16. PLENARTAGUNG
Straßburg, 3. – 5. März 2009

Bekämpfung der häuslichen Gewalt gegen Frauen

Entschliessung 279 (2009)[1]

1. Die Zahl der Frauen in Europa, die in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld Opfer männlicher Gewalt werden, ist hoch. Häusliche Gewalt ist das Ergebnis eines ungleichen Machtverhältnisses zwischen Männern und Frauen und betrifft Frauen aller Nationalitäten, Altersgruppen und sozialer Schichten. Sie wirkt sich auf die gesamte Gesellschaft, auch auf künftige Generationen, negativ aus.

2. Die Städte und Regionen sind direkt mit den Folgen dieser Art von Gewalt konfrontiert und müssen nicht nur für die menschlichen und sozialen Kosten, sondern auch für die finanziellen Auswirkungen dieses Problems aufkommen[2].

3. Der Kongress verurteilt diese Menschenrechtsverletzungen und verpflichtet sich, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um diese auszurotten. Er begrüßt die Tatsache, dass die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarates beim Warschauer Gipfel am 16. und 17. Mai 2005 beschlossen, die Bekämpfung der häuslichen Gewalt gegen Frauen zu einer Priorität zu erklären.

4. Als Reaktion auf den Appell des Kongresses beteiligten sich zahlreiche Städte und Regionen Europas an der Kampagne des Europarates zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, darunter der häuslichen Gewalt (2006-2008). Die Synergien, die zwischen den drei Ebenen der politischen Aktion entstanden – Regierung, Parlament und Gemeinde und Region – trugen zum Erfolg dieser gesamteuropäischen Kampagne bei. Der Kongress dankt allen Städten, die sich an der Kampagne unter dem Motto „Städte und Regionen Europas beziehen Position” beteiligt haben und so zeigten, dass das Thema für die Regionen und Gemeinden von zentraler Bedeutung ist.

5. Der Kongress empfiehlt den Gemeinden und Regionen angesichts des oben Gesagten und zur Unterstützung der Städte und Regionen, innerhalb des gesetzlichen Rahmens und ihrer eigenen spezifischen Befugnisse, koordiniert und effektiv gegen das Problem der häuslichen Gewalt gegen Frauen vorzugehen:

a. umfassende Strategien in den nationalen Aktionsplänen auszuarbeiten, die im Einklang mit anderen ähnlichen lokalen oder regionalen Strategien stehen, die:

i.       klare Ziele und Zielvorgaben setzen;


ii.       Kriterien zur Kontrolle festlegen;

iii.      Partnerschaften mit allen zuständigen Diensten (insbesondere Gesundheit, Soziales und Kinderschutz, Wohnung, auf häusliche und sexuelle Gewalt spezialisierte Dienste sowie Strafjustiz) und Frauen-Nichtregierungsorganisationen einzurichten, indem z.B. strategische Planungsgruppen zu diesem Thema geschaffen werden;

b. sicherzustellen, dass die Opfer Zugang zu einer großen Bandbreite von kostenlosen, qualitativ hochwertigen Diensten haben, die darauf spezialisiert sind, Frauen und Kindern zu helfen: Not- und Übergangsunterkünfte in Frauenhäusern, Umsiedelung, Nachbarschaftsdienste (24-Stunden-Dienste, Einzelberatung und Hilfe), Telefon-Hotlines, Gesundheitsversorgung (darunter psychiatrische Betreuung), Sozialhilfe (Beschäftigung oder Sozialleistungen, Ausbildung, Kinderbetreuung etc.). Solche Dienste sollten:

-        von Frauen-Nichtregierungsorganisationen in Konsultation mit den Frauen selbst eingerichtet werden;

-                im ganzen Land verfügbar sein;

-                nicht diskriminierend und auch für Frauen zugänglich sein, die ausgegrenzt sind oder besondere Bedürfnisse haben (Einwanderinnen oder Angehörige ethnischer Minderheiten, Flüchtlinge, Frauen mit Behinderungen und Frauen, die alkohol- oder drogenabhängig sind oder unter geistigen Störungen leiden);

-                den Benutzern Sicherheit und Vertraulichkeit garantieren (die Adresse der Frauenhäuser muss geheim gehalten werden);

-                die Autonomie und Selbstbestimmung der Opfer stärken;

c. Programme für Täter in Zusammenarbeit mit den in diesem Bereich tätigen NROs einzurichten, damit die Sicherheit der Opfer garantiert ist;

d. die Mitarbeiter der Gemeinde- und Regionalregierung und die gewählten Vertreter entsprechend in der Dynamik und den Folgen der häuslichen und sexuellen Gewalt im Rahmen der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und den Menschenrechten sowie für die Rolle der Gemeinden und Regionen in diesem Bereich und der interinstitutionellen Kooperation zu schulen;

e. die NROs zu unterstützen, die im Bereich der häuslichen Gewalt gegen Frauen tätig sind, da sie Schlüsselakteure sind, wenn es darum geht, die Rechte der Frauen hoch zu halten, den Opfern zu helfen und ihnen Ressourcen zur Verfügung zu stellen (zum Beispiel Räumlichkeiten);

f. zu sensibilisieren und die breite Öffentlichkeit zu informieren, indem:

i.       Männer in die Sensibilisierungsaktionen einbezogen, klar die Gewalt verurteilt und die Tatsache hervorgehoben wird, dass Gewalt gegen Frauen kein “Schicksal” ist;

ii.       die örtlichen Dienste bekannt gemacht werden, die die Opfer verteidigen und unterstützen und Informationen über die Zugangsmodalitäten zu diesen Diensten an öffentlichen Orten und in Verbänden verbreitet werden;

iii.      ein leicht zugängliches Verzeichnis der lokalen Dienste zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen erstellt wird;

g. Präventivaktionen an Grundschulen und weiterführenden Schulen durchzuführen und hierbei:

i.       in Zusammenarbeit mit den betroffenen NROs, Programme zur Sensibilisierung der Jugendlichen für die geschlechtsspezifische Gewalt, Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen, sexuelle Stereotypien zu erstellen und einzurichten und respektvolle Beziehungen und gewaltlose Konfliktlösungen zu fördern;

ii.       eine Person zu ernennen, die für Fragen der häuslichen Gewalt und Integration der Kinderschutzpolitik zuständig ist und als Bindeglied zu den Sozialdienstes fungieren kann;

iii.      die Lehrer entsprechend zu schulen, damit sie diese Programme übernehmen und unterstützen und die Erzieher entsprechend anleiten können;

iv.      Schulen und Bildungseinrichtungen aufzufordern, Anzeichen und Indikatoren für Missbrauch in der Familie zu erkennen und misshandelte Minderjährige und ihre Eltern zu unterstützen;

h. die Regional- und Gemeindepolitik, die Dienstleistungen und andere lokale und regionale Initiativen zu verfolgen und zu evaluieren;

i. die jeweiligen Parlamente und Regierungen aufzufordern, sich aktiver an der Bekämpfung der häuslichen Gewalt gegen Frauen zusammen mit den Gemeinden und Regionen zu beteiligen und die Maßnahmen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates[3] zur Bekämpfung, zum Schutz der Opfer und zur Strafverfolgung der Täter zu fördern;

j. weiterhin die Öffentlichkeit zu mobilisieren und am 25. November, dem Internationalen Tag der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, spezifische Aktivitäten zum Thema häusliche Gewalt durchzuführen (Hilfe für die Opfer oder Sensibilisierung der Öffentlichkeit).

6. Der Kongress fordert auch die Regionen mit Legislativbefugnis auf, spezifische Gesetze für diese Art von Gewalt im Rahmen ihrer nationalen Gesetzgebung zu erlassen.

7. Schließlich möchte der Kongress:

a. den Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) und die Weltunion der Kommunen (UCLG) auffordern, sich an der Kampagne der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen  (2008-2015) zu beteiligen und auf die Erfahrung des Kongresses in diesem Bereich zu zählen;

b. fordert seinen Ausschuss für soziale Kohäsion auf, seine Arbeiten zum Thema Gleichberechtigung gemeinsam mit dem entsprechenden Ausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und dem Lenkungsausschuss zur Gleichstellung von Mann und Frau (CDEG) fortzusetzen.



[1] Diskussion und Annahme durch den Kongress am 3. März 2009, 1. Sitzung (siehe Dokument CG(16)7REP, Begründungstext, Berichterstatterin : S. Barnes (Vereinigtes Königreich, L, EVP/CD)).

[2] Zum Beispiel schätzte eine Studie, die 2008 in der Umeå Universität in Schweden durchgeführt wurde, die Einzelkosten der häuslichen Gewalt auf € 250 000 für einen Mann, der seine Partnerin über zwanzig Jahre hinweg körperlich misshandelte. 

[3] Entschließung 1634 (2008) “Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen: Hin zu einer Konvention des Europarates”.