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Ref. DC 071(2018)

Liechtenstein sollte eine neue Integrationsstrategie entwickeln und Migrantenkindern helfen, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und die Realschule oder das Gymnasien zu absolvieren, sagt die europäische Antirassismus-Agentur

Strasbourg, 15.05.2018 - In einem heute veröffentlichten Bericht ruft die Europäische Kommission zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz (ECRI) die liechtensteinischen Behörden auf, eine neue Integrationsstrategie mit einem besonderen Schwerpunkt auf Bildung zu entwickeln, Hassrede effektiver zu verhindern und zu bekämpfen, und diskriminierenden Praktiken im Hinblick auf religiöse Gemeinschaften zu beenden. Gleichzeitig begrüßt der Bericht die Gründung einer Gleichbehandlungsstelle, den liechtensteinischen Verein für Menschenrechte.

ECRI zeigt sich des Weiteren erfreut, dass diese Gleichbehandlungsstelle das Mandat erhalten hat, Beschwerden über Diskriminierungen zu untersuchen und sich an Gerichtsverfahren zu beteiligen. Politiker und die Medien verwenden fast ausnahmslos keine Hassrede, und in den letzten fünf Jahren wurde lediglich ein gewalttätiger rassistischer Zwischenfall gemeldet. Die Behörden haben ihre Maßnahmen zur Verbesserung der Deutschkenntnisse von Migrantenkindern verstärkt, und Ausländer können auf lokaler und nationaler Ebene in bestimmten Gremien mitarbeiten. Die Einstellung gegenüber LGBT-Personen hat sich erheblich verbessert, und gleichgeschlechtliche Personen in eingetragener Partnerschaft haben dieselben Rechte wie verheiratete heterosexuelle Paare.

ECRI bedauert jedoch, dass es kein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz gibt, dass die Gleichbehandlungsstelle Diskriminierungsfälle nicht im eigenen Namen vor Gericht bringen darf, und dass die Finanz- und Personalausstattung dieser Stelle äußerst knapp bemessen ist. Hassrede gegen Migranten, Muslime, Ausländer und LGBT-Personen findet sich in Internetforen und wird in Leserbriefen veröffentlicht.

Seit 2014 gibt es keinen Integrationsplan mehr. Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund, die lediglich die Oberschule besuchen, ist immer noch sehr hoch, und ihre schulischen Leistungen sind signifikant schlechter als die der anderen Schüler. Der Zugang zur Einbürgerung ist erheblichen Beschränkungen unterworfen, Ausländer haben kein Wahlrecht und es gibt erhebliche Unterschiede in der Behandlung religiöser Gruppen im Hinblick auf ihren Rechtsstatus und ihre Finanzierung. Einige haben nach wie vor Probleme, angemessene Andachtsstätten zu finden.

„Es ist wichtig, dass Liechtenstein eine neue Integrationsstrategie entwickelt und zur Integration der verschiedenen Migrantengruppen stimmige Maßnahmenbündel umsetzt”, erklärte Jean-Paul Lehners, der Präsident von ECRI. „Eine Studie über die Probleme, denen diese verschiedenen Gruppen ausgesetzt sind, wäre hilfreich für die Erarbeitung der Strategie und dafür, diese auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen mit Migrationshintergrund auszurichten”, fügte er hinzu. „Des Weiteren gibt es keine aktuellen Daten zur Situation von LGBT-Personen. Eine weitere Studie in diesem Bereich würde die Grundlage dafür bilden, Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung von Diskriminierungen dieser Menschen zu implementieren.”

Der Bericht enthält 12 Empfehlungen an die liechtensteinischen Behörden. Innerhalb von zwei Jahren wird ECRI die Umsetzung von zwei dieser Empfehlungen untersuchen, die sie als vorrangig betrachtet:

·         Die Behörden sollten auf der Grundlage einer Studie über die Probleme der verschiedenen Migrantengruppen eine neue Strategie und einen neuen Aktionsplan für ihre Integration entwickeln;

·         Die Behörden sollten eine Studie über die Lebensbedingungen und die Diskriminierung von LGBT-Personen in Auftrag geben, um die Probleme zu verstehen und zu beheben, mit denen diese Personen konfrontiert sind.

Der Bericht wurde im Anschluss an einen Besuch von ECRI in Liechtenstein im September 2017 verfasst und deckt, sofern nicht anders angegeben, den Zeitraum bis zum 6. Dezember 2017 ab.

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Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) ist ein Menschenrechtsgremium des Europarats, bestehend aus unabhängigen Experten, die die Probleme Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Intoleranz und Diskriminierung aufgrund von „Rasse", nationaler/ethnischer Abstammung, Hautfarbe, Staatsangehörigkeit, Religion und Sprache (rassistische Diskriminierung) überwacht, Berichte erstellt und Empfehlungen für die Mitgliedstaaten ausspricht. ECRI überwacht die Situation in den Mitgliedstaaten in Fünfjahreszyklen.

Kontakt: Estelle Steiner, Sprecherin/Pressebeauftragte, Tel.: +33 88 41 33 35