CCJE(2016)2

Straßburg, den 10. November 2016

Arbeitsübersetzung aus dem Französischen

BEIRAT EUROPÄISCHER RICHTERINNEN UND RICHTER (CCJE)

STELLUNGNAHME Nr. 19 (2016)

DIE ROLLE DER GERICHTSPRÄSIDENTEN

I. Einleitung

1.         Gemäß dem ihm vom Ministerkomitee erteilten Auftrag hat der Beirat europäischer Richterinnen und Richter (CCJE) beschlossen, eine Stellungnahme zur Rolle der Gerichtspräsidenten auszuarbeiten und sich dabei insbesondere auf die Bereiche Unabhängigkeit, Qualität und Effektivität der Justiz zu konzentrieren.

2.         Ziel dieser Stellungnahme ist die Untersuchung der Fragen und Probleme im Zusammenhang mit der Rolle der Gerichtspräsidenten unter Berücksichtigung der zwingenden Notwendigkeit, die Steigerung der Effektivität einer unabhängigen Judikative und die Verbesserung der Qualität der Justiz sicherzustellen.

3.         Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Konvention zum Schutz der Menschen-rechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK), der Magna Charta der Richter des CCJE (2010) und der vorherigen Stellungnahmen des CCJE ausgearbeitet worden: Stellungnahme Nr. 1 (2001) über die Vorschriften betr. die Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit von Richtern, Stellungnahme Nr. 2 (2001) zur Finanzierung und Geschäftsführung der Gerichte, Stellungnahme Nr. 10 (2007) über den Justizverwaltungsrat im Dienst der Gemeinschaft, Stellungnahme Nr. 12 (2009) über das Verhältnis zwischen Richtern und Staatsanwälten in einer demokratischen Gesellschaft, Stellungnahme Nr. 16 (2013) über die Beziehungen zwischen Richtern und Anwälten, Stellungnahme Nr. 17 (2014) über die Bewertung der Arbeit von Richtern, die Qualität der Justiz und die Achtung der richterlichen Unabhängigkeit, Stellungnahme Nr. 18 (2015) „Die Stellung der Judikative und ihr Verhältnis zu den anderen Staatsgewalten in einer modernen Demokratie", sowie auf der Grundlage einschlägiger Rechtsinstrumente des Europarats, insbesondere der Europäischen Charta zum Status der Richter (1998) und der Empfehlung CM/Rec(2010)12 des Ministerkomitees über Richter: Unabhängigkeit, Leistungsfähigkeit und Verantwortlichkeiten (im Folgenden: die Empfehlung CM/Rec(2010)12). In dieser Stellungnahme finden ebenfalls Berücksichtigung: der Aktionsplan des Europarats zur Stärkung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Judikative (CM(2016)36final), der Bericht 2013-2014 des Europäischen Netzes der Räte für das Justizwesen (ENCJ/RECJ): „Gerichtliche Mindeststandards IV – Geschäftsverteilung“ (im Folgenden: Bericht des RECJ), die Grundprinzipien der Vereinten Nationen der Unabhängigkeit der Richterschaft (1985) und die Kiew-Empfehlungen der OSZE zur richterlichen Unabhängigkeit in Osteuropa, im Südkaukasus und in Zentralasien (2010) – Justizverwaltung, Auswahl und Verantwortlichkeit.

4.         Diese Stellungnahme berücksichtigt die Antworten der Mitglieder des CCJE auf den Fragebogen zur Rolle der Gerichtspräsidenten[1] und den Vorentwurf des vom CCJE benannten Sachverständigen Marco FABRI (Italien) mit einer Zusammenfassung der Antworten auf den Fragebogen.

5.         Die unterschiedlichen Regelungen, die Strukturen und die Organisation des jeweiligen Justizsystems haben Einfluss auf die Rolle der Präsidenten. Diese Rolle wird maßgeblich geprägt durch den Verwaltungsrahmen des jeweiligen nationalen Justizsystems sowie durch die rechtlichen, sozialen und politischen Traditionen und Praktiken, die in ihren Gerichten vorherrschen.

II. Rolle und Aufgaben der Gerichtspräsidenten

6.             Die Rolle der Gerichtspräsidenten besteht darin,

-       das Gericht und die anderen Richter zu repräsentieren;

-       die wirksame Arbeitsweise des Gerichts zu gewährleisten und somit den Dienst an der Gesellschaft zu verbessern;

-       Rechtsprechungsaufgaben wahrzunehmen.

Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben schützen die Gerichtspräsidenten die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichte und einzelnen Richter.

A. Repräsentation des Gerichts und der anderen Richter

7.         Bei der Repräsentation der Gerichte spielen Gerichtspräsidenten eine Schlüsselrolle. Die Informationen der Mitglieder des CCJE zur Situation in den Mitgliedstaaten zeigen, dass der Umfang dieser besonderen Rolle stetig wächst. Hierdurch tragen die Gerichtspräsidenten zur Entwicklung des gesamten Justizsystems bei und sichern den Erhalt und die Leistungen einer qualitativ hochwertigen unabhängigen Justiz durch die Gerichte, aus denen das System besteht.

Ganz allgemein können die Gerichtspräsidenten eine Rolle bei der Aufrechterhaltung und der Entwicklung von Beziehungen mit anderen Organen oder Institutionen spielen. Dies sind zum Beispiel:

·         der Justizverwaltungsrat oder ggf. ein vergleichbares Organ;

·         die anderen Gerichte;

·         die Staatsanwaltschaft[2];

·         die Anwaltschaften[3];

·         das Justizministerium;

·         die Medien;

·         die Öffentlichkeit.

Die Hauptaufgabe der Gerichtspräsidenten muss weiterhin darin bestehen, jederzeit als Hüter der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter und des Gerichts insgesamt aufzutreten.

8.         Gerichtspräsidenten sind Richter und daher de facto Teil des Justizsystems. Je nach nationaler Rechtsordnung unterscheiden sich Grad, Intensität und Umfang der Beteiligung des Gerichtspräsidenten an der Arbeit der für die Selbstverwaltung und die Eigenständigkeit der Justiz zuständigen Stellen, darunter der Justizverwaltungsrat, der Richterkongress, die Allgemeine Richterversammlung und die Berufsorganisationen für Richter. Es ist wichtig, dass die Präsidenten mit ihrer weitreichenden Erfahrung ihren Beitrag hierzu leisten. Es sollte jedoch vermieden werden, Funktionen und Befugnisse bei einer begrenzten Gruppe von Personen zu konzentrieren.

9.         Durch die Zusammenarbeit und das wechselseitige Zusammenwirken mit anderen Gerichten kann der Präsident seine Erfahrungen teilen und die bewährten Praktiken im Bereich der Gerichtsverwaltung und der Erbringung von Dienstleistungen für die Rechtsuchenden identifizieren. Wünschenswert wäre es, dass diese Zusammenarbeit auf die internationale Ebene erstreckt werden und sich auf alle verfügbaren Kommunikationsmittel stützen könnte.

10.       Die justizielle Aus- und Fortbildung wird häufig von zentralen Institutionen der Justiz organisiert und verwaltet, sodass die Rolle der Gerichtspräsidenten in diesem Bereich begrenzt ist. Die Präsidenten sollten die für die justizielle Aus- und Fortbildung verantwortlichen Institutionen hinsichtlich des Bedarfs an besonderen Fortbildungen beraten. Sie sollten das die Erfahrungen und das Fachwissen ihrer Ausbildungseinrichtungen im Bereich Ausbildung und Weiterbildung nutzen. Die Präsidenten spielen außerdem insofern eine wichtige Rolle, als sie die Richter ermutigen, an einschlägigen Fortbildungen teilzunehmen und die Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Dies gilt auch für die Aus- und Fortbildung des nichtrichterlichen Personals der Gerichte.  

11.       Die Beziehungen zwischen den Gerichtspräsidenten und anderen staatlichen Organen sollten auf den Grundprinzipien der Gleichheit und Gewaltenteilung beruhen. In einigen Ländern übt die Exekutive – durch das Justizministerium – über die Leiter von Gerichten und die Justizinspektionen einen starken Einfluss auf die Verwaltung der Gerichte aus. Der CCJE vertritt den Standpunkt, dass die Anwesenheit von Bediensteten der Exekutive in den Verwaltungseinrichtungen der Gerichtshöfe und Gerichte zu vermeiden ist. Diese Anwesenheit kann einen Eingriff in die Arbeitsweise der Justiz bedeuten und somit deren Unabhängigkeit gefährden[4]. In solchen Fällen spielen die Gerichtspräsidenten jedenfalls eine wichtige Rolle bei der Verhütung etwaiger Eingriffe der Exekutive in die Arbeit der Gerichte.

12.       Im Hinblick auf ihr Verhältnis zu den Medien sollten die Gerichtspräsidenten berücksichtigen, dass es im Interesse der Gesellschaft liegt, dass die Medien die Informationen erhalten, die sie benötigen, um ihrerseits die Öffentlichkeit über die Arbeitsweise der Justiz zu informieren. Solche Informationen sollten jedoch unter vollumfänglicher Beachtung der Unschuldsvermutung, des Rechts auf ein faires Verfahren und des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens aller vom Verfahren betroffenen Personen[5] sowie des Schutzes des Beratungsgeheimnisses weitergegeben werden. 

B. Beziehungen innerhalb des Gerichts: Unabhängigkeit der Richter

13.       Die Beziehungen zwischen den Gerichtspräsidenten und den anderen Richtern des Gerichts sowie die Arbeit des Gerichtspräsidenten in diesem Zusammenhang werden durch mehrere wesentliche Grundsätze geregelt. Die interne richterliche Unabhängigkeit verlangt, dass die einzelnen Richter nicht den Weisungen des Gerichtspräsidenten unterworfen oder seinem Druck ausgesetzt sind, sobald sie über Rechtssachen entscheiden[6]. Als Hüter der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Effektivität des Gerichts sollten Gerichtspräsidenten selbst die interne Unabhängigkeit der Richter innerhalb ihrer Gerichte beachten[7].

14.       Der Verwaltung des Gerichts durch den Präsidenten gemäß den Grundprinzipien der Judikative kommt größte Bedeutung zu. Dies erfordert grundsätzlich, dass die zum Gerichtspräsidenten ernannten Personen über sehr umfangreiche Erfahrung bei der Entscheidung über Rechtssachen verfügen.

15.       Der CCJE ist der Ansicht, dass es sehr wichtig ist, dass die Gerichtspräsidenten nach ihrer Ernennung weiterhin ihre Funktion als Richter wahrnehmen. Die Fortführung der praktischen Arbeit ist nicht nur von Bedeutung, um den Präsidenten zu ermöglichen, eine Kontinuität im Hinblick auf ihr berufliches Niveau und die Aufrechterhaltung der Kontakte mit den anderen Richtern gemäß dem Grundsatz primus inter pares sicherzustellen, sondern auch um sie in die Lage zu versetzen, dank der unmittelbaren Kenntnis der sich aus der täglichen Praxis ergebenden Fragen bestmöglich ihre organisatorische Rolle auszufüllen. Die Arbeitsbelastung im Bereich der Fallbearbeitung der Gerichtspräsidenten kann angesichts ihrer Verwaltungsaufgaben verringert werden.

16.       Eine kohärente und ständige Rechtsprechung ist ein wichtiger Bestandteil der Rechtssicherheit. Gerichtspräsidenten müssen bei der Gewährleistung der Qualität, der Kohärenz und der Beständigkeit der Rechtsprechung eine Rolle spielen. Diese Aufgabe kann nur erfüllt werden, wenn die Gerichtspräsidenten die Kohärenz bei der Auslegung und Zitierung der Rechtsprechung des eigenen Gerichts, der höherinstanzlichen Gerichte, des obersten Gerichtshofes und der internationalen Gerichte fördern (beispielsweise indem sie Aus- und Fortbildungen, einschließlich Seminaren, Treffen, Runden Tischen, erleichtern, den Zugriff auf einschlägige Datenbanken sicherstellen und den Dialog und Informationsaustausch mit unterschiedlichen Instanzen fördern, usw.). Der CCJE betont, dass Gerichtspräsidenten im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgaben den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zu beachten haben.

17.       Gerichtspräsidenten sollten auch berechtigt sein, die Dauer der Gerichtsverfahren zu überwachen. Dies hängt eng mit der in Artikel 6 EMRK vorgeschriebenen angemessenen Frist sowie den Erfordernissen des innerstaatlichen Rechts zusammen. Die Überwachung der Verfahrensdauer sowie die von den Gerichtspräsidenten für eine zügigere Erledigung der Rechtssachen zu treffenden Maßnahmen und die Grundsätze der richterlichen Unparteilichkeit und Unabhängigkeit sowie der Grundsatz der Vertraulichkeit der Gerichtsverfahren müssen gegeneinander abgewogen werden[8].

18.       Gerichtspräsidenten sollten als Beispiel fungieren und ein Klima schaffen, in dem sich die Richter an sie wenden können, wenn sie im Rahmen der Ausübung ihrer Funktionen Unterstützung oder Hilfe benötigen und beispielsweise Fragen zu Berufsethik und Standesregeln haben.

19.       Die Gerichte sind im Wesentlichen Kollegialgerichte. Der CCJE unterstützt die Einsetzung von Gerichten, die aus Richtern bestehen, die eine beratende Rolle wahrnehmen, die mit dem Gerichtspräsidenten zusammenarbeiten und ihn zu wesentlichen Fragen beraten[9].

20.       Richter können eine gewisse „Distanz“ zwischen sich und den Präsidenten empfinden. Es ist wichtig, dass diese „Distanz“ überwunden wird. Dies kann dadurch erreicht werden, dass die Präsidenten einen engen Bezug zur Rechtsprechungstätigkeit aufrechterhalten und die Richter in die Funktionsweise des gesamten Gerichts sowie die damit verbundenen Verwaltungsfragen eingebunden sind und dabei eine gewisse Verantwortung tragen.

21.       An den Gerichten sollten die Fälle nach zuvor festgelegten objektiven Kriterien verteilt werden. Einem Richter sollte ein Fall nicht ohne berechtigten Grund entzogen werden. Entscheidungen zur Abgabe der Rechtssache sollten nur anhand von zuvor festgelegten Kriterien gemäß einem transparenten Verfahren getroffen werden[10]. Spielen die Gerichtspräsidenten bei der Verteilung der Fälle unter den Mitgliedern des Gerichts eine Rolle, sollten diese Grundsätze befolgt werden.

22.       Die von den Mitgliedern des CCJE übermittelten Informationen zeigen, dass die Präsidenten bei der Erfassung von Daten und der Bewertung der Arbeitsergebnisse des Gerichts insgesamt eine Rolle spielen. In manchen Mitgliedstaaten besteht eine der Aufgaben der Gerichtspräsidenten in der Bewertung der Leistungen eines jeden Richters. Es wurden gewisse Bedenken wegen der Beurteilung der Einzelleistung von Richtern geäußert. In einigen Mitgliedstaaten kann dies als eine mögliche Gefährdung der richterlichen Unabhängigkeit angesehen werden. Spielen Präsidenten eine solche Rolle, müssen geeignete transparente rechtliche Schutzmaßnahmen vorgesehen werden, um die Unparteilichkeit und Objektivität dieser Überprüfung zu gewährleisten[11].

23.       Fällt es in die Zuständigkeit der Gerichtspräsidenten, Beschwerden von Parteien hinsichtlich von bei ihrem Gericht anhängigen Rechtssachen entgegenzunehmen und zu beantworten, sollten sie dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und den berechtigten Erwartungen der Parteien und der Gesellschaft insgesamt Rechnung tragen[12].

C. Gerichtsverwaltung[13]

24.       Der CCJE stellt fest, dass sich die Rolle der Gerichtspräsidenten bei der Verwaltung je nach Mitgliedstaat unterscheidet[14]. Es ist jedoch tendenziell eine Erweiterung der Verwaltungsaufgabe der Gerichtspräsidenten zu beobachten. Dies ist das Ergebnis von Forderungen, den Dienst an den Rechtsuchenden und der Gesellschaft qualitativ zu verbessern, und spiegelt die allgemeine Meinung wider, dass diese den Präsidenten übertragene Aufgabe die Dienstleistungen der Gerichte verbessern kann. Hierzu betont der CCJE, dass verschiedene Verwaltungsmodelle denkbar sind. Jedes Verwaltungsmodell soll der geordneten Rechtspflege dienen und kein Selbstzweck sein. Der CCJE ist der Ansicht, dass jede für die Justizverwaltung zuständige zentrale Behörde nur die Aufgaben wahrnehmen sollte, die nicht von den Gerichten selbst auf wirksame Weise ausgeführt werden können.

25.       Da sich die Rechtssysteme unterscheiden, müssen die Verwaltungsaufgaben so überwacht und der besonderen Umgebung des staatlichen Rechtsprechungsorgans angepasst werden, dass dessen Unabhängigkeit sowie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines jeden Richters zu wahren. Wie bei den Beziehungen zwischen den Gerichtspräsidenten und den anderen Richtern beruhen die Verwaltungsaufgaben ebenfalls auf diesen Grundwerten. Die Präsidenten sollten keine Maßnahmen ergreifen oder Tätigkeiten ausüben, die die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit der Richter gefährden können[15].

26.       Die Antworten der Mitglieder des CCJE zeigen, dass eine Aufgabe der Gerichtspräsidenten in bestimmten Fällen ausdrücklich in der strategischen Planung besteht. Der CCJE ist der Ansicht, dass die Verpflichtung der Gerichtspräsidenten, für eine faire und unparteiische Justiz Sorge zu tragen, unbedingt erfordert, Ziele festzulegen und Strategien zu entwickeln, um sich verschiedenen Herausforderungen und Fragen im Zusammenhang mit der Judikative zu stellen.

27.       Die Präsidenten sind für den Gerichtsbetrieb, einschließlich der Verwaltung von Personal, Sachmitteln und Infrastrukturen zuständig, sodass sie über die für die effektive Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderlichen Befugnisse und Mittel verfügen sollten.

28.       Die Rolle der Gerichtspräsidenten bei der Verwaltung des Gerichtspersonals unterscheidet sich wesentlich in den einzelnen Mitgliedstaaten. Die Antworten auf den Fragebogen verdeutlichen, dass die Gerichtspräsidenten in manchen Mitgliedstaaten unter Umständen über sehr weitreichende Befugnisse verfügen. Diese Befugnisse können die Auswahl und Einstellung von Personal, die Festlegung der Höhe der Vergütung, Versetzungen, Disziplinarfragen, Leistungsbeurteilungen und Entlassungen betreffen. In anderen Mitgliedstaaten sind die Befugnisse der Präsidenten sehr begrenzt und die meisten Verwaltungsaufgaben werden von externen Stellen oder Personen wahrgenommen.

29.       Die Antworten der Mitglieder des CCJE zeigen auch, dass die Gerichtspräsidenten Aufgaben wahrnehmen, die mit der Aufrechterhaltung und der Sicherheit der Infrastruktur des Gerichts zusammenhängen. Werden all diese Aufgaben von Organen ausgeübt, die von der Exekutive, z.B. vom Justizministerium oder von der zentralen Behörde benannt werden, gegenüber der sie rechenschaftspflichtig sind, vertritt der CCJE die Auffassung, dass die Gerichtspräsidenten eingebunden werden und einen erheblichen Einfluss auf die Art und Weise der Dienstleistungserbringung haben sollten.

30.       Die Ausübung dieser Aufgaben sollte sowohl professionell als auch transparent erfolgen. Ein klarer Vorteil besteht, wenn diese Zuständigkeit mit dem „Geschäftsführer des Gerichts“ oder dem „Verwaltungsdirektor“ geteilt wird, der bei der Verwaltung des Gerichtspersonals über andere Befugnisse verfügen kann. In diesem Fall sollten diese Bediensteten von den Gerichtspräsidenten ernannt werden und ihnen über ihre Verwaltungstätigkeit Rechnung ablegen.

31.       Die Gerichtspräsidenten sollten zudem berechtigt sein, innerhalb des Gerichts Organisationseinheiten oder Abteilungen sowie einzelne Dienstposten oder Positionen einzurichten, um den unterschiedlichen Bedürfnissen im Gerichtsbetrieb Rechnung zu tragen. Beabsichtigen die Gerichtspräsidenten, entscheidende Änderungen an der Gerichtsorganisation vorzunehmen, sollten die Richter hinzugezogen werden.

32.       In einigen Mitgliedstaaten nehmen die Gerichtspräsidenten Aufgaben im Zusammenhang mit der Zuweisung der Haushaltsmittel des Gerichts wahr. Sie ermitteln beispielsweise die Mittel, die für die Erledigung der Rechtssachen innerhalb einer angemessenen Frist erforderlich sind, und verhandeln dann mit den zentralen Stellen, die mit der Bereitstellung der Haushaltsmittel betraut sind. Es handelt sich um eine wichtige Frage, die vom Verwaltungsrahmen des Justizsystems, seinem Grad an Selbständigkeit und der Verteilung der Verantwortlichkeiten innerhalb des Systems abhängt. Die bei der Aufteilung von Sachmitteln und Personal unter den verschiedenen Gerichten angewandten Kriterien stellen einen Schlüsselfaktor bei der Festlegung der Rolle der Gerichtspräsidenten dar. Diese Rolle sollte bedeutsam, wenn nicht entscheidend sein. Dies ist besonders wichtig in Anbetracht der Tatsache, dass in den Justizsystemen mancher Mitgliedstaaten die Zuweisung der Haushaltsmittel streng zentralisiert und der den Gerichtspräsidenten eingeräumte Ermessensspielraum sehr begrenzt ist.

33.       Die Präsidenten sollten jedoch befugt sein, den Haushalt ihres Gerichts zu verwalten. Mit dieser Befugnis geht einher, dass die Gerichtspräsidenten hierüber Rechenschaft ablegen. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe sollten die Gerichtspräsidenten von zuständigen Fachleuten aus dem nichtrichterlichen Personal unterstützt werden.

III. Wahl, Auswahl, Amtsdauer, Entlassung

A. Für das Amt des Gerichtspräsidenten erforderliche Qualifikationen

34.       Die Mindestanforderung für das Amt des Gerichtspräsidenten besteht darin, über alle bei der Ernennung zum Richter in diesem Gericht erforderlichen Qualifikationen und Erfahrungen zu verfügen.

35.       Sie sollten ferner Führungskompetenzen und -qualitäten haben. Der CCJE hat bereits angemerkt, dass für den Fall, dass die Verwaltung der Gerichte Richtern übertragen ist, diese für die Wahrnehmung dieser Aufgabe entsprechend geschult werden und die nötige Unterstützung erfahren sollten[16].

36.       Die für die Ernennung zum Gerichtspräsidenten erforderlichen Qualifikationen sollten daher den ihnen übertragenen Funktionen und Aufgaben entsprechen. Je bedeutender die Verwaltungsrolle ist, umso weitreichender müssen die entsprechenden Kompetenzen und Qualitäten sein.

B. Mit der Wahl oder Auswahl der Gerichtspräsidenten betrautes Organ

37.       Wie aus der Beantwortung des Fragebogens hervorgeht, ist die Auswahl, Ernennung oder Wahl der Gerichtspräsidenten in den Mitgliedstaaten unterschiedlich gestaltet. Diese Verfahren sind vom Justizverwaltungssystem und der Rolle der Gerichtspräsidenten abhängig. In manchen Systemen werden die Präsidenten aus der Mitte der Richterschaft gewählt oder befördert, während es in anderen Systemen möglich ist, dass Auswahl oder Ernennung von außerhalb erfolgen. Im ersten Fall werden die Leistungen und die juristische Erfahrung des Bewerbers berücksichtigt.

38.       Der CCJE vertritt die Auffassung, dass die Verfahren zur Ernennung der Gerichtspräsidenten in gleicher Weise wie die Auswahl und Ernennung der Richter ablaufen sollten. Hierzu gehören eine Bewertung der Bewerber und ein Organ, das befugt ist, die Richter gemäß den Vorschriften auszuwählen oder zu ernennen, die in der Empfehlung CM/Rec(2010)12 und den vorherigen Stellungnahmen des CCJE festgelegt wurden[17].

In jedem Fall sollte das System zur Auswahl und Ernennung der Gerichtspräsidenten in aller Regel ein Auswahlverfahren im Anschluss an einen Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen umfassen, der sich an die Bewerber richtet, die die zuvor gesetzlich festgelegten Voraussetzungen erfüllen.

 

39.       Der CCJE möchte auch betonen, dass es unabhängig von den bestehenden Verfahrensregeln und den Organen, die über die Befugnis verfügen, den Bewerber für den Posten des Gerichtspräsidenten auszuwählen, von wesentlicher Bedeutung ist, dass die besten Bewerber ausgewählt und ernannt werden, wie in der Empfehlung CM/Rec(2010)12[18] und der Stellungnahme Nr. 1(2001) des CCJE ausgeführt wird: Es obliegt „...den Behörden der Mitgliedstaaten, die für Ernennungen und Beförderungen zuständig oder damit beauftragt sind, in diesem Bereich Empfehlungen auszusprechen, objektive Kriterien anzunehmen, zu veröffentlichen und umzusetzen, damit die Auswahl und Laufbahn der Richter in Anbetracht ihrer Qualifizierung, Integrität, Fähigkeit und Effizienz auf Leistung beruhen“[19].

Der CCJE vertritt die Meinung, dass die Richter des betroffenen Gerichts in den Auswahlprozess eingebunden werden könnten, beispielsweise in Form eines konsultativen oder bindenden Votums. 

40.       In einigen Mitgliedstaaten werden die Gerichtspräsidenten nicht ausgewählt und/oder ernannt, sondern von ihren Kollegen, d.h. den Richtern des Gerichts, gewählt. Nach Auffassung des CCJE sollten auch hier objektive Kriterien wie Leistungen und Fähigkeiten in einem solchen System ausschlaggebend sein.

 

C. Bewertung der Arbeit der Gerichtspräsidenten

41.       Die Leistung der Gerichtspräsidenten wird im Allgemeinen genauso wie diejenige der normalen Richter bewertet. Alle erforderlichen Garantien sind zu beachten[20].

42.       Angesichts der besonderen Rolle der Gerichtspräsidenten ist es ferner möglich, die insgesamt geleistete Arbeit einschließlich der Verwaltungsaufgaben zu bewerten, um etwaige Verbesserungen in Betracht zu ziehen und aus den Erfahrungen zu lernen. Bei dieser Beurteilung sollten die den Präsidenten übertragenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten berücksichtigt werden.

43.       Nur einige Mitgliedstaaten geben an, über ein besonderes System zur Beurteilung der Gerichtspräsidenten zu verfügen. Diese Beurteilung setzt das Bestehen objektiver Indikatoren voraus. Die Beurteilung von Richtern kann im Allgemeinen auf eine gewisse Anzahl quantitativer und qualitativer Kriterien gestützt werden[21]. In den Mitgliedstaaten gibt es jedoch sehr wenige besondere Verfahren zur Bewertung der Verwaltungsleistung der Gerichtspräsidenten. In den Mitgliedstaaten, in denen die Ausarbeitung eines Arbeitsprogramms für das Gericht vorgesehen ist, kann dieses Dokument als Grundlage für die Bewertung der Verwaltungsleistung dienen.

D. Amtsdauer

44.       Den Mitgliedstaaten bieten sich mehrere Möglichkeiten im Hinblick auf die Amtsdauer der Gerichtspräsidenten, die im Allgemeinen zwischen zwei und sieben Jahren betragen und einmal oder mehrmals verlängert werden kann. In manchen Ländern können die Gerichtspräsidenten nach ihrer Wahl oder Auswahl ihr Amt bis zu ihrem Ruhestand bekleiden. Einerseits sollte die Amtsdauer lang genug sein, um ausreichend Erfahrung zu sammeln und die Verwirklichung von Projekten zu ermöglichen, damit den Justiznutzern bessere Dienstleistungen geboten werden. Andererseits sollte die Amtsdauer nicht zu lang sein, da sie zu einer gewissen Routine führen und die Entwicklung neuer Ideen verhindern kann. Der CCJE empfiehlt, unter Berücksichtigung des institutionellen Rahmens eines jeden Landes ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen beiden Perspektiven zu finden. Es müsste auch bedacht werden, dass jede Wahl oder Ernennung eines Präsidenten dem für die Auswahl oder Ernennung zuständigen Organ einen gewissen Einfluss auf das betroffene Gericht verschafft.

45.       Der Grundsatz der Unabsetzbarkeit des Richters findet auch auf das Amt des Präsidenten Anwendung. Der CCJE erkennt an, dass „die Unabsetzbarkeit von Richtern und die Gewährleistung der Voraussetzungen für ihren Dienst zur Wahrung der justiziellen Unabhängigkeit gemäß allen internationalen Rechtsnormen einschließlich der Standards des Europarats unbedingt erforderlich sind[22]. In diesen Rechtsnormen lässt nichts darauf schließen, dass der Grundsatz der Unabsetzbarkeit von Richtern nicht auch für das Amt der Gerichtspräsidenten gelten sollte, unabhängig davon, ob sie neben ihren richterlichen Aufgaben Verwaltungs- oder Leitungstätigkeiten ausüben“[23].

46.       Diese Normen stehen nicht im Widerspruch zum zeitlich begrenzten Amt des Gerichtspräsidenten. Wird ein Richter für eine bestimmte Dauer zum Präsidenten eines Gerichts ernannt, sollte er sein Amt bis zum Ende ausüben. Für die Entlassung eines Gerichtspräsidenten (beispielsweise infolge eines Disziplinarverfahrens) sollten mindestens die gleichen Garantien wie für die Entlassung eines normalen Richters gelten[24]. Schwerwiegende organisatorische Versäumnisse oder die Unfähigkeit, das Amt eines Gerichtspräsidenten auszuüben, können zu einem Entlassungsverfahren führen. Für jede Entlassung vor dem Ende der Amtszeit sollten klar umschriebene Verfahren und Garantien gelten und sie sollte auf eindeutigen und objektiven Kriterien beruhen.

47.       Das Verfahren im Falle einer vorzeitigen Entlassung sollte ferner transparent sein und jeglicher Gefahr eines politischen Einflusses sollte nachdrücklich begegnet werden. Eine Beteiligung der Exekutive, beispielsweise des Justizministeriums, am Verfahren sollte daher vermieden werden. Die Verfahren sollten im Übrigen die gleichen wie im Falle der anderen Richter sein.

48.       Die Beendigung der Amtszeit eines Gerichtspräsidenten oder der Ablauf seiner Amtszeit bzw. seine vorzeitige Entlassung sollte seinen Richterstatus grundsätzlich nicht berühren.


IV. Präsidenten der obersten Gerichte

49.       Die Präsidenten der höchsten Gerichte nehmen verschiedene Aufgaben und Verpflichtungen wahr, die sich aus der besonderen Rolle dieser Gerichte und ihrer sinnbildlichen Rolle ergeben, da sie in gewisser Weise das gesamte Justizsystem verkörpern, insbesondere in den Mitgliedstaaten, in denen es ein oberstes Gericht gibt. Der CCJE ist dennoch der Meinung, dass die Präsidenten der obersten Gerichte trotz ihrer vorstehend genannten wichtigen Rolle auch Präsidenten ihrer Gerichte sind. In dieser Hinsicht gelten alle in dieser Stellungnahme angeführten Aufgaben und Grundsätze auch für sie.

50.       Die Präsidenten oberster Gerichte können auch je nach der Position, die sie im nationalen Justizsystem innehaben, zusätzliche Sonderaufgaben ausführen, die je nach Mitgliedstaat unterschiedlich sind und beispielsweise folgende Aufgaben umfassen können:

·                die nationale Judikative vertreten;

·                ihre Meinung zu strategischen Entwicklungen und zur Ausarbeitung von Rechtsvorschriften in Bezug auf die Funktionsweise des Justizsystems äußern;

·                zurate gezogen werden bei der Vorbereitung des innerstaatlichen Haushalts und der Zuweisung der Mittel im Hinblick auf den Justizhaushalt[25];

·                Jahresberichte über den aktuellen Stand der Judikative für das Parlament vorbereiten[26].

51.       In manchen Mitgliedstaaten sind die Präsidenten von obersten Gerichten von Amts wegen Mitglieder des Justizverwaltungsrats. In dieser Eigenschaft spielen sie eine zentrale Rolle bei allen Entscheidungen hinsichtlich der Justizverwaltung, der Ernennung, Beförderung, Versetzung und Entlassung von Richtern, bei Disziplinarverfahren gegen Richter, der Streitbeilegung usw.

52.       Angesichts der Sonderaufgaben der Präsidenten oberster Gerichte warnt der CCJE davor, dass zu viele verschiedene Befugnisse bei ihnen konzentriert sind, was sich negativ auf die Unabhängigkeit der Judikative und das Vertrauen der Öffentlichkeit in deren Unparteilichkeit auswirken kann.

 

53.       In nahezu allen Mitgliedstaaten unterscheiden sich die Verfahren zur Wahl bzw. Auswahl der Präsidenten oberster Gerichte von den Verfahren zur Ernennung der anderen Gerichtspräsidenten. Der CCJE unterstreicht, dass das Verfahren zur Wahl bzw. Auswahl der Präsidenten oberster Gerichte bestimmte Kriterien erfüllen und gewisse Garantien bieten sollte, um den Grundprinzipien der Unabhängigkeit der Judikative und der Unparteilichkeit der Richter Rechnung zu tragen. Auswahl- oder Wahlverfahren sollten gesetzlich festgelegt und leistungsbezogen sein. Sie sollten jegliche Möglichkeit politischen Einflusses ausdrücklich ausschließen. Eine solche Gefahr lässt sich durch die Wahl eines Modells vermeiden, wonach der Präsident von den Richtern des betroffenen obersten Gerichts gewählt wird. Der CCJE erkennt den Wert eines solchen Modells an.

54.       Die Vorschriften zur Dauer der Amtszeit der Präsidenten oberster Gerichte unterscheiden sich je nach Mitgliedstaat deutlich voneinander. Dies geht von der Ernennung für eine Amtsdauer von zwei Jahren mit der Möglichkeit der einmaligen Verlängerung bis hin zu einer unbegrenzten Amtsdauer bis zum Ruhestand.

55.       Der CCJE ist nicht dazu berufen, die für Präsidenten oberster Gerichte am besten geeignete Amtsdauer festzulegen, da dies von dem nationalen Rechtssystem und folglich von der Rolle des Präsidenten und den ihm übertragenen Aufgaben abhängt. Die Präsidenten sollten jedoch über ausreichend lange Zeit verfügen, um ihre Aufgaben unabhängig und unparteiisch wahrzunehmen, ohne politischen oder äußeren Einflüssen ausgesetzt zu sein.

V. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.         Die Rolle der Gerichtspräsidenten besteht darin, das Gericht und die anderen Richter zu repräsentieren, die wirksame Arbeitsweise des Gerichts zu gewährleisten und somit den Dienst an der Gesellschaft zu verbessern sowie Rechtsprechungsaufgaben wahrzunehmen (Randnummer 6). Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben schützen die Gerichtspräsidenten die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichte und einzelner Richter und jederzeit als Hüter dieser Werte und Grundsätze handeln (Randnummern 6 und 7).

2.         Die Rolle der Gerichtspräsidenten besteht auch darin, einen Beitrag zur Arbeit der für die Selbstverwaltung zuständigen Stellen zu leisten. Es sollte jedoch vermieden werden, die Funktionen und Befugnisse bei einer begrenzten Gruppe von Personen zu konzentrieren (Randnummer 8).

3.         Im Hinblick auf ihr Verhältnis zu den Medien sollten die Gerichtspräsidenten das Interesse der Gesellschaft an Informationen im Blick behalten und gleichzeitig der Unschuldsvermutung, dem Recht auf ein faires Verfahren und dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aller von dem Verfahren betroffenen Personen sowie dem Schutz des Beratungsgeheimnisses gebührend Rechnung tragen (Randnummer 12). Als Hüter der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Effektivität des Gerichts sollten Gerichtspräsidenten selbst die interne Unabhängigkeit der Richter innerhalb ihres Gerichts beachten (Randnummer 13).

4.         Spielen Gerichtspräsidenten bei der Erfassung von Daten und Bewertung der Arbeitsergebnisse des Gerichts und der Richter eine Rolle, müssen angemessene Garantien geschaffen werden, um die Unparteilichkeit und Objektivität zu gewährleisten (Randnummer 22).

5.         Jedes Verwaltungsmodell muss die geordnete Rechtspflege erleichtern und darf kein Selbstzweck sein. Gerichtspräsidenten sollten keine Maßnahmen ergreifen oder Tätigkeiten ausführen, die die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit der Richter gefährden können (Randnummern 24 und 25).

6.         Gerichtspräsidenten sollten bei der Zuweisung der Haushaltsmittel des Gerichts eine bedeutende, wenn nicht sogar entscheidende Rolle spielen (Randnummer 32). Sie sollten ferner befugt sein, den Haushalt ihres Gerichts zu verwalten (Randnummer 33).

7.         Die Mindestanforderung an das Amt des Gerichtspräsidenten besteht darin, über alle bei der Ernennung zum Richter in diesem Gericht erforderlichen Qualifikationen und Erfahrungen zu verfügen. Die für die Ernennung zum Gerichtspräsidenten erforderlichen Kompetenzen und Qualitäten sollten den Funktionen und Aufgaben entsprechen, die ihnen übertragen werden (Randnummern 34 und 36).

8.         Der CCJE vertritt die Auffassung, dass die Verfahren zur Ernennung der Gerichtspräsidenten gemäß den in der Empfehlung CM/Rec(2010)12 und den vorangegangenen Stellungnahmen festgelegten Vorschriften in gleicher Weise ablaufen sollten wie die Verfahren zur Auswahl und Ernennung der Richter (Randnummer 38). Die Richter des betroffenen Gerichts könnten in den Prozess der Wahl, Auswahl und Ernennung ihres Präsidenten eingebunden werden. Angemessen wäre ein konsultatives oder sogar bindendes Votum (Randnummer 39).

9.         Die Leistung der Gerichtspräsidenten wird im Allgemeinen genauso wie diejenige der normalen Richter bewertet. Alle erforderlichen Garantien sind zu beachten (Randnummer 41).

10.      Der Grundsatz der Unabsetzbarkeit von Richtern sollte auch für das Amt der Gerichtspräsidenten gelten, unabhängig davon, ob sie neben ihren richterlichen Aufgaben Verwaltungs- oder Leitungstätigkeiten ausüben (Randnummer 45). Für die Entlassung eines Gerichtspräsidenten vor Ablauf seiner Amtszeit sollten mindestens die gleichen Garantien wie für die Entlassung eines normalen Richters gelten (Randnummer 46).

11.      Die Beendigung der Amtszeit eines Gerichtspräsidenten sollte seinen Richterstatus grundsätzlich nicht berühren (Randnummer 48).

12.      Die Präsidenten der obersten Gerichte sind auch Präsidenten ihrer Gerichte. In dieser Hinsicht gelten alle in dieser Stellungnahme angeführten Aufgaben und Grundsätze in der Regel auch für sie (Randnummer 49).

13.      Die Verfahren zur Wahl bzw. Auswahl der Präsidenten oberster Gerichte sollten gesetzlich festgelegt und leistungsbezogen sein. Sie sollten jegliche Möglichkeit politischen Einflusses ausdrücklich ausschließen (Randnummer 53).



[1] 38 Mitglieder des CCJE haben den Fragebogen beantwortet.

[2] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 12(2009), Bordeaux-Erklärung, Randnummer 3.

[3] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 16(2013), Randnummer 10.

[4] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 18(2015), Randnummern 48 und 49.

[5] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 12(2009), Bordeaux-Erklärung Randnummer 11; siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 7(2005) über "Justiz und Gesellschaft".

[6] Siehe Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR): Baka ./. Ungarn, Große Kammer, Nr. 20261/12, 23. Juni 2016, Randnummer 4 der zustimmenden Meinung des Richters Sicilianos; Parlov-Tkalčić ./. Kroatien, Nr. 24810/06, 22. Dezember 2009, Randnummer 86; Agrokompleks ./. Ukraine, Nr. 23465/03, 6. Oktober 2011, Randnummer 137; Moiseyev ./. Russland, Nr. 62936/00, 9. Oktober 2008, Randnummer 182. „Das Fehlen ausreichender Garantien zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Richter in der Justiz und insbesondere gegenüber ihren Vorgesetzten in der Gerichtshierarchie könnte den Gerichtshof zu dem Schluss veranlassen, dass die Zweifel eines Beschwerdeführers im Hinblick auf die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Gerichts als objektiv gerechtfertigt gelten können“, siehe Baka ./. Ungarn, a.a.O., Randnummer 4 der zustimmenden Meinung des Richters Sicilianos; Parlov-Tkalčić ./. Kroatien, a.a.O., Randnummer 86; Agrokompleks ./. Ukraine, a.a.O., Randnummer 137; Moiseyev ./. Russland, a.a.O., Randnummer 184; und Daktaras ./. Litauen, Nr. 42095/98, Randnummern 36 und 38, CEDH 2000X.

[7] Herr Sicilianos, Richter am EGMR, hat die Frage aufgeworfen, ob Artikel 6 Absatz 1 EMRK dahingehend ausgelegt werden könnte, dass er neben dem Recht der Verfahrensbeteiligten, dass ihre Rechtssachen von einem unabhängigen Gericht verhandelt werden, ein subjektives Recht für die Richter anerkennt, dass ihre Unabhängigkeit vom Staat geschützt und beachtet wird, siehe Urteil des EGMR: Baka ./. Ungarn, Große Kammer, Nr. 20261/12, 23. Juni 2016, Randnummern 5-6 und 13-15 der zustimmenden Meinung des Richters Sicilianos.

[8] Die Gerichtspräsidenten können bei der Erfüllung dieser Pflicht die von der Europäischen Kommission für die Effizienz der Justiz (CEPEJ) entwickelten Regelwerke und Instrumente nutzen, darunter die überarbeiteten Leitlinien des SATURN-Zentrums für das Zeitmanagement in der Justiz (CEPEJ(2014)16), die Checkliste für das Zeitmanagement (CEPEJ(2005)12REV) und andere.

[9] In manchen Ländern sind diese Kollegialgerichte gesetzlich vorgesehen. Siehe insbesondere die Arbeit der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) des Europarats im Rahmen der Vierten Evaluierungsrunde, die sich mit der Korruptionsprävention in Bezug auf Abgeordnete, Richter und Staatsanwälte befasst: GRECO übermittelte mehreren Mitgliedstaaten Empfehlungen zur Einführung von Mechanismen zur vertraulichen Beratung von Richtern bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu Fragen der Berufsethik und Integrität.

Siehe http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/greco/evaluations/index_fr.asp,

[10] Siehe Aktionsplan des Europarats zur Stärkung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Judikative (CM(2016)36final), Action 2.1.

[11]Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 17(2014), Randnummer 11; siehe auch Stellungnahme des CCJE Nr. 10(2007), Randnummern 42 und 53.

[12] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 10(2007), Randnummern 42 und 64.

[13] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 6(2004), Randnummern 52-55.

[14] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 18(2015), Randnummer 48.

[15] Siehe Aktionsplan des Europarats zur Stärkung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Judikative (CM(2016)36final), Action 1.5. (die beiden ersten Absätze).

[16] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 2(2001), Randnummer 13, siehe auch das Dokument „Training für Führungskräfte“ des Europäischen Netzes für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten (EJTN/REFJ) von Juni 2016.

[17] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 10(2007), Randnummer 51.

[18] Siehe Empfehlung CM/Rec(2010)12, Kapitel VI, Randnummern 44 und 45.

[19] Stellungnahme des CCJE Nr. 1(2001) über die Vorschriften betr. die Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit von Richtern, Randnummern 25 und 29.

[20] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 17 (2014) über die Bewertung der Arbeit von Richtern, die Qualität der Justiz und die Achtung der richterlichen Unabhängigkeit.

[21] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 17(2014), Randnummer 13.

[22] Siehe unter anderem Empfehlung CM/Rec(2010)12, Kapitel 6, Randnummern 49 und 50.

[23] Siehe Urteil des EGMR: Baka ./. Ungarn, Große Kammer, Nr. 20261/12, 23. Juni 2016, Randnummer 17 der gemeinsamen zustimmenden Meinung der Richter Pinto de Albuquerque und Dedov.

[24] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 1(2001) über die Vorschriften betr. die Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit von Richtern.

[25] Siehe Stellungnahme des CCJE Nr. 2(2001), Randnummer 10.

[26] Siehe Aktionsplan des Europarats zur Stärkung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Judikative (CM(2016)36final), Action 1.5. (dritter Absatz).