Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Anforderungen an eine moderne Justiz sind vielfältig: Die Justiz soll aus Sicht der Steuerzahler günstig sein, aus dem Blickwinkel der Parteien rasch, unabhängig und auf qualitativ hohem Niveau entscheiden und aus der Perspektive des Gesamtstaates Rechtsfrieden und Rechtssicherheit unter Achtung der Grund- und Menschenrechte garantieren.

Als Justizministerin ist es daher meine Aufgabe für ein effizientes Gerichtssystem zu sorgen, das in seiner sozialen Verantwortung durch seine Leistungen den Rechts- und Wirtschaftsstandort Österreich sichert.

Die dazu zur Verfügung stehenden Mittel werden in Zeiten wie diesen naturgemäß kaum mehr, gleichzeitig steigen die Erwartungen der Bürger an die Justiz. Bürger erwarten sich zurecht höchste Qualität der Serviceleistungen, gleichzeitig soll es – ebenfalls verständlich – möglichst schnell gehen.

Darüber hinaus ist für jedermann unabhängig von seinen Einkommensverhältnissen der Zugang zum Recht, die Unabhängigkeit der Gerichte und die Fairness des Verfahrens zu gewährleisten.

In diesem ständigen Prozess der Optimierung ist es daher notwendig zu wissen, wie gut manche Teilbereiche der Justiz funktionieren und wo Verbesserungsbedarf besteht.

Ist die Justiz „schlank“ und effizient genug?

Sollte mehr in Personal oder Infrastruktur investiert werden?

Kann der Opferschutz verbessert werden?

Haben wir zu viele Gerichtsstandorte?

Bewältigt die Justiz die anfallenden Arbeitsmengen in adäquater Zeit?

Sind die Maßnahmen zur Frauenförderung wirksam?

Welche Reformen der europäischen Partner können Beispiel in der nationalen Justiz sein?

Antworten auf diese Fragen können nicht auf nationaler Ebene alleine beantwortet werden. Im Europa der partnerschaftlichen Zusammenarbeit liegt es nahe, diese Fragen gemeinsam zu beantworten und dabei voneinander zu lernen. So gab es zum Beispiel mit Frankreich einen intensiven Erfahrungsaustausch zur Einführung der österreichischen Vorverfahrensreform im Strafprozess, Aserbaidjan wiederum hat gemeinsames europäisches Know-How in den neu errichteten modernsten Gerichtsgebäuden verwendet.

Es ist daher für mich und meine Amtskollegen von großem Interesse, dass die Kommission für die Effizienz der Justiz des Europarates ihren nunmehr fünften, alle zwei Jahre erscheinenden Bericht über die Justizsysteme in Europa veröffentlicht. Nirgendwo sonst gibt es im Justizbereich die Möglichkeit, 46 europäische Justizsysteme auf Basis von 2,5 Millionen ausgewerteten Einzeldaten standardisiert miteinander zu vergleichen und Entwicklungstrends zu identifizieren und zu beschreiben. Es handelt sich für politische Entscheidungsträger um ein praktisches und detailliertes Werkzeug. Es geht darum, das Verständnis der Funktionsweise der Justizsysteme in Europa, ihre Effizienz und ihre Qualität im Interesse von 800 Millionen europäischen Bürgern zu verbessern.

Dafür möchte ich mich beim Europarat und den Experten der Evaluierungsgruppe herzlich bedanken, welche auch über den Bericht hinaus praxisorientierte Werkzeuge zur Steigerung der Effizienz in der Justiz erarbeitet.

Ich hoffe, dass die im Bericht publizierten Ergebnisse zeigen, dass unabhängig von in Medien präsenten Einzelfällen, die Justiz in Österreich und in Europa eine staatliche Institution ist, auf die man zu Recht vertrauen kann und die als dritte Staatsgewalt ein zuverlässiger Garant bei der Sicherung und Bewahrung unserer demokratischen Gesellschaftsordnung sowie der Grund- und Menschenrechte ist.

CEPEJ hat sich seit 2002 sehr bewährt und heute darf ich anlässlich des neuen Berichts 2012 zum 10 jährigen Geburtstag gratulieren! Es freut mich daher besonders, zusammen mit meiner französischen Amtskollegin und meinem Kollegen aus Aserbaidjan den aktuellsten Evaluierungsbericht der CEPEJ (Anm.: sprich „SEPESCH“) über die Justizsysteme in Europa in Wien zu präsentieren.