30. TAGUNG

Straßburg, 22.-24. März 2016

Beobachtung der Kommunalwahlen in der Ukraine

(25. Oktober 2015)

Empfehlung 386 (2016)[1]

1. Nach der Einladung durch den ukrainischen Außenminister, die Kommunalwahlen am 25. Oktober 2015 zu beobachten, verweist der Kongress der Gemeinden und Regionen auf:

a.Artikel 2, Abs. 4 der statutarischen Entschließung (2000)1 des Ministerkomitees über den Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats;

b.die Grundsätze, die in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (ETS Nr. 122), die am 11. September 1997 von der Ukraine ratifiziert wurde;

c.die Kongress-Entschließung 395(2015) über seine Geschäftsordnung.[2]

2. Der Kongress bestätigt erneut die Tatsache, dass wahrhaft demokratische Kommunal- und Regionalwahlen Teil eines Prozesses zur Etablierung und Wahrung demokratischer Governance sind, und die Beobachtung der politischen Partizipation auf Ebene der Gebietskörperschaften ein wichtiges Element der Rolle des Kongresses als Hüter der Demokratie in den Gebietskörperschaften darstellt.

3. Der Kongress begrüßt die Tatsache, dass die ukrainischen Stellen ihre Bemühungen zur Konsolidierung der demokratischen Prozesse vorantreiben und dass die Kommunalwahlen 2015 in allgemein ruhiger, transparenter und gut organisierter Weise durchgeführt wurden.

4. Er erkennt an, dass die Wahlhelfer auf der Ebene der Stadtbezirke größtenteils die Rechte der Wähler am Wahltag gewährleisten konnten, trotz der Komplexität der rechtlichen Bedingungen und der verfahrenstechnischen Unstimmigkeiten.

5. Er stellt mit Zufriedenheit fest, dass die Wählerregistrierung im Großen und Ganzen alle einbezog und die Wähler im Allgemeinen in der Lage waren, ihren Willen frei und ohne Einschüchterung auszudrücken.

6. Er bestätigt, dass die Wahlatmosphäre wettbewerbsorientiert war und viele Parteien und Kandidaten einbezog, musste aber mit Bedauern von uneinheitlichen Registrierungen von Kandidaten erfahren und dass das Recht nicht auf allen Gebietskörperschaftsebenen unabhängige Kandidaten zuließ, ungeachtet der Größe der Gebietskörperschaft.

7. Der Kongress zeigt sich jedoch besorgt über Beschwerden eines weit verbreiteten Stimmenkaufs und Versuche, Mitglieder der Wahlverwaltung zu bestechen, insbesondere an Orten mit Kopf-an-Kopf-Rennen einzelner Kandidaten, und über Angriffe auf Kandidaten und Wahlkampfhelfer in einigen Gebieten.

8. In Anbetracht des Vorstehenden schlägt der Kongress vor, weitere Verbesserungen im Hinblick auf das Wahlgesetz und die praktischen Aspekte des Wahlmanagements vorzunehmen und er ruft die ukrainischen Stellen aus diesem Grund auf:

a. den allgemeinen Rechtsrahmen für Kommunalwahlen unter Beachtung internationaler Standards und guter Praktiken in Wahlfragen zu überarbeiten, um eine einheitliche Entscheidungsgrundlage sowie eine Vorhersagbarkeit und Einheitlichkeit der Gesetzgebung zu erreichen;

b.erneut den Einsatz anderer Wahlsysteme in verschiedenen Gebietseinheiten zu erwägen, gemäß ihrer jeweiligen Einwohnerzahl, um mehr Klarheit für die Wähler und die Wahlverwaltung zu schaffen, eine Unter- und Überrepräsentierung bestimmter Wählerschaften in den Räten (der Regionen, Distrikte, Städte und Stadtbezirke) zu vermeiden und letztendlich die Übereinstimmung zwischen dem Wählerwillen und dem Wahlergebnis zu stärken;

c. in Übereinstimmung mit Absatz b. die Gestaltung der Stimmzettel und den Zugang zu Informationen über die Kandidaten und Wahlprogramme für Wähler zu verbessern, um ihnen den Prozess zu verdeutlichen, insbesondere im Hinblick auf die Folgen ihrer Stimmabgabe (i.e. haben sie für einen konkreten Kandidaten gestimmt?);

d.die Modalitäten im Hinblick auf die Ernennung und Entlassung von Wahlgremien zu überarbeiten, um willkürliche Entscheidungen und korrupte Praktiken zu verhindern und eine Entpolitisierung und Professionalisierung auf allen Ebenen der Wahlverwaltung zu gewährleisten;

e.das Verfahren für die Kandidatenregistrierung zu überarbeiten, um politisch motivierte Ausschlüsse zu verhindern und um unabhängige Kandidaten, die von organisierten Wählergruppen nominiert wurden, in allen Einheiten der Gebietsverwaltung zuzulassen;

f. die Frage der Auflistung der Ergebnisse zu klären und technische Probleme zu lösen;

g. die Umsetzung der bestehenden Gesetze über Wahlbetrug und Verstöße gegen Vorschriften in Bezug auf den Wahlkampf und Parteienfinanzierung zu verbessern.

9. Darüber hinaus fordert der Kongress die ukrainischen Stellen auf, Maßnahmen zur Stärkung der unabhängigen Medienberichterstattung von Kommunalwahlen zu ergreifen, u.a. die Verpflichtung, bezahlte politische Inhalte klar als solche auszuweisen und eine themenorientierte Berichterstattung bei Wahlen zu fördern.

10. Der Kongress ruft die ukrainischen Stellen auf, sich mit der Frage des Wahlrechts von Binnenflüchtlingen zu befassen, dies mit ausreichendem zeitlichem Abstand zu den nächsten Kommunalwahlen. Es sind insbesondere die Wohnortkriterien zu klären, in Übereinstimmung mit der entsprechenden Kongress-Empfehlung 369(2015) über Wahllisten und Wähler, die de facto im Ausland leben.[3]

11. Ungeachtet des Konflikts in den östlichen Gebieten der Ukraine und der verfassungsrechtlichen Stagnation in Bezug auf die Gebiete Donezk und Luhansk, müssen der laufende Dezentralisierungsprozess und die Gebietsreform fortgeführt werden. Der Kongress bestätigt erneut seine Unterstützung der ukrainischen Stellen in ihren Bemühungen zur Stärkung der lokalen und regionalen Demokratie.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 23. März 2016, 2. Sitzung (siehe Dokument CG30(2016)07-final, Begründungstext), Berichterstatter: J. WIENEN, Niederlande (L, EPP-CCE).

[2] Siehe insbesondere die Kapitel XVIII und XIX über die praxisbezogene Organisation der Wahlbeobachtungsmissionen und über die Umsetzung des Dialogs nach den Wahlen.

[3]Empfehlung 369(2015) ist verfügbar unter https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=2304185&Site=COE