Empfehlung 27 (1996)1 betreffend das 2. Wirtschaftsforum der europäischen Regionen (Dortmund, 24.-26. Juni 1996)

Der Kongress,

mit Bezug auf den Vorschlag der Kammer der Regionen,

1. Nimmt die "Dortmunder Erklärung" sowie den Bericht über "Die Regionen Europas und die industrielle Umstrukturierung" zur Kenntnis, welchen die Herren Chevrot (Frankreich) und Habermann (Deutschland) aufgrund der Ergebnisse des vom 24.-26. Juni 1996 in Dortmund (Deutschland) durchgeführten zweiten Wirtschaftsforums der europäischen Regionen (s.Anhang) vorgelegt haben;

2. Dankt der Stadt Dortmund und dem durch seinen Präsidenten vertretenen Land Nordrhein-Westfalen dafür, dass sie nach dem Erfolg der ersten, in Genf stattgefundenen Zusammenkunft der Regionen rasch die Initiative ergriffen und die für die regionale Entwicklung massgeblichen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger erneut zusammenriefen, sodass die Gespräche fortgesetzt und die zwischen den europäischen Regionen aufgenommenen Kontakte im Hinblick auf die Einleitung eines Programms der interregionalen Partnerschaft und Zusammenarbeit vertieft werden konnten;

3. Begrüsst die hochrangige Teilnahme der Behörden der Europäischen Union, welche durch den Präsidenten des Europäischen Parlaments und den für die Regionalpolitik zuständigen Kommissar vertreten waren, was für die Bedeutung spricht, welche diese Institutionen dem Forum des KGRE beimessen;

4. Stützt sich auf die früheren Arbeiten des Kongresses zur Förderung der wirtschaftlichen Ost/West-Zusammenarbeit der Regionen, darunter insbesondere auf seine Empfehlung 23 (1996) über das erste Ost/West-Wirtschaftstreffen der Regionen;

5. Erachtet seine Arbeit als einen unmittelbaren Beitrag zum Aufbau von Vertrauensmassnahmen zwischen den sozio-ökonomischen Partnern in Europa, welcher wiederum eine wichtige Bedingung darstellt für die Stärkung der wirtschaftlichen und soziokulturellen Bande zwischen den Regionen;

6. Erinnert daran, dass eine durch eine massgeblichere Rolle der Regionen gestärkte politische Stabilität oder die Schaffung echter Regionalstrukturen, gepaart mit wirtschaftlichem Erfolg, die Garanten einer dauerhaften Demokratie sind, welche ihrerseits Motivation genug bietet, um die Regionen diesen Weg einschlagen und zur Ausarbeitung der politischen, administrativen und wirtschaftlichen Reformen beitragen zu lassen, die für die Stärkung der demokratischen Institutionen in den neuen Mitgliedländern des Europarats nötig sind;

7. Hält es für wichtig, den Regionen Zentral- und Osteuropas einen angemessenen Stellenwert innerhalb der europäischen Zusammenarbeit sowie spezifische Aufgaben und Funktionen bei deren Organisation zuzuweisen;

8. Hofft, dass alle zukünftigen Initiativen auf diesem Gebiet auf dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung aufbauen, einem Handlungs- und Beurteilungskriterium für die sozio-ökonomischen Aktivitäten der Kammer der Regionen, die darauf abzielen, den kommenden Generationen in Europa eine stabile und demokratische Zukunft zu sichern;

9. Empfiehlt dem Ministerkomitee:

a. die Dortmunder Erklärung dem CDLR zu übermitteln, damit dieser sie bei seiner Arbeit berücksichtigen kann;

b. der CEMAT den Wunsch des Kongresses zu übermitteln, sie möge in ihren zukünftigen Arbeiten den Problemen der sozio-ökonomischen Disparitäten zwischen den europäischen Regionen sowie den Politiken zur Förderung der sozio-ökonomischen Kohäsion zwischen den Regionen und den Grossstadtgebieten und schliesslich den besonderen Problemen der Beschäftigung und der industriellen sowie kommerziellen Umstrukturierung in umweltverträglichem Rahmen vermehrt Bedeutung beimessen und die interregionale Konzertation zur Förderung einer harmonischen Raumordnung begünstigen;

10. Ersucht die Parlamentarische Versammlung:

und insbesondere deren Ausschuss für Fragen der Wirtschaft und Entwicklung, sich aktiv an dem Programm der zukünftigen Wirtschaftstreffen der Regionen zu beteiligen und dabei ihre Erfahrungen und Ratschläge - vor allem auch hinsichtlich der vielfältigen Aspekte der Umstrukturierung und des wirtschaftlichen Übergangs der neuen Mitgliedländer - einzubringen;

11. Ersucht die Kommission der Europäischen Gemeinschaften:

a. um die Unterstützung der Förderung der interregionalen Zusammenarbeit in Wirtschaft und Industrie und insbesondere um die Gründung von Partnerschaften zwischen Regionen mit dem Ziel der Schaffung von gegenseitigen Hilfsprojekten zwischen spezialisierten Verwaltungszweigen in den Regionen sowie des Austauschs von Erfahrungen und technischer Ratschläge auf dem Gebiet der regionalen Entwicklung;

b. den Regionen ihrer Mitgliedländer die nötigen Mittel bereitzustellen, um diesen die Umsetzung interregionaler Kooperationsprogramme zu erleichtern, und dabei auch die sich um eine Mitgliedschaft bewerbenden Länder Zentral- und Osteuropas - vor allem die an der Aussengrenze der Gemeinschaft gelegenen - miteinzuschliessen;

c. sich aktiv am nächsten Ost/West-Wirtschaftsforum der Regionen zu beteiligen, welches 1997 in Wien (Österreich) stattfindet;

d. die Möglichkeiten zu prüfen, die Stiftung für die Wirtschaft und die nachhaltige Entwicklung der Regionen Europas sowie die Umsetzung ihres Arbeitsprogramms zu unterstützen;

12. Legt den die Regionen vertretenden internationalen Organisationen nahe:

a. die die zentral- und osteuropäischen Regionen anvisierenden interregionalen Aktionen zu intensivieren und bevorzugt zu behandeln;

b. die Aktivitäten der Kammer der Regionen auf dem Gebiet der Ost/West-Beziehungen zu unterstützen.

ANHANG

Dortmunder Erklärung
des Wirtschaftsforums der Regionen Europas

Die Regionen Europas wollen am Aufbau der zukünftigen Strukturen unserer Wirtschaft und Gesellschaft beteiligt sein. Subsidiarität, Dezentralisierung und Regionalisierung sind Tendenzen, die heute in allen europäischen Staaten festzustellen sind und die darauf ausgerichtet sind, Bürgernähe, höhere Transparenz und effektivere demokratische Prozesse zu sichern. Die Bürger in den Gemeinden und Regionen Europas wollen und müssen an dem Integrationsprozess beteiligt werden und dies im politischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Bereich sowie bei Fragen der Umweltgestaltung, des Transportwesens und dem Aufbau der neuen Technologie- und Kommunikationsnetze.

Die Regionen Europas sind konfrontiert mit schwerwiegenden Folgen der industriellen Umstrukturierung und einem verschärften internationalen Wettbewerb.

Um zur Lösung dieser Probleme beizutragen, engagieren sich die Regionen Europas, im wirtschaftlichen Bereich neue Formen der Zusammenarbeit von öffentlichen Verwaltungen, Unternehmen, Banken und Industrie- und Handelskammer und anderen Akteuren zu entwickeln und zu diskutieren. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Regionen stellt einen wichtigen Faktor in der Bewältigung der derzeitigen Beschäftigungskrise dar. Diese Zusammenarbeit der Regionen ist ein dynamisches und komplementäres Element in der gesamtwirtschaftlichen Zusammenarbeit der Staaten im neuen Europa.

Der Europarat und insbesondere die Kammer der Regionen des Kongresses erfüllen hier eine wichtige Aufgabe. Die Stiftung für die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen ist aktiv an diesen Prozessen beteiligt.

Um Probleme aus diesen Bereichen gemeinsam zu diskutieren und Zukunftsvisionen für die Gestaltung einer demokratischen, solidarischen und humanitären Gesellschaft der Zukunft in Europa zu formulieren, haben sich 800 Vertreter und Vertreterinnen aus 27 europäischen Staaten in der Zeit vom 24. bis 26. Juni 1996 in Dortmund zu dem Wirtschaftsforum der Regionen Europas getroffen mit dem Ziel, Erfahrungen und Perspektiven des industriellen Strukturwandels gemeinsam zu erörtern. In neuen Arbeitskreisen wurden folgende Themen behandelt:

- Wirtschaftlicher Strukturwandel der Regionen aus Unternehmenssicht: Wege von der industriellen Massenproduktion zum innovativen Technologiekonzern

- Wege zur Privatisierung von Staatsbetrieben: Industrielle Umstrukturierung und Aufbau mittelständischer Unternehmen

- Neue Chancen in Zukunftsindustrien: Internationale Arbeitsteilung und neue Kooperation durch multimediale Kommunikation

- Public-Private-Partnership: Von der staatlichen Kommunalwirtschaft zu neuen Formen der Ver- und Entsorgung in Städten und Regionen

- Konsequenzen des Strukturwandels für den regionalen Arbeitsmarkt: Die Bedeutung des Dienstleistungssektors für die Modernisierung der regionalen Wirtschaft

- Bewältigung der Umweltproblematik: Umgang mit Altlasten, Nutzung neuer Techniken und Verfahren

- Finanzwirtschaftliche Kooperationen mit den Übergansregionen: Die Bedeutung der Kreditwirtschaft beim wirtschaftlichen Umbau

- Strukturwandel mit sozialer Kompetenz: Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft im sozialen Dialog

- Wissenschaftliche Forschung und Technologietransfer als Motor des regionalen Strukturwandels

Diese Themen wurden in intensiven Diskussionen in den Workshops vertieft.

In den Plenarsitzungen wurde die Bedeutung der Tatsache betont, dass Verantwortliche aus ganz Europa zusammengekommen sind, um gemeinsam über die Perspektiven der wirtschaftlichen Entwicklung der europäischen Regionen zu sprechen. Es wird erkennbar, dass Europa beginnt, auf diesem Gebiet in neuen Dimensionen zu denken und zu handeln. Besonders die neuen Informationstechnologien sind eine Chance für die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Regionen. Hier können sich neue Strukturen entwickeln für ein regional ausgeglichenes Wachstum. In diesem Sinne wurde der Ausbau eines Telekomunikationsnetzes der Regionen Europas beschlossen, der den Regionen in West- und Osteuropa im Rahmen eines "Internet der Regionen" die Durchführung enger Kooperationsprojekte erleichtert.

Darüber hinaus wurde unterstrichen, dass neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Staaten Zentral- und Osteuropas entwickelt werden müssen. Diese sind vor allem in der Regionalwirtschaft, der Telekommunikation, im Umweltschutz und beim Ausbau der grossen europäischen Verkehrsachsen erforderlich.

Mit Referenz auf das erste Forum in Genf dankt die Konferenz der Stadt Dortmund für die gelungene Durchführung dieses zweiten Forums, welches den Dialog und den permanenten Erfahrungsaustausch zwischen den Regionen West-, Mittel- und Osteuropa vorangetrieben hat. Sie begrüsst die Einladung der Stadt Wien zur Fortsetzung dieses Dialogs in 1997.

1 Diskussion und Zustimmung durch die Kammer der Regionen am 18. November 1996; Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 19. November 1996 (siehe Dok. CPR (3) 7, Empfehlungsentwurf vorgelegt von Herren J.-M. Chevrot und M. Habermann, Berichterstatter)