Empfehlung 105 (2001)1 betreffend "Vielfalt der Sprachen: eine Herausforderung für die europäischen Städte und Regionen" Schlussfolgerungen der Konferenz von Rovinj,Kroatien 22.-23. März 2001

Der Kongress

1. Erinnert an seine Empfehlung 92 (2001) vom 31. Mai 2001 betreffend die Folgearbeiten zu der Konferenz "Städte und Regionen: kulturelle Vielfalt als Voraussetzung eines vereinigten Europa" (Innsbruck, 11.-12. Dezember 2000);

2. Berücksichtigt:

- die Empfehlung 1043 (1986) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats betreffend das sprachliche und literarische Erbe Europas sowie die am 28. September 2001 angenommene Empfehlung 1539 (2001) betreffend das Europäische Jahr der Sprachen;

- die Empfehlung Nr. R (98) 6 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten betreffend lebende Sprachen;

- die am 13. Juni 2001 angenommene Stellungnahme des Ausschusses der Regionen der Europäischen Union betreffend "Förderung und Schutz von Regional- und Minderheitensprachen";

3. Berücksichtigt die verschiedenen im Rahmen des Europäischen Jahres der Sprachen organisierten Aktivitäten;

4. Bezieht sich auf die am 23. März 2001 durch die Teilnehmer einstimmig gutgeheissene Schlusserklärung der Konferenz von Rovinj (22.-23. März 2001);

5. In Anbetracht

a. dessen, dass die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen zum Schutz des reichen sprachlichen und kulturellen Erbes von Europa beiträgt, indem sie im Geiste der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarats die Bedeutung der Vielsprachigkeit hervorhebt;

b. der Bedeutung der vom Europarat durchgeführten Arbeiten zur Erleichterung der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Förderung der Sprachenvielfalt und zur Festlegung von Standards auf nationaler wie internationaler Ebene einschliesslich des "Gemeinsamen europäischen Referenzsystems für das Sprachenlernen", der "Referenz-Niveaus" und des "Europäischen Sprachenportfolio";

c. der Botschaft und der ermutigenden Ergebnisse des Europäischen Jahres der Sprachen 2001, einer gemeinsamen Initiative des Europarats und der Europäischen Union mit dem Ziel, die sprachliche Vielfalt gebührend zu würdigen, die Mehrsprachigkeit zu fördern und zum lebenslangen Lernen von Sprachen anzuregen;

d. der Arbeit des Europäischen Fremdsprachenzentrums des Europarats (Graz, Österreich) mit dem Ziel, Sprachpolitiken und innovative Zugänge zum Lehren und Erlernen lebender Sprachen umzusetzen;

6. Ist der Ansicht,

a. dass die fortschreitende Globalisierung für viele europäische Sprachen - insbesondere für regional oder durch Minderheiten oder nur selten gesprochene Sprachen - eine Quelle von Schwierigkeiten, ja sogar eine Bedrohung bedeutet;

b. dass die Vielfalt der Sprachen ein Grundelement des europäischen Kulturerbes und einen Schlüsselfaktor der europäischen Zukunft darstellt;

c. dass eine mehrsprachige Erziehung unerlässlich ist für die Weiterführung der Zusammenarbeit und der Integration Europas;

d. dass die sprachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse der Bürger Europas sehr wichtig sind, versetzen sie sie doch in die Lage, sich aktiv am örtlichen, regionalen, nationalen und internationalen demokratischen Leben zu beteiligen und wirksam beizutragen zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Gemeinden und Regionen;

e. dass das Erlernen von Sprachen der Sache des Friedens dient, indem es das gegenseitige Verständnis, die Toleranz sowie die Achtung unterschiedlicher Wesensarten und kultureller Verschiedenartigkeit unterstützt;

f. dass das Erlernen von Sprachen den Horizont der Bürger erweitert und ihnen den Zugang zu neuen Kulturen und Lebensformen eröffnet;

g. dass Sprachenkenntnisse die Arbeits- und Mobilitätsmöglichkeiten in Europa verbessert;

h. dass alle Sprachen - ob national, regional, lokal, von Minderheiten gesprochen oder durch Einwanderungen gebracht - einander an Würde gleich sind;

7. Empfiehlt dem Ministerkomitee des Europarats,

a. den Rat für kulturelle Zusammenarbeit (CDCC) aufzufordern, in Zusammenarbeit mit den übrigen Lenkungsausschüssen (dem Lenkungsaussschuss für kommunale und regionale Belange (CDLR) und dem Lenkungsausschuss für soziale Kohäsion (CDCS)) Aktionsprogramme auszuarbeiten und umzusetzen, die einerseits den eingewanderten und den ausländischen Einwohnern das Erlernen der Sprache ihres Gatslandes ermöglichen und es andererseits den Einwohnern des Landes ermöglichen, ihre Kenntnis der Sprachen eingewanderter und ausländischer Mitbewohner zu verbessern;

b. die Europäische Kommission aufzufordern,

i. die Europäische Charta der Grundrechte, insbesondere deren Artikel 22, voll umzusetzen und der am 13. Juni 2001 angenommenen Stellungnahme CdR 86-2001 des Ausschusses der Regionen Rechnung zu tragen;

ii. ihre das Erlernen von Sprachen betreffenden Programme (Sokrates, Lingua, Comenius, Erasmus, Grundtvig, Leonardo, Da Vinci) zu verstärken und ihre Programme für Personen aus Nichtmitgliedstaaten der Europäischen Union leichter zugänglich zu machen;

iii. den KGRE zu ihren zukünftigen Programmen für den Schutz und die Förderung der regionalen und Minderheitensprachen sowie zu den Arbeiten einer zukünftigen Arbeitsgruppe für Regional- und Minderheitensprachen, wie sie der Ausschuss der Regionen vorgeschlagen hat, beizuziehen;

c. die Mitgliedstaaten des Europarats aufzufordern,

i. die Europäische Charta der regionalen oder Minderheitensprachen zu ratifizieren, falls sie dies noch nicht getan haben, und den rechtlichen Rahmen sowie die materiellen und personellen Mittel bereitzustellen, die zur Erhaltung und Förderung der regionalen und Minderheitensprachen in ihrer Eigenschaft als kostbare Bestandteile des europäischen Kulturerbes notwendig sind;

ii. die Nutzung des "Gemeinsamen europäischen Referenzsystems für das Sprachenlernen" des Europarats als Instrument für ein diversifiziertes Erlernen von Sprachen anzuregen;

iii. das Erlernen fremder, regionaler oder von Minderheiten gesprochener Sprachen mithilfe der neuen Informationstechnologien zu erleichtern;

iv. in unparteiischer Weise umfassende Politiken zur Sprachenförderung anzunehmen und das Sprachenlernen als eine Frage der Menschenrechte zu behandeln mit dem Ziel, dass sich Sprecher einer Sprache, die nicht diejenige der Mehrheit ist, in der Sprache ihrer Wahl an die öffentlichen Dienste wenden können;

v. die Formulierung von Bildungspolitiken anzuregen, die das Erlernen von mindestens zwei Fremdsprachen in den allgemeinbildenden Schulen erleichtern und für den Unterricht einzelner Fächer in verschiedenen Fremdsprachen zu sorgen;

vi. in Grenzregionen im Hinblick auf die Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Unterrichtsprogramme für die Sprache des Nachbarlandes einzuführen und in diesem Zusammenhang die Entschliessung 259 (1994) des KGRE betreffend die kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften und die grenzüberschreitende schulische Zusammenarbeit zu berücksichtigen, in deren Anhang sich drei entsprechende Musterverträge befinden;

vii. die Fernsehnetze zur Sendung von Programmen in Originalversion mit Untertiteln anzuregen, sodass sich die Zuschauer, vor allem die jungen unter ihnen, mit dem Klang der Fremdsprachen vertraut machen und die Kinder das Lesen ihrer Muttersprache üben können.

1 Diskussion und Annahme durch den Ständigen Ausschuss des Kongresses am 9. November 2001 (s.Dok. CG(8)24, durch die Herren A.Demine und P.Kittelmann, Berichterstatter, vorgelegter Empfehlungsentwurf).