, im wirtschaftlichen Bereich neue Formen der Zusammenarbeit von öffentlichen Verwaltungen, Unternehmen, Banken und Industrie- und Handelskammer und anderen Akteuren zu entwickeln und zu diskutieren. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Regionen stellt einen wichtigen Faktor in der Bewältigung der derzeitigen Beschäftigungskrise dar. Diese Zusammenarbeit der Regionen ist ein dynamisches und komplementäres Element in der gesamtwirtschaftlichen Zusammenarbeit der Staaten im neuen Europa.

Der Europarat und insbesondere die Kammer der Regionen des Kongresses erfüllen hier eine wichtige Aufgabe. Die Stiftung für die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen ist aktiv an diesen Prozessen beteiligt.

Um Probleme aus diesen Bereichen gemeinsam zu diskutieren und Zukunftsvisionen für die Gestaltung einer demokratischen, solidarischen und humanitären Gesellschaft der Zukunft in Europa zu formulieren, haben sich 800 Vertreter und Vertreterinnen aus 27 europäischen Staaten in der Zeit vom 24. bis 26. Juni 1996 in Dortmund zu dem Wirtschaftsforum der Regionen Europas getroffen mit dem Ziel, Erfahrungen und Perspektiven des industriellen Strukturwandels gemeinsam zu erörtern. In neuen Arbeitskreisen wurden folgende Themen behandelt:

- Wirtschaftlicher Strukturwandel der Regionen aus Unternehmenssicht: Wege von der industriellen Massenproduktion zum innovativen Technologiekonzern

- Wege zur Privatisierung von Staatsbetrieben: Industrielle Umstrukturierung und Aufbau mittelständischer Unternehmen

- Neue Chancen in Zukunftsindustrien: Internationale Arbeitsteilung und neue Kooperation durch multimediale Kommunikation

- Public-Private-Partnership: Von der staatlichen Kommunalwirtschaft zu neuen Formen der Ver- und Entsorgung in Städten und Regionen

- Konsequenzen des Strukturwandels für den regionalen Arbeitsmarkt: Die Bedeutung des Dienstleistungssektors für die Modernisierung der regionalen Wirtschaft

- Bewältigung der Umweltproblematik: Umgang mit Altlasten, Nutzung neuer Techniken und Verfahren

- Finanzwirtschaftliche Kooperationen mit den Übergansregionen: Die Bedeutung der Kreditwirtschaft beim wirtschaftlichen Umbau

- Strukturwandel mit sozialer Kompetenz: Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft im sozialen Dialog

- Wissenschaftliche Forschung und Technologietransfer als Motor des regionalen Strukturwandels

Diese Themen wurden in intensiven Diskussionen in den Workshops vertieft.

In den Plenarsitzungen wurde die Bedeutung der Tatsache betont, dass Verantwortliche aus ganz Europa zusammengekommen sind, um gemeinsam über die Perspektiven der wirtschaftlichen Entwicklung der europäischen Regionen zu sprechen. Es wird erkennbar, dass Europa beginnt, auf diesem Gebiet in neuen Dimensionen zu denken und zu handeln. Besonders die neuen Informationstechnologien sind eine Chance für die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Regionen. Hier können sich neue Strukturen entwickeln für ein regional ausgeglichenes Wachstum. In diesem Sinne wurde der Ausbau eines Telekomunikationsnetzes der Regionen Europas beschlossen, der den Regionen in West- und Osteuropa im Rahmen eines "Internet der Regionen" die Durchführung enger Kooperationsprojekte erleichtert.

Darüber hinaus wurde unterstrichen, dass neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Staaten Zentral- und Osteuropas entwickelt werden müssen. Diese sind vor allem in der Regionalwirtschaft, der Telekommunikation, im Umweltschutz und beim Ausbau der grossen europäischen Verkehrsachsen erforderlich.

Mit Referenz auf das erste Forum in Genf dankt die Konferenz der Stadt Dortmund für die gelungene Durchführung dieses zweiten Forums, welches den Dialog und den permanenten Erfahrungsaustausch zwischen den Regionen West-, Mittel- und Osteuropa vorangetrieben hat. Sie begrüsst die Einladung der Stadt Wien zur Fortsetzung dieses Dialogs in 1997.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 18. November 1996, Annahme durch den Ständigen Ausschuss am 19. November 1996 (siehe Dok. CPR (3) 7, Entschliessungsentwurf vorgelegt von Herren J.-M. Chevrot und M. Habermann, Berichterstatter)