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Ref. DC 079(2017) 01.06.2017 Deutschland: Anti-Folter-Komitee stellt uneinheitlichen Fortschritt bei der Behandlung Inhaftierter und den Haftbedingungen fest Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) begrüßt in einem heute veröffentlichten Bericht den Fortschritt, den Deutschland bei der Verbesserung der Behandlung inhaftierter Personen und der Haftbedingungen erzielt hat; gleichzeitig stellte das Komitee aber auffällige Unterschiede zwischen den in verschiedenen Bundesländern besuchten Einrichtungen fest. Grundlage des Berichts ist der Besuch einer CPT-Delegation im November und Dezember 2015. Dabei wurden keine Vorwürfe absichtlicher körperlicher Misshandlung von in Gewahrsam befindlichen Personen durch Polizeibeamte an die Delegation herangetragen. Einige der festgehaltenen Personen – insbesondere Ausländer und Personen, die an einer psychischen Störung litten – äußerten jedoch Vorwürfe über exzessive Gewaltanwendung durch Polizisten bei der Festnahme (beispielsweise Schläge oder Tritte, nachdem die betroffene Person bereits unter Kontrolle gebracht war, oder unangemessen eng angelegte Handschellen). Insgesamt ist der Eindruck der Delegation von den grundlegenden Vorkehrungen zum Schutz gegen Misshandlung positiv, insbesondere hinsichtlich des Rechts, jemanden über die Festnahme zu informieren sowie des Rechts auf Zugang zu einem Arzt. Das CPT fordert die Behörden allerdings auf, allen festgehaltenen Personen während der gesamten Dauer, in der sie sich in Polizeigewahrsam befinden, den Zugang zu einem Anwalt zu gewährleisten, auch während einer polizeilichen Vernehmung. Das CPT stellt erfreut fest, dass sich der Trend einer abnehmenden Anwendung der Fixierung in Hafteinrichtungen fortsetzte. In der Mehrzahl der besuchten Justizvollzugsanstalten wurde in den letzten Jahren kaum ein Gefangener fixiert. Das Komitee ermutigt die zuständigen Behörden aller Bundesländer, die Anwendung der Fixierung in Justizvollzugsanstalten abzuschaffen. Bei der Verhängung von Einzelhaft als Disziplinarmaßnahme stellte die Delegation indes Unterschiede zwischen den besuchten Einrichtungen fest: Während diese Maßnahme in einigen Justizvollzugsanstalten in den letzten Jahren nur selten angewandt wurde, war dies in anderen Einrichtungen häufiger der Fall. Dabei wurde die Einzelhaft in manchen Fällen für die gesetzlich erlaubte Höchstdauer von vier Wochen verhängt; diese Höchstdauer erachtet das CPT für zu lange. Ferner empfiehlt der Ausschuss, die Einzelhaft für Jugendliche im Einklang mit den Mindestgrundsätzen der Vereinten Nationen zur Behandlung von Gefangenen („Nelson-Mandela-Regeln“) ganz abzuschaffen. Die Delegation stellte auffällige Unterschiede zwischen den besuchten Justizvollzugsanstalten bei den Regelungen für die Kontakte der Gefangenen mit der Außenwelt fest. In manchen Einrichtungen hatten sie in ihren Zellen Zugang zu einem Telefon, in der in Bayern besuchten Justizvollzugsanstalt hingegen durften sowohl Untersuchungsgefangene als auch Strafgefangene grundsätzlich überhaupt keine Telefonanrufe tätigen. Nach Auffassung des CPT sind derartige Zustände unhaltbar und nicht vereinbar mit den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen. Die Lebensbedingungen und die psychiatrische Behandlung in den besuchten psychiatrischen Einrichtungen entsprachen allgemein einem hohen Standard. Gleichwohl behaupteten bei dem Besuch einer Klinik für forensische Psychiatrie einige Patienten, die Sexualstraftaten begangen hatten und sich einer Behandlung mit antiandrogenen Medikamenten („chemische Kastration“) unterzogen hatten oder noch unterzogen, dass sie vom behandelnden Arzt unter Druck gesetzt worden seien, in die Behandlung einzuwilligen. Das CPT erinnert nochmals daran, dass eine antiandrogene Behandlung grundsätzlich nur auf freiwilliger Basis erfolgen sollte. In früheren Berichten brachte das CPT grundlegende Einwände gegen die chirurgische Kastration als Behandlungsmethode für Sexualstraftäter zum Ausdruck, da es sich um einen verstümmelnden und irreversiblen Eingriff handelt. In dem aktuellen Bericht begrüßt das Komitee, dass laut offiziellen Angaben im Zeitraum von 2013 bis 2015 keine einzige chirurgische Kastration eines Sexualstraftäters stattfand, und ermutigt alle betroffenen Bundes- und Landesbehörden, die chirurgische Kastration als Behandlungsmethode für Sexualstraftäter endgültig abzuschaffen. Die wichtigsten Ergebnisse des Besuchs des CPT sind in der Zusammenfassung des Berichts zu finden. In ihrer Stellungnahme geben die deutschen Behörden die geplanten oder bereits getroffenen Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen des CPT an. Der Bericht des Komitees sowie die Stellungnahme der deutschen Behörden wurden auf Antrag der deutschen Regierung veröffentlicht. Kontakt: Estelle Steiner, Sprecherin/Medienreferentin, Tel.: +33 3 88 41 33 35 |